Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen)

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Lara95
Beiträge: 3
Registriert: 14. Jan 2023, 22:20

Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen)

Beitrag von Lara95 »

Guten Abend da draußen,

ich bin mir nicht ganz sicher, ob das hier die richtige Art und der Betreff konkret genug ist, aber ich hoffe ihr verzeiht mir, bin nervös hier das erste mal zu schreiben.

Ich will mich eben vorstellen: Ich bin Lara, 28 Jahre alt und ich leide eventuell schon seit langer Zeit an Depressionen (16 Jahre), zumindest kann ich mich erinnern, wann dieses bedrückende Gefühl gestartet hat zusammen mit körperlichen Symptomen wie andauernder Erschöpft/Müdigkeit. Ich habe aber bis vor kurzem gut funktioniert, mein Studium abgeschlossen, ein Sozialleben gepflegt etc. Deswegen habe ich mich selbst nicht so richtig ernst genommen, wenn ich dunkle Phasen hatte, und warum auch? Ich hab ja eigentlich alles was ich brauche. Ich fühle mich bis heute schuldig für meine Gefühle und kann mir einfach keinen Grund ausgrübeln, wo die Depression her kommt, sie ist einfach da, schon immer, fast. Ich weiß, die Genetik spielt hier eine Rolle, mein Opa ist depressiv, mein Vater auch, und meine Tante hat sich die Depressionen weg getrunken, bis sie daran gestorben ist. Aber die hatten alle auch Gründe für Depressionen.

Kann so eine Depression rein durch Genetik kommen?
Außerdem gab es auch immer gute Phasen zwischendrin und ich habe gedacht, wer auch mal gute Phasen hat, ist ja nicht depressiv?

Über die letzten paar Jahre ist es leider nach und nach schlimmer geworden, die schlechten Phasen haben sich gehäuft oder einfach länger angehalten bis ich im Oktober richtig zusammengebrochen bin, getriggert durch Stress bei der Arbeit (Endphase meiner Doktorarbeit; erste Panikattacke meines Lebens).
Seitdem hab ich das Gefühl mein Gehirn läuft nur noch auf 20% Kapazität. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, bin noch müder als sonst und eigentlich von allem überfordert, besonders von Sozialem.
Ich bin ein eher introvertierter Mensch und deswegen sowieso lieber alleine, aber ich hatte immer einen engen Freundeskreis in dem ich mich wohl gefühlt habe und die mich nie ermüden. Doch jetzt will ich eigentlich nur noch alleine sein. Das schlimmste daran ist, dass ich eigentlich auch keine Zeit mehr mit meinem Mann verbringen will, der der fürsorglichste und liebste Mensch auf Erden ist und den ich über alles liebe, nur dass ich das grade irgendwie nicht fühlen kann. Und das quält mich, ich möchte ihm ja auch gerecht werden, ihm auch etwas zurück geben können, und stattdessen ziehe ich mich zurück und tüftle im eigenen Kämmerlein so vor mich hin und erzähle ihm nicht einmal was mit mir ist.

Aber wie erzählt man seinem Partner, mit dem man schon 9 Jahre zusammen ist, dass man die gesamte Zeit depressiv war?
Irgendwie versuche ich mir die scheinbar heile Welt mit meinem Partner so lange ich kann aufrecht zu erhalten, auch wenn ich weiß, dass das nicht geht...Wie fängt man an? Muss man das überhaupt? Bin ich es meinem Partner schuldig?
Und ist es immer ratsam der Familie davon zu erzählen?

Ich weiß, dort gibt es Verständnis für die Problematik, da ich ja nicht die erste bin, aber irgendwie habe ich das Gefühl es würde mir nicht gut tun, ich kann nicht so recht in Worte fassen warum.

Gerade geht es ein wenig bergauf. Nach mehrfachen Zusammenbrüchen auf der Arbeit, hat mich im Dezember eine liebe und sehr geschätzte Kollegin zur Seite genommen und ich konnte diese gut gehütete Geheimnis nicht mehr für mich behalten. Sie ermutigt mich, mich endlich um Arzttermine zu kümmern und das Thema endlich anzugehen und ich merke, wie es mir ein bisschen besser geht, weil die Katze endlich aus dem Sack ist und sich die Dinge weiter bewegen. Mein Hausarzt hat also endlich die offizielle Diagnose Depression gestellt und mir ne Überweisung zum Psychologen ausgestellt. Nun ist aber das Problem, dass ich im Ausland lebe. Zu der sowieso schon langen Wartezeit, kommt also noch die Schwierigkeit einen Psychologen zu finden der auch Therapie auf Englisch anbietet. Das kann alles ein bisschen dauern. Deswegen meine Frage:

Wie überbrücke ich denn jetzt die Zeit bis zum Beginn der Therapie?

