Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

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Phoenix2019
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Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo zusammen,
erst einmal wünsche ich euch allen ein gesundes und gutes neues Jahr!
Ich bin etwas aufgeregt vor dem ersten Termin bei einem Psychiater am Dienstag und würde mich über eure Erfahrungen oder euren Rat freuen. Ich bin noch immer unsicher, ob ich überhaupt Antidepressiva nehmen möchte.
Aber: Ich werde ab Februar berufsbedingt morgens früh aufstehen müssen, bisher habe ich 10 Jahre lang überwiegend nachmittags und abends gearbeitet. Wenn ich mir den Wecker stellen und morgens früh aufstehen muss, leide ich regelmäßig unter massiven Schlafstörungen, teilweise mache ich die ganze Nacht kein Auge zu. Wenn ich ausschlafen kann, schlafe ich hingegen meist gut. Ich denke, die Schlafstörungen sind auf Gewohnheit und Chronotyp Eule, aber auch auf meine Depressionen zurückzuführen.
Deshalb möchte ich mich zumindest mal nach Schlaf anstoßenden Antidepressiva erkundigen und die Meinung des Psychiaters über "Stangyl" (Wirkstoff Trimipramin) einholen. Da das einem Freund gut geholfen hat, als er im Burnout unter massiven Schlafstörungen litt, habe ich es mir schon im Sommer von meinem Hausarzt verschreiben lassen, bisher aber noch nicht genommen. Mein Freund wurde dann in der Klinik aber auch auf ein anderes Antidepressivum eingestellt.
Meine Fragen an euch wären nun:
- Wie lang dauert das Erstgespräch bei einem Psychiater in etwa?
- Soll ich ihm mitteilen, dass ein anderer Psychiater (der aber nur noch Psychotherapie anbietet und deshalb nach eigenen Angaben keine Medikamente mehr verschreiben darf) im Sommer bei mir bereits eine mittelgradige Depressionen diagnostiziert hat und mir Escitalopram und VT verschrieben hat, oder soll ich ihm die unvoreingenommene Diagnose überlassen? In Bezug auf Escitalopram hätte ich eigentlich gern eine Zweitmeinung (Habe es mir noch nicht verschreiben lassen), die Therapiesuche ist in Arbeit.
- Habt ihr Erfahrungen mit Wirkung und Nebenwirkungen von Stangyl/Trimipramin oder Escitalopram? Der Psychiater meinte, Escitalopram wäre eher antriebssteigernd, aber ich habe ja eigentlich Probleme mit dem Schlaf... Meine größte Angst wäre Gewichtszunahme, da ich damit ohnehin schon kämpfe.
- Ich ahne, dass der Gedanke unberechtigt ist, aber irgendwie kommt bei mir die Angst hoch, ich könnte zwangseingewiesen oder unter Zwangsbetreuung gestellt werden, falls die Diagnose entsprechend ausfallen sollte. Dabei arbeite ich (noch) und bekomme meinen Alltag und meine Angelegenheiten geregelt, also ist die Angst wahrscheinlich irrational.
Für eure Erfahrungen/ euren Rat bin ich sehr dankbar!
Einen schönen Neujahrstag und
liebe Grüße
Phoenix
SonneundDunkenheit
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Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Phoenix,
ich kann mich noch gut an meinen ersten Psychiatertermin erinnern.
Was war ich aufgeregt. Ich kann deine Zeilen gut verstehen.

Eine Zwangseinweisung oder Zwangsbetreuung brauchst du ganz sicher nicht zu befürchten.

Ich musste einen Erstfragebogen im Wartezimmer ausfüllen. Was sind meine Beschwerden, zusätzliche Erkrankungen,...?

Es wurde gefragt, ob ich schon woanders in psychiatrischer Behandlung war, Therapie hatte usw.

Das erste Gespräch dauerte vielleicht 20 min und es folgte ein zweiter nach kurzer Zeit zum besseren Kennenlernen.

Ich würde ehrlich sein und davon berichten, schon Kontakt inklusive Diagnose und Medikamente gehabt zu haben. Du willst ja sicherlich nicht ständig überlegen müssen, was du preisgegeben hast und was verschwiegen....wäre für mich keine gute Basis,

In Bezug auf Medikamente wäre ich zunächst abwartend offen. Schildere deine Symptome, deine Erwartungen und deine Ängste vor Nebenwirkungen (Gewichtszunahme). Der Psychiater wird mit dir besprechen was er empfiehlt. Jeder reagiert anders darauf.

