Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Gertrud Star hat geschrieben: ...Was bedeutet heilbar, wenn man einem jungen Menschen, der früher Einserschüler und Leistungsstipendiat war sagen muss, er hat so gut wie gar keine Chance und das bissl Sozialhilfe, was ihn erwartet, macht ihn noch kränker?
Ich verstehe sehr gut was du meinst und natürlich kann ich gegenüber Fremdem und ohne jede nähere Information auch nicht jedem Schicksal individuell gerecht werden. Muss ich ja auch nicht. Ich erwarte das im Gegenzug ja auch nicht. Es geht ja um eine Krankheit und die macht auch vor Geld nicht halt.

Aber ich weiß halt, wie es z.B. in der Klink war, in der depressive Menschen aller Klasen und Schichten plötzlich gleich waren und es nur noch darum ging, wie man mit der Krankheit umgeht. Ich konnte da nicht feststellen dass die Ärztin oder die reiche Erbin irgendwelche Vorteile gehabt hätten, im Gegenteil. Sie wurden beneidet, ausgegrenzt und man unterstellte ihnen Simulation.

Ich glaube auch nicht, dass relative Armut automatisch depressiv macht. Das gleiche gilt für Traumata oder Körperbehinderung usw.

Kokoni
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Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Achja, wie ich dazu stehe und es anderen darstelle?

Ich sag immer, das ist die bestem Zeit meines Lebens und dass ich das sehr empfehlen kann. ;)

Kokoni
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Bauchtänzer
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Bauchtänzer »

Gertrud Star hat geschrieben: Was bedeutet heilbar, wenn man einem jungen Menschen, der früher Einserschüler und Leistungsstipendiat war sagen muss, er hat so gut wie gar keine Chance und das bissl Sozialhilfe, was ihn erwartet, macht ihn noch kränker?
Ist dann nicht jede Aussage bezüglich heilbar nicht eine Lüge? Was muss man dann tun, um in der Dauersozialhilfe (und ständigen Geldsorgen und sozialem Abgeschnittensein) heil zu werden? Ist man dann, wenn Heilung nicht gelingt, doof oder unfähig oder ein Spinner?
Man braucht, denk ich, bei Krankheiten an der Seele einen anderen Blick als bei einer körperlichen Krankheit. Hab ich mir das Bein gebrochen oder ein Magengeschwür, geh ich zum Arzt und lass mich heilen. Ich bleibe passiv.

Bei Depressionen (und anderen psychischen Erkrankungen?) ist es nach meinem Verständnis nicht möglich, diese zu heilen; es geht darum herauszuwachsen. Man kommt nur vorwärts aus dieser Misere, durch Aktivität.

Deshalb wird sich auch nicht allzuviel tun, solange man zum Therapeuten mit der Erwartung geht, sich behandeln zu lassen. Der wird schon machen und "behandeln", aber im besten Fall so, dass man das als Patient nicht umfänglich mitbekommt.
Gertrud Star
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Gertrud Star »

Naja Bauchtänzer, Aktivität ist auch nicht alles.
Mal ist einem die Möglichkeit der Aktivität genommen, weil andere bei den wichtigen Sachen nicht mitspielen oder diese bremsen. Manchmal muss man trotz Depri viel zuviel der falschen Aktivität an den Tag legen um der nackten Existenz wegen. Und in der Sozialhilfe ist soviel Aktivität gar nicht möglich, manchmal nicht mal die entscheidende Aktivität, die die Lebenssituation verbessert.
Manche kriegen eben viel zuviel bremsendes und abwertendes Umfeld mit und Steine in den Weg gelegt, die sich nicht wegrollen lassen und auch hinderliche Umstände.
Auch Fehlentscheidungen können solch einen Rattenschwanz nach sich ziehen, dass man nicht mehr aus depressiv machenden Umständen raus kommt.

Aber man soll ja bis zum Moment des Sterbens die Hoffnung nicht verlieren. ;)
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Gertrud Star hat geschrieben:
Aber man soll ja bis zum Moment des Sterbens die Hoffnung nicht verlieren. ;)
Hab das Gefühl dass du schon weitgehend aufgegeben hast und das wäre ja dein gutes Recht.

