Alles zu viel?

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Reven
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Alles zu viel?

Beitrag von Reven »

Hallo zusammen. Ich weiß nicht wie man sich am besten hier ausdrückt bzw. ob meine Gedanken vllt auch einfach nur sehr trivial oder sog. "First-World-Problems" sind. Daher versuch ichs einfach mal.

Ich bin selbst 35 Jahre alt und gelernter Erzieher seit 2016. Habe vorher bereits unterschiedliche Ausbildungen gemacht (kaufmännisch, sprachlich, etc). Hab keinen einfachen bzw geradlinigen Lebenslauf hinter mir. Vieles was früher passiert ist, hängt mir heute noch sehr nach (Mobbing, Trennung Eltern, Krebstod Vater, selbst der Tod vom Familienhund) und ich habe das Gefühl nur schwer bis kaum loslassen zu können. Neues anzunehmen fällt mir teilweise echt schwer.

Mein jetziger Beruf ist eigentlich sehr schön und ich auch echt gut darin (bekomme das auch zurückgemeldet). Jedoch habe ich seit einigen Jahren immer häufiger das Problem mit Stellenwechseln und dass sich meine Motivation immer mehr verabschiedet. Oftmals lege ich mich mit den Führungskräften an bzw habe das Gefühl, in meinen Augen triviale Dinge wie bspw. mehr Empathie ggü einem eigenen Team, immer wieder erklären zu mussen. Auch wenn ich weiß dass ich da kein einfacher Charakter bin, so verstehe ich vieles nicht was oftmals abläuft oder geäußert wird. Das stresst mich sehr.

Hier kam ein mentaler Zusammenbruch aus dem Herbst letzten Jahres hinzu. Während dieses arbeitete ich in einer Kita. Der Arzt diagnostizierte dann eine depressive Episode, schloss Burn-Out eher aus und empfahl mir einen Psychiater zu finden. Das versuche ich bis heute :/ Medikamente hätte er mir verschrieben, diese wollte ich jedoch nicht nehmen, da ich bereits täglich starke Tabletten gegen meine Epilepsie nehmen muss und hier Angst vor zu viel Chemiecocktail habe. Weiß auch nicht ob das hier ein Fehler war...

Seit Januar arbeite ich nun wieder in einem Schülerhort. Ich kann meine Arbeit und bin wie gesagt auch gut darin, aber ich habe das Gefühl dass mir innerlich immer häufiger etwas fehlt. Leitungsstellen wurden mir auch angeboten, aber selbst mehr Verantwortung reizt mich nicht mehr in der Art wie noch vor einigen Jahren. Ich denke immer häufiger darüber nach wegzugehen aber kann mich am Ende nie zu mehr als gedanklichen Spielen motivieren. Oder ob es mehr als nur Urlaubswünsche sind...

Meine Partnerin versucht zu Hause alles um mich aufzufangen (schafft dies auch meistens), allerdings hat sie selbst auch Probleme (schon länger her als bei mir) und das macht es natürlich schwer, weil keiner dem anderen so massiv zur Last fallen will. Sie ist auch die einzige der ich mich mit allem anvertrauen kann (wenn ich mich mal überwinden kann und nicht dauernd stark sein muss wegen allem anderen).

Bevor jetzt alles zu wirr wird, mache ich hier mal einen Punkt. Danke fürs Lesen an alle die es tun :)

Reven
SundayMan
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Registriert: 8. Sep 2022, 19:12

Re: Alles zu viel?

Beitrag von SundayMan »

Hallo Reven,

beim Lesen deines Beitrags kam mir in den Sinn, ob dein (Haus)arzt dich bei der Suche nach einem Psychiater unterstützen kann?

Vielleicht würde dir ja auch eine Psychotherapie oder eine berufliche Reha helfen?
Ich habe mit letzterer gute Erfahrungen gemacht.

Finde mich in einigen deiner Aussagen wieder, habe auch lange Zeit in einer Horteinrichtung gearbeitet.

Ich wünsche dir alles Gute, viel Kraft und sorge gut für dich selbst.

Lieber Gruß, Tobias
"You asked me what's my pleasure, a movie or a measure
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(Blondie)
Reven
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Registriert: 12. Sep 2022, 06:37

Re: Alles zu viel?

Beitrag von Reven »

Danke an die ganzen Antworten :)

Das mit dem Charakter wird mir schon seit Ewigkeiten immer vorgeworfen. Also dass ich zu introvertiert, Ansprüche an die Arbeitseinstellung sehr hoch, usw.

Alles Sachen die ich weiß und an denen ich jetzt echt seit Jahren hart arbeite und auch extrem transparent bin um möglichst keine Fehlkommunikationen mehr zu haben oder es mir und anderen zu erleichtern besser damit umzugehen.


