Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrängung

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Frautel
Beiträge: 18
Registriert: 12. Sep 2022, 16:06

Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrängung

Beitrag von Frautel »

Hallo zusammen,

ist es bei euch auch so, dass es euch noch schlechter ging als ihr angefangen habt, euch mit dem Thema Depression (und euren Problemen) auseinanderzusetzen?
Ich war gestern das zweite Mal nach 8 Jahren wieder bei meinem alten Psychiater, da ich psychisch echt am Ende meiner Kräfte bin. Der Psychiater ist auch wirklich gut. Ich fühle mich bei ihm ernstgenommen und verstanden. Kurz nach dem Gespräch hab ich mich auch etwas besser gefühlt.

Umso tiefer ich jetzt aber wieder in meiner Vergangenheit grabe und über mein Leben nachdenke, desto schlechter geht es mir. Ich glaube, das war auch mit ein Grund, weshalb ich lange Zeit meine Probleme verdrängt habe.

Zum Beispiel heute und gestern konnte ich nichts anderes machen als nachzudenken. Ich habe heute auch noch nichts gegessen und getrunken, weil ich nur nachdenken muss. Ich weiß, dass das ein Symptom der Krankheit ist, aber momentan ist es wirklich so schlimm, dass ich zu NICHTS anderem mehr komme...
Katerle
Beiträge: 11258
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von Katerle »

Hallo Frautel,

ersteinmal herzlich Willkommen im Forum.
Gut, dass du dich bei deinem Doc in guten Händen fühlst, ernstgenommen und auch verstanden. Und ja, es ist tatsächlich so, dass es einen zunächst schlechter geht, wenn die Vergangenheit wieder zum Vorschein kommt. Aber je mehr du dich damit auseinandersetzt, wirst du dann feststellen, dass es dir mit der Zeit nach uund nach besser geht. Das braucht auch die nötige Zeit und auch Geduld. Es gab Zeiten, als ich an schwierige Situationen aus meiner Vergangenheit erinnert wurde, dass mir sofort die Tränen kamen und es mir schlecht ging, aber inzwischen ist das nicht mehr so. Meine Vergangenheit ist ein Teil meines Lebens und ohne sie wäre ich wohl auch nicht der Mensch, der ich heute geworden bin.
Und das mag es sich auch anfangs so anfühlen, dass die Auseinandersetzung mit der Krankheit einen schlimmer vorkommt, als ihre Verdrängung.
Mir ging das auch so, dass ich viele Jahre traumatische Ereignisse verdrängt hatte. Aber genau das war die Gefahr. Eines Tages ging es mir dann körperlich und seelisch so schlecht, dass garnichts mehr ging und ich null Kraft mehr hatte...
Was mir auch geholfen hatte, mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen war, mir alles von der Seele zu schreiben, falls mich Gedanken daran mal wieder nicht losließen und es mir schlecht ging.
Oder ich versuchte mich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die mir guttaten und auch heute noch guttun, wie Bewegung an frischer Luft oder indem ich kreativ war/bin, z. B.
Oder mich auch mal mit Leuten traf/treffe (wie es mir halt auch geht).

Jedenfalls wünsche ich dir ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen bei der Auseinandersetzung mit der Krankheit.

Liebe Grüße
Katerle
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von Meridian »

Hallo Frautel,

ich kenne das auch aus Zeiten während der Therapie, dass es mir phasenweise schlecht ging, ich auch manchmal daran zweifelte, dass ich es schaffe, das alles aufzuarbeiten.
Und manchmal dachte ich auch, vorher habe ich wenigstens funktioniert, aber mir war schon klar, dass die Verdrängung und das Funktionieren einen Preis haben und dass es so nicht weitergeht.
Dann habe ich mich an die Auseinandersetzung mit den Ursachen meiner Depression gemacht und ich will das gar nicht schönreden, das ist heftig und oft sehr schmerzhaft, aber für mich geht es nur so, wenn ich etwas verändern will ( auch wenn die Veränderung gefühlt oft nur in Minischritten passiert)
Jemanden zu finden, der dich auf dem Weg begleitet und von dem du dich verstanden fühlst, sind schon mal gute Voraussetzungen
Alles Gute für dich.

LG, Meridian
Katerle
Beiträge: 11258
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von Katerle »

Naja Blödsinn ist das nicht. Und das muss auch nicht so sein.
Jedenfalls hatte ich einige kompetente Leute (Psychotherapeuten) an meiner Seite, bei denen ich mich öffnen konnte. Und ich bin sehr dankbar für diese Hilfe.
Ich sag mal so, der Verdrängungsmechanismus mag ja funktionieren, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn wenn zu viele schwerwiegende Ereignisse aufeinandertreffen, dann kann das tatsächlich gefährlich werden für deine Seele und somit auch für deinen Körper.

