Depression und Trauer

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mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

Hallo zusammen, 

ich war 2016 wegen eines Burn Outs in stationärer Behandlung in einer Klinik, wo mir auch Depressionen diagnostiziert wurden. 

Anschließend habe ich noch eine Reha gemacht. Es hat noch gut 8 Monate gedauert, bis ich wieder arbeiten gehen konnte, Stunden reduziert. 

Bis ich wirklich sagen konnte 'Es geht mir gut' hat es noch etwa 1½ Jahre nach Reha gedauert. Ich war selbstbewusst wie nie und konnte mit stufenweise reduzierten Antidepressiva gut leben. 

Nun ist vor ¼ Jahr die Tochter meines Mannes, UNSERE Tochter mit Mitte 20 innerhalb von 3 Tagen nach Diagnose Krebs ... sehr Aggressivem ... gestorben. So etwas Grausames habe ich noch nie erlebt! 

Dann habe ich funktioniert. Habe das meiste was anfiel übernommen, meinem Mann Telefonate abgenommen. Und nicht weinen können. Bis jetzt außer 2x etwas. Magenschmerzen. Kopf dicht vor lauter Informationen, Bildern, Obduktions- und Arztberichten. Ich möchte schreien, aber es geht nicht.

Und ich habe gemerkt, dass ich wieder ins Loch falle. Ich kann nicht mehr arbeiten gehen. Ich bin erschöpft, wenn ich die 15 Stufen zu unserem Haus hoch gehe. Ich bin eigentlich von morgens bis abends erschöpft.

Mein Neurologe meinte, eine Klinik oder Tagesklinik wäre momentan das Richtige für mich, die Wartezeiten sind aber momentan sehr lang. Daher versuche ich, eine Reha zu beantragen, die hoffentlich zeitnah genehmigt wird und auch zeitnah im neuen Jahr angetreten werden kann. 

In eine Klinik möchte ich momentan sowieso nicht, weil ich meinen Mann in der Advents- und Weihnachtszeit nicht alleine zu Hause lassen möchte.

Ich versuche, Struktur in meine Tage zu bekommen. Aber es klappt nicht so richtig. Komme ich vom Einkaufen, muss ich mich erst ausruhen ... und auf dem Sofa bleibe ich auch meist liegen. 

Ich hoffe, in diesem Forum etwas Abwechslung zu bekommen. Vielleicht hilft das auch etwas  :)

Liebe Grüße 
Deheteleef
Beiträge: 578
Registriert: 7. Nov 2022, 17:01

Re: Depression und Trauer

Beitrag von Deheteleef »

Willkommen Michen,

deine Syptomatik kann man hier bestens nachvollziehen.
Ein Kind zu verlieren ist das Schlimmste was den Eltern passieren kann. Da ist es bewundernstwert,dass du die Trauerarbeit gut angehst.
Dass du gestern beim Sport warst...auch sehr stark.

Eine stationäre Reha halte ich zurzeit aber nicht für angebracht. Dein Mann braucht dich bestimmt nicht nur um Weihnachten rum.
Vier fünfmal vervierfacht macht mehr als fünf viermal verfünffacht. :shock:
MySun
Beiträge: 539
Registriert: 4. Jul 2022, 09:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von MySun »

Liebe mi chen,

Trauer braucht Zeit, denn Trauer kann nicht weggetröstet oder abgekürzt werden.
Ich empfehle dir/euch, den Besuch einer Trauergruppe, die es in jeder Stadt gibt.

Ich wünsche euch alles Liebe

Herzliche Grüße
MySun
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
Cethegar
Beiträge: 36
Registriert: 23. Jul 2018, 21:34

Re: Depression und Trauer

Beitrag von Cethegar »

Hallo mi chen,

fühl Dich erst mal umarmt!
Ähnliches erlebe ich gerade aus "Kindes Sicht", da meine Mama im September gegangen ist.
Auch Krebs, auch quasi von heute auf Morgen (drei Wochen) und auch ich sitze hier, völlig überfordert (besonders emotional) und mache mir nur Vorwürfe und weiß nicht wohin mit mir.

