Umzug und Jobwechsel mit Depression

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Topo
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Registriert: 15. Sep 2021, 22:32

Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Topo »

Hi Leute,

wahrscheinlich ist es nicht so pauschal zu beantworten aber: Sollte man mit mittelschwerer-schwerer Depression Job und Stadt wechseln?

Ich habe mir einen Job gesucht, der mich inhaltlich interessiert aber gar nicht meiner Persönlichkeit und bevorzugten Arbeitsweise entspricht. (Öffentlichkeitsarbeit und Ähnliches für ein nettes Unternehmen, ich bin jedoch komplett introvertiert und arbeite gern am Schreibtisch etc.) Der Job ist in einer Stadt, in der ich niemanden kenne. Das ganze habe ich quasi gemacht, um meiner Depression und Angsterkrankung ein Schnippchen zu schlagen und einfach genau das zu tun, was mir eher nicht entspricht.

Seit meiner Entscheidung habe ich aber durchgehend Panik vor der Veränderung und auch keine Lust mehr auf die Stelle. Vor allem weil dann mein soziales Umfeld, Therapeutin etc. wegfällt, was mir für die psychische Stabilität sehr wichtig ist. Wenn ich dran denke, meine Wohnung zu kündigen, drehe ich vor Angst durch.

Meine Psychiaterin rät mir, nicht umzuziehen, da ich stark depressiv und nicht gut medikamentös eingestellt bin. Meine Therapeutin sagt, man sollte sich nicht von seinen Ängsten leiten lassen. Sowas wie ein Bauchgefühl habe ich überhaupt nicht mehr. Dass ich mir durch meine Ängste Chancen verbaue, finde ich auch bedauerlich. Aber psychische Stabilität ist ja auch wichtig.

Habt ihr euch auch schon in solchen Situationen befunden und könnt etwas berichten?

Danke und LG : )
747er
Beiträge: 386
Registriert: 10. Jul 2022, 10:20

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von 747er »

Moin, Topo!
Für mich klingt die Idee, umzuziehen und einen neuen Job anzufangen, der dir eigentlich nicht liegt, auch nicht sinnvoll. Klar, es ist so ein zweischneidiges Schwert, der Job interessiert dich inhaltlich, du findest die Firma nett, und du möchtest den Rat befolgen, dein Leben nicht von deinen Ängsten diktieren zu lassen. Alles verständlich.

Ich hatte auch mal einen Job, den ich inhaltlich interessant fand, aber wo ich, als introvertierter Mensch, ständig mit fremden Menschen interagieren musste. Ich spielte also auch ständig eine Rolle, musste der freundliche, hilfsbereite Typ sein, der auf Menschen zugeht. Aber so bin ich nicht, das bin nicht ich. Ja, ich habe dann eine Weile diese Rolle gespielt, aber ich wurde damit immer unglücklicher und unzufriedener. Ich wurde oft gefragt, warum ich diesen Job überhaupt angenommen habe, wo der mir doch so gar nicht liegt. Und ich sagte, dass ich gehofft hatte, durch diesen Job offener zu werden. Aber es hat halt nicht funktioniert. Aus ner Birne wird ja auch kein Apfel, weil man sie unter einen Apfelbaum legt.

Wenn du jetzt schon so Bedenken hast, und eigentlich schon weisst, dass der Job dir nicht liegt, dann solltest du ihn nicht antreten. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, offener zu werden, aber man kann es eben nicht mit Gewalt erzwingen indem man so Jobs annimmt, die einem nicht liegen. Würde ich auch nicht nochmal machen.

Dann das Ding mit dem Umzug. Du würdest damit quasi alles verlieren, was dir jetzt Halt gibt, und wärst an einem fremden Ort komplett auf dich allein gestellt. Klar kannst du dir dort einen neuen Therapeuten suchen, aber da hättest du wahrscheinlich erstmal Wartezeit, dann müsstest du sehen, ob er dir sympathisch ist, ob du ihm vertrauen kannst, fängst dann quasi wieder von vorne an mit Therapie. Auch nicht ideal, wenn du akute Depressionen hast.

