Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Tara84
Beiträge: 53
Registriert: 22. Dez 2019, 17:15

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Tara84 »

Liebe DieNeue,

wie habe ich das geschafft. Es ist ein langer Prozess, der letztlich nach wie vor andauert.

Rückblickend gab es jedoch Schlüsselmomente. Im Herbst vorletzten Jahres hing ich in einer depressiven Episode fest. Es war die zigste in meinem Leben und ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Mein Psychiater riet mir zur Psychotherapie. Obwohl er um meine wenig erfolgreiche tiefenpsychologische Therapie wusste.

"Wovor haben Sie Angst?"
"Was könnte Schlimmes passieren?" waren seine Fragen. Ich konnte sie ihm nicht beantworten, nur das Gefühl der Angst, aber nicht wovor.

Das wiederum hat mich dazu gebracht, meine Angst zu hinterfragen. Warum überhaupt Angst? Vor erneuter Enttäuschung? Ja, ok. Aber nicht vor Enttäuschung von außen, sondern vor mir selbst.

Wie du bereits gelesen hast, habe ich einiges an Therapiererfahrung angesammelt. Meine größte Angst war ich selbst. Als ob am Ende einer Therapie ein Leistungstest ansteht, den ich vermasseln könnte.

Gut, dachte ich mir. Was sind die Erkenntnisse aus deinen bisherigen Therapien? Zu hoher Selbstanspruch und Perfektionismus. In der Schematherapie spricht man hier vom inneren Kritiker. Der war bei mir eher ein Feldwebel der Bundeswehr.

Ich wollte mich meinem Feldwebel stellen und habe eine weitere Therapie, diesmal VT gestartet. Meine Therapeutin hat mir vor Augen geführt, wieviel Druck ich mir selbst mache. Nach und nach habe ich gelernt diesen abzubauen, in dem ich mir realistische Ziele setze und somit bei Erreichung dieser Ziele endlich positive Erfahrungen gemacht habe.

Sobald sich bei ein negativer Gedanke oder Selbstherabsetzung einschleicht, stelle ich mir folgende Frage:
Inwiefern hilft dir das jetzt?
Ich stelle mir diese Frage bewusst in der Du-Form, da sie Distanz schafft. Somit kann ich mich besser von außen betrachten.

Es gibt noch soviel zu schreiben, dies gern an anderer Stelle :-)

Beste Grüße
Tara
niri76
Beiträge: 73
Registriert: 26. Aug 2022, 10:06

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von niri76 »

Hallo

Ich glaube es geht garnicht darum die Vergangenheit ändern zu wollen. Das ist unmöglich. Sondern darum, sie loszulassen. Und in der Gegenwart zu leben. Der Vergangenheit keine Macht mehr über mich geben. Das habe ich in der Therapie gelernt. Aber auch hier wieder ein langer Prozess. Etwas zu wissen und es dann auch umsetzten zu können sind zwei verschiedene Dinge. Das dauert halt.

Grüße
niri
Ulli1905
Beiträge: 38
Registriert: 14. Sep 2022, 08:51

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Ulli1905 »

Meridian hat geschrieben: Mein Therapeut würde mir auch nicht sagen, wie ich mich ändern kann, ganz im Gegenteil, er fragt mich, was ich ändern will und bietet mir dann an, gemeinsam daran zu arbeiten.
Wenn ich so festhänge in alten Verhaltensweisen, fragt er manchmal auch: Wollen Sie eigentlich etwas verändern?
Und das ist eben die anstrengende Arbeit, von der ich geschrieben habe.
Eigentlich berichte ich ja auch "nur" über mich, manchmal lässt er mich reden, manchmal fragt er nach oder er widerspricht mir, macht mir deutlich, dass man das Ganze auch aus einer anderen Perspektive sehen kann usw,
Und so langsam, während wir seit Monaten eigentlich "nur" reden, verändert sich etwas, verändere ich mich, bewege ich mich zumindest schon mal in die Richtung der von mir gewünschten Therapieziele.
Das alles passiert, ohne dass er mir jemals etwas "aufgetragen" hat.
Es ist für mich das Gegenteil von starr und unveränderlich, es ist ein sehr dynamischer Prozess, der aber manchmal auch frustrierend ist, weil ja keiner seine alten Verhaltensweisen einfach so aufgibt (auch wenn man schon erkannt hat, dass sie dysfunktional sind).

