Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Heiligendamm2020
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Heiligendamm2020 »

@Lisa
Gut, dass du den Weg in die Klinik gefunden hast.
Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass ich zu Beginn
eines solchen Weges auch eine "Leere" verspürt habe.
Alle anderen schienen endlos in der Gruppe reden zu können.
Ich konnte das nicht begreifen. Aber nach 2 Wochen oder 3 bin ich
endlich "aufgetaut". Ich begriff, dass ja alle mit mir im selben Boot
saßen. Ich war quasi einer von ihnen, einer von ganz vielen Betroffenen
in der Klinik. Das Reden begann dann wie von selbst. Ebenso erging es mir
in der Kunsttherapie. Ich weigerte mich, irgendetwas zu malen oder zeichnen.
Ich fand das unsinnig, malte wütend irgendwelche Striche. Du glaubst nicht,
was für Bilder daraus entstanden sind. Gezeichnet ohne jeglichen Gedanken.
Patienten haben sich die Bilder genommen, ich wollte sie wegwerfen.
Ich weiß sogar, das manche dieser Bilder sogar eingerahmt wurden und bei den
Menschen zu Hause in der Wohnung aufgehängt wurden. Ich habe für mich nur
das letzte Bild aufgehoben, auch das hängt hier in meinem Zuhause.
Ebenso entstand eine wunderschöne kleine Kirche aus dunklem Speckstein.
6 Wochen habe ich daran gearbeitet. Sie entstand erst bei der Therapie, wieder ganz
ohne vorher irgendeinen Gedanken dazu gehabt zu haben.
Was ich damit sagen will ist, lass dir bitte Zeit. Du wirst diese Zeit bekommen, wenn
du sie brauchst. Lass dich nicht drängen, suche dir Freiräume, nur für dich alleine.
Ich hoffe, du hast ein Einzelzimmer und eine schöne Klinik, in der du dich gut fühlst.
Flieht - ihr Narren!
Salyx
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Salyx »

Hallo zusammen,

ich lese eure Kommentare und bin froh, nicht alleine zu sein!

Dieser Zustand des Nicht-Fühlens begleitet mich auch durch meine Depression. Das macht es mir im Alltag schwer, mir etwas Gutes zu tun, weil alles, was mir sonst Freude gemacht hat, das eben nicht mehr tut. Zuneigung, Liebe und Dankbarkeit sind allenfalls wie ein sehr schwaches Echo aus der Ferne zu erahnen. Ich muss mich oft ermahnen, dass ich deswegen kein schlechter Mensch bin, weil ich so etwas doch fühlen müsste. Unter Freunden und Bekannten komme ich mir dann manchmal wie ein Alien vor.

Es macht Mut, dass auch das vorbei gehen kann! Vielen Dank!
Unacquainted
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Registriert: 25. Nov 2023, 12:19

Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Unacquainted »

Mich würde interessieren, wie bzw. wo die Abgrenzung zwischen Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit bedingt durch eine Depression ist und zur einer normalen Persönlichkeitseigenschaft?
Ich meine, es gibt Menschen, die besonders emotional sind und welche die es weniger bis gar nicht sind. Sind letztere automatisch depressiv?
Senif
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Senif »

Hallo Unacquainted,

ich würde sagen nein, denn zu einer Depression gehören mehr Symptome als einfach nur die Emotionslosigkeit. Wie äußert sich bei dir die Depression ? Welche Symptome hast du noch ?

https://www.icd-code.de/icd/code/F32.2.html

LG Senif
Unacquainted
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Unacquainted »

Senif hat geschrieben: 8. Dez 2023, 11:34 Hallo Unacquainted,

ich würde sagen nein, denn zu einer Depression gehören mehr Symptome als einfach nur die Emotionslosigkeit. Wie äußert sich bei dir die Depression ? Welche Symptome hast du noch ?
Leitsymptom ist die Müdigkeit bzw. Antriebslosigkeit über viele Jahre hinweg gewesen, wenngleich ich die Müdigkeit durch Bupoprion/Wellbutrin in den Griff bekam mittlerweile. Dennoch fühle ich mich schlapp - im Sinne, dass ich nicht voll auf der Höhe bin.

