Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

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Vanita
Beiträge: 3
Registriert: 6. Feb 2023, 19:55

Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

Beitrag von Vanita »

Hallo zusammen,

kennt Ihr Zustände, in denen das depressive Denken so herunterzieht, dass es einer Behandlung im Weg steht?

Ich möchte kurz erzählen, warum ich mich hier angemeldet habe. Ich hoffe auf einen Austausch, der mir bei meiner aktuellen Suche nach einem Umgang mit meinen depressiven Phasen hilft. Ich bin 27 Jahre alt und leider mittlerweile Dauerstudentin, weil ich ständig aufgrund schwerer depressiver Phasen aus meinem Alltag herausfalle. Seit über fünf Jahren bin ich in psychiatrischer Behandlung. Im Rahmen einer psychotischen Depression erfolgte bei mir zunächst eine Fehldiagnose und Fehlbehandlung, die mein Befinden zusätzlich verschlimmerte. Mir wurde insgesamt aber rasch rückgemeldet, dass ich wohl seit meinem 11. Lebensjahr jährlich Depressionen erlebe. Ich habe bisher keinen Umgang mit meinen depressiven Phasen gefunden, weil mich Psychopharmaka gruseln, ich meine Depression verdränge, sobald ich aus ihr raus bin und ich jahrelang nicht wusste, was mitunter mit mir los bzw. eben gar nicht los ist. Ich dachte lange, ich müsse mich nur "zusammenreißen" und leere Zeitlöcher würden zum Leben dazugehören. Dadurch habe ich mich irgendwie mit meinen Tiefs abgefunden. Dabei weiß ich mittlerweile, dass ich diese nicht ohnmächtig durchstehen muss, sondern dass ein Umgang möglich ist.

Wenn ich aus einer depressiven Phase herauskomme, rückt das Erlebte so in den Hintergrund, dass ich mir nicht vorstellen kann, je wieder depressiv zu sein. Diesen Dezember lag ich wieder wochenlang fast ausschließlich im Bett, bis ich überhaupt erkannt habe, dass ich einen depressiven Rückfall habe. Das hat mich entsetzt. Mir ist klar geworden, dass ich nicht weiterkomme, wenn ich mich nicht mit meinem depressiven Erleben auseinandersetze. Ich bin jedes Jahr mindestens einmal, meistens im Winter, in einer depressiven Phase und mir fehlt dennoch immer wieder ein Bewusstsein für dieses Erleben. Dabei kenne ich mich fachlich sogar gut aus. Sobald ich aus einer Depression heraus bin, verdränge ich komplett, dass ich Depressionen erlebe und sehe dies höchstens als Vergangenes an, mit dem ich abgeschlossen habe. Ich fühle mich nach einem Tief wie neugeboren und staune jedes Mal, wie schön das Leben sein kann und wie gerne ich lebe. Die depressiven Phasen sind auch kaum in meiner Erinnerung, weil ich in diesen nichts erlebe und mitunter fast komatös im Bett liege.

Ich möchte nicht erneut vergessen, dass ich Depressionen erlebe und am liebsten möchte ich lernen schon bei Frühwarnzeichen gegenzusteuern und nicht im Bett ausharren und so leer werden, dass ich nicht einmal begreife, dass ich dringend Hilfe brauche. Ich gehe die Suche nach einem Umgang mit den Depressionen psychiatrisch und therapeutisch an. Da ich aber sehr viel von Selbsthilfe halte, war ich unter anderem neugierig auf dieses Forum.

Viele Grüße von
Vanita
Vanita
Beiträge: 3
Registriert: 6. Feb 2023, 19:55

Re: Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

Beitrag von Vanita »

Guten Morgen Brigitte,

vielen Dank für Deine Antwort. Ich wünsche Dir Erfolg beim Zugang zur Online-Therapie.