LG, Meridian
Hallo Meridian,
ich danke Dir von Herzen für diese wunderbare Schilderung ... die berührt mich sooo sehr und gibt mir gerade ganz viel Hoffnung und Zuversicht, und auch Vertrauen in die Wirkung von Therapie. Irgendwie bin ich aus Neugier in diesem Thread gelandet und nun finde ich so einen Schatz für mich ... danke!!!

Herzliche Grüße,
die Ulli
zwölfjahre
Beiträge: 12
Registriert: 28. Apr 2019, 20:48

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von zwölfjahre »

Ich denke, ohne arrogant klingen zu wollen,
der Therapeut muss einem tatsächlich gewachsen sein.

Man darf ihn oder sie nicht manipulativ "austricksen" können, selbst, wenn das unbewusst passiert, da man den unbequemen Zonen ausweichen möchte / dazu neigt ... und es dann auch kann, ohne dass es der Therapeut merkt bzw. vielleicht es einfach zulässt, was dann auch disqualifiziert.

Und ... er muss Dich "verstehen", einen Draht zu Dir haben.

Fehlt eines von beiden ... ist es letztlich nur eine Gesprächsrunde,
die irgendwann das Ende der Therapiesätze erreicht hat.
Sanne-
Beiträge: 109
Registriert: 13. Jan 2022, 20:06

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Sanne- »

Hallo f32,
Ich weiß zwar nicht ob du noch mitliest bei so vielen Nachrichten... ich habe jetzt auch nicht alle Antworten gelesen. Also schonmal sorry, falls ich was wiederhole:
Wenn es dir so schlecht geht und du keine Besserung durch die Therapie erlebst, würde ich vielleicht mal einer medikamentösen Einstellung eine Chance geben. Bist du bei einem/er Psychaiter/in angebunden, dem/der du vertraust?
Ich habe einige Psychiater*innen kennengelernt, die ich gar nicht gut fand aber auch welche, die ich toll fand... da mal zu suchen könnte dir ja vielleicht helfen. Ich steh nicht so sehr hinter Psychopharmaka, weil ich immer so extreme Nebenwirkungen habe aber wenn sonst nichts hilft kann man ja vorsichtig mit einem guten Arzt schauen was einem weiterhelfen könnte.
Dann hat mir ein stationärer Aufenthalt auch mal sehr geholfen, während zwei weitere stationäre Aufenthalte die Symptome nur verschlimmert haben... also ich denke man muss auch Glück haben das zu finden, was einem hilft und zu einem passt...
Was mir auch noch einfällt: Hast du mal ein paar Termine zur Diagnostik gemacht? Wenn du Kindheitstraumata erlebt hast, dann steht da ja oft noch was anderes hinter der Depression.
Falls da noch eine komplexe PTBS oder Borderline oder eine andere Persönlichkeitsstörung ist oder auch wenn es nur eine -akzentuierung ist, können speziell dafür entwickelte Therapien hilfreich sein.
Ich selbst habe für mich leider auch noch nicht den richtigen Weg gefunden mit meinem Leiden umzugehen... bin nicht mutig genug, um meine eigenen Grenzen immer klarzumachen... ich weiß nicht mal ob es mir da nur an Mut fehlt. Manchmal fühlt es sich auch einfach an wie eine Blockade. Als ob ich es gar nicht könnte. Vor allem, wenn ich dann eine Verschlechterung der Situation vermute. Naja...
Alles Gute dir auf jeden Fall
Salyx
Beiträge: 16
Registriert: 14. Jul 2021, 10:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Salyx »

Hallo f32,

ich kann einiges auch gut verstehen, habe ich selbst doch oft den Eindruck, nur auf der Stelle oder maximal im Kreis zu laufen. Immer wieder den Hinweis zu bekommen, ich solle "Geduld mit mir" haben und mir Zeit geben, kann ich nicht mehr hören.