Ich für meinen Teil habe mehrere Antidepressiva ausprobiert und alle wieder abgesetzt, da die erhoffte Wirkung nicht eintrat. Mit Psychotherapie halte ich die Depression im Schach.

Übrigens bin ich bei einer ärztlichen Psychotherapeutin in Behandlung (sie deckt die Therapie und psychiatrische Betreuung ab) und diese dürfen durchaus Medikamente verschreiben und auch Krankschreibungen vornehmen vorausgesetzt sie haben eine Kassenzulassung.

Wünsche dir viel Erfolg für den Termin am Dienstag.

Liebe Grüße von SonneundDunkelheit
Phoenix2019
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Phoenix2019 »

Liebe SonneundDunkelheit,

vielen lieben Dank für deinen Beitrag! Es tut so gut, auf Verständnis zu stoßen! Danke auch, dass du meine Ägste minderst und für deine Erfahrungen :) Ich hoffe, dass ich bald einen Therapieplatz finde, denn ich glaube auch an die Wirksamkeit der Psychotherapie.

Viele Grüße und einen guten Abend
Phoenix
lt.cable
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von lt.cable »

Ahoi, Phoenix2019!

Vor den meisten Psychiatern brauchst du, meiner Erfahrung nach, keine Angst zu haben. Das sind zumeist vernünftige, dem Menschen tendenziell eher zugewandete Leute, die mit längerer Berufserfahrung sicher schon viel schlimmere Fälle als den deinen gesehen und behandelt haben. Da kann es laut, emotional heftig, aggressiv und sonstwie fordernd und anstrengend werden, aber zwangsbehandelt wird da wohl kaum mal jemand. In der Regel spricht man sachlich und vernünftig miteinander und erhält Therapievorschläge; so wie bei anderen Ärzten auch.

Bei den Medikamenten ist die Idee zunächst die, dass Probleme mit dem Schlaf als Symptom einer Depression bei der erfolgreichen Einstellung auf ein passendes Antidepressivum gleich mitbehoben sein sollten. Gleichwohl kann natürlich eine Kombination von mehreren Wirkstoffen notwendig werden, um ein hinreichendes Behandlungsergebnis zu erzielen. Also vielleicht am Abend ein wenig von einem schläfrig machenden AD, am Morgen dann das eigentliche Hauptpräparat mit antriebssteigernder Wirkung. Ob überhaupt Medikamente zum Einsatz kommen sollten oder die Gesprächstherapie allein bereits Erfolg verspricht, wird hoffentlich das Gespräch mit deinem Arzt ergeben.

Es grüßt

lt.cable
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Phoenix2019
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Phoenix2019 »

Ahoi zurück,

danke auch dir für die ermutigenden Worte!:) Dann harre ich mal der Dinge und schaue, was mich erwartet. Notizen zu dem, was ich ansprechen möchte, habe ich schon gemacht.

Viele Grüße und eine gute Nacht
Phoenix
Sunshine5678
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Sunshine5678 »

Ich hatte bei dem Gang zum Psychiater und vor allem den Gang in die stationäre psychosomatische Akutklinik auch die Angst für immer in einer Zwangsjacke in der geschlossenen zu landen.
Aber mein Hausarzt und auch die andern Ärzten sagte mir, dass man "nur" dorthin kommt wenn man gar sich oder andere eine Gefahr darstellt.
Aber ich glaube da ist bei dir doch keine Gefahr

Ich kenne auch die Angst vor der Gewichtszunahme. Ich habe trotzdem mit dem Rauchen aufgehört und nehme Antidepressiva.
In beiden Fällen habe ich zugenommen auch wegen Hashimoto, gesundheitlich geht's mir aber dadurch besser.
Aber jeder soll so handeln was ihm gut tut und viele kommen mit den Depressionen auch ohne AD klar.
Also keine Angst vorm Psychiater , ich würde ihm/ihr von der anderen Diagnose erzählen.
Viel Glück und Erfolg
Claudia
:hello:
Phoenix2019
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo Claudia,
auch dir vielen lieben Dank für deine Erfahrungen und deine ermutigenden Worte! Ich habe eine leichte Schilddrüsenunterfunktion, die aber mit der Minimaldosis gut eingestellt ist.
Liebe Grüße
Phoenix
Narami
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Registriert: 11. Nov 2022, 13:16