Ich fühle mich depressiv, wenn ich im Bett liege, aber ich kann dieses Gefühl kognitiv nicht sofort als depressiv einordnen, weil ich mir nur lauter Vorwürfe mache und die Depression zunächst als Erklärung nicht zulasse, da sie mir in meinem Tief wie eine Entschuldigung vorkommt. Das liegt daran, dass mein Kopf leergefegt ist. Denken wird zu anstrengend. Ich kann keine komplexeren Denkvorgänge mehr erfahren. Ich denke höchstens negativ verzerrt, du musst aufstehen, reiß dich zusammen, ich will aber kein Auge aufmachen, weil sich alles wie Ersticken und Ertrinken anfühlt. Umdrehen im Bett ist mir schon zu schwer. Bis zu der Einordnung in eine depressive Phase komme ich nicht direkt, weil ich für alles ewig brauche und ich entweder sofort wieder einschlafe oder mir ein Prozess wie zur Toilette gehen so kompliziert anstrengend erscheint, dass dabei keine anderen Gedanken möglich sind. In den vergangen Jahren bin ich teilweise direkt in die schwere Depression gestürzt und dann bin ich nur wenige Stunden am Tag wach. In einer Hypersomnie bleibt bei mir wenig Zeit für Gedanken. Teilweise bin ich nur 3 Stunden wach und die gehen für Grundbedürfnisse (trinken, Toilette, essen) drauf. Jede kleine Bewegung erschöpft mich so, dass ich wieder einschlafe. Wenn ich langsam in die Depression rutsche, merke ich das schon, doch das passiert eben selten. Ich krache mittlerweile sofort hinein und es kann dann nach Wochen plötzlich wieder vorbei sein.

Viele Grüße
Vanita
sunshine94
Beiträge: 46
Registriert: 16. Feb 2023, 11:15

Re: Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

Beitrag von sunshine94 »

Hallo Vanita,
danke für deine Offenheit. Ich habe mich hier und da wiedererkannt. Ich bin 28 J., leide auch seit meiner Kindheit darunter, dass ich phasenweise nur noch im Bett verbringe ohne die Depression wahrzunehmen.
Bei mir war das so, weil ich das immer auf die Arbeit und Uni geschoben habe. Ich dachte einfach immer, ich sei überarbeitet und daher nun erschöpft.
Auch jetzt vor kurzem habe ich erst nach zwei Wochen richtig wahrgenommen, dass ich aktuell in einer depressiven Phase stecke. Daher habe ich mich für 1 Woche krank schreiben lassen, um mich zu erholen (ich muss wohl dazu sagen, dass ich gerade einen neuen Job angefangen habe und mein Freund sich von mir getrennt hat).

Bei mir sind es immer viele Belastungsfaktoren dir auf einmal auf mich einprasseln. Daher versuche ich, bewusst darauf zu achten, dass ich neben Job und Uni noch genügend Zeit für mich einplane. Z.B wenn Klausurphase ansteht oä setze ich mir möglichst wenige andere Termine in der Zeit- damit es eben nicht schnell überlastend: belastend wird.

Aber ganz verhindern kann ich es nicht immer; vor allem wenn unvorhersehbare Ereignisse auftreten.
Versuche dir vielleicht einmal in deiner guten Phase bewusst Gedanken zu machen, inwieweit du „Vollgas“ geben kannst und wie du dir deine Energie einteilen kannst; was du benötigst um auch Erholungsphasen einzubauen, um vllt ein Tief vorzubeugen.
Ansonsten vielleicht doch ein leichtes Antidepressivum austesten? Ich nehme seit ein paar Jahren Paroxetin 20mg. Habe keine Nebenwirkungen, vertrage ich sehr gut und es hilft mir, nicht im nächsten Tief zu sehr einzusinken. Aber wirkt ja tatsächlich bei jedem anders. Tatsächlich hat sich meins auch offensichtlich mit den Jahren an den Körper gewöhnt, sodass ich vor kurzem aufgrund meiner akuten Krise in Absprache mit meiner Psychiaterin erhöht habe.
Ist ja leider oft so. Aber mir hilft es da auch allein zu wissen, dass ich einen festen Unterstützerkreis aus Psychologin, Psychiaterin und Freunden habe, die mir in solchen Situationen helfen können.

Am Besten hat sich gewährt, immer sehr offen und ehrlich Ihnen gegenüber bezüglich meiner Symptome zu sein; sprich auch es früh genug anzusprechen. Aber ich weiß, dass sowas nicht einfach ist, gelingt mir auch nicht immer sofort.
Aber Schritt für Schritt tut auch gut und ist wertvoll.