Ganz ehrlich, so wie das klingt, ist es zum Scheitern verurteilt. Mach es nicht! Bleib da, wo du jetzt bist, und wenn du dich irgendwann gut und stabil fühlst, kannst du immer noch mal drüber nachdenken.
Max_
Beiträge: 583
Registriert: 19. Jan 2018, 11:46

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Max_ »

Hallo Topo,

ich kann mich den Zeilen von Winfried und 747er nur anschliessen, da ich die Erfahrung eines "impulsiven" Ortswechsels selbst gemacht habe – offensichtlich mit ähnlichen psychischen Beeinträchtigungen (Depression, Angsterkrankung) und mit ähnlichen Motiven (Schnippchen schlagen, Flucht nach Vorne).

Wenn du dich dazu weiter austauschen willst, schreib' mir gerne eine pm.

LG Max
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Meridian »

Hallo Topo,

ich habe zweimal die Erfahrung gemacht, dass ein Umzug mich komplett überfordern würde und ich hadere ähnlich wie du damit, das zur Zeit nicht zu schaffen, da ich ja vor der Depression und Angststörung durchaus in der Lage war, solche Entscheidungen zu treffen und mit Veränderungen umzugehen.
Du beschreibst das gut, ich hatte auch regelrecht Panik bei dem Gedanken und es fallt mir dann immer schwer, die damit zusammenhängenden Gedanken und Gefühle wieder einigermaßen zu entwirren.
Es ist die Frage, inwieweit die Vorstellung ist, in der neuen Stadt, mit dem neuen Job auch einen
Neuanfang zu haben, sich also "neu zu erfinden", vielleicht ein Stück weit unbelastet von dem, was man gerne hinter sich lassen würde, also u.a. auch die Depression und die Ängste.
Natürlich ist mir rational klar, dass das so nicht geht, dass man das alles ja mitnimmt und es eben keine Garantie gibt, dass man an einem anderen Ort zufriedener ist.
Es gibt sicher einen guten Grund, dass Therapeuten solche Entscheidungen kritisch sehen, ich hatte da einige Auseinandersetzungen mit meinem Therapeuten, weil ich anfangs nicht verstanden habe, warum er das als Flucht ansieht.
Das ist ein spannendes Thema und ich hoffe, dass der Austausch darüber hier im Forum bleibt.

LG, Meridian
Topo
Beiträge: 83
Registriert: 15. Sep 2021, 22:32

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Topo »

Hi Leute,

vielen Dank für eure umfangreichen Antworten, die sehr hilfreich sind :) Und sie gehen ja auch alle tendenziell in eine Richtung.

Ich glaube es fällt mir so schwer, die psychischen Beeinträchtigungen einzusehen, weil ich mir davon nicht mein Leben bestimmen lassen will. Ich möchte das machen, was mich interessiert, egal wo das ist und was dafür an psychischer Stabilität benötigt wird. Ich habe den Job auch schon zugesagt und muss dann vor Stellenantritt wieder kündigen, was für mich und natürlich das Unternehmen ein riesen Stress ist. Ich würde so gern auch einfach klar denken und klare Entscheidungen treffen können aber wie Meridian auch schrieb, verwirren sich die Gedanken immer mehr und gehen dann mit Panik einher, bis ich nur noch im Bett liege und in die Krise rutsche.

Es ist bei mir auch nicht wirklich ein "impulsiver Umzug" bzw. Flucht. Ich bin Geisteswissenschaftler und finde in meinem Wohnort wahrscheinlich keinen neuen Job. Von daher muss ich früher oder später schon umziehen und muss hoffen, dass ich irgendwann stabiler bin, wobei meine Depression aber auch nie ganz weg ist. Eine Stelle in näherer Distanz zu meinem Wohnort und mit einer passenderen Tätigkeit, wenn es mir allgemein etwas besser geht, wäre wahrscheinlich ein Kompromiss. Mal schauen :)

LG
Secret
Beiträge: 1395
Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Secret »

Hallo Topo,

was hast du für eine Alternative wenn du den neuen Job nicht annimmst? Zuletzt hast du ja geschrieben: "Eine Stelle in näherer Distanz zu meinem Wohnort und mit einer passenderen Tätigkeit, wenn es mir allgemein etwas besser geht, wäre wahrscheinlich ein Kompromiss. Mal schauen :)"
Ich kann dir keinen Rat geben und nur sagen das ich in einer ähnlichen Situation bin.
Ich habe über 9 Jahre in einem Job als Buchhalterin ausgeharrt bis das ich vor einen Monat einen Zusammenbruch bekommen habe und mich habe krank schreiben lassen.
Ich finde einen Schreibtischjob ohne Kontakt zu anderen Menschen auch nicht optimal, bin aber auch eher introvertiert.
Hier schreibt auch jemand "Eine Birne wird nicht zum Apfel wenn man ihn unter einen Apfelbaum legt", ein anderer "dich selbser nimmst du überall hin mit".
Das könnten auch Ratschläge für mein aktuelles Problem sein.
Die Therapeutin rät etwas anderes als der Psychiater?
Die Angst bremst uns alle im Leben aus. Aber schützt uns auch vor Gefahren.