Ich würde aber das aufgeben nie versuchen öffentlich argumentativ zu rechtfertigen, schon gar nicht mit fehlendem Geld. Öffentlich deswegen nicht, weil ja hier Menschen am Rande zwischen Leid und Hoffnung leben und die würde ich ich mit negativen Rechtfertigungen beeinflussen wollen. Für sich allein kann ja jeder wie er mag.

Rein argumentativ und allgemein betrachtet, könnte man deine Aufzählungen von Hemmnissen ohnehin leicht entkräften.

Kokoni
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Bauchtänzer
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Bauchtänzer »

Stimmt, Gertrud, Aktivität ist nicht alles. Hab ich vllt. auch schlecht gewählt, diesen Begriff. Ich dachte nicht nur an körperliche Aktivität, wobei die schon echt gut tun kann (draussen zu sein, sich zu bewegen - machst du ja auch, soweit ich bei dir mitgelesen habe), sondern vor allem daran, mal in seinem Kopf was neues zu wagen, andere Perspektiven versuchen einzunehmen. Es für möglich zu halten, dass ein Aussenstehender das, was für dich (oder für mich) Realität ist, ganz anders wahrnimmt.

Ich weiss inzwischen von mir, dass ich ungewöhnlich egozentrisch in der Welt unterwegs bin, sehr vieles an Aktionen anderer auf mich beziehe, ich vieles unzutreffend interpretiere (z.B: der Klassiker: Nachbar grüsst nicht; mag mich nicht, statt: der war vllt. in Gedanken o.ä.).

Du weisst ja vllt. noch, dass ich nochmal 10 Jahre älter bin als du, und vor 10 Jahren war ich auch weit davon entfernt, mit meiner Herkunftsfamilie abschliessen zu können. Ich war überzeugt davon, dass ich diese ekelhafte Störung, die meiner Depression zugrunde liegt, von meinem Vater übernommen habe.

Der war Schuld, keine Frage! Hat mich einige Jahre therapeutischer Gespräche gekostet, bis ich das allmählich relativieren konnte, bis ich meine eigenen Anteile gedanklich einbeziehen konnte. Heute hab ich mit meiner Familie abgeschlossen, aber nicht gebrochen. Ihre Sicht auf mich find ich nicht länger interessant.

>> Aber man soll ja bis zum Moment des Sterbens die Hoffnung nicht verlieren. <<
Naja, stimmt, ich muss Gas geben!! Viel Zeit hab ich nicht mehr. Um so wichtiger, über jedes Zeitfenster (so wie i.A.) froh zu sein, das es mir ermöglicht, für eine Weile aus der tristen, verzagten, dysthymischen Alltagsdumpfheit mal herauszutreten. Ich möchte das möglichst festhalten in meinem Innern,- die Zeiten, in denen ich niedergedrückt und depressiv mein Leben nur aushalte, überwiegen doch (noch?) bei weitem.
Deprithomas
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Deprithomas »

lieber Wandervogel,

mit 57 Jahren war ich arbeitsmäßig am Ende, habe gekämpft und alles gegeben was ich hatte,

konnte. Und wie habe ich mich zutiefst geschämt. Saß schon mit meinen Depressionen in der

Postfiliale, und wurde später als Beamter zu Hartz IV versetzt. Und das habe ich leider nicht mehr gepackt.



Und was ich habe ich alles zu hören bekommen. Auch über meine beiden Kinder in der Schule

wurde voll abgelästert. Habe mich fast nicht mehr auf die Straße getraut. Erst viele Jahre später

traute ich mich wieder.

Eine Leistungsgesellschaft ist ja nicht nur schlecht. Und äußerlich geht es uns da ja auch gut.

Aber wenn du nur nach deiner Leistung beurteilt wirst, dann bist du echt fertig.

Denn auch DU lieber Wandervogel bist ein wertvoller Mensch, auch ohne Leistung.

