Depression bei Heranwachsendem (19)

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Chiemsee2021
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Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Chiemsee2021 »

Ich bin neu hier im Forum und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll ...aber ich versuche es mal. Unser Sohn hat, seit er 16 ist, immer wieder depressive Episoden, war deswegen auch schon in Behandlung (Psychotherapie, verschiedene Medikamente, nach einem angekündigten, aber nicht ausgeführten Suizid auch kurze Zeit in stationärer Behandlung). Im vergangenen Jahr schien es ihm dann besser zu gehen, er hat eine Ausbildung fernab von uns begonnen, in der Nähe eines Verwandten, den er sehr mag, und auch bewusst fernab von uns. Es mag hart klingen, aber auch schon vor der Depression hatte er eine sehr geringes Frustrationstoleranz, Stimmungsschwankungen, und trotz fachlicher Hilfe (Erziehungsberatung, Erziehungsbeistand) war das Zusammenleben oft von Konflikten geprägt.

Seit September nun ist er wieder zurück zu Hause: Er konnte wegen seiner Depression seine Ausbildung nicht fortführen (obwohl der Ausbilder wirklich viel Rücksicht genommen hat), und es ist alles so anstrengend: Tagsüber schläft er, nachts spielt er mit "Freunden", weil er nicht schlafen kann, außer einer Erziehungsberatung zu der er geht, hat es bis gestern gedauert, dass endlich eine medikamentöse Behandlung begonnen hat, die natürlich nur flankierend zu einer Psychotherapie stattfinden soll.

Eigentlich möchten weder er noch wir, dass er länger zu Hause lebt, aber im Moment ist er kaum in der Lage, sich eigenständig um Termine etc. zu kümmern, ob es nun um seine Erkrankung geht, um diversen Papierkram, und er achtet auch nicht gut auf sich selbst (isst wenig, wäscht sich kaum). Was alles von diesen Dingen Erkrankung ist, was einfach auch Trägheit, Unsicherheit, wie sie sicher auch andere jungen Menschen empfinden, vermag ich nicht zu sagen.

Ich würde mich gern mit anderen austauschen, die vielleicht partiell ähnliche Erfahrungen haben. Da mein Mann vor zwei Jahren einen Schlaganfall hatte und einfach nicht mehr so belastbar ist (sonst geht es ihm aber einigermaßen gut), habe ich das Gefühl, dass alles an mir hängen bleibt. Auf Selbstfürsorge (ein Hobby pflegen, genügend rausgehen, lesen etc.) achte ich, aber es fällt mir nicht immer leicht, wirklich abzuschalten.

Herzliche Grüße, Chiemsee2021
Delicat
Beiträge: 22
Registriert: 23. Nov 2021, 13:55

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Delicat »

Hallo Chiemsee2021,

bin auch neu hier im Forum - wenn Du magst, les' mal meinen Post "Fühle mich manchmal ausgenutzt...", da schildere ich meine/unsere Situation und da sehe ich doch schon einige Parallelen zu Deiner/Eurer.

Mein Sohn ist wenigstens in Behandlung (stationär, will nächste Woche wieder in die Tagesklinik wechseln), bisher allerdings mehr oder weniger ohne Erfolg.

Da er zu seinem Vater keine besonders gute Beziehung hat, ist es bei uns auch so, dass alles an mir hängen bleibt. Auch mein Sohn kümmert sich so gut wie gar nicht selbst um irgendwelche organisatorische Dinge wie Termine, Austausch mit Behörden etc. Er führt als Grund dafür seine Autismus-Spektrums-Störung an. Mit der wurde er erst auf eigenes Betreiben im Alter von 19 Jahren diagnostiziert; die ganzen Probleme - wie geringe Frustrationstoleranz, Stimmungsschwankungen..., mit denen wir seit frühester Kindheit zu kämpfen hatten und wegen derer er auch lange Zeit in Ergotherapie war, sind von den "Experten" nie darauf zurückgeführt worden.

Eigentlich hatte ich den Eindruck, dass es ihm nach dieser Diagnose sowie der Personenstandsänderung und eingeleitet Hormontherapie besser ging, aber irgendwie ist dann alles ins Gegenteil umgeschlagen.