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Narami »

Bzgl. Trimipramin kann ich sagen, dass ich damit zur Behandlung von Schlafproblemen gute Erfahrungen gemacht habe. Vorher hatte ich schon andere Medikamente probiert und habe mit Trimipramin die besten Erfahrungen gemacht. Damit habe ich auch keinen Hangover wie mit den anderen Tabletten. Aber natürlich kann das bei jedem anders sein, sodass man selbst ausprobieren muss, womit man am besten zurecht kommt. Grundsätzlich ist ein Antidepressiva mit schlafanstoßender Wirkung auf jeden Fall besser als Schlaftabletten wie Benzodiazepine.
Phoenix2019
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo Narami,
danke für deine Erfahrung mit Trimipramin. So äußerte sich auch mein Freund, dem "Stangyl" geholfen hat, überhaupt erst mal wieder schlafen zu können, als er durch beruflichen Stress im Burnout gelandet war.
Viele Grüße
Phoenix
Suchende2
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Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Phoenix,

mein Erstgespräch bei meiner Psychiaterin dauerte fast eine Stunde.
Sie hatte auch den Bericht aus der Akutklinik von mir erhalten und ich hatte dort eine Nebendiagnose drin, die falsch war. Das sagte ich ihr auch. Sie stellte ein paar Fragen zu diesem Themenfeld und trug es bei sich dann erst einmal als Verdachtsdiagnose ein. Die Tagesklinik, in die mich die Psychiaterin überwiesen hatte, stellte fest, das sie keine Anzeichen für diese Nebendiagnose feststellen konnten.
Deine irrationalen Ängste kann ich gut nachempfinden. Die gehören bei mir zur Depression dazu. Diese habe ich meinen Behandlern zum Teil auch mitgeteilt. Zwangseinweisung ist wie schon geschrieben nur bei Gefahr für Dich oder andere und eine Betreuung wird vom Gericht angeordnet. Das dauert und Du würdest angehört werden. Und das wichtigste, es gibt KEINEN Grund, Dich unter Betreuung zu stellen!

Alles Gute,
Suchende
Phoenix2019
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Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Phoenix2019 »

Liebe Suchende und liebe alle hier,
vielen lieben Dank für eure Unterstützung und Ermutigung! Ihr seid die Einzigen, die von meinem Termin beim Psychiater gestern wissen und ich möchte euch kurz berichten, wie es war:
Mir war etwas flau im Magen, aber bereits bei Betreten der Praxis wurde ich ruhiger, denn es war überhaupt nicht voll und die anwesenden Patientinnen und Fachangestellten haben mich alle freundlich gegrüßt. Ich wurde auch so schnell aufgerufen, dass ich kaum den Anamnesebogen ausfüllen konnte.
Der Psychiater hat eine sehr beruhigende, wertschätzende und aufmerksame Art (Er hat auch ausschließlich positive Bewertungen, auch wenn ich weiß, dass solche Bewertungen nicht immer die Realität abbilden). Er hat sich dann 40 Minuten Zeit für mich genommen (20 mehr als geplant).
Ich habe zwar den Eindruck, dass er meine Verfassung noch nicht adäquat einschätzen konnte (ich glaube, es geht mir schlechter als sein Eindruck ist), aber der nächste Termin findet in einigen Wochen statt und ich denke, dass er mich dann besser einschätzen kann. Ich weiß, dass ich auf andere gepflegt, stabil und stark wirke, aber genau das ist mein Problem. Zu Stangyl meinte er, ich könne es probieren, es spreche nichts dagegen. Ein anderes Medikament hat er mir erst einmal nicht verschrieben, zu ambulanter Psychotherapie hat er sich auch (noch) nicht geäußert, aber darum kümmere ich mich.
Ich fühle mich auf jeden Fall gut aufgehoben, er hat mir auch Unterstützung bei eventueller Krankschreibung, Begutachtung etc. zugesichert.
Soweit erst einmal.
Vielen Dank noch einmal und viele Grüße
Phoenix
Sunshine5678
Beiträge: 987
Registriert: 19. Nov 2019, 20:06

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Sunshine5678 »

Hallo Phoenix,
Super, das hört sich sehr gut an
Ich freue mich für dich dass du Erfolg hattest, der Pysichiater scheint gut zu dir zu passen