Von einer ganzen Palette an Symptomen, die ich in den Jahren 2017/18 hatte, sind noch übrig, wenngleich aber deutlich schwächer als damals vorhanden:
  • Fallweise Verdauungsprobleme/Blähungen - nach allem was ich esse übrigens. Das ist dann völlig egal.
  • schwache Emotionalität und wenig Gefühle - gut, ich bin mein ganzes Leben nicht besonders emotional gewesen, aber vielleicht hängt das mit der Depression zusammen? Starke Kopflastigkeit irgendwie; aber das schon seit je her. Eine Partnerin an meiner Seite würde mir hier wohl mehr helfen, als jedes AD. :?
  • Antriebslosigkeit - die ist noch da, aber durch die Medikation mit Wellbutrin zurück gegangen.
  • Appetitarmut - ich wurde nicht sagen, dass ich gar keinen Appetit oder Hunger habe. Aber dieser ist ziemlich gedämpft. Kurzum, ich komme mit dem Frühstück (Einnahme um etwa 6:30-7 Uhr) bis 15 oder 16 Uhr aus, bis sich ein Hungergefühl einstellt! Und ich bin dann nach dem Essen ewig lange gesättigt. Das ist durchaus ein Problem für mich, da ich als Sportler doch einen höheren Energiebedarf habe, aber diesen schwer nur decken kann, weil ich praktisch nie hungrig bin.
  • Perspektivenlosigkeit, was wohl meiner beruflichen und privaten Situation geschuldet ist und weniger der Depression. Bin seit über 2 Jahren vergeblich auf Jobsuche. :roll:
  • Freudlosigkeit & Interessensverlust: ersteres ist schon ziemlich lange ein Begleiter von mir; zweiteres stellte sich durch langjährige, berufliche Probleme ein.
  • schwache bis mäßige Libido - hängt wohl auch mit meinem Single-Dasein zusammen, aber wohl auch mit der Depression. Ich bin nicht impotent oder so, aber so richtig Lust habe ich halt auch nicht auf Erotik/Sex.
  • mein Selbstwert ist schon besser geworden, aber auch nicht voll auf der Höhe. Der ist aber in meinem letzten Job durch zahlreiche Probleme zerbrochen bzw. zurück gegangen. Auch das Selbstvertrauen rasselte in den Keller im Jahr 2016 und hat sich bis heute nicht vollständig erholt.
Schlafen tue ich hervorragend, wenngleich durch die Einnahme von AD meine Einschlafdauer länger wurde. Zuvor bin ich binnen 15min eingeschlafen, jetzt brauche ich gut 30min.
Mir kommt aber vor, dass ich durch die Einnahme von Wellbutrin "weicher"/emotionaler/gefühlvoller geworden bin. Vor alem das Verlangen/die Sehnsucht nach einer Beziehung/Partnerin nahm zu.
Nehme es nun schon über 1 Jahr, aber der Arzt meinte, es sei keine Besserung mehr durch die Medikation zu erwarten, weswegen ich ergänzend Escitralopam verschrieben bekam und zugleich die Dosis von Wellbutrin zurückgefahren wurde.

Eine Frage, die ich mir schon länger stelle: kann man 15/20/25 Jahre depressiv sein, ohne es zu merken? Im Sinne, dass zahlreiche Symptome als "normal" angesehen werden.
Senif
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Senif »

Hallo Unacquainted,

die Frage kann ich Dir nicht beantworten. Frag doch mal deinen behandelten Arzt.
Aber beim Nachdenken über die Frage, fielen mir 2 Begriffe aus der Psychoanalyse ein. Ich-dyston und ich-synton.
Ich hab meine Depressionen als krank erlebt, ich fühlte mich elend und todsterbenskrank. Und auf keinen Fall zu mir gehörend. Insofern fällt es mir schwer, die Depression als "normal" anzusehen. Sie hätte mich fast das Leben gekostet.

Allerdings hatte ich damals trotz allem immer wieder Zweifel, ob ich mich nicht einfach mehr zusammenreißen müsste - heute weiß ich, dass das mit Zusammenreißen nichts zu tun hatte. Ich konnte einfach nicht Wollen.
Mein Körper fühlte sich jeden Tag wie sterben an.

Es wurde auch nur sehr allmählich besser und dauerte sehr lang. Ich hatte eine chronische (leichtere Form), die über Jahre dauerte (die ich trotzdem nicht als normal ansah) und dann schwere Rezidive, bei denen nichts mehr ging und ich im Krankenhaus behandelt werden musste.
Seit 2 Jahren fühle ich mich endlich besser, nach langer Psychotherapie. (19Jahre mit Pausen)

LG Senif
Unacquainted
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Unacquainted »

Senif hat geschrieben: 12. Dez 2023, 20:00 Hallo Unacquainted,

die Frage kann ich Dir nicht beantworten. Frag doch mal deinen behandelten Arzt.
Aber beim Nachdenken über die Frage, fielen mir 2 Begriffe aus der Psychoanalyse ein. Ich-dyston und ich-synton.
Ich hab meine Depressionen als krank erlebt, ich fühlte mich elend und todsterbenskrank. Und auf keinen Fall zu mir gehörend. Insofern fällt es mir schwer, die Depression als "normal" anzusehen. Sie hätte mich fast das Leben gekostet.