Schäme dich nicht für dich und dein Leben. Du hast wie jeder Mensch ein Recht zu leben.

Heute wird mir das mehr und mehr bewusst, das ich mehr wert bin als nur meine Leistung.


liebe, leise Grüße an Dich.
DieNeue
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von DieNeue »

Hallo Kokoni,
Kokoni hat geschrieben:Hab das Gefühl dass du schon weitgehend aufgegeben hast und das wäre ja dein gutes Recht.
Ich würde aber das aufgeben nie versuchen öffentlich argumentativ zu rechtfertigen
Vielleicht ist es kein Aufgeben, sondern einfach ein Feststellen der Tatsachen? Du schreibst ja selber:
Kokoni hat geschrieben:ich würde nie behaupten es wäre einfach sein Leben zu ändern. Das geht auch nur in den Grenzen des Möglichen und die sind bei jedem Menschen anders.
Ich denke, dass Gertrud das selber am besten einschätzen kann, wo bei ihr die Grenzen des Möglichen sind. Festzustellen, dass man nicht weiterkommt und dass man Grenzen hat/hatte, heißt ja nicht automatisch, dass man sich jetzt hinsetzt und nur noch Däumchen dreht und das war's dann für immer. Es kann sein, dass man diese fehlenden Möglichkeiten, die Grenzen, die einem vielleicht von außen gesetzt werden, erstmal verstehen und betrauern muss, dass man mal wütend werden darf, dass man erkennen und verstehen lernt, dass man nicht an allem selber Schuld ist, dass man wirklich getan hat, was man konnte. Es kann auch gut tun, wenn jemand anderes auch mal anerkennt, dass man in einer sch... Situation war oder ist oder dass es nicht ungewöhnlich ist, in bestimmten Umständen Probleme zu bekommen. Das kann auch heißen, dass sich dadurch auch Chancen auftun können, wenn man sowas verarbeitet. Aber dafür muss man auch mal an diesem Punkt sein dürfen, wo Gertrud gerade ist. Von daher sehe ich kein Problem sowas zu schreiben.
Er wäre doch andersrum fast schon etwas doof, wenn man das nicht beachten würde und ständig an der "falschen Front" kämpfen und unnötig Kraft verbrauchen würde.
Kokoni hat geschrieben: Rein argumentativ und allgemein betrachtet, könnte man deine Aufzählungen von Hemmnissen ohnehin leicht entkräften.
Allgemein vielleicht, aber nicht wenn man das Leben eines Individuums einzeln betrachtet.
Ich persönlich fände es anmaßend und verletzend jemandem aufzuzählen, was er in der Vergangenheit alles anders hätte machen sollen, warum seine Umstände nicht die Auswirkungen auf ihn hätten haben sollen, die sie hatten usw. Was Gertrud schreibt, klingt vielleicht allgemein, hat aber sehr viel mit ihrem eigenen Leben zu tun und ich weiß jetzt nicht, warum man versuchen sollte das zu widerlegen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Seide
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Seide »

Schade ,
das Wandervogel sich nicht mehr meldet .
Oder habe ich etwas überlesen ?

Oder will, wie ich denke, diese anstrengende Diskussion nicht mit machen ?

Ich habe mich aus geklingt aus dieser Diskussion.
Zuletzt geändert von Seide am 25. Jan 2022, 18:44, insgesamt 1-mal geändert.
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

DieNeue hat geschrieben:Hallo Kokoni,

...
Ich persönlich fände es anmaßend und verletzend jemandem aufzuzählen, was er in der Vergangenheit alles anders hätte machen sollen, warum seine Umstände nicht die Auswirkungen auf ihn hätten haben sollen, die sie hatten usw. Was Gertrud schreibt, klingt vielleicht allgemein, hat aber sehr viel mit ihrem eigenen Leben zu tun und ich weiß jetzt nicht, warum man versuchen sollte das zu widerlegen.
Ich finde es zum einen schwierig das allgemeine und das persönliche zu vermischen, wie soll man da konkret drauf eingehen?