LG Claudia
:hello:
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiate

Beitrag von Phoenix2019 »

Liebe Claudia,
vielen Dank! Ja, ich hoffe das sehr. Auf jeden Fall gibt mir der nächste Termin Sicherheit.
Liebe Grüße,
Phoenix
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo zusammen,
ich hatte neulich meinen 2. Termin bei dem Psychiater und muss sagen, dass ich immer noch sehr irritiert, ernüchtert und auch ratlos bin:
Ich habe ihm zunächst geschildert, wie es mir ergangen ist in den letzten Wochen. Dass mich das plötzlich notwendige frühe Aufstehen vor große Belastungen stellt, ich aber die Stangyltropfen noch nicht genommen hätte und stattdessen bereits um 19 Uhr ins Bett gehe, um keinen Zeitdruck zu haben, auch nach 9 Stunden Schlaf aber wie gerädert aufstehe.
Ich habe ihm auch erzählt, dass ich gerade eine Woche krankgeschrieben war wegen einer heftigen Erkältung, und glaube, dass das ein Warnschuss meines Körpers war. Ich habe ziemlich verzweifelt gesagt, dass ich nicht wisse, wie lange ich noch durchhalte und entgegen seiner Erstdiagnose der Ansicht sei, dass ich, wie ein anderer Psychiater, der aber nur noch therapeutisch arbeitet und keine Privatpatienten behandelt, mittels Fragebogen bereits im Sommer diagnostiziert hat, eine mittelgradige und nicht nur eine leichte Depression habe.
Er meinte daraufhin, er würde meine Diagnose dann ändern, er hätte wohl einen falschen Eindruck von mir gehabt, da ich ja „zum Glück“ noch funktioniere und auch eloquent sei. Wir hatten auch beide durchgängig eine FFP2-Maske auf. Er hat nur Symptome erfragt, aber keinen Fragebogen eingesetzt.
Ich habe geantwortet, dass man das mit dem Funktionieren ja so oder so sehen könne. Außer dem von seiner Skepsis begleiteten Angebot, mir doch Antidepressiva zu verschreiben, kam dann auch nichts Hilfreiches mehr. Er meinte noch, ich als Privatpatientin hätte tatsächlich größere Probleme bei der Therapeutensuche, er kenne aber leider niemanden, bei dem er etwas für mich tun könnte, alle seien überlaufen.
Dann erhob er sich und meinte, er setze hier nun einen Punkt – und das, obwohl ich mit Tränen in den Augen vor ihm saß und das Wartezimmer völlig leer war.
Ich hatte insgesamt den Eindruck, dass er gar nicht richtig auf mich eingegangen ist und mich recht schnell abwimmeln wollte - vielleicht, weil Rosenmontag war? Ich nehme eine jeweils 30-minütige Hin- und Rückfahrt in Kauf. Und die hätte ich mir an dem Tag definitiv sparen können. Wir haben zwar einen Folgetermin ausgemacht, aber ich frage mich ehrlich gesagt, was der bringen soll. Immerhin hat er mir wieder zugesichert, die entsprechenden Gutachten für den Arbeitgeber oder für einen Klinikaufenthalt zu erstellen – allerdings mit der Warnung, dass dann schnell meine Arbeitsfähigkeit in Zweifel gezogen würde. Toll, genau solche Sätze brauche ich in meiner Situation, in der mir Existenzängste sowieso schon zu schaffen machen. Die berufliche Situation ist zurzeit auch sehr belastend, da ich innerhalb von 2 1/2 Jahren bereits zum 2. Mal abgeordnet wurde (Öffentlicher Dienst) - vermutlich aufgrund meiner geringen Belastbarkeit und daher als mangelhaft erachtetem Engagement. Das reduziert meinen Selbstwert nochmals und führt auch zu noch belastenderen Arbeitsbedingungen (z.B. tägliches Pendeln zu zwei Standorten).
Insgesamt wirkt der Psychiater auf mich zögerlich, ratlos und so, als nehme er mich und meine Situation gar nicht richtig wahr. Und Eloquenz bedeutet doch nicht, dass jemand NICHT depressiv sein kann (siehe schon allein Prominente wie Kurt Krömer und Torsten Sträter).
Ich habe wiederholt den Eindruck, dass meine psychischen Beschwerden selbst von TherapeutInnen und PsychiaterInnen erst nicht gesehen bzw. unterschätzt werden (vermutlich aufgrund meiner Fassade) und man dann, wenn ich "augepackt" habe, mit mir überfordert ist. Vielleicht bin ich ein zu "schwerer Fall".
Was haltet ihr von dem Ablauf des Termins? Erwarte ich zu viel? Er hat sehr positive Bewertungen im Netz (ja, ich weiß, die sind mit Vorsicht zu genießen) und ein Psychiater ist generell schwer zu finden, aber ich kann mir gerade nicht vorstellen, auf welche Weise mir diese Termine, die ich gerade auch noch selbst zahle, nützlich sein können.
Danke euch für das Lesen meines viel zu langen Texts und eure Einschätzung,
eure ratlose Phoenix
SonneundDunkenheit
Beiträge: 715
Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Phoenix,
beim ersten Termin hast du im Ergebnis geschrieben, dich gut aufgehoben zu fühlen.