Erst so "lieb" zu tun und dann 5 min später hinten rum übel rumzupöbeln über dieselbe Person macht mich so unendlich traurig und ich merke wie dann aber auch mein ganzes Vertrauen in alle Menschen plötzlich flöten geht. Ich kann es nicht mal mehr nur dort lassen wo es passiert...und es passiert so oft. Egal wo man ist. Allein dieses gegensätzliche Verhalten gibt mir immer so viel Probleme...

Was genau ist bzw macht man in einer beruflichen Reha nochmal? Ist nicht dasselbe wie eine Umschulung oder?

Mein Hausarzt hat gemeint er kann mir halt nur die Überweisungen geben und suchen müsste ich selbst. Wie jeder weiß ist es halt derzeit auch nicht gerade easy jemanden zu finden der noch Kapazität hat. Dass man mit den Leuten dann auch wirklich connected ist ja dann auch noch so ne Sache, wovor ich viel Angst habe. Also suchen, finden, nicht passen, wieder suchen, etc. Dass es so läuft...

Ich merke einfach auch dass mich wenig mehr berührt. Schockierend war auch als meine zweite Nichte zur Welt kam und ich bis heute einfach null Empfindung zu ihr habe. Es wirkt alles so irrelevant und trivial. Ich schlafe seit Jahren scheisse und träume fast jede Nacht inen zusammenhangslosen Bullshit, kann kaum abschalten und habe das Gefühl dass ich gar nicht mehr "nicht denken" kann. Das ist einfach alles so anstrengend.

Ich spreche hier auch von einem Zeitraum der letzten 3-4 Jahre in dem vieles passiert ist und seitdem es gefühlt so schwer wird.

Sorry für die langen Textwände :/
SundayMan
Beiträge: 327
Registriert: 8. Sep 2022, 19:12

Re: Alles zu viel?

Beitrag von SundayMan »

Hallo Reven,

das klingt für mich, als ob du hohe Ansprüche an dich selbst und deine Mitmenschen hast. Verstehe ich das richtig?

Eine Reha ist keine Umschulung, sondern dient dazu, die Arbeitskraft zu erhalten oder wiederherzustellen. Sie wird von der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Agentur für Arbeit finanziert, wenn ein erfolgreicher Antrag dazu gestellt wurde. Mir hat meine Hausärztin damals bei der Beantragung geholfen, sie hatte mich auch darauf aufmerksam gemacht.
Ist nur eine Idee meinerseits.

Die Sache mit dem Gefühl, "gar nicht mehr nicht denken" zu können kenne ich von mir, es strengt ziemlich an und zieht viel Energie.

Ich wünsche dir einen guten Abend.
Lieber Gruß, Tobias
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(Blondie)
Lavendel64
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Re: Alles zu viel?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,

vielleicht ist die berufliche Reha auch eine gute Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz. Dauert ca. 5 Wochen und kann auch ambulant laufen (sofern eine entsprechende Einrichtung in der Nähe ist), d.h. du wärst abends und am Wochenende zu Hause.
In der psychiatrischen Reha sind Einzel- und Gruppengespräche, und diverse Therapien in unterschiedlichen Bereichen (Kunst, Sport, Entspannung) und viel Zeit für Dich selber. Natürlich auch viel Austausch mit anderen; all das kann hilfreich sein, um mit Krisen klarzukommen und für Dich selber einen Weg zu finden.

Die erste Anlaufstelle dürfte Dein Hausarzt sein. Alternativ kannst Du Dich auch an eine Institutsambulanz wenden ... leider haben alle z.T. lange Wartezeiten.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Reven
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Re: Alles zu viel?

Beitrag von Reven »

Hohe Ansprüche in dem Maße, dass ich es halt grauenhaft finde wenn man einerseits Dinge predigt die man selbst nicht mal beachtet/Wert drauf legt oder Verständnis einfordert für die eigene Person aber kaum welches für andere Menschen und deren Situationen aufbringt. Es wirkt immer wie so ein subtitles Schuldgefuhl-Spiel. Kleine Seufzer, etc. Das schlaucht wenn man das mitbekommt oder es sogar die eigene Person betrifft. Und man das Gefühl vermittelt bekommt es sei auch immer egal wenn man was dagegen sagt/es erklärt.

Nur ist das iwie so weit verbreitet, dass es, mir persönlich, oftmals die Freude an der Tätigkeit an sich nimmt. Man sollte sich nicht zu sehr reinsteigern, klar, aber ich finde so etwas zu ignorieren und hinzunehmen ist doch mind. genauso schädlich. Oder nicht?

Die berufliche Reha schaue ich mir mal an. Ich weiß auch nicht ob es in der Pädagogik auch Möglichkeiten gibt, eher einzeln zu arbeiten, also weniger im Team bzw. halt nur selten oder wenn nötig. Finde da kaum was zu. Ist auch nicht so dass ich das nicht kann, aber ich merke dass es mich sehr oft triggert bzw. mitnimmt.
Reven
Beiträge: 6
Registriert: 12. Sep 2022, 06:37

Re: Alles zu viel?