Zudem ist es halt das kleine 1x1 jeder Therapie, dass sich einzureden warum etwas nicht geht, der optimale Weg ist um krank zu bleiben. Das ist nicht meine Meinung, sondern das ist medizinische Tatsache.

Und ich weiß aus 25 Jahren Erfahrung, dass zumindest allgemein gesehen keines der Argumente einer Prüfung standhalten würde, was den Bezug zur Krankheit Depression angeht. Da es aber alles allgemein geäußert wurde, bin ich eben auch allgemein darauf eingegangen.

Wenn ich eine Person privat kenne und sie mir persönlich etwas anvertraut, dann gehe ich anders damit um. Aber ich sage auch dann ehrlich und direkt, was ich weiß und was meine Meinung ist.

Auch wenn es hart klingt, aber es ist auch Realität in jeder Klinik in der ich war: Verständnis oder sogar Bestätigung negativer Gedankenmuster bei einem klinisch depressiven Patienten, ist das letzte was angebracht wäre. Vor allem wen diese Muster auch noch verallgemeinert werden und z.B. in einer Selbsthilfegruppe geäußert würden. Da muss ein Stopp kommen, sonst hat das ganze nicht mehr wert als Kaffeeklatsch. Und das wäre eine der schwersten seelischen Krankheiten nicht angemessen, finde ich.
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Gertrud Star
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Gertrud Star »

Kokoni,
stell dir vor, ich hatte nicht mal besonders viel oder besonders starke negative Gedanken, selbst in den schwierigsten Zeiten nicht. Ich bin nur zu viele Jahre über meine Belastungsgrenzen hinaus gegangen, und habe viel zuwenig zurück bekommen an menschlichen Sachen wie Verständnis, aber auch finanziell. Mich hat man sogar in Renten geschickt, ohne ich das wollte.
Nach vielen Jahren (bin jetzt Mitte 50) habe ich das Recht und auch mir gegenüber mal die Pflicht, zu resümieren, um nicht weiter in einer Traumwolke zu leben. Aussagen über mich zu machen, ohne genug Einzelheiten zu kennen, ist einfach. Und ein Menschenleben ist mit Theorie nicht zu beschreiben.
Im Rückblick betrachtet, hätte ich viel früher mal in Rente und therapiert gehört statt weiter irgendwelche Forderungen zu erfüllen. Dann hätte man mit Kenntnis einiger Dinge, die mein Leben betreffen, die Weichen neu stellen können.
Davon, wie man mit in der Summe zu schlechten Umständen in nicht mehr so guter gesundheitlicher Verfassung immer weiter die Popobacken zusammen kneifen muss, um sogar Sozialhilfe zu vermeiden (und um nix anderes gehts), kann ich leider ein Lied singen, und davon wie ich jahrzehntelang unter Druck stand auch.
Ich wüsste nicht, wie ich mich ausdrücken sollte, damit du verstehst, was ich überhaupt meine und du hältst dich auch zu bedeckt, um dass ich verstehen könnte, wieso du so hyperoptimistisch redest.
Ich bin ein Mensch, der zeitlebens in kein Raster passte, dessen Intelligenz und Verletzungen nie verstanden wurden und die auch nicht sein durften, der eigenen Zukunft wegen. Vielleicht bist du ein so großer Theoretiker oder hattest bessere Startchancen wie ich, oder du bist ein gnadenloser Idealist.
Mich hat mein Leben zermürbt, und ich habe das Recht, jetzt in diesem Zustand zu sein und zu erkennen, dass die Härte und das Nichtpassen in Vorstellungen von anderen mich hat krank werden lassen. Das ist fast keine depressive Sichtweise. Ich wundere mich nur, wie ich manches überhaupt so lange durchhalten konnte und dabei nicht schwerstkrank wurde sondern nur schwerkrank.
Da ich ein (nett umschrieben) besonderes Leben habe, was (faktisch formuliert) in vielen Dingen zu ungeeignet für mich war, um daran nicht zu erkranken bei bestehender Disposition, ist das neuerliche etwas schwerere Erkranken sogar gar kein Wunder.
Dauerhaft zu belastende Sachen an mehreren Fronten rauben halt auch viel Lebenskraft. Das wirst du doch nicht etwa bestreiten?