Das mit dem "wenig essen" hat sich bei ihm leider zu einer Ess-Störung gesteigert, dadurch hat er dann auch eine gestörte Beziehung zu seinem Körper, was sich wiederrum in mangelnder Körperpflege niederschlägt...

Ich hoffe, es hilft Dir, zu wissen, dass Du mit Deiner Situation nicht alleine bist. Gerne können wir uns auch weiter austauschen :)

Liebe Grüße
Zuletzt geändert von Delicat am 27. Dez 2021, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.
Chiemsee2021
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Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Chiemsee2021 »

Lieber Frosch 0607,

jeder Fall ist ja ein wenig anders, und ich denke, bei Deinem Sohn kommt vielleicht noch mehr zusammen, aber ich finde ich in vielem was Du schreibst, wieder. Dieses "Mir geht es schlecht, ich kann jetzt gar nichts, und Du musst jetzt schweigen" kenne ich auch. Und wenn ich dann mal etwas sage oder auch nur frage. bekommt mein Sohn das je nach Gemütszustand in den falschen Halt, wird wahnsinnig schnell aggressiv. Vor ein paar Tagen hat er wegen einer Nichtigkeit zwei von ihm gemalte Bilder abgerissen - er weiß schon, dass mich das trifft (und hätte er das mit den Bildern doof gefunden, dann hätte er das schon gesagt).

Es fiel ihm schon immer schwer, Unterstützung anzunehmen, gestern hat er mich tatsächlich mal um etwas gebeten und auch zugegeben, dass er einfach nicht in der Lage ist, sich für Dinge zu bedanken - Ausdruck von Emotionen fiel ihm schon immer schwer. Wenn man mal einen Lichtstrahl am Ende des Tunnels sieht (er ist tatsächlich schon auf, hat heute mehrere Termine, was für ihn tatsächlich auch Stress ist), so weiß ich doch, dass dann am nächsten Tag wieder ganz anders aussehen kann.

Auch mein Sohn will nicht noch einmal stationär (da lief es eigentlich zunächst ganz gut, allerdings musste er wegen Regelverstößen nach ein paar Wochen einfach wieder nach Hause), auch nicht in eine Tagesklinik, und auch nicht in ein Betreutes Wohnen - da sind nur die Bekloppten.

Was mir in der Vergangenheit geholfen hat, war ein Seminar zu Thema "Resilienz", in dem ich im beruflichen Kontext war. Und von der Arbeit aus gibt es eine Sozialberatung, die ich zwar schon länger nicht in Anspruch genommen habe, aber es tut gut zu wissen, dass ich dort hingehen kann.

Es hat sich übrigens bei uns - aber da muss Dein Sohn natürlich auch mitspielen - als hilfreich erwiesen, dass ich mit meinem Sohn zum Psychiater gegangen bin und offen gesagt habe: Du kannst dort geschützt reden, aber lass bitte zu, dass ich über Wichtiges informiert werde.

Dir weiterhin viel Kraft, ich wünsche, dass das mit der Tagesklinik geht und Dein Sohn sich stabilisiert und nicht immer alles auf Dir ablädt. Vielleicht können wir teilen: Ein bisschen kommunikativer könnte meiner schon manchmal sein :-)

Wenn Du Dich privat oder hier austauschen möchtest: gerne!
Chiemsee2021
frosch0607 hat geschrieben:Hallo Chiemsee2021,

bin auch neu hier im Forum - wenn Du magst, les' mal meinen Post "Fühle mich manchmal ausgenutzt...", da schildere ich meine/unsere Situation und da sehe ich doch schon einige Parallelen zu Deiner/Eurer.

Mein Sohn ist wenigstens in Behandlung (stationär, will nächste Woche wieder in die Tagesklinik wechseln), bisher allerdings mehr oder weniger ohne Erfolg.

