LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

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krissybu
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LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von krissybu »

Hallo liebes Forum,

ich möchte euch um Rat fragen, da ich eine berufliche Entscheidung treffen muss. Ich bin Sozialpädagogin und war in den letzten 5 Jahren als Dozentin für Sozialpädagogik an Erzieherfachschulen tätig. Anfangs hat mir die Arbeit großen Spaß gemacht und ich war sehr glücklich und dachte, das wäre mein Traumjob. Aber dann wurde das Ausmaß an Arbeit immer mehr und ich habe mich selbst enorm unter Druck gesetzt. Wollte immer alles richtig machen und alle Erwartungen erfüllen. Durch meine zweijährige Psychotherapie habe ich diese inneren Antreiber identifitiert und analysiert. Ich verstehe, warum ich etwas tue oder fühle (z.B. Konflikten aus dem Weg zu gehen aus Angst vor Ablehnung). Aber das Verständnis der eigenen Krankheit ist nur das Eine. Das Andere - und daran hapert es bei mir - ist, diese Erkenntnisse in Gefühl und eine innere Haltung zu mir selbst zu übersetzen. Und das fällt mir enorm schwer. Ich hatte Anfang 2020 ein Burnout, habe aus gesundheitlichen Gründen gekündigt, eine psychosomatische Reha absolviert, mir dann wieder eine neue Stelle als Dozentin gesucht und sofort gefunden (es gibt einen großen Bedarf) und bin jetzt zum zweiten Mal mit einer mittelgradigen Depression seit Oktober 2021 krank. Die berufliche Wiedereingliederung habe ich Anfang Februar auf eigene Initiative hin begonnen, aber nach 3,5 Wochen war ich fast da, wo ich im Oktober war. Ich habe Panikattacken bekommen, wenn ich an Korrekturarbeiten (120 Stck) gedacht habe. Die Stimme versagt mir ständig. Auch das ständige alleine Planen, Konzipieren und Korrigieren stresst mich bei max. Schülerzahlen sehr. Und irgendwie habe ich nicht mehr das gemacht, was ich wollte. Jedenfalls habe ich die Wiedereingliederung abgebrochen und bin jetzt wieder krank geschrieben. Die KK hat mir geraten LTA zu beantragen. Jetzt stehe ich vor der Entscheidung: suche ich mir auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle als Erzieherin oder Sozialarbeiterin (es gibt unzählige Stellenangebote) oder beantrage ich so eine LTA und muss dann höchstwahrscheinlich den Beruf wechseln. Das Problem ist, dass ich meine Leistungsfähigkeit gerade gar nicht einschätzen kann. Die Angst davor, eine falsche Entscheidung zu treffen. Mein Mann kann auch nicht mehr. Mich ständig so krank und hilflos zu erleben. Kurz: Ich will arbeiten, weiss aber nicht, was ich schaffen kann. Wie sind eure Erfahrungen bzgl. der Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit bei Depressionen im Arbeitsalltag? Ich habe einen enormen Druck, jetzt etwas entscheiden zu müssen.
Danke für eure Rückmeldungen.
Liebe Grüße
krissybu
Nachtmensch
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Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo krissybu,

ich selbst möchte gerne wieder einen Job finden, der meiner Leistungsfähigkeit entspricht und stelle mir bei jeder Ausschreibung diese Frage, kann ich überhaupt leisten, was da gefordert wird. Das ist natürlich kontraproduktiv, dass weiß ich, aber es passiert nunmal.

Mir wurde bislang von keiner Institution geraten einen Antrag auf LTA zu stellen. Aber wenn ich einen stellen müsste, würde ich mich fragen, in welche Richtung das gehen soll. Welcher Beruf würde mir Spaß machen und welche Chancen hätte ich dann auf dem Arbeitsmarkt. Das deine KK Dir sowas vorschlägt, ist verständlich. Denn die möchte ihre Funktion als Kostenträger gerne an andere übergeben. RV oder AfA.

Falls Du in den Bereichen arbeiten möchtest, für die Du jetzt schon Qualifikation besitzt, wäre eine solche Maßnahme m.e. nur sinnvoll, wenn sie eine Erweiterung deiner Fähigkeiten mit sich bringt. Und da stellt sich oft die Frage, geht damit auch mehr Verantwortung einher und kann ich diese auch erbringen, in einer solchen Position.