Und die Belastbarkeit nimmt irgendwann dann auch ab im Laufe der Jahre, da kann man nicht mehr genug reißen, um sich gegen zuviele Sachen zur Wehr setzen.
Eben auch, weil zuviele Züge in zu jungen Jahren abgefahren sind und der Rest der Züge einen nicht mehr ans Ziel bringen kann, wenn man einen Zustand nicht wirklich zur Kenntnis nehmen kann und darf und auch sonst die Umstände nicht prickelnd sind.
Man könnte auch sagen: Ein geeignetes Leben, was frei von Sozialhilfe und ständigen Sorgen ist, ist nicht mehr herstellbar. Ein leben in halbwegs Normalität, wie man es früher dachte, ist auch nicht mehr herstellbar. Dazu sind die Ausgangsbedingungen nicht mehr da.
Die Würde - ach ja. Da wo ich früher nicht gemerkt habe, wo ich echt würdelos behandelt wurde, die muss ich mir heute erst recht selber geben.

Heute fragt mich jeder Profi ehrfurchtsvoll, wie er mir denn überhaupt noch helfen kann. Macht keinen Spaß. Früher habe ich nicht nur arbeitstechnisch trotz Depri die Arme hoch gekrempelt, sondern auch noch nach Diagnosevergabe in der Therapie zusätzlich.
Ich wurde wie in so vielen Dingen ziemlich hängen gelassen, und das raubt irgednwann dann mal Lebenskraft und Lebensmut.
Gegen soviel ungünstige Dinge kann niemand anstinken, und auch Behandler sind damit überfordert und das ganze Ding namens ärztliche Behandlung und Psychotherapie ist damit überfrachtet, genauso wie jeder Mensch und jeder Behandler auch, und jede soziale Beziehung, jede Partnerschaft.
Nach meiner abgebrochenen Umschulung mit Mitte 30 habe ich sogar mal einen Traum gehabt, der mir die Belastungen in der Summe zeigte. Und dass ich nie zum Ziel komme, war bis zu meinem 50ten Lebensjahr Dauermotiv meiner Träume.

Was zuviel ist, ist einfach zuviel.
Auch wenn man argumentativ jedes meiner Aussagen entrkräften könnte (hab ich ja früher auch überwiegend getan), sollte man die Summe des ganzen sehen, die reicht nämlich aus, um genug Kräfte zu rauben und zwar soviel, dass unter Sozialhilfeumständen nicht zwangsläufg viel wieder herstellbar wäre.

DieNeue,
danke für deine Worte. Du hast es genau erfasst, da muss ich nix dazu fügen.
Hab im Mail gesehen, habe eine PM von dir und lese die auch gleich.

So nun bin ich erstmal raus hier.
Thema ist ja ERwerbsundfähigkeit allgemein und ich hab das Thema ja nicht angefangen, und bin sowieso ein Sonderfall.
Suchende2
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Wandervogel,

falls Du noch mitliest.
Ich habe vor auf der Arbeit zu sagen (wenn ich irgendwann zurückkehre), ich habe eine Stoffwechselstörung, die schwer einzustellen ist.
Das ist nicht gelogen, Serotinin hilft mir und gehört, soweit ich es verstanden habe, im weitesten Sinne zum Gehirnstoffwechsel.

Ansonsten kannst Du auch einfach auf die Frage antworten, ich habe eine Erkrankung, die mich arbeitsunfähig macht.

Alles Gute,
Suchende
SonneundDunkenheit
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Wandervogel, wo wanderst du gerade? Kannst du mit den vielen Meinungen etwas anfangen.

Allein, dass diese Diskussion hier geführt wird, ist traurig. Bei vielen anderen Erkrankungen würde man es nicht tun.
@ Gerdrud: ich frage mich die ganze Zeit warum du so vehement in den Erklärungs - bzw. Verteidigungsmodus gehst?