Das lese ich aus dem zweiten Termin nicht mehr heraus. Dort scheint er anders aufgetreten zu sein bzw. du hast es anders wahrgenommen. Hast dir was anderes erhofft/ erwartet.

Ich wäre nach dem was du geschildert hast auch ratlos und wahrscheinlich auch ziemlich wütend, würde mich nicht ernst genommen fühlen im ersten Moment.

Die Chemie zwischen euch scheint nicht zu stimmen, wobei ich mich dennoch frage, was du erwartest. Es ist kein Therapeut, sondern ein Arzt. Er fragt Dinge ab und du antwortest. Du hast ihm gesagt, seine Diagnose sei nicht die richtige....andere hätten eine schwerere Depression festgestellt. Dazu gehört deinerseits Mut oder Verzweiflung und seitens des Psychiaters löst das auch etwas aus. Das ist jetzt absolut keine Bewertung weder deiner - noch seinerseits, lediglich ein Blick von Außen.
Du hast die Stangyltropfen bisher nicht in Anspruch genommen. Könnte bedeuten, es geht dir noch gut genug.
Einen Fragebogen muss ein Psychiater nicht einsetzen, Verhaltensbeobachtung ist authentischer.

Warum denkst du ein "schwerer Fall" zu sein? Du beschreibst Probleme mit dem Schlaf, dem frühen Aufstehen....das kennen viele berufstätige Menschen (mit und ohne Depression). Wieder keine Bewertung, nur eine Feststellung.
Aufgeklärte und eloquente Patienten können eine Herausforderung für den Arzt oder Therapeuten sein, aber genau an solchen Knackpunkten merkt man, ob Patient und Arzt auf Augenhöhe zusammen arbeiten können oder ein Machtgefälle besteht.

Wie lange hat euer Gespräch gedauert?

Mein erster Termin beim Psychiater war auch eher ein Abfragen von Symptomen und der Blick auf mögliche Medikamente. Ich hatte schon das Gefühl, dass die Psychiaterin aufmerksam zugehört hat, aber sonst eher nüchtern (fach/ sachlich) reagiert hat. Der Zufall wollte es, dass genau diese Psychiaterin kurze Zeit später meine Psychotherapie übernommen hat und mir im Therapieprozess ganz anders (nicht besser oder schlechter...anders im wahrsten Sinne des Wortes) begegnet als im Behandlungszimmer. Bis heute (3 Jahre später) beginnen wir die Stunde mit zu klärenden ärztlichen Dingen und dann geht's zum Stundenthema.
Was ich damit sagen will; ein Psychiater ist in erster Linie ein Arzt und agiert als solcher.

Was sind deine Erwartungen an die Termine?

Wenn er dir Unterstützung für Gutachten ect. zusichert und im Gegenzug warnt, dass dies eventuelle Nachteile (Frage der Arbeitsfähigkeit) nach sich zieht, ist es aus meiner Sicht eine ehrliche Antwort. Er redet Klartext. Das dich dies verunsichert, ist verständlich, aber deshalb kann er dir ja nicht die Konsequenzen verschweigen.

Vielleicht suchst du weiter und findest einen Psychiater/ eine Psychiaterin, die besser zu dir passt. Das ist sicherlich anstrengend, aber so wie es jetzt läuft, erscheint es für dich eher frustrierend und zusätzlich belastend zu sein.

