Hallo Max,
ich wollte mal noch auf deine Frage antworten. Sie hat mich ziemlich beschäftigt.
Max76 hat geschrieben:
Was machst du so, um das Leben zu spüren?
Welches Leben? Ne, im Ernst... im Moment spüre ich überhaupt kein Leben und es ist alles nur schwer.
Manchmal fühle ich mich frei, wenn ich Auto fahre, schnell fahren, Musik an, bisschen wie Urlaubsfeeling. Aber ansonsten...
Selbst zu "schönen" Dingen, die ich eigentlich mag, muss ich mich aufraffen. Meine Hasen sind grade hauptsächlich anstrengend und viel Verantwortung.
Zum Nähen aufraffen ist es grade auch schwer. Ich wollte mir ein T-Shirt und ein Kleid nähen, aber das Schnittmuster passt überhaupt nicht zu meinen Proportionen und selbst, nachdem ich es angepasst habe, kommt nur Schrott dabei raus. Da habe ich schon gar keine Lust mehr, mich an die Nähmaschine zu setzen.
Durch die Hitze (oder was auch immer) blühen meine Blumen auf der Terrasse fast nicht. Das hat mir eigentlich auch immer Spaß gemacht, aber grade ist es auch nur Pflicht. Grünzeug gießen, damit es nicht komplett eingeht und vielleicht mal eine einzige Blüte wieder aufgeht. Mein Gras, das ich letztes Jahr mühsam angesät hatte, ist auch total verbrannt.
Mein E-Bike steht seit dem Überwintern bei meinen Eltern. Ich habe es normalerweise in der Wohnung stehen, aber da ich noch nicht ganz fertig bin mit Renovieren, habe ich es immer noch nicht geholt.
Mein Freundeskreis wurde in den letzten Jahren immer kleiner. Coronabedingt, aber auch durch "Entfremdung", von manchen bin ich enttäuscht u.ä. Meine einzige enge Freundin habe ich seit Weihnachten nicht mehr gesehen. Diese Woche telefonieren wir zumindest mal. Vor Treffen mit anderen Leuten schrecke ich mittlerweile zurück, wegen Corona, aber auch, weil andere anstrengend sind, ich von vielem getriggert werde...
Ja, und manchmal ähnlich wie bei dir ertrag ich es auch nicht, das normale Leben von anderen mitzukriegen. Oder beziehe vieles auf mich, was gar nicht so gemeint war, und habe dann hinterher nochmal ein Problem.
Dass ich "positive Aktivitäten" machen soll, kann ich mittlerweile nicht mehr hören. Ich will einfach wirklich leben und nicht leben wie in einem Therapiebaukasten.
Ich will schöne Dinge machen, weil ich Lust drauf habe und nicht, um sie zu benutzen, damit es mir "wieder besser geht". Ich empfinde das nur als Abarbeiten von irgendwelchen Aktivitäten, die auch noch Spaß machen sollen und wenn es mir dabei oder hinterher nicht besser geht, war es das falsche. Mal wieder falsch entschieden, mal wieder irgendwas falsch gemacht dabei, was auch immer... Ich finde es demütigend, zu sowas "gezwungen" zu werden. Andere können auch einfach leben.
Vor ein paar Wochen war ich bei meiner Mutter auf der Geburtstagsfeier. Es war die erste Party seit Jahren, es hat mir sogar Spaß gemacht, ich war fröhlich und hab sogar getanzt. Endlich mal wieder leben und ein Hauch von Unbeschwertsein. Das war so schön. Aber was bekomme ich danach gesagt? Meine Mutter hat mir geschrieben, dass meine Tante gemeint hat, sie hätte den Eindruck gehabt, dass bei mir wieder das Lebendige von Früher rauskam. Und das wäre doch ein schönes Kompliment.
Ich fand das einfach nur furchtbar.
Es wird mir so schwer gemacht, fröhlich zu sein, weil gefühlt alle um mich rum mich beobachten wie es mir geht und kaum kommt quasi mal ein Lächeln über meine Lippen, stürzen sich die Leute auf mich und erzählen mir, wie toll das doch sei, weil das ja soooo selten ist. Muss man mich auch noch drauf aufmerksam machen, wie schlimm es sonst ist? Einmal, wenn es mal endlich nicht so ist? Sie denken auch noch, sie würden mir damit helfen, wenn sie mir das rückmelden, und dann müsste es mir ja noch besser gehen. Damit machen sie mir aber nur wieder Stress.
Ich weiß, dass das alles nur gut gemeint ist. Aber ich finde das so demütigend. Ich will einfach nur normal sein und die Leute behandeln mich wie eine "Sensation" oder haben Mitleid. Ich weiß genau, dass diese Stimmung nicht lange anhält, dass es immer auf und ab geht, aber mich stresst es, wenn andere Leute meinen, jetzt endlich läuft es wieder.
Ich finde es gerade auch seltsam, was ich für Rückmeldungen bekommen.
Der Gutachter neulich dachte, ich kann ja wieder arbeiten gehen, traut mir aber nicht zu, dass ich selber einschätzen kann, wo meine Grenzen liegen. Die anderen flippen aus, nur weil ich mal an einem Abend gut drauf war... gegensätzlicher könnte es nicht sein. Und ich fühle mich leer und kaputt und weiß langsam nicht mehr, wie ich das beheben soll.
Liebe Grüße,
DieNeue