Freund lässt sich nicht helfen

[Clarissa_]

Hallo zusammen,
Ich hoffe der Text wird nicht zu lange, aber vielleicht nimmt sich jemand die Zeit und kann mir helfen.
Ich bin mit meinem Freund jetzt seit 5 Jahren zusammen. Unsere Beziehung ist immer sehr innig gewesen, wir hatten nie Geheimnisse voreinander und sind schon immer mehr als Liebespartner, sondern auch beste Freunde.
Ich habe recht früh gemerkt, dass er ab und an depressive Phasen hat. (Er konnte selber nie sagen woran es liegt und sagt er verliert sich einfach in seinen Gedanken und kommt da nicht mehr raus).
Anfangs war es immer nur ein Abend und mit der Zeit wurden die Zeitabschnitte zwischen den Phasen immer kürzer und die Intensität der Phasen stärker. Seine Mama und Oma haben haben beide dieselbe Krankheit und können gut damit umgehen weil sie in Therapie sind.
Ich konnte immer sehr gut damit umgehen und haben ihm den Freiraum gegeben den er gebraucht hat. Wir haben immer wieder darüber gesprochen, aber wir haben alles versucht. Er möchte zu keinem Arzt gehen und mit keinem anderen darüber reden! Dazu kommt noch das er sowieso sehr ängstlich ist wenn es um Ärzte geht… Er ist da wirklich sehr stur!!!
Vor einem Jahr haben wir uns ein Haus gekauft und umgebaut, wollten diesen Sommer heiraten - all das was wir uns immer erträumt hatten.

Vor 4 Wochen war er auf einem Geburtstag und eine Arbeitskollegin kam ihm dabei näher. Er ist nicht weiter darauf eingegangen, hat aber auch nicht sofort reagiert weil er sehr betrunken war. Aber seitdem ist alles anders. Er ist extrem abweisend, geht auf keine Zärtlichkeiten mehr ein und kann keine Nähe zu mir zulassen. (So war das bisher in seinen Phasen nie). Wir haben jetzt öfters drüber gesprochen und er kann mir nicht sagen warum das so ist und was sich seitdem geändert hat. Er hat auch gesagt, dass er sich sehr schuldig fühlt und nie gedacht hätte, dass sowas passieren kann und er die Zeit gerne zurück drehen würde. Er steht auch noch in Kontakt mit der Arbeitskollegin - er sagt selber das er nicht weiß ob er Gefühle für sie hat oder ob er nur aus Mitleid noch mit ihr schreibt… Andererseits weint er oft weil er mich liebt und das immer alles ist was er wollte! Er sagt er kann nicht ohne mich und hat so große Angst das alles zu verlieren. Kann aber seine Gedanken nicht einordnen. Er hat keine Lust mehr an der Arbeit, an Essen, Nähe zu mir oder seinen Hobbies. Er ist jetzt seit 4 Wochen in diesem Zustand…
Abstand möchte er aber auch aufkeinenfall. Da wir zusammen leben und uns dadurch wenig aus dem Weg gehen können, leben wir nur noch voreinander her. Ich weiß aber auch nicht wie ich ihm da helfen soll?? Und was in ihm gerade vor sich geht?
Ich habe auch seitdem Angst, dass er mich mit runterzieht - ich habe wirklich zu kämpfen mich überhaupt noch zu etwas motivieren.

Kurz gesagt: ich möchte alles tun um ihn zu unterstützen und ihm zu helfen! Aber ich bin am Ende und weiß nicht wie es so weitergehen soll…

[MSH]

Hi, dein Freund steck in einer Depression und ist bestimmt unfähig anders zu handeln als er es gerade tut. Ohne Facharzt/Therapie wird es kaum gelingen, ihn daraus zu holen. Gerade du als Partnerin, kannst nur zu ihm stehen, so weit du es aushältst. Aber wirklich daraus holen, wird dir nicht gelingen.
Pass bitte auf dich auf, sonst geht es dir vielleicht auch irgendwann genauso. Und dann kannst du ihm gar nicht mehr helfen.
Leider weiß ich es gerade nur zu gut. Ich hatte selber Depressionen und hatte gedacht ich wäre endgültig geheilt. Dann habe ich einen jungen Menschen mit chronischer Depression kennen gelernt. Klar wollte ich ihm helfen und es gibt auch viele kleine Erfolge. Er ist auch mein bester Freund geworden.
Doch habe ich jetzt wieder ein Depression und habe es selber nicht mal gemerkt.
Die Frage, ob ich mich habe runterziehen lassen, ist noch ungeklärt! Es kann natürlich auch wieder der alter Grund sein, oder sogar beides.