Pass gut auf dich auf, sei aber auch stolz die Arbeit noch zu schaffen.

Ich hoffe, deine Ratlosigkeit löst sich mit der Zeit auf.

Wann wäre denn der nächste Termin?

Liebe Grüße von SonneundDunkelheit
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo SonneundDunkelheit,

vielen lieben Dank fürs Lesen und für deine so ausführliche Antwort. Tja, was ich erwarte, ist eine gute Frage: eine fundierte Diagnose und darauf basierend konkreten Rat, wie ich weiter vorgehen soll (ob bzw. welche Medikation, welche Form der Psychotherapie, Tagesklinik oder stationärer Aufenthalt).
Das erste Gespräch hat 40 Minuten gedauert, das zweite ca. 25.
Was meine Befürchtung, ein "schwerer" Fall zu sein, betrifft: Ich hatte bereits viele Erstgespräche, teilweise auch mit einigen weiteren Terminen bei TherapeutInnen und eine von diesen hat mir gegenüber geäußert, ich käme ja jedes Mal mit neuen Themen. Es klang wie ein Vorwurf. Ein anderer - es war allerdings ein selbsternannter Coach - hat den letzten vereinbarten Termin abgesagt und das Coaching nicht weitergeführt, ich vermute, weil es ihm zu "psychisch" wurde, seine vage Begründung legt das nahe.
Die letzte Therapeutin hat bereits im Erstgespräch vermutet, dass bei mir aufgrund meiner Biografie eine PS vorliegen könnte und die Depression lediglich die Folge sei. Ich habe das dem Psychiater gegenüber erwähnt, aber er hat keine einzige Frage oder Nachfrage zu meiner Biografie gestellt, was mich auch irritiert hat.
Die Stangyltropfen habe ich aus Angst vor den Nebenwirkungen noch nicht ausprobiert. Ich fühle mich zutiefst erschöpft und ausgebrannt und wurde wiederholt von KollegInnen angesprochen, warum ich so erschöpft und traurig aussehe, ob alles in Ordnung sei. Meine Arbeit schaffe ich nur noch mit viel Kraftaufwand und brauche für alles ewig. Mein Privatleben ist praktisch nicht mehr existent, weil mir Energie und Zeit fehlen.
Ich denke, ich sollte tatsächlich auf die Suche nach einem anderen Psychiater gehen, bin aber auch weiter auf der Suche nach einem Therapieplatz. Bisher hat es nicht gepasst oder ich habe keinen Platz bekommen, weil ich privat versichert bin (verkehrte Welt). Aktuell erwäge ich auch, eine Tagesklinik hier in der Nähe zu kontaktieren. Dort führt ein Arzt ja auch erst einmal ein ausführliches Diagnosegespäch durch. Zumindest wird das so geschrieben auf der Webseite.
Der nächste Termin bei dem Psychiater wäre Ende März.
Viele Grüße,
Phoenix
SonneundDunkenheit
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Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Phoenix,
danke für deine Zeilen.

25 min ist viel Zeit. Viele Psychiater nehmen sich diese nicht. Keine Bewertung wieder nur eine Feststellung. Ende März ist ja auch bald wieder. Oftmals bestellen Psychiater ihre Patienten nur einmal im Quartal. Da du selbst zahlst, ist die Abrechnungsgrundlage eine andere.

Hast du ernsthaft einmal über einen Klinikaufenthalt nachgedacht? Du würdest aus dem Funktionsmodus herauskommen und was vielleicht noch viel wichtiger wäre, es könnte eine umfangreiche Diagnostik erfolgen. Meist kann ein Hausarzt die Einweisung vornehmen bzw. der Psychiater hat seine Hilfe ja bekundet.

Ich war aus der Not heraus vor ca. 1,5 Jahren für 8 Wochen in einer psychosomatischen Klinik ( mein erster und bislang einziger Aufenthalt). Es gab Ereignisse in meinem Leben, die ich zu dem Zeitpunkt nicht in der ambulanten Therapie bearbeiten konnte, die Stunden schienen zu zerinnen. Die Klinik war diesbezüglich im Nachgang betrachtet nicht hilfreich, aber in der Klinik war Zeit für Diagnostik, für Verhaltensbeobachtungen (die Maske konnte ich dort nicht aufrecht erhalten, eloquent war ich dennoch ... hat ja auch was Bildung und Intelligenz zu tun). Ich habe die Klinik mit einem bestimmt zehnseitigen Bericht verlassen inklusive fundiert erhobener Diagnosen (Depression ist bei mir auch eine"Folgeerkrankung"). Meine Psychiaterin hätte unzählige Stunden/ Termine benötigt, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Als Verdachtsdiagnosen gab es die Vermutung schon, aber nicht klinisch fundiert.
Wenn gewünscht bzw. notwendig, dann kann auch das Thema Medikamente in der Klinik beleuchtet werden. Psychotherapie findet ja sowieso hochfrequentiert statt.

