Wieviel bringt Sport für das Serotonin?

[Topo]

Hallo Leute,

meine Diagnose ist eine langjährige schwere Depression, die sie vor allem in endlosem Grübeln, innerem Kritiker, Ängsten, Hoffnungslosigkeit etc. ausdrückt. SSRI Antidepressiva möchte ich nicht nehmen, weil ich davon starke sexuelle Störungen bekommen habe, die mir Angst machen.

Trotz der Schwere meiner Depression gehe ich nun seit ein paar Wochen täglich 1 Stunde joggen, da aufgeben für mich keine Option ist und ich in einer Klinik etwas Motivation bekommen habe. Die Psychiaterin und die Therapeutin sagen immer abstrakt, dass Joggen die Serotonin-Produktion ankurbelt. Aber hilft das auch ausreichend bei einer schweren Depression? Und kann man beim Sport auch ungefähr sagen, ab wann es mit dem Serotonin losgeht? Nach 3-6 Wochen wie bei den Medikamenten oder ist es da anders? Bisher habe ich leider nicht den Eindruck, dass sich etwas ändert.

Danke und viele Grüße

[Yazhara]

Lieber Topo,
ich kann Dir da keine wissenschaftliche Antwort zu geben, nur aus meiner Erfahrung berichten: Ich bin phasenweise sportlich. Ich schaffe es immer mal wieder ein paar Wochen, relativ regelmäßig leichten Ausdauersport zu machen. Dann habe ich wieder Phasen, in denen ich das nicht schaffe. Und da merke ich recht schnell, dass es mir ohne den Sport schlechter geht. Die Löcher, in die ich während der "Sportphase" falle, sind nicht so tief und dunkel wie die, in die ich in den Phasen ohne Sport falle.

Es ist also eher eine graduelle Erleichterung, mal abgesehen davon, dass ich dann auch etwas habe, auf das ich ein bisschen stolz sein kann und da geht es bei mir wirklich darum, eine halbe Stunde 2 bis 3 mal die Woche zu joggen, deshalb: Meinen Respekt an dich, dass Du jeden Tag eine Stunde schaffst!!!

Vielleicht bist du schon so daran gewöhnt, dass Du den Unterschied nicht mehr merkst? Wunder kann man davon wohl auch nicht erwarten, denke ich.

Viele Grüße, Yazhara

[Nachtmensch]

Hi,

die grundlegende Frage sollte lauten, was macht Serotonin in meinem Körper und wie beeinflusst mich der Serotoninspiegel im Zusammenhang mit anderen Botenstoffen im Bezug auf meine Psyche?

Die biochemischen Zusammenhänge der verschiedenen Botenstoffe sind nämlich weitaus komplexer, als dass man sie auf Serotonin reduzieren könnte.

Letztlich scheint mir der Sport als solcher weniger relevant, als dass was der Sport bewirkt. Erzeugt Sport Wohlbefinden ist dass natürlich gut. Ob ich mich dafür entscheide, Sport zu treiben, oder für etwas anderes, dass auch Wohlbefinden erzeugt, bleibt letztlich mir überlassen. Ich muss nur erkennen können, was mir Wohlbefinden verschafft. Das trifft im übrigen auch auf Medikamente zu. Es nutz nämlich meinem Wohlbefinden nichts, wenn zwar mehr Serotonin in meinem Körper arbeitet, aber die Nebenwirkungen der Pillen andernorts für Missmut sorgen. Nach dem Motto, ich bin glücklich, nun muss ich es nur noch bleiben, auch ohne Sex, weil ich Probleme habe, eine Erektion zu bekommen, oder die Blähungen nicht loswerde, die ich seit der Einnahme habe und mich deshalb anderen kaum mehr zumuten möchte. Dann bleib ich halt alleine, Hauptsache der Serotoninspiegel passt.