Falls Du aber etwas ganz anderes machen möchtest, etwas woran Du schon immer mal gedacht hast, es würde Dir mehr Freude bringen und es werden dort auch Arbeitskräfte gesucht, dann kann so eine Maßnahme durchaus sinnvoll sein.

Es gibt sicher Beratungsstellen, die Dir da weiterhelfen könnten. Übers Knie brechen, würde ich es jetzt nicht.

VG Nachtmensch
belladonna_
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Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von belladonna_ »

Hallo, auch ich bin Pädagogin, kenne also das Dilemma.

Ich weiß, bei uns gibt es viele Stellenangebote, hast du dir schon mal überlegt, Teilzeit zu arbeiten?
Gartenkobold
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Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von Gartenkobold »

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Zuletzt geändert von Gartenkobold am 23. Mär 2022, 22:06, insgesamt 1-mal geändert.
krissybu
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Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von krissybu »

belladonna_ hat geschrieben:Hallo, auch ich bin Pädagogin, kenne also das Dilemma.

Ich weiß, bei uns gibt es viele Stellenangebote, hast du dir schon mal überlegt, Teilzeit zu arbeiten?
Hallo belladonna,

ich freue mich von einer anderen Pädagogin zu hören. Ich habe in Teilzeit (20 UE) angefangen, aber es ist trotzdem zu viel Arbeit. Die umfangreiche Vorbereitung des Unterrichtes (Vorlesungen, Seminare, Prüfungsvorbereitung) und dann das zusätzliche "Notenproduzieren" für insgesamt 180 Studierende ist mir einfach zuviel. Zudem fühle ich mich immer unter enormem Zeitdruck, da nur eine begrenzte Anzahl an Stunden zur Verfügung steht. Und irgendwie bin ich auch zur "Fachidiotin" geworden und das wollte ich nie.
Darf ich dich fragen, wie du mit den Berufsanforderungen (immer auf einer Bühne stehen, ständig allein zu arbeiten und Entscheidungen treffen zu müssen/Bewertungen) und deiner Krankheit zurechtkommst? Weiss deine Schulleitung oder Kollegen Bescheid?
Momentan tendiere ich dazu, krankheitsbedingt zu kündigen. Ich würde gern in den Kitabereich zurückgehen (ich war 9 Jahre Kitaleiterin), würde aber auch dort erst mal nur 30 Stunden arbeiten. Ich muss raus aus diesem "krank-Modus". Aber die Stimmungsschwankungen sind jeden Tag da und diese Selbstzweifel machen mich fertig. Ich nehme bisher keine Antidpressiva, weil ich die Nebenwirkungen fürchte und bisher immer versucht habe, mit natürlichen Mitteln zurechtzukommen.

Liebe Grüße
krissybu
Marleo84
Beiträge: 157
Registriert: 13. Mär 2021, 15:17

Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von Marleo84 »

Hallo liebe Krissybu,

ich bin zwar keine Pädagogin, aber Psychologin und arbeite auch mit Menschen, Gruppen und in der Lehre. Mir ging es ähnlich, wie dir. Die Belastung war hoch, ich wusste, ich muss den Job wechseln und habe aber auch gemerkt, dass mir der Krank Modus nicht gut tut ind gleichzeitig die arbeit Sinn gibt und Halt und Stabilität. Die Arbeitslosigkeit wollte ich vermeiden genauso wie einen längeren Ausfall. Was mir geholfen hat war eine Reduktion auf 20 Stunden und vier Tage. Ehrlicherweise oft auch ein Durchbeißen durch viele Tage. Ein ändern der Bedingungen auf meiner Arbeit, soweit das in meiner Hand lag. Also mehr (kleine) Pausen etc.... Meine Therapeutin drängt auf eine Reha, das hatte bisher noch keinen Platz. Ich habe es jetzt geschafft und wechsel den Job. Ich glaube nicht, dass damit alles getan ist, die meiste Arbeit wird an mir liegen, einen besseren Zugang zu mir zu finden und achtsamer mit mir umzugehen. Aber ich bin froh, mich durchgebissen zu haben. Für meinen Selbstwert war es wichtig, weiter im Leben zu stehen, soziale Kontakte zu haben, erfolgreich zu sein. Ich bin erst 37 und möchte wirklich gerne arbeiten.