Depressionen machen nicht halt vor Menschen mit einem hohen Bildungsniveau, vor Menschen mit Geld auf dem Konto.....und Geld macht keineswegs gesunder....

Ich bin der Meinung, dass Erwerbsunfähigkeit nicht erklärt bzw. verteitigt werden muss. Die DRV prüft und prüft und wenn jemand noch gesund genug ist, bekommt er keine EMR.... leider viele von den schon sehr kranken Menschen auch nicht.
Außerdem sollte jeder für sich abwägen ob, wen und in welcher Dosis er von seiner Depri berichtet. Ich kann nicht erwarten, dass alle Verständnis dafür aufbringen. Ich verstehe mich oft selbst nicht einmal. Depressionen machen einsam, wenn ein verständnisvolles Umfeld fehlt und selbst wenn es da ist....

Traurig finde ich, dass viele Menschen von ihrer EMR nicht gut leben können, aber das können viele Menschen, die zwar arbeiten, aber Geringverdiener sind leider auch nicht.

@Wandervogel: Wichtig ist doch, dass du deinen Rentenstatus akzeptierst. Gute Freunde werden ihn dir nicht neiden und mit den Neidern wirst du wahrscheinlich keine wirkliche Gesprächsbasis finden. Frag diese doch mal, ob sie neben deiner Rente auch die Symptome der Depression haben wollen.... wahrscheinlich nicht.
Liebe Grüße von SonneundDunkelheit
SonneundDunkenheit
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von SonneundDunkenheit »

@Gertrud: sorry, dass ich denen Namen oben falsch geschrieben habe. Bin mit dem Handy eingeloggt und da sehe ich die bisherigen Wortmeldungen beim Schreiben nicht.
LG
DieNeue
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von DieNeue »

Hallo SonneundDunkelheit,
SonneundDunkenheit hat geschrieben: Depressionen machen nicht halt vor Menschen mit einem hohen Bildungsniveau, vor Menschen mit Geld auf dem Konto.....
und Geld macht keineswegs gesunder....
Das ist schon klar, dass es jeden treffen kann. Geld alleine macht auch nicht automatisch gesünder. Aber wenn man genügend bzw. viel Geld hat, kann man damit auch vieles bezahlen, was der eigenen Gesundheit nutzt.
Angefangen von Medikamenten, die man selber zahlen muss, über bessere Schuheinlagen als die, die die Krankenkasse zahlt oder Fahrtkosten zum Orthopädietechniker in der übernächsten Großstadt, wenn der schlechtausgebildete Orthopädietechniker in der eigenen Stadt nur Murks herstellt, über Rollstühle oder Rollatoren, die leichter und wendiger sind als das Kassengestell, über einen Wohnungsumbau oder Umzug nach einem schweren Unfall, wenn man plötzlich komplett gelähmt im Rollstuhl sitzt, über eine dringend benötigte Haushaltshilfe für einen behinderten Mann, die nicht genehmigt wird, weil er sich bei der Begutachtung per Telefon nicht gut genug erklären kann, über Delfin- oder Reittherapien für behinderte Kinder, über private Psychotherapien, wenn sonst kein Therapeut zur Verfügung steht und die Kasse sich querstellt, oder wegen einer angestrebten Verbeamtung das keiner mitkriegen soll. Und ja, sogar für ein Spenderherz für ein kleines Kind, dessen OP-Kosten im Ausland die Kasse nicht zahlen wollte. Geld konnte in letzterem Fall sogar Leben retten.
Das sind alles Beispiele aus meinem persönlichen und weiteren Umkreis. Teilweise haben nur Spendengelder geholfen.