In einer aktuellen Krise sollte man keine Entscheidungen treffen hat man mir mal geraten.

Ist es möglich die Entscheidung auf später zu verschieben? Ist ein Kompromiss / Mittelweg möglich?

Ich als "Birme" fühlte mich auf meinen Arbeitsplatz als Camäleon was nie auffällt um kein Ärger mit andern Menschen zu bekommen habe quasi die Farbe der Wand angenommen.
Das hat mich auch unglücklich gemacht.
Situationen vor diesem Job wo ich vor anderen Menschen reden konnte/durfte / Rhetorikkurse haben mir gut getan. Das wird aber niemals ein Verkaufstalent oder Ähnliches aus mir machen.

Ich wünsche Dir noch viel Kraft und Überwindung der Angst um eine Entscheidung zu treffen.
LG

Secret
Topo
Beiträge: 83
Registriert: 15. Sep 2021, 22:32

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Topo »

Hi Secret,

danke für die Antwort :)

Also konkrete Alternativen habe ich gerade nicht. In meinem Ort wird es keine Stelle geben; daher bewerbe ich mich jetzt in Städten, die mich nicht ganz aus meinem sozialen Umfeld reißen. Das Problem ist allerdings immer wieder: Ich bewerbe mich irgendwo und danach fängt die Panik an, dass der Schritt zu groß ist. Aber ich werde mich weiter bewerben und hoffe parallel, dass ich durch ein neues Medikament stabiler werde oder sich dann ein Job in näherer Distanz findet. Ich habe auch ein Bisschen Panik, zu lang arbeitslos zu sein und einen Karriere-Knick zu bekommen.

Ja genau, meine Therapeutin sagt immer zu allen Dingen, ich soll meiner Angst entgegen handeln. Die Psychiaterin fand den Umzug auch eher problematisch. Und ich selbst habe keinerlei Bauchgefühl. Aber ich konnte die letzten Jahre nicht mal in den Urlaub fahren, weil ich mit den Entscheidungen überfordert war, Ängste hatte etc.

Das mit Apfel und Birne kann ich gut nachvollziehen. Und super, dass du einen Rhetorik-Kurs gemacht hast. Im Großen und Ganzen kann man seine Persönlichkeitsstrukturen als Erwachsene nicht mehr ändern. Aber kleine Stellschrauben drehen, sodass man danach erfüllter leben kann. Vl. kannst du dir z.B. einen Büro-Job suchen, bei dem du nur strukturierten Kontakt mit Kunden hast. Also zum Beispiel irgendwo in einer Behörde, wo du Termine abarbeitest oder so? Das wäre dann etwas mit Menschen aber nicht so anstrengend wie Verkauf oder so...

LG
Jo-hanna
Beiträge: 38
Registriert: 14. Jun 2022, 19:44

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Jo-hanna »

Hallo,
ich kann mich da nur anschließen. Habe 2 mal meinen langjährigem sicheren Job gegen eine ungewisse Zukunft getauscht. Jedesmal aus einer Kriese heraus. Allerdings auch nicht leichtfertig. Habe ewig mit mir gerungen. Es war schwer, aber jede Veränderung hat mich irgendwie weiter gebracht. Man weiß nicht was gut oder schlecht ist, wenn man es nicht probiert. Das Gefühl von Angst und Panik kenne ich. Mir macht auch alles Neue und Unbekannte Angst. Meine größte Angst war es den Ansprüchen nicht gerecht zu werden! So wie ich das lese, bringt dich die für- und wieder-liste gerade nicht weiter und dein Bauchgefühl wird von Panik überstimmt. Bist du Bereit für eine Veränderung? Bist du bereit ein Risiko einzugehen? Was genau bereitet dir Panik. Vll guckst du da nochmal genauer hin ^^

Ich drücke dir die Daumen. Egal wie du dich entscheidest, alles Gute ^^
nordlicht2
Beiträge: 16
Registriert: 8. Jul 2022, 19:13

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von nordlicht2 »

Hallo,

als "Neuling" in diesem Forum mit einer momentan sehr ähnlichen Fragestellung und Diagnosen (Mittelgradige Erschöpfungsdepression mit Angststörung mit somatischen Folgen, der meint bald entscheiden zu müssen, ob ich umziehen muss oder will oder nicht) und einem seit Langem komplett verloren gegangenen Bauchgefühl für alle persönlichen Entscheidungen habe den Eindruck, es gibt nicht die richtige Antwort für alle. Wenn sich selbst die Therapeuten nicht einig sind...