Liebe Grüße!
krissybu
Beiträge: 7
Registriert: 24. Okt 2021, 11:04

Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von krissybu »

Hallo ihr Lieben,

mir geht es gerade richtig schlecht und ich freue mich, wenn ich das irgendjemandem sagen/schreiben kann.

Ich wache morgens schon mit dem Druckgefühl im Bauch auf, dass mir sagt: "Du musst deine Situation in den Griff kriegen. Du musst dir eine neue Stelle suchen, weil die alte Arbeit dich krank macht." Und dabei frage ich mich, ob wirklich die Arbeit mich krank gemacht hat. Dieses Gefühl der ständigen Überforderung bezogen auf meine Arbeit aber auch soziale Kontakte ist gerade übermächtig. Ich bin jetzt seit mehreren Monaten krank geschrieben und bin mit der Wiedereingliederung gescheitert. Die Erkenntnis, dass ich mich von meinem Traumberuf verabschieden muss, macht es mir zusätzlich schwer eine Perspektive zu sehen. Mein Selbstwertgefühl ist am Nullpunkt angekommen. Tatsächlich nehme ich jetzt seit zwei Tagen escitalopram nachdem ich mich 2 Jahre geweigert habe Psychopharmaka zu nehmen. Aber auch hierbei habe ich ein Gefühl des Versagens. Mein Mann (Krankenpfleger) ist der Meinung, dass meine Depression durch meine Arbeit getriggert wird und ich - wenn ich die Arbeit ändere - die Depression loswerde, auch ohne Medikamente. Er denkt auch, dass ich mich in die Depression etwas hineinsteigere, je mehr ich mich damit auseinandesetze. Ist das bei euch auch so? Außerdem bereitet es mir große Probleme, mein familiäres Umfeld von meinen Problemen zu informieren. Bisher weiss niemand, dass ich Zuhause sitze, Depresionen habe und dauerkrank geschrieben bin. Ich schäme mich meine Erkrankung öffentlich zu machen. Andererseits merken alle, dass ich mich total zurüchgezogen habe. Wie habt ihr diese Angstgefühle und negativen Gedanken in Griff bekommen?

Es tut gut, das aufzuschreiben und sich mitzuteilen.

Liebe Grüße
Nachtmensch
Beiträge: 624
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo krissybu,

das die Arbeit triggert(ich finde den Begriff mittlerweile schrecklich, weil er m.e. Inflationär genutzt wird) ist sicher nicht abwegig. Auf der Arbeit ist man ständig Konfrontationen ausgesetzt. Ich habe das auch erlebt und besonders blöd ist es, wenn es im eigentlichen Traumjob Schwierigkeiten bereitet.

Nüchtern betrachtet (fällt mir selbst nie leicht) muss man erstmal herausfinden woran das Übel liegt. Ist es der Arbeitgeber, die Kollegen, die mit denen man generell zu tun hat in diesem Job? Kommt es überhaupt von außen? Ist es überhaupt der Traumjob?

Natürlich könnte man den Arbeitgeber wechseln, aber Kollegen hat man dann trotzdem, auch wenn es andere sind. Das gilt auch für die Klientel. Allerdings ist es natürlich etwas einfacher den Arbeitgeber zu wechseln, wenn man der eigenen Profession treu bleiben kann. Den Job zu wechseln ist da oft schwieriger und sicher auch anspruchsvoller. Daher müsste man eigentlich primär Fit für einen Neuanfang sein. Ich selbst sehe das für mich persönlich kritisch und mache mir Sorgen, sollte ich einen Job bekommen in dem ich viel mir unbekanntes lernen muss. Da spielt der Wunsch, es wäre eigentlich mein Traumjob, eher eine untergeordnete Rolle. Feststellen zu müssen, dass ich dem nicht gewachsen bin, würde die Depression nur noch befeuern, denke ich. Dies bezieht sich sowohl auf das Umfeld, als auch die eigenen Fähigkeiten.

Bei meiner Jobsuche sind meine Gedanken in diese Richtung natürlich alles andere als förderlich. Zu denken, ich würde wie auch immer versagen, bevor ich überhaupt einen Arbeitsvertrag habe ist irrational und kontraproduktiv. Und doch kommen diese Gedanken über mich.

Ich weiß nicht wie es bei Dir ist. Aber was es ist, solltest Du gut ergründen, bevor Du den Arbeitgeber oder sogar die Branche wechseln willst. Angesichts dessen was zur Zeit in der Welt vorgeht und womöglich Umbrüche verursacht, an die niemand wirklich denkt, will ein radikaler Umbruch der eigenen Vita gut überlegt sein. Besonders wenn ja eine gewisse Sicherheit bezüglich dem Einkommen noch besteht.