Das soll nicht heißen, dass Leute mit viel Geld keine Probleme mehr haben dürfen, aber mit genügend Geld hat man wesentlich mehr Möglichkeiten. (Ob man die dann nutzt, einen andere dann für das Geld beneiden und dass man genau so mit seinen Gedanken- und Verhaltensmustern klarzukommen lernen muss wie jeder andere auch, ist meiner Meinung nach wieder was ganz anderes). Ich weiß nicht, warum sich manche Menschen da immer so schwer tun, zu sehen, dass man mit mehr Geld auch mehr, schneller und viel leichter etwas für seine Gesundheit tun kann. Dass man Chancen hat, die ein Anderer nicht hat.
Aber vielleicht muss man erstmal selber in die Lage kommen, um zu merken, wie das ist, wenn man das nicht kann, weil eben das Geld fehlt?

Liebe Grüße,
DieNeue
SonneundDunkenheit
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Liebe Neue,
ich mag mit dir keine Diskussion dazu führen und nein, ich weiß nicht wie es ist kein Geld zu haben. Aber ich weiß wie es ist trotzdem seit vielen Jahren mit Depressionen zu leben die letzten zwei davon in einer schweren Episode... Geld hilft mir nicht mehr Antrieb zu entwickeln, Geld hilft mir nicht besser mit der Stigmatisierung Depression umzugehen und und und

Der Titel war wie erkläre in Erwerbstätigkeit..... vielleicht sollten es hier darum gehen
LG
SonneundDunkenheit
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Sollte natürlich Erwerbsunfähigkeit heißen
DieNeue
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von DieNeue »

Hallo SonneundDunkelheit,

achso, dann stehst du von deinen Erfahrungen her auf genau der anderen Seite wie ich. Ich hatte schon mal ein paar Jahre Hartz IV mit einem Haufen BaföG-Schulden, wo ich nicht wusste, wie ich die mit Hartz IV jemals loswerden sollte, und hatte ständigen Druck und Probleme durch Ämter. Mich hat das noch kränker gemacht.
Ich konnte meine Therapie irgendwann nur noch weitermachen, weil sie mir Freunde finanziert haben. So eine Unterstützung ist zwar toll und hat die Freundschaft auch gefördert, aber ich habe immer noch das Gefühl, ich wäre ihnen was schuldig.
Mir hätte es wirklich extrem geholfen, wenn ich diese ganzen Geldsorgen nicht gehabt hätte.
Mittlerweile bin ich sowohl Hartz-IV als auch die Schulden los und komme mit meiner Rente gut klar. Es ist nicht mega viel, aber es ist ein himmelweiter Unterschied zu Hartz-IV. Mir war damals nicht klar, dass die finanziellen Sorgen und Existenzängste einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass es mir immer schlechter ging. Das habe ich erst gemerkt, als es mir finanziell wieder besser ging. 

Ich behaupte nicht, dass es dir besser gehen würde, wenn du weniger Geld hättest, du deine Probleme mit Geld lösen kannst und ich rede deine Probleme nicht klein. Dass man Antriebslosigkeit nicht mit Geld wegkriegt, weiß ich auch. Ich kämpfe auch oft damit. Ich finde es nur einfach furchtbar, wenn einem hier in einem Betroffenenforum die Gründe für die eigenen Probleme kleingeredet oder aberkannt werden. Am besten man redet sich das alles ja nur ein, als wäre man ein bisschen bescheuert oder zu faul an sich zu arbeiten. Im Prinzip ist das auch nichts anderes als wenn man sich vor Leuten dafür rechtfertigen soll, warum man Rente kriegt oder krank ist.

Ich muss hier auch nicht weiterdiskutieren. Aber ich konnte das einfach nicht stehen lassen.
Aber vielleicht merkt man allein daran schon, was das Thema "Geld" für Zündstoff bietet. Die Rentenhöhe würde ich auch nicht erzählen. Hab ich einmal gemacht - nie wieder. Da fängt nur das Vergleichen an.

Liebe Grüße,
DieNeue
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Gertrud Star hat geschrieben:Kokoni,
... Aussagen über mich zu machen, ohne genug Einzelheiten zu kennen, ist einfach. Und ein Menschenleben ist mit Theorie nicht zu beschreiben.
.
Keiner kennt hier den anderen. Und ich kein privater Seelsorger.