Ich meine die folgenden Meinungen und Erfahrungen hier im Thread verstanden zu haben:
Wenn man eine Depression mit Angstörung hat, erzeugt es vielleicht auf Dauer mehr Angst passiv zu sein, nichts zu tun und ggf. auch noch arbeitslos zu sein. Ein Wechsel könnte eine Chance mit sich bringen, aktiv zu werden und mit der Aktivität auf Dauer die Angst zu reduzieren, sich eine Chance für neue Kontakte, für ein neues Leben zu eröffnen, selbst wenn man vorher Angst davor hatte. Sprich: Man muss vorher die Angst aushalten, um sich die Chance zu eröffnen.

Andererseits hat man Angst und Panik vor den Neuerungen, Unbekanntem und neuen Ansprüchen, was wiederum die Angst verschärft. Gerade, wenn man die bisherigen Stützen (Therapeuten) verlassen dafür verlassen muss. Und weil man Angst hat, sich selber nicht mehr vertraut und kein Bauchgefühl mehr hat, kann man nicht fühlen, ob man die Veränderung wirklich möchte und schaffen kann. Man kann die Angst vielleicht gar nicht mehr richtig einordnen (es ist ein Stück weit ja auch normal, dass man Angst vor so großen Veränderunge hat, auch ohne Depression), so dass sie riesig und verhindernd wirken kann. Weshalb man lieber in der Passivität verharrt.
Was wiederum vielleicht wieder Angst erzeugt und die Depression ernährt...?

Vielleicht schreibe ich hier kompletten Stuss, aber das sind die Gedanken und Fragen, die ich momentan zu Fragestellung Umzug und Jobwechsel habe, was mich akut auch beschäftigt.
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Meridian »

Hallo Nordlicht,

das hast du gut zusammengefasst.
Ich schwanke beim Thema Umzug auch immer zwischen diesen beiden Polen, der Angst vor der Veränderung und den damit verbundenen Herausforderungen und auf der anderen
Seite der Angst vor dem Verharren in der Passivität, in einer Situation zu bleiben, die nicht zufriedenstellend ist.
Wie versuchst du denn damit umzugehen?
Bist du in einer Therapie und kannst das Problem dort thematisieren?
Ich frage mich mittlerweile schon, ob ich jemals wieder in der Lage sein werde, solche Entscheidungen zu treffen.

LG, Meridian
nordlicht2
Beiträge: 16
Registriert: 8. Jul 2022, 19:13

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von nordlicht2 »

Hallo Meridian,

Aktivität und Veränderungen halte ich persönlich im Zweifelsfalle besser sind als Nichtstun. Aber ich finde, definitiv in einem Rahmen, in dem Du noch das Gefühl hast, ein Netz, einen doppelten Boden zu haben, wo Du tanken kannst und Dich sicher und gut fühlen kannst nach den täglichen Herausforderungen.

Wenn Du schreibst, dass der neue Job weder Deinen Neigungen entspricht, noch soziale Kontakte in der neuen Stadt hast und Dein Therapeut auch noch wegfällt, würde ich persönlich es nicht wagen. Mir würde der Fallback fehlen. Wenn ich z.B. umziehe, wo ich eigentlich weiß, dass es mir gefallen könnte und dort wenigstens einen vertrautere Mensschen kennen würde oder meine Termine bei meinem Therapeuten weiterhin wahrnehmen könnte, und ich wenigstens das Gefühl habe, dass der neue Job keine allzugroße Herausforderung darstellen müsste (neue Jobs als solche sind ja schon eine), dann würde ich es vielleicht wagen.