Und doch glaube ich, bei mir einen wichtigen Knackpunkt entdeckt zu haben. Vielleicht gibt dir meine Beschreibung ja auch ein paar neue Ideen:

Vor 10 Jahren hatte ich meinen ersten großen Zusammenbruch, mit Klinikaufenthalten, Therapien und Umschulung habe ich mich aus diesem großen Tief rausgehieft. 2019, fast 10 Jahre später, lag ich wieder am Boden, total zerstört und zurückgeschleudert. Ich habe es nicht verstanden. Warum geht es mir wieder schlecht? Schlechte Phasen hatte ich davor auch, aber ich habe trotzdem funktioniert. Das ist seitdem nicht mehr so, ich habe das Gefühl, in meiner Depression festzuhängen. Trotz Therapie, Tagesklinik, medizinischer Reha, Medikamenten.

Erst einmal ist mir aufgefallen, dass du geschrieben hast, dass man dir in einer Klinik auch eine PS diagnostiziert hat? Ich selbst war auch überrascht und geschockt, als damals ein Psychiater diesen Verdacht äußerte. ABER: Grade wenn in der Kindheit etwas schief gelaufen ist, ist das keine Seltenheit. Und dann ist eine Depression ein Symptom, aber die Ursache muss vielleicht ganz anders behandelt werden. Für mich war das ein Aha-Erlebnis, weil ich dadurch auch verstanden habe, warum, meine Depression eben nicht weggeht, wenn ich eine Behandlung dagegen erhalte. Bei einer Persönlichkeitsstörung ist - so habe ich es verstanden- das Unterbewusste viel stärker involviert und verarschst dich regelmäßig, damit du ja nichts änderst. Das nenne ich meinen "blinden Fleck".

Ich habe feststellen müssen, dass ich kognitiv alles durchgearbeitet habe, von meiner eher negativen Kindheit über meine Beziehungen bis hin zu meiner Persönlichkeitsstörung. Ich habe mich viel belesen und auch viel von dem gemacht, was bei Depression ja helfen soll. Ohne Erfolg.

Erst seit 2019 befasse ich mich damit, dass ich auch meine Emotionen mit einbeziehe. Ich habe Gesprächsgruppen gehabt, wo ich ganz lässig von schlimmen Situationen spreche und viele um mich herum anfangen zu weinen. Ich habe gemerkt, dass ich keinen guten Bezug zu meinen Gefühlen habe und viele blockiere und nicht zulasse. Das war früher ein Schutzmechanismus, der mir aber heute das Leben schwer macht. Wo andere Menschen Trost suchen, sich anvertrauen, sich verletzlich zeigen, werde ich depressiv, ziehe mich zurück und versuche, das mit mir auszumachen. Wo andere ihre Bedürfnisse und Wünsche aussprechen, schweige ich. Es hat Formen wie Kunsttherapie, Bewegungstherapie oder "Klopfen" gebraucht, wo mein Kopf umgangen wurde und ich mit voller Wucht auf meine Gefühle getroffen bin, damit ich begriffen habe, dass es nicht meine Geschichte ist, die mir jetzt noch Probleme bereitet. Es sind meine negativen Glaubenssätze und emotionalen Anteile, die mich weiter begleiten. Und das Schwere in meiner Therapie (Psychoanalyse) ist es nicht, über meine Geschichte zu reden, sondern über meine Gefühle. Und mir diese im Alltag, gerade wenn es schwierig wird und "wieder dieselben Programme ablaufen", bewusst zu machen.