Wäre ich in einem Arbeitsverhältnis und krank, würde ich von meiner Seite abwarten, wie der Arbeitgeber sich verhält und versuchen gesund zu werden.

Ich habe meinen letzten Job selbst gekündigt, wegen der krankheitsbedingten Überforderung. Ich begab mich in klinische und anschließend in ambulante Behandlung. Und gerade als ich mich fit und motiviert genug empfunden habe, beruflich durchzustarten, kam Corona und der Arbeitsmarkt hat sich zu meinen Ungunsten verändert.

Um zu guter letzt auf deine Frage einzugehen, ich habe meine Ängste und negativen Gedanken bislang nicht in den Griff bekommen. Ich hoffe Dir gelingt es.

VG Nachtmensch
krissybu
Beiträge: 7
Registriert: 24. Okt 2021, 11:04

Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von krissybu »

Guten Morgen Nachtmensch,

danke für deine ausführliche Antwort. Ich stimme dir in Vielem zu, was das Abwägen der Entscheidung über Kündigung des Arbeitsverhältnisses betrifft. Aber es sind wirklich auch berufliche Anforderungen, denen ich mich nicht gewachsen fühle. Ich habe das anfangs unterschätzt: das viele allein arbeiten, die ständige "Kopfarbeit", die Tatsache, das Beziehungsarbeit mit 180 Studis einfach nicht funktioniert und das Lehrer eben Einzelkämpfer sind. Ich finde auch das Bewerten von Menschen bzw. deren Leistungen durch ein starres Zensurenkonzept kontraproduktiv als Feedback für deren Entwicklung.
Ich werde jedoch erst einmal abwarten, was vom Arbeitgeber kommt. Mein Krankengeldanspruch geht noch bis August und so lange habe ich theoretisch Zeit, wenn der Arbeitgeber mich nicht vorher kündigt. Aber ich selbst möchte eigentlich nicht so lange zuhause sitzen, sondern bewerbe mich auf Teilzeitstellen für Erzieher oder Sozialarbeiter. Und hoffe, dass die Tabletten irgendwann Wirkung zeigen.
Ich wünsche dir alles Gute für deine Jobsuche und weitere Genesung.
Darf ich dich fragen, was du für einen Grundberuf hast?

Liebe Grüße
Nachtmensch
Beiträge: 624
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: LTA oder Jobsuche normaler Arbeitsmarkt?

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo krissybu,

eine abgeschlossene Ausbildung habe ich im Handwerk. Berufliche Erfahrungen habe ich im Bereich Warenwirtschaft und Logistik, aber alles ohne Zertifikate der IHK. Nach der Ausbildung hatte ich die Branche gewechselt und mich 32 Jahre in einer Firma trotz Depression „hochgearbeitet“. Leider wurde diese geschlossen. Die Jobs die ich danach noch bekam, überforderten mich zwar nicht geistig, aber seelisch, weswegen ich sie aufgab. Den ersten nach über 2 und den letzten nach etwas über einem Jahr.
Ich habe also eigentlich viel Berufserfahrung die aber irgendwie nichts Wert ist.

Manchmal sehe ich einen Straßenkehrer und denke, vielleicht sollte ich mich dafür bewerben. Alleine dafür ein Anschreiben zu verfassen kommt mir aber seltsam vor, wenn ich überlege meine Motivation erläutern zu müssen. Würde ich schreiben, dass ich gerne an der frischen Luft arbeiten möchte und möglichst den direkten Kontakt mit Menschen meiden, würde ein Personaler wohl denken, was stimmt mit dem nicht. Abgesehen davon, dass mich mein Alter wohl schon disqualifiziert.

Vielleicht schreibe ich aber mal eine Initiativbewerbung in dieser Richtung an die Stadtreinigung. Wer weiß.

Ich drück Dir die Daumen, dass Du etwas passendes findest. Beim durchforsten der Jobbörsen sehe ich viele Angebote, die wohl deiner Profession entsprechen und oft auch als Teilzeit Angebote.

Da ich auch nur in Teilzeit arbeiten möchte, ist die Angebotslage für das was ich leisten könnte leider recht Überschaubar.

VG Nachtmensch
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