Den Verlust eines Menschen der SO Nah ist, erlebe ich gerade als das aller Schlimmste was ich je erleben musste. Ich möchte hier keine Vergleiche anstellen, aber wer es nicht erleben musste ....

Da ich das alles gänzlich alleine durchlebe, "musste" ich schlichtweg funktionieren. Sagte man mir so.
So wirklich trauern, DEM Ausdruck geben was wirklich in mir geschehen ist, oder was ich fühle/gefühlt habe ... da war scheinbar noch kein Platz zu? Ich saß auch in der Kapelle und war der einzige der nicht geweint hat!?

Jeden Tag die gleichen Bilder vor Augen/Gedanken im Kopf, jede Nacht (wenn ich denn schlafen kann) die selben Träume, mit Verlust Gefühl und diesem "warum haste dies nicht gemacht - warum haste Sie da nicht mal in den Arm genommen - Du wolltest noch so viel sagen...."?

Sie fehlt mir! Sie fehlt mir SO SEHR!

Zum Glück habe ich einen tollen Hausarzt der mir (mit seiner eng bemessenen Zeit Gesprächstermine einräumt) und bin etwas Therapie erfahren.
Dort und bei der Telefonseelsorge habe ich ganz, ganz viel Hilfe, Verständnis und Trost erfahren. Auch die Trauer Cafes von den Hospizbewegungen können sehr helfen.
Es ist unfassbar wie viele, gerade ältere Menschen, noch das Herz haben sich dort DEINE Probleme anzuhören, den Schmerz mit Dir zu teilen. Termine sind meistens 14 Tägig.

Ich hatte monatelang die REHA Unterlagen (aus anderen Gründen) hier liegen, und als meine Mama gegangen war, habe ich den Antrag abgeschickt. Wurde auch genehmigt.

Lange Rede.:

Nachdem ich mit X Psychologen telefoniert habe (Liste erstellen!), keiner (ich wiederhole-KEINER) vor mind. 8 Monaten Zeit hat, habe ich mich um eine Tagesklinik bemüht und stehe bei einer jetzt auf der Warte Liste. Ersttermin habe ich relativ schnell (drei Wochen?) bekommen, hatte mich da aber auch auf deren Warteliste eintragen lassen (wären sonst sechs Wochen gewesen).

In diesem Zuge wurde mir auch mehrmals bestätigt das Therapie (z.B. Tagesklinik) sinnvoller Weise VOR REHA erfolgen sollte/müsste.

Das Du für Deinen Mann da bist, ehrt Dich. Aber aus einem leeren Fass kann man nicht schöpfen! Vergiss Dich selber nicht. Vermutlich täte es Ihm gut wenn er ähnlich handeln würde, wie Du dies gerade tust!

Für sich bleiben hilft nicht, benutzt die o.a. "Werkzeuge" und versucht mit Hilfe den Schmerz zu zu lassen, dann wird es, ganz langsam etwas erträglicher.


Hausarzt, Therapeutische Hilfe (so möglich), unbedingt Telefonseelsorge (die Tipps welche Du da erhältst schaffen oft Klarheit), Trauer Cafe/Spaziergang und, wenn vorhanden, eine Freundin/jemanden zum Reden.


Du kannst mir gerne eine PN schreiben wenn ich Dich bei der Suche unterstützen kann/soll. Sollte ich merken das ICH mich damit übernehme, werde ich Dir das schreiben. Auch ich muss gerade sehr auf mich achten.

Lieben Gruß
Cethegar
mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

Lieben Dank für Eure Antworten.

Ich habe Therapie (-gruppen) und Klinik sowie Reha schon gemacht, also 'damals' beim 1. Mal. Und ich habe das Gefühl, dass mir eine Reha erstmal gut tut bzw ausreichen könnte. Mein Mann steht da hinter mir.