Beitrag von Reven »

Hi Winfried,

ja die Tabletten bekomme ich vom Neurologen. Die Epilepsie habe ich jetzt schon 24 Jahre, das war ein Heckmeck das damals als Kind einzustellen, aber die Tabletten haben (auch laut Neurologie) wenig bis keinen Einfluss darauf. Nehme die auch schon 15+ Jahre.
SundayMan
Beiträge: 327
Registriert: 8. Sep 2022, 19:12

Re: Alles zu viel?

Beitrag von SundayMan »

Guten Morgen Reven,

ich kann es sehr gut nachempfinden, was du zu Situationen mit anderen Menschen schreibst, wenn das, was sie sagen und tun, nicht zueinander passt. Mir wurde dazu öfter geraten, mich abzugrenzen und es zu akzeptieren/anzunehmen, wenn solche Menschen so sind. Leider kann ich dir dazu nicht mehr empfehlen, mir gelingt das manchmal mehr, manchmal weniger.

Bezüglich einer anderen Arbeitsumgebung mache ich mich gedanklich auch gerade auf den Weg. Ich plane, mich im hiesigen Berufsinformationszentrum mal zu erkundigen, was mit meinem fachlichen Hintergrund noch an möglichen Arbeitsstellen neben der Kita in Frage kommt.

Lieber Gruß, Tobias
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(Blondie)
lena89
Beiträge: 32
Registriert: 29. Jul 2022, 09:08

Re: Alles zu viel?

Beitrag von lena89 »

Lieber Reven,
jetzt melde ich mich auch noch obwohl hier schon so viele gute und hilfreiche Sachen gesagt worden sind. Das mit den eigenen Ansprüchen an die Arbeit und das in einem nicht wohlwollenden Team irgendwie zu leben - das ist auch meine Erfahrung gewesen. Ich habe nach vielen Versuchen hierauf zu reagieren (habe Supervision angeregt, bin selbst nach Zusammenbruch in einer BfA-Reha gewesen) irgendwann das Handtuch geworfen.
Ich bin jetzt als rechtliche Betreuerin selbständig und habe es stets genossen, meine eigene "Frau" zu sein. Ich bin in einer privaten Gruppe mit anderen Betreuern und fühle mich da sehr aufgehoben - aber bleibe halt selbständig. Vielleicht könnte das was für dich sein. Das Betreuerrecht und der Zugang hierzu wird grade grundsätzlich neu geregelt. Googel mal: rechtliche Betreuung.
Lieber Gruß
Inge
Reven
Beiträge: 6
Registriert: 12. Sep 2022, 06:37

Re: Alles zu viel?

Beitrag von Reven »

Hi nochmal und erstmal danke für die ganzen Vorschläge/Tipps/Infos.

Das Abgrenzen fällt mir auch schwer, weil es dann meist darauf hinaus läuft, dass mir vorgeworfen wird, ich würde mich nicht genug beteiligen, wobei ich dann entgegenhaltend versuche zu erklären, dass ich mich eben bei so Zickereien und Themen zu denen ich eh nichts bzw. wenig weiß zurückhalte.

Ich habe einfach das Gefühl es nie jemandem recht machen zu können. Derzeit gehen auch viele aus unserer Einrichtung, unter anderem ein langjähriger Mitarbeiter der eig so derjenige war mit dem ich echt gut klar kam. Da steht auch im Raum dass er mich und einen anderen Kollegen zu sich in die neue Einrichtung holt, kann nur dauern, weil das wieder über den Träger laufen muss und daher langsam ist.

Hatte ansonsten auch überlegt in die Richtung Systemischer Berater oder so zu gehen. Iwas wo ich vllt. die Empathie mehr als Lehrmittel bei Älteren/Erwachsenen nutzen kann. Habe leider auch kein Abi, daher sind die Möglichkeiten auch begrenzt.

Aber am allerliebsten wäre ich jetzt iwo weit weg um mal endlich Abstand und Ruhe zu haben. Ohne Angst haben zu müssen, dass hier bei Rückkehr ein Scherbenhaufen entstanden ist :(
Reven
Beiträge: 6
Registriert: 12. Sep 2022, 06:37

Re: Alles zu viel?

Beitrag von Reven »

Wenns gehen würde ja. Geht aber afaik im pädagogischen Bereich nicht bzw. höchstens als Lehrer. Hab ich zumindest bis jetzt immer so mitbekommen, aber wäre natürlich toll wenns anders wäre :)

Hinzu kommt dass ich ja erst seit Januar dort angestellt bin und mein Vertrag auch eig. nur bis Dezember befristet ist (sollte laut Aussage der Chefs aber eh in nen unbefristeten übergehen, jedoch bin ich da mit solchen Aussagen sehr vorsichtig bei der "Ehrlichkeit & Zuverlässigkeit" die zu herrschen scheint)
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