VG Nachtmensch

[Winterkind04]

Huhu,

ja, mir bringt es auch was. Habe jahrelang zweimal die Woche Yoga gemacht. Nun kann ich es aus körperlichen Gründen seit Juni nicht mehr und wird jetzt wahrscheinlich so 4 Monate nicht gehen. Hoffe, dass ich im Herbst wieder beginnen kann. Und, jetzt merke ich wie mir der Ausgleich fehlt, die sozialen Kontakte und ich merke dass wieder eine depressive Phase sich einstellen könnte. Aktuell würde ich absolut drauf achten Yoga zu machen und zu wandern. Mehr als eine Stunde spazieren darf ich aktuell nicht machen

[f32-axolotl]

Hallo ihr Lieben,

es ist recht typabhänig, ob (und welchen) Einfluss Sport auf die Psyche hat. Ich selbst habe mich früher auch zum Sport gequält, weil meine Therapeutin meinte, dass Bewegung an der frischen Luft und überhaupt körperliche Aktivität einen antidepressiven Effekt hätte. Leider war das Gegenteil der Fall: Es war ein zusätzliches ToDo und eine weitere Sache, bei der ich Misserfolge im Leben gesehen habe. Was ich schon von vielen gehört habe, dass man ein zufriedendes Gefühl nach dem Sport hätte: Ich war nach dem Sport einfach erschöpft und schlechter gelaunt als vorher. Ich habe dann immer zwei Tage gebraucht, bis es wieder "normal" war von der Erschöpfung.

Wenn es hilft: Mach es weiter! Wenn es nicht hilft: Es ist halt auch nur ein "Hausmittelchen" und keine wirkliche Therapie.

f32

[Maxegon]

Hallo Topo,
je nachdem, was du mit dem Sport verbindest - vielen hilft`s, die sind danach super glücklich, andere einfach nur k.o. . Da spielt Autosuggestion eine große Rolle, ich kenne einige Bergsteiger, Gleitschirmflieger … die haben nach ihren Aktivitäten ein unheimliches Hochgefühl, immer wieder und das schon seit Jahren, bei anderen ist es Sex, Modelleisenbahn oder Puzzeln.
@Nachtmensch erwähnte es trefflich, es sind komplexe Vorgänge in unserem Gehirn, da hilft es nicht, wenn man nur Serotonin „nachschüttet“ oder AD`s nimmt und auf ein Wunder hofft.
Es ist unsere Lebenseinstellung, die uns beeinflusst, lenkt und leitet. Ich kann mich bewuß (!) in Traurigkeit begeben, eben so kann ich Freude erzeugen. Andere benötigen Medikamente, bei vielen genügen Placebos, andere bekommen bei Musik der Kelly Familie eine „Erektion“ , bei anderen genügt AC/DC.
Ausprobieren, daran glauben...
… ein frohes Osterfest!

[Suchende2]

Hallo Topo,

meine Therapeutin meinte zu mir, wenn man zu tief in der Depression steckt, hilft Sport oft nicht.
Trotzdem ist es gut, regelmäßig Sport zu machen.

Alles Gute,
Suchende

[Marleo84]

Hallo zusammen,
also die Studienlage ist eigentlich ziemlich eindeutig, dass 3x30 Minuten leichter Ausdauersport die Woche die Wirkung der meisten Antidepressiva übertreffen.
Natürlich kann man die Wirkung auch durch kognitive Prozesse wiederum beeinflussen. Aber grundsätzlich ist es auf jeden Fall besser Sport zu machen, als keinen zu machen!

[Nachtmensch]

Hallo zusammen,
also die Studienlage ist eigentlich ziemlich eindeutig, dass 3x30 Minuten leichter Ausdauersport die Woche die Wirkung der meisten Antidepressiva übertreffen.

Und was ist bei 3x28 Minuten?

Natürlich kann man die Wirkung auch durch kognitive Prozesse wiederum beeinflussen. Aber grundsätzlich ist es auf jeden Fall besser Sport zu machen, als keinen zu machen!