Da wir recht ländlich wohnen sind die meisten Angebote zu Trauergruppen/-cafés etwa 40 km 1 Strecke entfernt. Im Prinzip eigentlich keine Strecke für so etwas Wichtiges. Aber mir momentan zuviel am Stück mit Fahrt und Gesprächen.

In der Nähe habe ich auch schon gegoogelt, da gibt es kirchliche Angebote, aber das ist nicht so unsere Richtung. Ich möchte mir nicht anhören, dass Gott es so gewollt hat. Eine Gruppe gibt es noch, von einem Seniorenheim. Bei dieser Notiz ist es allerdings geblieben, ein neuer Punkt in meiner to-do-Liste. 'Einfach' mal anrufen und schauen ob es was ist.

Mein Mann möchte es nicht. 1. möchte er nicht drüber reden (ich weiss, er müsste ja erst mal nur zuhören), aber dann kommt 2. er möchte sich nicht traurige, tragische Sachen von Anderen anhören müssen, er meint, das würde ihn noch mehr runter ziehen. Vielleicht kommt das noch.

Die Therapeutin wo ich damals war konnte mich glücklicherweise zeitnah unterbringen. Ich weiss nicht ob sie nicht groß besucht wird oder sie Notfalltermine frei hält, jedenfalls gehe ich dort schonmal wöchentlich hin. Seit dem 5. oder 6. Mal merke ich auch, dass es anfängt gut zu tun.
mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

Ach, Cethegar, dir noch einen großen Dank für Deinen Vorschlag zur Hilfe, das ist super lieb. Ich nehme es erstmal nicht an, aber komme gerne darauf zurück, sollte ich absolut nicht weiter kommen.

Dir und allen alles Gute! :)
Cethegar
Beiträge: 36
Registriert: 23. Jul 2018, 21:34

Re: Depression und Trauer

Beitrag von Cethegar »

Alles gut!

Liest sich insgesamt deutlich geordneter als ich es von mir kannte. Deinen Mann kann ich da tatsächlich verstehen, dann ist es tatsächlich für Ihn nicht das richtige.
Toll auch das Du recht schnell bei einer Therapeutin Termine hast und wenn sich das gut anfühlt, ist es auch gut.

Fühl Dich gedrückt und ich drücke die Daumen für die REHA!
Maxegon
Beiträge: 2486
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Depression und Trauer

Beitrag von Maxegon »

Hallo mi chen,
ich kann deinen Mann verstehen, dass er sich in einer Trauergruppe nicht wohlfühlt.
Mir ging es ähnlich, zum eigenen Leid auch noch das Leid der Anderen ertragen zu müssen ... das hielt ich nicht aus. Zwar hatte ich auch einen geliebten Menschen verloren, doch all die Anderen kannte ich nicht.
Mir half innerhalb der Familie und bei Freunden zu reden, sich an die schönen Momente zu erinnern und zu akzeptieren, dass der Tod zum Leben gehört, auch wenn wir es selten wahrhaben wollen.
Immer glauben wir, uns trifft es nicht, verdrängen meisterlich und passiert es dann doch, haut es uns aus den Latschen, wir können es nicht fassen.
Viel reden half mir, bei Menschen die mir zuhörten, ich musste mir mein Leid von der Seele reden und erkennen, akzeptieren, das es so ist wie es ist.
Endgültig.
Und das brauchte bei mir eine ganze Weile bis ich begriff, was ich nicht begreifen wollte, wahrhaben wollte.
Wir in unserem Kulturkreis haben sowieso ein sehr merkwürdiges Verhältnis zum Sterben, andere Völker machen es sich leichter.
Mein Verstorbener lebt in meinen Erinnunungen weiter, auch stelle ich mir vor, was er zu einer bestimmten Situation gesagt hätte, auch "unterhalten" wir uns (macht wohl jeder, sagt aber niemand), lachen, blödeln ... und oft tröstet mich der Verstorbene.