Darüber bin ich mit meiner Therapeutin mal an einen Punkt gekommen, wo ich von einem Traum erzählte. So weit so gut. Dann fragte sie nach den Gefühlen dazu. Was soll ich sagen, mein Körper reagierte und nach 10 min "nur darüber reden" hatte ich eine deftige Panikattacke. Treffer. Das ist für mich die schwere Arbeit bei einer Therapie, dass ich mich auch auf dünnes Eis begebe, eben mit den Dingen beschäftige, für die ich vielleicht auch keine Worte habe. Es muss nicht immer in einer Panikattacke enden, zeigt mir dann aber, dass sich etwas bewegt.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiter helfen. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute!

Nicole
Meridian
Beiträge: 506
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Meridian »

Hallo Nicole,

ich finde mich gerade in dem, was du geschrieben hast, so sehr wieder.
Genauso habe ich es auch erlebt in meiner Therapie (tiefenpsychologisch).
In der ersten Stunde habe ich dem Therapeuten ganz sachlich von meinem Zusammenbruch, meinen Klinikaufenthalten usw. erzählt und er meinte dann: Damit haben Sie mir jetzt gar nichts gesagt. Was ist denn das Gefühl dahinter? Kann es sein, dass es Wut ist?
Und ich wusste tatsächlich nicht, was er damit meint, weil ich keinen Zugang zu diesen Gefühlen hatte.
Den habe ich mir dann langsam in der Therapie wieder erarbeitet und auch mühsam gelernt, meine Bedürfnisse und Wünsche zu äußern.
Danke, dass du mir den Unterschied in der Behandlung von Depression und PS gerade nochmal so klargemacht hast. Manchmal vergesse ich das tatsächlich und wundere mich dann, warum ich in der Depression festhänge und realisiere gar nicht, dass ich wieder dabei bin, bestimmte Gefühle wegzupacken (der alte Schutzmechanismus).
Dass bei einer PS das Unbewusste viel stärker involviert ist und gerne mal jede Veränderung blockiert, auch das kann ich so bestätigen.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich damit verbracht habe, meinem Therapeuten zu erklären, warum
ich etwas nicht ändern kann :)
Dir weiterhin alles Gute auf deinem Weg und mit deiner Therapie.

LG, Meridian
Kenny
Beiträge: 324
Registriert: 3. Sep 2017, 16:37

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Kenny »

.
Zuletzt geändert von Kenny am 16. Feb 2023, 22:09, insgesamt 1-mal geändert.
Meridian
Beiträge: 506
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Meridian »

Hallo Kenny,

darf ich dich fragen, warum du das Gefühl hast, dass dich tiefenpsychologische Therapie in den Abgrund zieht?
Musst du natürlich nicht beantworten, falls dir das zu persönlich ist, aber es interessiert mich,
weil es da eine Resonanz gibt, wenn ich das lese.

LG, Meridian
Gartenkobold
Beiträge: 2042
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Meridian,

sorry wenn ich mich einklinke. Ich habe jetzt auch eine tiefenpsychologische Therapie bei einem Traumatherapeuten angefangen und mir geht es bedeutend schlechter und ich habe wieder angefangen zu dissoziieren. Im Moment stelle ich das Verfahren auch in Frage, möchte das beim nächsten Mal mit ihm besprechen. Mit VT habe ich eher schlechte Erfahrungen gemacht. Verstrickung usw. Die Folgen trug ich und es hat lange gedauert bis es mir einigermaßen ging.
Wie hilft Dir Deine tiefenpsychologische Therapie?

LG Gartenkobold
Kenny
Beiträge: 324
Registriert: 3. Sep 2017, 16:37

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Kenny »