Momentan, bin ich eigentlich zu nichts zu gebrauchen, besonders nicht auf der Arbeit, und ich weiß, es geht beim gesund werden nicht hauptsächlich darum, wieder produktiver zu arbeiten, aber meine Doktorarbeit hat mir echt das Äußerste abverlangt, jetzt muss ich sie doch irgendwie auch zu Ende schaffen! Mein Hausarzt hatte bereits letztes Jahr ein Antidepressivum vorgeschlagen, um mit meinen massiven Schlafproblemen zu helfen, mit denen ich seit 12 Jahren etwa alle 6 Monate erfolglos zum Arzt renne (ich fühle mich wie ein Hypochonder). Damals wollte ich aber noch nicht zugeben, dass er da wohl auf der richtigen Fährte ist und wollte außerdem auch keine Medikamente nehmen, ohne eine Therapie zu machen, was mir damals zeitlich unmöglich schien. Nun weiß ich, dass es ohne Therapie unmöglich ist überhaupt weiter zu machen. Ich habe Angst, das Thema Medikamente jetzt noch einmal anzusprechen, aber ich habe das Gefühl mein Gehirn hängt im Nebel und egal was passiert, auch wenn der Tag richtig gut läuft, die Chemie im Kopf ist einfach durcheinander.

Macht es einen komischen Eindruck über Psychopharmaka mit dem Hausarzt zu reden, bevor man überhaupt mit der Therapie gestartet hat? Ist es überhaupt ratsam irgendwas zu nehmen in der Zwischenzeit? Wie sonst kann ich die voraussichtlich 2-4 Monate überbrücken?

Ich mache Sport, Ich gehe an die frische Luft so viel ich kann, ich hab eine Tageslichtlampe und ein gefestigtes soziales Umfeld. Ich zwinge mich zu diesen Dingen auch wenn ich keine Energie habe. Sie stehen einfach in meinem Terminkalender, damit ich sie auch mache. Aber das alles hilft irgendwie nicht mehr.

Heißt das, ich bin jetzt von einer milden Depression in eine schlimmere Form abgerutscht, oder war da vorher eigentlich noch gar nichts und ich habe mir das ganze nur eingebildet?

Selbst jetzt, erwische ich mich immer wieder, wenn ich dann doch mal was auf die Reihe kriege, oder doch mal kurz gut gelaunt bin bei dem Gedanken, dass ich vielleicht übertreibe und dass ich mich nicht so anstellen sollte. Und dann bin ich auf der anderen Seite sauer auf mich selbst, dass ich so lange gewartet habe und meine vielen Beschwerden immer abgetan hab, gleichzeitig aber auch, dass ich nicht stärker bin und mich nicht wieder alleine aus dem Tief kriege. Und dann bin ich einfach nur müde und erschöpft! So wie immer!

Ich weiß, das war jetzt lang, ich bedanke mich trotzdem, wenn jemand die Energie findet das alles zu lesen und vielleicht seine Gedanken zu der ein oder anderen meiner Fragen und Sorgen teilen mag.

Ich wünsche noch einen schönen Abend und hoffe, euch da draußen geht es gerade gut!
Lavendel64
Beiträge: 547
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen

Beitrag von Lavendel64 »

Guten MOrgen Lara,

Grübeln gehört zu den Symptomen der Depression - das vorweg. Dieses Gedankenkreisen, das nicht loslassen können eines Themas: alles typisch.

vorweg meine Hochachtung, dass Du Dich jemandem anvertraut hast. Das ist ein großer erster Schritt!

Wartezeiten sind ja überall üblich, selbst wenn Du in Deutschland wärst, wäre eine baldige Therapie ein großer Zufall. Du bekommst zwar Erstgespräche, aber das war es normalerweise auch.

Psychopharmaka können Dir durchaus helfen, aber sie sind keine Wunderpillen. Der Hausarzt ist normalerweise ein Allgemeinarzt, aber warum solltest Du das nicht ansprechen? Er ist dafür da, wenn auch nicht spezialisiert.

Ich würde den Partner auf jeden Fall ins Boot holen. Wenn er Dich gut kennt, wird er Deine Veränderung eh bemerken und sich wundern, was mit Dir los ist. Vielleicht vermutet er bereits etwas und mag es nicht ansprechen. Für mich war diese Kommunikation enorm wichtig - das heisst nicht, dass Dir jede "Laune" verziehen wird, aber für mich war es wichtig, dass meine Ängste wahrgenommen werden und meine Familie akzeptiert, dass es Zeiten gibt, in denen ich einfach nur mein Sofa undmeine Ruhe brauche.