So ein Mensch ist nicht einfach so weg! Sein Körper schon, er lebt weiter in uns, mit uns, ob wir wollen oder nicht.
Immer wenn wir an ihn denken, ist er da.
Da kullert selbst bei mir ein Tränchen, wenn ich daran denke.
mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

Oh ja, das glaube ich. Bei der Gedenkfeier waren sehr viele ihrer Mitschüler da, auch die Kindergärtnerin und die Grundschullehrerin.

Was das Verhältnis zum Sterben bei uns angeht Maxegon, da ist was dran.

Ich z.B. habe ein farbiges Foto mit bunter Schleife aufgestellt. Frech und lebensfroh ist sie darauf. Genau so wie sie war. Ich dachte dabei, dass es 'einfacher' für uns ist als ein schwarzweiß Foto mit schwarzer Schleife. Warum schwarzweiß? Warum nicht bunt? Und wir gehen daran vorbei, manchmal strecken wir ihr die Zunge raus und lächeln. Manchmal halte ich ihr die Faust hin und stelle mir vor, wie sie ihre dagegen hält.

Auch die Trauerfeier haben wir 'anders' gemacht. Alle sollten daran denken, wie sie war. Wir haben darum gebeten, dass man in farbiger Kleidung kommt, denn sie hat schwarz sowieso nicht gemocht.

Auch wenn es ein sehr schwerer Tag war denke ich, dass das uns zumindest etwas leichter gemacht hat.

Gestern war ich 1 Stunde auf Arbeit. Damit ich nicht 'weg vom Fenster' bin, mit Kollegen rede. Hat mir gut getan, aber auch gezeigt ... und denen wahrscheinlich auch ... dass ich das Arbeiten einfach z.Z. nicht schaffe.

Ich wünsche euch einen guten Tag
mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

Cethegar hat geschrieben:Alles gut!

Liest sich insgesamt deutlich geordneter als ich es von mir kannte.
Ich schreibe sehr gerne und kann dabei überlesen und korrigieren bevor ich es abschicke ;)

Aber beim Reden kommen schonmal so Sachen wie

Hol mal ne Schublade Holz.

oder

Wir stecken den Kopf nicht in den Hals.

raus.
mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

So. Ich habe gerade schonmal über die Trauergruppe Informationen erbeten, werde zurück gerufen.

Yayyyyy, 1 Punkt erledigt.
mi chen
Beiträge: 11
Registriert: 6. Dez 2022, 11:45

Re: Depression und Trauer

Beitrag von mi chen »

Guten Morgen zusammen,

gestern war ein sehr schlechter Tag. Ich bin morgens aufgewacht und war mit dem Tagesablauf und dann dem Aufstehen total überfordert. Obwohl gar nicht so viel anstand.

Ich hatte Termin zur Therapie, fahre ne gute ½ Stunde eine Strecke + 4 Punkte auf der to-do Liste.

Der Enkelhundi war da, sollte abgeholt werden. Ich wollte/musste mit ihm noch gehen, Kacki muss gemacht werden ;)

Vor dem Termin Duschen, in Ruhe frühstücken, das ist mir wichtig. Nach de Therapie sollte er direkt abgeholt werden, sie hatten einen Termin. Da unsere Große z.Z. wg Problem am Bein nicht gehen kann, musste ich also Gassi gehen, möglichst ½ Stunde.

Ich hab also im Bett gelegen und geheult. Eigentlich gut, dass ich endlich mal weine, aber es war kein gutes Weinen. Ich war total überfordert.

Den ganzen Tag einen 'dicken Kopf', es schwirrte bis es schließlich weh tat. Am späten Nachmittag war ich dann so gerädert, dass ich nicht mehr gekocht habe und TK Pizza in den Ofen geschoben habe, was mir auch schon zu viel war.

Heute ist es etwas besser.

Ich habe diese Woche nur wenige Termine, Hausarzt, Physio, aber ich mache mir schon wieder einen Kopf, wie ich das alles hinkriegen soll. :(
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