Hallo Meridian,

es ist kein Gefühl, es ist eine Tatsache. Tiefenpsychologische Therapie öffnet bei mir innere, unbewusste Kanäle. Mich überflutet eine Welle von Schmerz, die so unerträglich ist, dass ich nur noch sterben möchte.
Ich halte es einfach nicht aus. Mehrfach habe ich versucht durchzuhalten, aber der Schmerz lässt nicht nach. Das ging oft über Monate, ohne dass die jeweiligen Therapeuten mir irgendetwas hilfreiches anbieten konnten. Die inneren Wunden (oder was auch immer) wurden jeweils nur aufgerissen, oft wurde ich in Therapiestunden mitten im Satz unterbrochen mit : "die Zeit ist um " und dann mit meinen offenen, blutenden seelischen Verletzungen einfach alleine gelassen. Auch wenn ich mich stationär in einer Klinik befand. Wie ich mit diesem unerträglichen Schmerz klar kam hat nie einen meiner Therapeut/Innen gekümmert. Meiner Meinung nach können tiefenpsychologisch ausgebildete Therapeuten wunderbar analysieren, diagnostizieren, unglaublich gute und treffende Berichte schreiben,....aber kein einziger konnte mir etwas anbieten was diesen inneren Schmerz gelindert hätte....oder sonst irgendwie hilfreich für mich gewesen wäre. In einer psychosomatischen Klinik mit diesem Therapieansatz ging es mir nach 4 Wochen Behandlung so schlecht, die S-Gedanken wurden so überwältigend, dass ich wirklich Angst um mich bekam. Ich habe an diesem Punkt die Behandlung abgebrochen...weil ich noch ein bisschen leben wollte. Ich habe mehrere Jahre gebraucht, um mich von dieser Behandlung zu erholen.
Diesen, im wahrsten Sinne des Wortes, höllischen Schmerz möchte ich nicht noch einmal erleben. Schon gar nicht, wenn ich damit vollkommen alleine bin.


Ich hoffe, dass ich Deine Frage damit beantwortet habe.

LG Kenny
Meridian
Beiträge: 506
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Meridian »

Hallo Gartenkobold,

tut mir leid, dass es dir jetzt in der Therapie wieder schlechter geht.
Ich habe lange nach einem Therapeuten gesucht, der nicht vor dem Abgrund zurückschreckt, um mal in Kennys Bild zu bleiben.
Und ja, die tiefenpsychologische fundierte Therapie hat mir geholfen, an die Ursache meiner Probleme zu kommen, zu erkennen und zu verstehen, dass es traumatische Erfahrungen sind.
Das Schwierige ist die Veränderung der alten Muster und Verhaltensweisen, durch die ich mich früher geschützt habe, die aber jetzt so nicht mehr angemessen bzw. notwendig sind, z.B.
Dissoziationen.
Das ist aber so in mir abgespeichert, dass ich auf bestimmte Auslöser immer auf dieselbe Art und Weise reagiere, da nutzt die Erkenntnis erstmal nicht so viel.
Ich kenne die Phasen in der Therapie auch, in denen ich gezweifelt habe, ob ich wirklich noch etwas Grundlegendes verändern kann.
Ich habe das dann immer angesprochen, so wie du es ja auch vorhast.
Vielleicht gehört eine zweitweise Verschlechterung ja zu dem schwierigen Therapieprozess, sie sollte aber natürlich nicht dauerhaft sein.
Jedenfalls hoffe ich, dass du das für dich und zusammen mit deinem Therapeuten klären kannst, wie es weitergeht.
Alles Gute für dich.

LG, Meridian
Gartenkobold
Beiträge: 2042
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Meridian,

danke für Deine Antwort. Diese Muster nenne ich Schemata und mein Therapieziel ist es diese zu verändern. Mein T hat auch mit Schematherapie gearbeitet und mit Somatic Experiencing. Wichtiger als seine Ausbildung ist mir, dass es menschlich gut passt. Er würde mich nie zu etwas zwingen was ich nicht möchte (bei anderen tPTlern habe ich das erlebt...entweder Sie nehmen Medikamente oder die Therapie ist beendet, entweder Sie erzählen xyz oder die Therapie ist beendet, sowie Wut über Dissoziation, dabei kann ich diese nicht kontrollieren).
Auf die nächste Sitzung bin ich gespannt und dann ist auch erst mal 5 Wochen Pause, durch die Begutachtung der KK. Dann erfahren wir ob es weiter/losgeht mit der Therapie.
@Kenny: danke für Deine Schilderung. Ja genau so geht es mir auch. Und je besser die Beziehung zum T ist, desto mehr vertraue ich und kann mehr erzählen und desto größer ist der Schmerz, desto matschiger fühle ich mich und zwar mehrere Wochen. Mal sehen ob mein T eine Strategie anbieten kann mit dem Schmerz umzugehen. Allerdings lässt er mich nicht alleine (wie seine Vorgänger), im professionellen Rahmen. Ich stehe da auch nicht ständig auf der Matte, kann durchaus ein paar Wochen ohne T auskommen. Aber wenn ich in Not wäre, er würde mir einen Termin einräumen, da bin ich mir sicher.