Wenn die Arbeit alle Kraft und Energie verschlingen, dann läuft etwas schief. Was schief läuft, wird ein Psychiater nicht wirklich ergründen können. Er kann dich krank schreiben und Medikamente verordnetn. Für die Ursachenforschung sieht er dich zu wenig und fehlt schlichtweg die Zeit.
Such dir wirkliche Hilfe bevor es komplett aus dem Ruder läuft. Ich weiß wovon ich spreche, denn ich musste von heute auf morgen aus dem Arbeitsleben aussteigen nach einem totalen Zusammenbruch innerhalb einer Therapiestunde. Das was du von Arbeit beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor.

Liebe Grüße von SonneundDunkelheit
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von Phoenix2019 »

Liebe SonneundDunkelheit,

vielen Dank für deine deutlichen und persönlichen Worte, die mich sehr darin bestärken, ernsthaft einen Klinikaufenthalt anzugehen, mich zumindest schonmal bei der Tagesklinik vorzustellen, die von ihren Schwerpunkten her m.E. passen könnte. Dort findet auch viermal wöchentlich Einzeltherapie statt. Ich habe zwar auch große Angst vor den eventuellen Diagnosen, weiß aber auch, dass ich so nicht weitermachen kann und will - zumal die berufliche Belastung systembedingt gerade immer größer wird.
Vielen Dank, liebe Grüße und einen schönen Abend,
Phoenix
SonneundDunkenheit
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Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Phoenix,

als mir mein Bezugstherapeut in Klinik mitgeteilt hat, welche Diagnosen erhoben wurden, wollte er wissen, wie es mir damit geht und ob ich sie für mich annehmen könne.
Eloquent wie ich war, habe ich geantwortet, dass ich mit den Ursachen, Symptomen und Auswirkungen der Diagnosen ja schon ziemlich lange lebe und es letztlich jetzt nur noch Namen sind, die er mir mitteilt und wir nicht im Supermarkt seien, wo man sich Produkte (im Sinne der Annahme) aussuchen kann. Ich glaube, es waren haargenau diese Worte und der Psychologe hat mich etwas entgeistert angeschaut.
Deine Ängste kann ich total verstehen, aber dass was hinter den Diagnosen steht , findet ja schon tagtäglich statt und Wissen ist Macht (im positiven Sinne).
Ich, für mich, war von den Diagnosen nicht wirklich überrascht, von deren Ausprägungsgrad schon.

Ich weiß nicht unter welchen Bedingungen du lebst, aber ich habe mich trotz massiver Ängste für eine stationäre Behandlung weit weg von meiner Familie entschieden. Stationär, um nicht im Alltag funktionieren zu müssen nach einem anstrengenden Kliniktag. Weit weg, weil ich beruflich mit Kliniken zu tun habe und Privates mit Beruf strikt trennen wollte und musste (hätte mich sonst niemals öffnen können).
Darf ich fragen, in welchem Bereich des öffentlichen Dienstes du tätig bist? Wenn du es hier nicht preisgeben möchtest, ist es aber auch okay.
Auch dir einen schönen Abend.
SonneundDunkelheit
Phoenix2019
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Re: Unsicherheit und Fragen vor erstem Termin beim Psychiater

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo SonneundDunkelheit,
danke für deine Offenheit! Wo genau ich arbeite, möchte ich hier nicht so gern schreiben, aber nicht im medizinischen/ klinischen Bereich.
Mich spricht das Konzept der Tagesklinik sehr an. Falls doch ein stationärer Aufenthalt angezeigt sein sollte, wird er mir dort hoffentlich ehrlich empfohlen. Ich lebe allein, sodass ich nur für mich sorgen muss.
Für heute verabschiede ich mich mal ins Bett,
vielen lieben Dank nochmals und viele Grüße,
Phoenix
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