Sehr geholfen hat mir die Tagesklinik, weil es dort mehr gab als nur Therapie, nämlich Möglichkeiten, mit einer Episode umzugehen.

Du sagst, Du hast alles, Deine Verwandten hatten einen Grund für die Depression. ist das nicht eigentlich egal? Ich hatte auch alles: einen sicheren Job, eine Familie, ein Haus mit Garten, einen Hund, finanzielles Auskommen: War alles vorhanden. Und trotzdem war da dieses Dunkel. In der Klinik haben wir einen Auslöser gefunden: ich brauchte nichts Dramatsiches zu verändern, nur ein wenig mehr auf mich selber achten, ich habe über meine Kräfte gelebt, jahrelang. Wenn man dann die genetische Disposition geerbt hat, dann besteht hatl die Gefahr, in die Depression zu rutschen.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Kiwi78
Beiträge: 95
Registriert: 8. Feb 2022, 11:36

Re: Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen

Beitrag von Kiwi78 »

Hallo Lara,
Du erinnerst mich an meine Anfänge. Ich wusste irgendwas stimmt nicht, aber nicht was und warum. Die Diagnose Depression hab ich auch erst mal komplett abgelehnt weil ich ja oft gute Laune habe. Ich dachte immer depressive verkriechen sich den ganzen Tag heulend unter ihre Bettdecke.
Mittlerweile weiß ich, dass es so viele unterschiedliche Symptome gibt und kann damit besser umgehen. Mein Mann wusste von Anfang an bescheid und kommt zum Glück gut damit klar. Wenn ich mich zurückziehe und meine ruhe brauche, akzeptiert er es.
Meine Eltern können damit gar nicht umgehen. Die sind eine andere Generation wo man solche "Luxusprobleme" einfach nicht hatte.
Auch ich fand am Anfang keinen Auslöser und weiß mittlerweile durch die Therapie sehr viel mehr. Bei mir ist es eine Kombi aus Überlastung und traumatas. Durch Medikamente und Therapie hab ich es gut im Griff und kann mit schlechten Phasen viel besser umgehen.
Gibt es für dich eventuell die Option eine Therapie online zu machen? In Deutschland gibt es therapeuten die das machen. Oder könntest du einige Wochen für einen Klinikaufenthalt nach Deutschland kommen? In jedem Fall solltest du dir vor Ort einen Facharzt suchen, da die sich mit den ganzen Medikamenten viel besser auskennen als der Hausarzt.
Suche dir Hilfe, alleine ist es fast nicht machbar.
Lg Kiwi
Lara95
Beiträge: 3
Registriert: 14. Jan 2023, 22:20

Re: Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen

Beitrag von Lara95 »

Vielen Dank für die lieben Antworten,

es tut gut zu hören, dass andere sich auch schwer damit getan haben, weil es keinen offentsichtlichen Grund für die Erkrankung gab und, dass da ja offentsichtlich auch Überlastung häufig mit im Spiel ist. Ich habe eigentlich immer über meiner Überlastungsgrenze gelebt, schon in Kindheitszeiten. Immer viele Hobbies gehabt und Aktivitäten und natürlich ist die Doktorarbeit an sich schon etwas, was einen häufig über diese Grenze schubst. Ich habe fast das Gefühl, dass ich mich über Jahre mit diesen ganzen Aktivitäten abgelenkt habe, um keine freie Minute haben zu müssen in der ich über mich und mein Wohlbefinden nachdenken könnte. Jetzt, wo gerade gar nichts mehr geht und ich mich nicht mal mehr mit Podcasts/Hörbüchern ablenken kann, weil mein Gehirn einfach ein Sieb ist, habe ich das Gefühl zum ersten mal meinem eigenen Gehirn zuzuhören, und vielleicht hätte ich das mal schon früher zulassen sollen.

@Lavendel
Psychopharmaka können Dir durchaus helfen, aber sie sind keine Wunderpillen. Der Hausarzt ist normalerweise ein Allgemeinarzt, aber warum solltest Du das nicht ansprechen?
Ich weiss, dass es keine Wunderpillen sind aber genau deswegen habe ich Bedenken nachzufragen. Ich will nicht, dass jemand denkt, ich will mich nur mit Medikamenten betäuben oder sowas, mir ist schon bewusst, dass ohne Therapie das wenig Sinn macht. Ich habe nur die Hoffnung, dass es mir bis zu Therapiebeginn helfen kann ein bisschen durchzuhalten und vielleicht sogar etwas Energie zurueck zu kriegen.