LG Katerle
Sanne-
Beiträge: 109
Registriert: 13. Jan 2022, 20:06

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von Sanne- »

Hallo Frautel,
Ja, ich frag mich auch manchmal ob das so gut ist, vor Allem weil ich dann mit der Zeit immer weniger Menschen mag :D ich bin da unentschlossen ob ich das gut finde oder nicht... ich glaub es ist ein zweischneidiges Schwert... ich weiß, dass es wichtig ist, dass man diese Dinge/Erlebnisse selbst auch aufarbeiten möchte... wenn man es nicht möchte, soll man es auch nicht tun... dann kann es gut nach hinten losgehen und das Erlebte darf, wenn man es so möchte auch gerne im Vergessenen bleiben... ich denke es kann hilfreich sein das zu wissen...
Komme selbst aus dem sozialen Bereich und muss mich auch beruflich damit auseinandersetzen...
Liebe Grüße
Katerle
Beiträge: 11258
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von Katerle »

Manchmal wünschte ich, ich hätte bestimmte Sachen nicht erlebt. Sie waren aber immer irgendwie in meiner Erinnerung und einmal sagte mir eine PT, es wäre gut, dass ich es erinnern könnte und ich meinte darauf, naja ob das immer so gut ist?
Jedenfalls, als ich mit ner vertrauten Person darüber reden konnte, gings mir vielleicht anfangs schlechert, aber im nachhinein fühlte ich mich erleichtert und nicht mehr allein mit dieser schweren Last.
Heute kann ich für mich sagen, dass mich meine Erlebnisse nicht mehr belasten und es mir geholfen hatte, alles aufzuarbeiten und es auch viel Zeit und Geduld gekostet hatte, sie zu verarbeiten.

Das muss aber nicht für jeden gelten.

LG Katerle
malu60
Beiträge: 4141
Registriert: 28. Dez 2014, 11:31

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von malu60 »

Hallo Frautel,
aller Anfang ist schwer,wenn Verdrängen und Funktionieren nicht mehr geht,so wars bei mir,geht es nur mit Medi,s,vor allem Therapie, ran an die Ursachen.Vergleichbar einer Operation bei körperlichen Krankheiten.Natürlich ist das sehr schmerzhaft,erstmal fühlt es sich schlimmer und falsch an.Aber was wäre die Alternative!?

Auch ich habe zeitweise sehr gelitten und gedacht ich kenn mich nicht mehr aus,Wer bin ich noch und warum ist das mir alles passiert,wie damit weiterleben.Ja,es entfernt auch von anderen Menschen und schafft Ohnmachtsgefühle.Was Du jetzt durchmachst ist hart.Für den Alltag bleibt kaum Kraft.WenigstensTrinken und etwas Essen ,da solltest Du drauf achten.Seelenarbeit frißt vielEnergie und der Körper will auch versorgt sein,sonst wirst Du immer schlapper.Auch daran kann man in der Therapie arbeiten,ein Gutes hier und jetzt finden.Es geht um eine bessere Zukunft....für sich selbst sorgen lernen.Ich habe bei mir erlebt,dass ich nur stückweise an der Vergangenheit arbeiten konnte.Es dauerte sehr lange,sich alles anzuschauen ,nochmal zu durchleben.Wie ein Schutz habe ich es erlebt,immer nur soweit,wie ich es ertragen konnte.

Wichtig war auch zu lernen,was ich tun kann um wieder handlungsfähig zu sein.War bei mir
Spaziergänge,Hobbys,manchmall nur Ablenkung mit Büchern,oder TV,Menschen aus Selbsthilfegruppen,die Ähnliches durchmachen,viel aufschreiben,ja sogar mal im Wald schreien.
Pausenlos darüber grübeln,ist nicht zielführend,besser irgendwie weiter im Leben bleiben.

Klinikaufenthalte sind auch gut,um im geschütztem Rahmen in der Gemeinschaft Hilfe zu finden und auch Freizeitangebote zu nutzen.So erfährt man ,dass es nicht den ganzen Tag um Aufarbeitung geht,sondern dass das Leben auch Schönes bietet.Natur,Bewegung bringen wieder Entspannung und neue Kraft ,sogar Freude.

Es ist ein langer Weg,einmal beschritten gibt es kein zurück,dafür ein "gutes,bewußtes neues Leben". Ich wünsche Dir hier einen guten Austausch,Du bist nicht allein.Alles Gute L.G.malu
Leben ist mehr
Frautel
Beiträge: 18
Registriert: 12. Sep 2022, 16:06

Re: Auseinandersetzung mit d.Krankheit schlimmer als Verdrän

Beitrag von Frautel »

Vielen Dank für eure ganzen Antworten und persönlichen Erfahrungen.
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