Ich finde es super, dass du die Motivation hast, bewusst an die Dinge ranzugehen. Das ist der erste richtige Schritt.

Vielleicht hilft es dir, Tagebuch zu führen; vor allem Dankbarkeitstagebuch in deinen guten Zeiten, welches du dir immer wieder durchlesen kannst (ich kann dir übrigens „ein guter Plan“ empfehlen; sehr coole Menschen mit tollen Büchern und nem Blog).

Oder du legst dir einen Stimmungstracker an und schreibst jeden Tag auf, was du gemacht hast und wie deine Stimmung war um so etwas über den Verlauf/ die Ursachen herauszufinden.
Ansonsten hilft es mir bei Erschöpfungszuständen es zu akzeptieren wie es gerade ist und mir auch eine Auszeit zu gönnen, aber auch anfangen zb in der Wohnung aktiv zu bleiben.

Ich hoffe ich konnte dir ein Paar Anregungen geben und drücke dir ganz dolle die Daumen :)
Halte mich gern auf dem Laufenden.

Ganz viele Grüße
Sunshine
sunshine94
Beiträge: 46
Registriert: 16. Feb 2023, 11:15

Re: Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

Beitrag von sunshine94 »

P.S.: Durch meinen Stimmungstracker über einem Jahr hab ich übrigens herausgefunden, dass ich unter PMDS (Prämenstruelle Dysphorische Störung) leide. Das heißt, ich konnte erkennen, dass ich immer eine Woche vor meiner Menstruation unter schweren depressiven Zuständen litt. Mit Einsetzen der Periode war ich dann wie ausgewechselt. Die Hormone sind auch nicht zu unterschätzen. Man kann übrigens auch einen Hormonenhaushalt/ Stoffwechsel-Test per Blutabnahmen machen, übernimmt die KK.

LG
sunshine94
Beiträge: 46
Registriert: 16. Feb 2023, 11:15

Re: Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

Beitrag von sunshine94 »

Sorry ich muss noch mal ein PS machen:
Und zwar schließe ich mich Brigitte an!

Ich kann mir vorstellen, dass du denkst, du müsstest dich zusammenreißen und dass du eventuell in Selbstzweifel versinkst aufgrund deiner Symptome weil du ja selbst sagst, dass dir in diesen Momenten die Depression nicht richtig bewusst ist oder du sie vllt auch nicht wahrhaben möchtest? Jedenfalls sagst du ja auch, dass du die Phase schnell wieder vergisst, wohlmöglich verdrängen möchtest weil es so eine unangenehme eventuell schmerzhafte und leidvolle Erfahrung ist.
Aber ich bin auch fest davon überzeugt, dass wenn du dir eh schon zum Ziel machst, bewusster an die Sache zu gehen, dass wenn du deine Gefühle und dein Erleben bewusst als depressiven Zustand erkennst und wahrnehmen kannst, dass es dir leichter fallen wird, diesen zu akzeptieren und anzunehmen und so wie Brigitte schon sagt, dass du dir vor allem diese Auszeit einfach gönnst.

Ich drücke dir die Daumen

Ganz liebe Grüße
SundayMan
Beiträge: 327
Registriert: 8. Sep 2022, 19:12

Re: Wochenlang im Bett ohne ein Bewusstsein für den Rückfall

Beitrag von SundayMan »

Liebe Vanita,

herzlich willkommen hier im Forum.

Dein Beitrag hat mich sehr mitfühlen lassen.
Diese Stelle kenne ich aus eigenem Erleben sehr gut:

"Sobald ich aus einer Depression heraus bin, verdränge ich komplett, dass ich Depressionen erlebe und sehe dies höchstens als Vergangenes an, mit dem ich abgeschlossen habe. Ich fühle mich nach einem Tief wie neugeboren und staune jedes Mal, wie schön das Leben sein kann und wie gerne ich lebe."

Das fühle ich total.

Du schreibst, dass dir Selbsthilfe wichtig ist.
Einen Schritt hast du mit der Anmeldung hier gemacht :)
Gibt es noch andere Sachen, du du ausprobieren möchtest?

Herzliche Grüße
SundayMan
"You asked me what's my pleasure, a movie or a measure
I'll have a cup of tea and tell you of my dreaming
Dreaming is free"
(Blondie)
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