Kokoni
Zuletzt geändert von Kokoni am 27. Jan 2022, 14:07, insgesamt 2-mal geändert.
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Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Kokoni hat geschrieben:
Gertrud Star hat geschrieben:Kokoni,
... Aussagen über mich zu machen, ohne genug Einzelheiten zu kennen, ist einfach. Und ein Menschenleben ist mit Theorie nicht zu beschreiben.
.
Wie soll ich dich denn kennen, kannst du mir das sagen? Du kennst mich auch nicht aber wertest mich ganz schön ab. Das spricht nicht für dich. Deine aggressiv vorgetragene Opfer Rolle kann mich nicht beeindrucken.

Im übrigen gibt es keine Argumente für eine Depression und dein Einzelschicksal ist keine Referenz. Privat sagen kannst du was du willst, aber auf einer Plattform zur Bekämpfung von Depressionen finde ich dein Auftreten unangemessen. Ich verstehe das hier nicht als Seelsorge.

Kokoni
Zuletzt geändert von Kokoni am 27. Jan 2022, 14:15, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Ich kenne seit 25 Jahren die Argumente von Menschen, die darauf beharren, dass "sie keine Chance hatten". Dass die anderen Schuld sind. Prallt an mir ab.

Kokoni
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Gertrud Star
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Gertrud Star »

Alles klar kokoni.
Wo stehst du denn gesellschaftlich so, Verdienst, Beruf, familiäre Einbindung, sonstige Ehren?
Alles bestens?
Wenn ja, kannst du ja gerne in deiner Blase leben und nach unten weiter treten.

Danke.
SonneundDunkenheit
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von SonneundDunkenheit »

@alle: mir gefällt die Art der Diskussion nicht (ist sicher mein Problem). Ich habe an keiner Stelle irgendjemand was unterstellt oder ähnliches. Und auch wenn ich momentan noch genug Geld auf dem Konto habe, weil ich trotz oder mit Depressionen im Funktionsmodus funktioniert habe..... gut war das sicherlich nicht. Ängste vor der Zukunft habe ich genau so und irgendwann ist das Ersparte alle, drei Kinder wollen versorgt sein, mit Sozialleistungen brauche ich zunächst nicht zu rechnen, das Krankengeld läuft in absehbarer Zeit aus, der Antrag auf EMR im ersten Anlauf gescheitert, Widerspruch läuft seit Monaten.... also genug Gründe die Depression voran zu treiben
LG
Kokoni
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von Kokoni »

Gertrud Star hat geschrieben:Alles klar kokoni.
Wo stehst du denn gesellschaftlich so, Verdienst, Beruf, familiäre Einbindung, sonstige Ehren?
Alles bestens?
Wenn ja, kannst du ja gerne in deiner Blase leben und nach unten weiter treten.

Danke.
Linkspartei, was?

Ich habe allein drei Menschen wegen Depressionen durch Suizid verloren, die alle stinkreich waren und aus bestem Hause, mit Abitur und Studium. Der Vater der einen war ein berühmter Professor, sie war Ärztin. eine andere war Sozialpädagogin und Erbin, der andere war Unternehmer und Erbe. Und das waren jetzt nur die Toten. Nicht mitgezählt sind die Leidenden, die überleben.

Genauso kannte ich die die ganz unten stehen oder standen, zu denen auch ich mal gehörte. Ich habe mich aber von unten nach oben gearbeitet, weil Jammern nicht mein Stil war. Auch nicht der Neid und die Wut nach oben.

In der Blase leben und Vorurteile pflegen, das tust nur du.

Aber nun bitte Respekt vor dem Thema und den Menschen.
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SonneundDunkenheit
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Re: Wie erkläre ich Erwerbsunfähigkeit

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Und wenn ich Erfolg haben sollte und irgendwann vielleicht EMR beziehen sollte, dann werde ich dazu stehen.... meine Antwort auf: Wie gehe ich mit EMR um.

Noch etwas Persönliches. Mich bewegen die Schicksale im Forum sehr. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass kritische oderkontroverse Antworten nicht gewünscht sind.
Für mich ist an der Stelle Schluss.
LG
Gesperrt