LG Gartenkobold
Meridian
Beiträge: 506
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Meridian »

Hallo Kenny,

danke für deine ausführliche Antwort, ich musste erst mal tief durchatmen, als ich das gelesen habe, es löst einiges in mir aus.
Es ist absolut nachvollziehbar, warum Tiefenpsychologie nach diesen Erfahrungen nicht mehr in Frage kommt.
Du schreibst aber auch von guten Erfahrungen mit anderen Therapien, also hoffe ich, dass du etwas gefunden hast, das dir hilft, mit diesem Schmerz umzugehen.
Ich habe es während meiner Therapie größtenteils so empfunden, dass ich das Analytische, Distanzierte, eher Sachliche brauche als Gegengewicht zu meinen Gefühlen, die ich (wenn ich sie zulasse) als so intensiv empfinde, dass sie mich regelrecht überfluten.
Ich denke, ich musste die Erfahrung machen, dass der Therapeut das aushält, dass es auszuhalten ist, vielleicht irgendwann auch für mich.
Allerdings habe ich oft genug damit gehadert, wenn ich den Eindruck hatte, er verschanzt sich jetzt hinter dieser analytischen Art, wenn ich etwas anderes gebraucht hätte, eine Rückmeldung z.B.
Insgesamt ist es aber vielleicht viel weniger das Verfahren als die therapeutische Beziehung, die den Unterschied macht, ob eine Therapie erfolgreich ist oder nicht.

LG, Meridian
Schlumpffine
Beiträge: 361
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo in die Runde,
ich lese sehr interessiert mit, vieles der hier gepostete Beiträge deckt sich mit meinen Erfahrungen.
Ich bin an Eurer Meinung zu folgende(r) These/Perspektivwechsel interessiert:
Bedingung:
Jede NEU zu erlernende Fähigkeit gliedert sich in mehrere Lernschritte:
1) Vorstellung
2) Erlernen der Fähigkeit
3) Übungsphase
4) Reflektion und "Feinschliff" des erlernten
5) Vertiefung des Erlernten
6) Anwendung der "Vertiefung"
7) Auswertung und Korrektur unvollständiger/möglicher "Fehler"

Wenn man jetzt diese o.g. Verfahrensweise mit unseren Therapieerfahrungen abgleicht, kristalliert sich folgendes Bild heraus.
Es wird über eine Therapieform (Bsp.SchematherapieCBASP/ABC-Methode)und diverse "Hilfsmittel" ( Skills") informiert.
Aufgrund von Termindichte( Information von vielen verschiedenen Themen) und Zeitmangel ( 4-8 Wochen Klinikaufenthalt) wird nur mangelhaft geübt,reflektiert und ausgewertet.
Nach relativer kurzer Zeit (Aufenthalt) soll der Patient(in) eigenständig und voll ausgebildet sein und eigenständig,reflektiert arbeiten können.
Unterstützung bekommt er ggf. von einem externen "Lehrer/Sachkundigen" oder auch nicht.
Jetzt Frage ich mich, ob ein "mangelnder Erfolg einer Therapie" nicht ein Systemfehler ist.
Es erscheint mir unmöglich in 3-12 Wochen eine Therapieform vollumfänglich zu erlernen.
Dazu zähle ich auch solche Formen wie Selbstfürsorge,Achtsamkeit, Glaubensätze, Ängste und Befürchtungen.
Selbst wenn jemand danach einen Therapieplatz erhält, ist der Behandlungszeitraum begrenzt.
Jeder Therapeut benötigt Zeit, um sich auf den/die Klienten(in) einzustellen ,kennezulernen und auf seine Bedürfnisse einzugehen.
Wenn ich jetzt die Fülle des notwendig zu erwerbenen Wissen versus zur verfügung stehenden Zeit setze, komme ich zu dem Schluss, das jede Therapie
nicht voll wirksam ist. Es fehlt an allem.
Der Therapeut soll in der begrenzten Zeit, die ihm zur Verfügung gestellt wird, einen Klieneten vollständig heilen. Das halte ich für sehr ambitioniert.
Selbst, wenn jemand ambitioniert, Wissensensdurstig und Veränderungsbereit ist, fehlt es im Nachgang an Fachlicher Kompetenz zur Begelitung.
Ein "Therapieversagen" halte ich unter diesen Gesichtspunkten für vorprogrammiert.
LG Schlumpffine
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Gartenkobold
Beiträge: 2042
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Schlumpffine,