Ich finde, deshalb musst Du Dich überhaupt nicht verpflichtet fühlen, diese Veränderungen jetzt gehen zu müssen, nur weil Du damit sämtlichen Ängsten auf einmal entgegen trittst aus therapeutischer Sicht. Meiner Meinung nach wäre das zuviel auf einmal mit zuwenig Unterstützung für Dich. Auch ohne vorhandene Depression & Angststörung wäre Deine geschilderten Veränderungen ein sehr großer Schritt, den nicht mal nicht wenige psychisch gesunde Menschen wagen würden.
Außer Du beschließt es zu wagen. Könntest Du Dir vorher Fallbacks aufbauen (z.B. alte Wohnung noch nicht kündigen, neuen Therapeuten in der neuen Stadt finden und Termine haben, bevor Du dorthin ziehst, ...)? Wann würdest Du die neue Stelle anfangen?

Wie ich gerade umgehe? Gute Frage. Ich wurschtel mich durch ;-).
Vor 2 Monaten hatte ich einen akuten "Zusammenbruch", bin seit 5 Wochen krank geschrieben und bislang hatte ich 2 probatorische Sitzungen bei einem Psychotherapeuten (Verhaltenstherapie weil ich das möchte). Ich habe mit dem "Psychokram" noch nie zu tun gehabt, obwohl ich seit über 2 Jahren merke, dass es mir nicht gut geht körperlich und seelisch und es immer schlimmer wird und mir überlegt habe wohin zu gehen. Hieß aber auf allen Kanälen, es sei alles auf ewig ausgebucht an Therapeuten, also hatte ich mir überlegt zu übersommern, also es mir gut gehen zu lassen im Sommer, absolut überhaupt nichts zu entscheiden und zu tun und in der Arbeit ein paar Gänge zurück zu schalten. Bis das Ereignis in der Firma kam, dass alles hat zusammenbrechen lassen. Vielleicht auch ganz gut, so habe ich mich selbst gezwungen Hilfe zu holen (hab auch bis dahin lange, lange gehadert mit mir, Hilfe zu suchen).

Den Therapeuten finde ich recht strukturiert, aber es fehlt mir einfach an akuter Hilfe für all meine wirren angstmachenden Gedanken und das Chaos an buchstäblich stündlich wechselnden Gefühlen. Bislang geht er meinen Lebenslauf und Schullaufbahn und Familie durch, aber das hilft mir gerade überhaupt gar nichts.
Ab Mitte September hätte ich einen stationären Klinikaufenthalt in einer psychosomatischen Klinik und die Kostenzusage von meiner KV (wo hoffentlich dann auch auf das mit stressbedingte Asthma eingegangen wird), aber brauche ich den wirklich? Auf der einen Seite kann es gut tun 6 Wochen lang mal völlig weg und raus zu kommen, andererseits: 6 Wochen raus aus der Welt??? Das macht auch Angst! Denn was ist hinterher? Falle ich in ein Loch, wenn das alles nicht so recht geholfen haben sollte?

Und bis dahin kann ich auch nicht einfach so die Füße hochlegen und mich bis einfach mal entspannen. Das könnte ich eher wenn alles geregelt wäre (z.B. ein neuer Job ab 01.01.). Dann würde es mir auch leichter fallen in die Klinik zu gehen.

Aber so treiben mich die Fragen (weiter krank schreiben lassen oder probieren zu arbeiten in meiner jetzigen Firma für wenigstens 2 Wochen, bis ich 2 Wochen Urlaub habe? Wäre das gut oder schlecht für mich? Ist es ratsam sich jetzt einen neuen jetzt Job zu suchen oder nicht? Bin dabei, hab aber Angst davor (keine Energie zurzeit, Angst zu versagen, keine Ahnung was ich eigentlich wirklich will, kratze vor jedem Gespräch das restliche Selbstvertrauen zusammen)? Ich hatte dieses Jahr schon mehrere Vertragsangebote, und ich habe es jedes Mal nicht genommen und wusste eigentlich nicht recht warum. Ich glaube, weil die Angst und Depression schon da waren, ohne dass es mir klar war.
Meinen jetzigen Job im August kündigen, da es definitiv eine (neudeutsch ;-) ) toxische Firma ist wo ich weg muss (von Mitarbeitern ausgehende Kündigungswelle rollt dort seit einiger Zeit wie verrückt, ich bin also noch nicht völlig verrückt), und dann aber die Angst vor Arbeitslosigkeit aushalten? Bin schließlich schon 47, nicht 25. Schon mal umziehen in eine (mir vertraute) Umgebung, weil die Jobchancen da sehr viel besser sind? Deshalb vor der Kündigung schnell umziehen, denn kein Vermieter nimmt einen Mieter ohne Job oder in der Probezeit? Ich weiß es alles nicht! So bescheuert es klingt.
Deshalb kann ich keine Entscheidung treffen, wobei es mich gewaltig stresst das Gefühl zu haben, in den nächsten wenigen Wochen eine treffen zu müssen. Da hatte ich mir wirklich aktive akute Hilfe vom Therapeuten erwartet. Und wo ich Dir das so schreibe, habe ich gerade beschlossen, dass ich ihn in der nächsten Woche um die akute Hilfe bitten werde :-).