[Saskia67]

Mein Freund wollte sich auch nicht helfen lassen. Das ging über Jahre. Rückblickend stelle ich fest, dass er sich in der Zeit auch immer weniger hat helfen lassen. Am Anfang ging es noch ein bisschen, zum Schluss gar nicht mehr. Da hat er sich dann das Leben genommen.

Liebe Clarissa, pass gut auf dich auf. Und erzähle deinem Freund gerne diese Geschichte. Da kann sowas am Ende hinführen. Dein Freund sollte sich unbedingt professionelle Hilfe holen.

[Überdosis]

Hallo Clarissa,

vielleicht hilft dir und deinem Freund das Buch von Dr. Rolf Merkle: "Wenn das Leben zur Last wird" weiter.
Einerseits zeigt einem das Buch wie man ohne Psychologen oder Psychiater Besserung erzielen kann, gibt aber auch Hoffnung, dass es besser werden kann mit den Beschwerden.
Für Angehörige ist es informativ, den Erkrankten so besser verstehen zu können.

Ich kann gut nachempfinden, dass sich dein Freund da scheut Hilfe von außen zu nutzen.
Dafür braucht es schon viel Vertrauen um wirklich alle Karten auf den Tisch zu legen, was nicht einfach und harte Arbeit ist.

Ob das Buch "heilt" weiß ich nicht.
Ich hab das Buch selber länger hier und Mithilfe dessen diese Übungen zu machen, finde ich nicht einfach.
Es ist nunmal leider so, aus der Depression heraus zu finden ist alles andere als einfach und anstrengend.
Mir gab das Buch aber Hoffnung und ich bin auch nochmal ernsthaft am überlegen, das damit anzugehen, auch wenn schwer ist.

Saskia, das mit deinem Freund ist furchtbar und tut mir von Herzen leid.
Depressionen sind so schlimm, dass sie einem das Leben nehmen.


Liebe Grüße
Susan

[Calca]

Kann es eventuell sein, dass sich generell etwas an seinen Gefühlen für dich geändert hat? Nach dem was du geschrieben hast, habe ich die Vermutung das er einen sehr großen inneren Konflikt mit sich herumträgt. Ihr habt alles was ihr wolltet, es ist alles geplant und ihr harmoniert auch auf der freundschaftlichen Ebene. Aber Gefühle können sich auch ändern und er wäre nicht der erste Mann, der kurz vorm "Ziel" Panik bekommt und unsicher wird.
Er könnte sich dir gegenüber verpflichtet fühlen, auch weil er dich sehr mag und will dich natürlich auch nicht verletzen.
Der innere Konflikt (Verpflichtung vs. Bedürfnisse) könnte zu Depressionen geführt haben.

Das ist nur mein persönlicher Eindruck aufgrund dessen was du geschrieben hast. Es muss nicht stimmen, aber vielleicht eröffnet es dir einen anderen Blickwinkel und dadurch einen anderen Ansatzpunkt.

[Xray]

Liebe Clarissa,

ich kann dich nur inständig bitten: pass auf dich selbst auf. Dein Freund steckt in einer Depression und so etwas wir schnell zum alles verzehrenden schwarzen Loch.

Ich weiß das ist unglaublich schwer zu ertragen, vor allem wenn dann noch solche Dinge im Raum stehen, wie du sie mit erleben musst.

Bei mir hat sich meine Freundin auch immer weiter von mir entfernt und wollte nichts mehr mit mir tun.
Kein spazieren gehen, nichts spielen, nicht reden, gar nichts.

Als ich dann 24h Schichten hatte hat sich sich öfter mit einem Arbeitskollegen verabredet.

Das hat mich nach und nach zerstört. Auch wenn die beiden laut ihrer Aussage nichts körperliches habenm ist es unerträglich für mich ersetzt zu werden.

Dieses Gefühl hat mich selbst fast in den Tod getrieben. Jetzt habe ich selbst eine Depression und warte auf meinen Termin beim Psychiater.


Ich weiß wie schwer es ist einen geliebten Menschen auf diese Weise zu verlieren, aber bitte versuche dich rechtzeitig zu distanzieren, sonst gehst du kaputt.

Du liebst ihn und er hat sicher auch noch Gefühle für dich, aber diese ganze große Unordnung der Gefühle kann auch leider sehr schnell sehr viel zerstören.

Ich wünsche dir viel Kraft, schau nach vorn und versuche deine eigenen Grenzen zu erkennen.