das denke ich auch. Theresa (https://www.dis-sos.com/dbt-ptbs/" onclick="window.open(this.href);return false;") hat es so beschrieben (ich denke das ist unabhängig von Störung und Verfahren): "Ich habe 24 Wochen klassische DBT und weitere 6 JAHRE Übung gebraucht, um alle Werkzeuge im gesamten DIS System zu etablieren. Mein getesteter IQ liegt bei 132. Es braucht EXTREM spezielle Patienten, um das alles in ein paar Wochen zu lernen, wie das Programm es vorsieht". Ich möchte nicht das Thema DIS oder DBT hier einbringen, aber die Aussage trifft Deine Beschreibung Schlumpffine ziemlich gut.
Und nun? Therapie ganz lassen, oder es trotzdem weiter probieren?

Für mich habe ich entschieden, ich probiere es weiter, soweit langfristig hilfreich.

LG Gartenkobold
Kenny
Beiträge: 324
Registriert: 3. Sep 2017, 16:37

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Kenny »

Hallo Meridian, hallo Gartenkobold,

Danke für Eure Rückmeldungen.

Eine gute, tragfähige therapeutische Beziehung ist eine sehr wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Die einzelnen Verfahren die ein Therapeut dann einsetzt sind für uns als Patienten eher zweitrangig. Wichtig ist nur, dass es für uns nützlich und hilfreich ist. Gute, hilfreiche Therapien lösen einen tiefergehenden, emotionalen Entwicklungsprozess bei mir aus. Ich kann Hintergründe erkennen, die eigenen Ängste und Verhaltensweisen reflektieren, im günstigsten Fall schrittweise auflösen und durch neue, angemessenere Strategien ersetzen. Mit jeder einzelnen Therapiestunde kann ich eine ganz spezielle (oft nur eine kleine, aber vielleicht sehr wirkungsvolle) Veränderung erzielen. Es liegt in der Verantwortung des Therapeuten, diesen Entwicklungsprozess zu leiten. Er/Sie muss fähig sein, die Stunde zu strukturieren und mich rechtzeitig aus den tiefen meiner (evtl.) traumatischen Erlebnisse zurückzuholen, auf den Boden der Realität. Wenn ich eine Praxis verlasse sollte ich nicht (aufgrund der Unfähigkeit mancher Therapeuten) akut suizidgefährdet sein.

Ich persönlich habe sehr gute Erfahrungen gemacht mit Gestalttherapie, analytischer Gestalttherapie, Systemischer Therapie, Bioenergetik und Psychodrama.
Leider werden diese wirklich fundierten Verfahren noch immer nicht von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. (Mit Ausnahme der Systemischen Therapie, aber das ist ja noch eine neuere Entwicklung.) Solange ich berufstätig sein konnte war es mir in Krisensituationen möglich, meine Therapiestunden über einen gewissen Zeitraum hinweg selbst zu bezahlen. Aber auch da kam ich regelmäßig an Grenzen...Als es mir so elend ging, dass ich nicht mehr arbeiten konnte, kamen nur noch die Kassenleistungen in Betracht. Für mich persönlich waren diese Angebote nicht hilfreich. Leider.