Allerdings hatte ich damals trotz allem immer wieder Zweifel, ob ich mich nicht einfach mehr zusammenreißen müsste - heute weiß ich, dass das mit Zusammenreißen nichts zu tun hatte. Ich konnte einfach nicht Wollen.
Mein Körper fühlte sich jeden Tag wie sterben an.
Das habe ich schon. Und weil ich eben keine klare/eindeutige AW bekam, fragte ich hier im Forum.

Sterbenskrank fühlte ich mich nie, aber ich bemerkte schon Veränderungen - beginnend ab Ende 2014. So war ich in meinen jungen Jahren antriebsvoller, energiegeladen und hatte das Mindset "geht nicht, gibt's nicht". Ich konnte mich zu (körperlichen/geistigen) Höchstleistungen motivieren (auch im Sport) und Herausforderungen haben mich noch mehr angetrieben. Erfolge gepusht. Heute ist das alles nichts - genau umgekehrt. Ich habe auch schon überlegt, ob ich damals ev. eine sog. "agitierte Depression" hatte, was ich wohl nie herausfinden werde.

Vor allem aber, der "Absturz" kam so schnell und ging auch so rasch. Von 100 auf 0 - wie eine Vollbremsung. Seitdem ich "abgestürzt" bin, komme ich schon seit Jahren nicht mehr ansatzweise auf mein altes Niveau heran. Es ist wie ein Autofahren mit angezogener Handbremse. Ich will das und jenes angehen, aber wenn es dann dazu kommt, werde ich immer müder und schiebe es auf. Zwar wird das schon besser seit meinem absoluten Tief 2017/18, aber wenn die Besserung weiterhin so langsam vonstatten geht, brauche ich nochmals 10 Jahre.

Ich habe schon zahlreiche online-Tests gemacht: zu Burnout, zu klassischen Depressionen. Die "Burnout"-Tests schlagen durch die Bank an (Ergebnis meist hohes Risiko eines Burnouts), während die klassischen Depressions-Tests "nur" eine "leichte Depressive Episode" als Ergebnis ausgeben. Mir ist einfach alles zu viel schon geworden in den letzten Jahren im Job, was sich auf mein Befinden durchschlug.

Wenn ich mich kritisch hinterfrage, dann sind meine momentanen Wünsche: mind. 1/2-Jahr Auszeit, die Welt anschauen und das alles mit einer Partnerin. Davon bin ich aber so meilenweit weg, wie es meine Reiseziele sind. ;) Weder habe ich eine Partnerin, die ich mir so sehr wünsche (erstmals auch im Leben), noch habe ich das Geld um eine solche Reise mir leisten zu können.
Senif
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Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Senif »

Hallo Unacquainted,

so lange du versuchst, auf das alte Niveau zu kommen, wird es schwer. Da steckt schon wieder eine sehr hohe Messlatte dahinter - oder täusche ich mich da ? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich erstmal diese 0 annehmen musste. Ich wurde dann auch berentet und nach 2 Monaten hatte ich plötzlich das Gefühl, dass etwas von mir gefallen ist. Ich hatte nicht mehr den Anspruch, sonst was zu leisten. Ich kümmerte mich dann um meine Therapie. Und ab da ging es in kleinen Schritten aufwärts.

Ich fing irgendwann auch an mir kleinere Sachen zu gönnen (also fernab von einer großen Reise). Einmal im Jahr ein Lagerfeuer am Fluss, ab und an Wandern gehen, Tiere - die ich über alles liebe, Kino, Theater (da bekomme ich ab und an Freikarten über die Kulturloge) .... und ich nehme mir die Zeit dafür, weil es wichtig ist, einen Ausgleich zum Alltag zu haben (auch wenn ich nur rumliege). Ich tue die kleinen Dinge nicht mehr ab mit "ach ist doch nichts" - manche Dinge finde ich in dem Moment echt als großartig. Ich bewerte die Sachen anders als früher.

So muß man leben!
Die kleinen Freuden aufpicken,
bis das große Glück kommt.
Und wenn es nicht kommt,
dann hat man wenigstens
die "kleinen Glücke" gehabt.
Theodor Fontane (1819 - 1898), dt. Schriftsteller, Journalist, Erzähler und Theaterkritiker

LG Senif :hello:
Unacquainted
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Re: Emotionslosigkeit und Freudlosigkeit

Beitrag von Unacquainted »

@Senif,

Nun, die 0 bzw. den Tiefpunkt habe ich schon länger hinter mir. Aber stimmt, ich habe zugegebenermaßen ein Problem, mir etwas zu gönnen. Genießer war und bin ich keiner - vielleicht liegt dort das Problem.
Mir wird immer mehr bewusst, dass ich die letzten Jahre einen sehr großen Selbstbetrug begangen habe.
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