@Kiwi Vor onlinetherapie scheue ich mich etwas, weil ich eine recht ausgeprägte Telefonierphobie habe. Mir würde es auch glaube ich leichter Fallen wirklich offen und ehrlich zu sprechen, wenn ich zu einer dafür vorgesehenen Location müsste und sich jemand persönlich Zeit für mich nimmt, wenn das irgendwie Sinn macht? Die Praxis, bei der ich mich jetzt angemeldet habe, bietet allerdings beides an, also falls die Wartezeiten für Präsenz zu lange werden, könnte ich erstmal mit online beginnen...Nur habe ich leider noch nicht einmal zurück gehört wie lange für das ein oder andere die Zeiten sind...Ich hoffe, die antworten im Laufe dieser Woche noch. Ein Klinikaufenthalt ist manchmal so mein Wunschdenken, einmal komplett raus zu sein und sich nur darauf konzentrieren gesund zu werden ohne Ablenkung, aber ich denke das müsste vermutlich erstmal der Psychologe evaluieren ob er das für angebracht hält oder? Auf jeden Fall wäre das mit der derzeitigen Arbeitssituation schon recht schwierig... :?

Ich bin auf jeden Fall froh, die ersten Schritte gemacht zu haben, und zumindest eine Person zu haben, die gerade Bescheid weiss und mir hilft, wenn ich wieder denke, dass das vielleicht alles gar nicht so arg ist und gar kein Handlungsbedarf besteht. Und es hilft auch von der Kollegin einfach gesehen zu werden. Ich hoffe jetzt einfach grade auf eine schnelle Antwort von der Praxis und nicht zuuuu lange Wartezeiten :?
Maxegon
Beiträge: 2528
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen

Beitrag von Maxegon »

Hallo Lara,

hast du das Gefühl die Freude ging verloren? Fragst nach dem Warum und findest keine Antwort darauf, max. Alternativen, die nur den Moment stillen können? Suchst du ein Ziel? Etwas was dich zufrieden, glücklich macht? Nach dem großen Ganzen?
Nach Menschen, die dich verstehen, ähnlich ticken wie du?

Ich war immer ein "Hansdampf in allen Gassen", hyperaktiv, um mich von der Trägheit des Alltags abzulenken.
Passte in keine Form und wenn, dann nur anfänglich, schnell wurde mir langweilig und das Neue wurde zur Normalität. Einfach nur ablenken und durchhalten genügte mir nicht mehr.


Eine Ausszeit, mal etwas völlig anderes machen, ist bestimmt eine gute Idee.
Viele schwören auf Therapien ... einfach mal raus aus dem gewohnten Umfeld, andere Menschen, Ansichten, Situationen kennenlernen.
Lavendel64
Beiträge: 547
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Depression, und jetzt? (Meds, Familie, sich ernst nehmen

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Lara,

Du rufst Erinnerungen in mir wach! Stichwort Überlastung. Ich erinnere mich tatsächlich an ein Gefühl der Leere, die ich nicht ertragen konnte, wenn ich nicht beschäftigt war. Ich hatte zwei Jobs, war im Grunde täglich unterwegs und wenn da ein Tag kam, an dem ich "frei" hatte, war ich todunglücklich und fühlte mich unwohl, weil ich mit der Zeit nichts anfangen konnte. Schuldig, mal NICHTS zu tun. Es sind erlernte Muster, bei uns wurde selbst im Urlaub gewandert, Sightseeing gemacht ... ein Strandurlaub? Undenkbar! So bin ich aufgewachsen, aber vieles erklärt sich erst später.

In der Klinik habe ich gelernt, Nichtstun auszuhalten. Auf mich zu achten und mein Inneres zu fragen, was gerade los ist. Gefühle, Stimmungen wahrzunehmen und kleine Dinge des Alltags zu sehen und bewußt positiv zu verankern.
A propos Klinik: Ich weiß ja nicht, wo im Ausland Du wohnst und wie leicht es für dich (auch versicherungstechnisch) ist, mal herzukommen. DIe Kliniken haben Ambulanzen, wo man einen Gesprächstermin machen kann. In diesem Gespräch wurde besprochen, wie es weitergehen könnte. Stationär konnte ich mir nicht vorstellen, so dass die Tagesklinik die optimale Wahl war. Wäre vielleicht eine Möglichkeit, das parallel zu machen.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
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