Ich denke, jeder Mensch muss da seinen ganz eigenen Weg, seine eigenen Therapeuten und die individuellen Methoden für sich finden.

Ich wünsche Euch authentische Therapeuten, die fähig sind ihr therapeutisches Handwerkszeug hilfreich für Euch einzusetzen, die wertschätzend und respektvoll mit Euch umgehen und für die Empathie kein Fremdwort ist.

Liebe Grüße an alle hier

Kenny
Meridian
Beiträge: 506
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Meridian »

@Kenny
Ich habe dir eine PN geschickt.
Meridian
Beiträge: 506
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Meridian »

Hallo Schlumpfine,

ich denke auch, dass Therapieprozesse oft sehr viel viel länger brauchen, als die von den KK vorgegebene Zeit.
Andererseits ist die Erwartung, dass eine Psychotherapie einen als "geheilt" entlässt, vielleicht einfach zu hoch.
Vieles kann in der Therapie nur angestoßen werden, erproben und umsetzten muss man es dann eh im Alltag und in anderen Beziehungen.
Ich habe mit dem Ende der Therapie (Höchstdauer 100 Std.) sehr gehadert, vor allem, weil ich diese gute Beziehung, diesen sicheren Raum und die Möglichkeit, verlässlich einmal in der Woche alles ansprechen zu können, was mich bewegt, nicht aufgeben wollte.
Jetzt habe ich noch einzelne Gespräche mit dem Therapeuten in größeren zeitlichen Abständen und ich bin froh darüber, dass er mir das angeboten hat.

LG, Meridian
Schlumpffine
Beiträge: 361
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Meridian,
"Andererseits ist die Erwartung, dass eine Psychotherapie einen als "geheilt" entlässt, vielleicht einfach zu hoch."
Alles eine Frage der Motivation, der Eigenreflektion und- das wichtigste- ZEIT.
Sicherlich ist es schwer,etablierte Verhaltensmuster zu ändern, aber nicht unmöglich. Ob es aber innerhalb einer gehnemigten Therapiedauer möglich ist,halte ich persönlich für sehr unwarscheinlich.
LG Schlumpffine
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Gartenkobold
Beiträge: 2042
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Warum Psychotherapie nicht funktioniert

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo,

ja er hat Strategien auch im Umgang mit anderen anstrengenden Gefühlen. Hauptsächlich Körperpsychotherapie, ähm ja, sehr sehr ungewöhnlich und ich habe da große Hemmungen. Also Übungen, die ich für mich machen kann (er macht nix, alles andere ginge auch einfach gar nicht). Na ja mal sehen. Selbst ein Body-scan ist ein Problem für mich. Aber ich schau mal ob ich was umsetzen kann, evtl. in einem Sportkurs, werde mich durchprobieren über das Jahr. Das ist nix was schnell geht...zumindest bei mir nicht.
Hier hatten wir das schon mal, scheint was dran zu sein (leider kann ich den Link nicht einfügen -> Therapie bei Entwicklungstrauma/Bindungstrauma).
Die Suche habe ich immer weiter fortgeführt. Dies ist T Nr. 4 in Verfahren 1-2. PA würde ich nicht machen. Systemische Therapie, soll sehr wirksam sein. Aber es wird echt was mit diesem T und dieser Therapie. Somit bleibe ich dabei und konzentriere mich darauf. Vielleicht ist das Verfahren wirklich nachrangig. Die Beziehung zählt!
Ich habe jedenfalls nicht aufgegeben, auch bei schlechten Erfahrungen muss ich irgendwie trotzdem in mein Lernfenster gekommen sein und weiß jetzt ziemlich genau was oder wer mir nicht hilft und wer oder was hilfreich sein könnte und probiere es in zumindest Baby-Schritten aus.
Irgendwann will ich auch mal ankommen nach 6 Jahren, scheint so als würde es werden :-).

LG Gartenkobold
Antworten