Ich würde dies nicht so verallgemeinern. Vor allem wenn jemand echte Schwierigkeiten hat, Sport zu machen, kann diese Person trotzdem psychisch stabil sein und nicht von einer Depression betroffen sein.

Das kognitive Prozesse etwas beeinflussen, ist im Begriff Kognition verankert. Nur, etwas zu lernen oder Verhaltensweisen ändern oder anpassen, ist nicht alleine durch den Wunsch danach, auch für jeden direkt praktisch umsetzbar.

Nicht näher definierte, oder mit faktischen Quellen versehene „Studienlagen“ habe ich natürlich in meiner jetzigen Ausführung nicht berücksichtigt.

VG Nachtmensch

[Topo]

Hallo Leute,

danke für die vielen Antworten und Erfahrungsberichte!

Meine Idee bei der Frage war tatsächlich, ob es Erkenntnisse zur genauen Wirkung von Ausdauersport im Gehirn gibt. Aber ich sehe ein, dass genauere Erkenntnisse, wie insgesamt zum Hirnstofwechsel bei Depression, wohl leider schwer zu bekommen sind. Die meisten Studien, auf die Marleo84 auch richtig hinweist, unterscheiden meist nicht zwischen leichter und schwerer Depression und sagen nicht, ob es ums Serotonin oder die Bewegungsfreude geht etc.

Ich hatte es mir so gedacht, dass ich vl. einen erneuten Versuch mit Antidepressiva und den sexuellen Nebenwirkungen einfach durch Ausdauersport ersetzen kann. Aber dann probiere ich es einfach noch ein paar Wochen mit dem Joggen und werde dann halt doch SSRI nehmen, wenn der Sport nichts bringt.

Viele Grüße : )

[Frohnatur5]

es ist recht typabhänig, ob (und welchen) Einfluss Sport auf die Psyche hat. Ich war nach dem Sport einfach erschöpft und schlechter gelaunt als vorher. Ich habe dann immer zwei Tage gebraucht, bis es wieder "normal" war von der Erschöpfung.
Es ist halt auch nur ein "Hausmittelchen" und keine wirkliche Therapie.
f32

Mir geht es ähnlich. Aktuell habe ich meine erste schwere Depression. Ich mache meistens schnelles gehen oder auch langsam (dafür aber 1-2 Std.)... weil ich dann auch erschöpft bin.
Muss mich nach dem Gehen auch erst mal 1-1,5 Std ausruhen.
Zu richtigen Sport bin ich gar nicht in der Lage (Erschöpfung, Stimmungsverschlechterung).
Im Internet habe ich auch gelesen, ca. 3 mal die Woche Sport für ca. 20 Minuten soll den Serotoninspiegel erhöhen. Ich merke davon auch nichts.
Was mir aber Bewegung bringt ist
1. Ablenkung, raus aus der Wohnung.
2. je nach Tag auch Minderung der Unruhe.
3. ab und zu ganz kurzen positiven Small-Talk mit Passanten
4. ganz kleine schöne Erlebnisse (obs wunderschöne Lichteffekte durch die Sonne sind oder sonstiges)

[Ifightdepression79]

Moin moin,
mir bringt joggen auf jeden Fall präventiv was. Nicht wieder einen Rückfall zu haben.
Bewegung draußen ist eine der wichtigsten Dinge neben Therapie, sozialen Kontakten und Medikamenten.

[Max_]

Hallo,

das Thema beschäftigt mich auch. Ich bin gerade dabei, wieder mit dem Laufen anzufangen. Ich mache das in kleinen Dosen, um mich nicht zu übernehmen, sonst geht es bei mir nach hinten los. Heute bin ich im Regen auf dem Sportplatz gewesen – es war ein tolles Gefühl, es trotz der Wetterlage zu machen, alleine das wirkte antidepressiv. Gerne wäre ich noch länger gelaufen, aber da muss ich mich konsequent zügeln. Mein Ziel ist es, ganz langsam aufzubauen, um irgendwann mal wieder mit Freude und gutem Gefühl zu rennen.

LG Max