Also was mache ich? Ich rede mit mir selber, versuche mich zu beruhigen dass ich definitiv nicht sterben werde an all dem Sch... . Diskutiere ständig mit mir selber. Versuche meinem Mann alles zu erklären was ich ja selber nicht erklären kann (er ist Ingenieur durch und durch, und wir wohnen 500 km auseinander), habe mich einer Freundin anvertraut was mir hilft und versuche jeden Tag aktiv und strukturiert zu gestalten mit Administrativem (Therapeutensuche, Kliniksuche, intensive Recherchearbeit mit der Krankenversicherung, Reha oder Akut-Klinik,...) und Angenehmem (gute Ernährung, immer aktiv sein draußen, Freunde sehen, viel nachdenke und STOPP! rufen, sobald ich merke, dass die Gedanken nur noch fruchtlos kreisen und was Konstruktives tun zur Ablenkung, im Café einkehren (ich liebe Kuchen), viel Lesen ), aber das ist alles ein täglicher Kampf, der unfassbar viel Ressourcen erfordert. Ab und zu versuche ich mich zu loben, wenn die Ängste hochkommen, dass ich das doch gar nicht so schlecht mache ganz allein. Eigenlob stinkt ja bekanntlich, aber ich glaube ich brauche das zurzeit ;-).

Ohje, nun ist meine Antwort arg ausgeartet. Ich hoffe, irgendwas hilft Dir dabei.

Viele Grüße,
Nordlicht
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Umzug und Jobwechsel mit Depression

Beitrag von Meridian »

Hallo Nordlicht,

danke für deine ausführliche Antwort.
Bei mir geht es übrigens "nur" um einen Umzug, bei Topo, dessen Thread das ja ist, geht es um beides.
Meine Angst ist vor allem, den Halt zu verlieren, wenn ich umziehe. In der Stadt wohnt zwar mein Sohn, aber es ist mir klar, dass er sein eigenes Leben, sein eigenes Umfeld hat und durch die Depression und die Angststörung ist es für mich nicht einfacher geworden, mit anderen in Kontakt zu kommen.
Das, was du schreibst, klingt aber sehr vernünftig.
Ich habe auch überlegt, wenn das machbar wäre, erst mal die eigene Wohnung zu behalten (evtl. untervermieten) und es für ein Jahr auszuprobieren, aber eben mit dem Gefühl, wieder zurückkommen zu können, wenn es mir dort nicht gefällt.
Jetzt zu dir:
Sich durchwurschteln, das trifft es ziemlich gut. Ich kann so vieles von dem, was du beschreibst,
nachvollziehen. vor allem das mit der toxischen Firma und dem Arbeiten bis zum Zusammenbruch.
In der Therapie empfand ich zu Beginn die Arbeit mit dem Fragebogen ebenfalls sehr anstrengend und erst mal wenig hilfreich, weil es ja bedeutet, die ganze Geschichte noch mal zu erzählen.
Vielleicht würde es dir wirklich guttun, mal 6 Wochen in einer anderen Umgebung zu sein
und dich ganz auf dich selbst konzentrieren zu können. Und man trifft dort auf Menschen, denen
es ähnlich geht und fühlt sich eher verstanden.
Du hättest dann die Zeit und den räumlichen Abstand, um deine Gedanken, wie es für dich auch beruflich weitergehen kann, neu zu sortieren.
Ich denke nicht, dass du danach in ein Loch fallen würdest, weil du ja noch deine ambulante Therapie hast.
Den Therapeuten um akute Hilfe zu bitten, halte ich übrigens für eine gute Idee.
Ich habe den Eindruck, du sorgst ganz gut für dich, wenn ich auch weiß, wie viel Kraft das alles kostet

Alles Gute für dich und liebe Grüße,
Meridian
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