Da er zu seinem Vater keine besonders gute Beziehung hat, ist es bei uns auch so, dass alles an mir hängen bleibt. Auch mein Sohn kümmert sich so gut wie gar nicht selbst um irgendwelche organisatorische Dinge wie Termine, Austausch mit Behörden etc. Er führt als Grund dafür seine Autismus-Spektrums-Störung an. Mit der wurde er erst auf eigenes Betreiben im Alter von 19 Jahren diagnostiziert; die ganzen Probleme - wie geringe Frustrationstoleranz, Stimmungsschwankungen..., mit denen wir seit frühester Kindheit zu kämpfen hatten und wegen derer er auch lange Zeit in Ergotherapie war, sind von den "Experten" nie darauf zurückgeführt worden.

Eigentlich hatte ich den Eindruck, dass es ihm nach dieser Diagnose sowie der Personenstandsänderung und eingeleitet Hormontherapie besser ging, aber irgendwie ist dann alles ins Gegenteil umgeschlagen.

Das mit dem "wenig essen" hat sich bei ihm leider zu einer Ess-Störung gesteigert, dadurch hat er dann auch eine gestörte Beziehung zu seinem Körper, was sich wiederrum in mangelnder Körperpflege niederschlägt...

Ich hoffe, es hilft Dir, zu wissen, dass Du mit Deiner Situation nicht alleine bist. Gerne können wir uns auch weiter austauschen :)

Liebe Grüße
frosch0607
ElaGo
Beiträge: 5
Registriert: 15. Nov 2021, 19:19

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von ElaGo »

Hallo Chiemsee2021,

ich hatte gestern schon schreiben wollen, aber da bin ich mit meiner fertigen Antwort immer wieder rausgeflogen… nun probier ich es nochmal.

Ja, ich bin auch neu im Forum. Eigentlich war ich im Netz auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe für Eltern depressiver Jugendlicher. Aber da gibt es bei uns in der Region nichts. So bin ich auf das Forum gestoßen.

Wir haben eine Tochter (fast 18) die mit einer diagnostizierten Depression zu kämpfen hat. Aufgefallen ist es mit selbstverletzendem Verhalten (ritzen der Unterarme) vor etwa 2,5 Jahren - also klassisch in der Pubertät. Seitdem ist sie in Psychotherapie, nimmt Medikamente von der Jugendpsychiaterin verordnet und befindet sich aktuell im zweiten Intervall in der Klinik.

Aus der Klinik gibt es die Rückmeldung, dass unsere Tochter oft nicht altersentsprechendes Verhalten zeigt d.h. deutlich jünge und „unreifer“ erscheint. Da ist auch uns zu Hause schon aufgefallen und macht das Zusammenleben schwierig. Sie macht uns Vorwürfe wie ein Kind, zieht sich ins Schneckenhaus zurück und polarisiert. Ich neige dann dazu, sie zu schonen, in Watte zu packen und ihr Verantwortung abzunehmen. Mein Mann „tickt“ da anders, was auch zwischen uns zu Konflikten führt. Kennst du oder auch du frosch0607 das auch?

Mit der Selbstfürsorge bist du einige Schritte voraus, da möchte ich mehr für mich tun. Hast du auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen?

Liebe Grüße von ElaGo
Chiemsee2021
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Registriert: 22. Nov 2021, 19:04

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Chiemsee2021 »

Lieben Dank für Deine Antwort. Für meinen Sohn kommt Klinik, sei es vollstationär oder Tagesklinik, nicht in Frage. Als er im vergangenen Jahr dort war (nach einem geplanten Suizid, den er Gottlob nicht umgesetzt hat), kam nach anfänglicher Verbesserung auch von dort die Rückmeldung, dass er sich schnell angegriffen fühlt, dadurch Konflikte entstehen, und auch, dass die Therapeuten doch bitte das Mittel finden sollen, das ihm hilft. Zwischenzeitlich wirkt er sehr reflektiert und einsichtig, dann dringt man aber gar nicht zu ihm durch.

Du schreibst, Deine Tochter verhält sich wie ein Kind und macht Vorwürfe. Das kommt auch bei uns vor: Gestern etwa wollte mein Mann sichergehen, dass er das Medikament auch wirklich nimmt, es kam zum Streit, in dessen Verlauf er mein Sohn meinen Mann anspuckte und ihm vorwarf, Schuld an dem Suizidversuch zu sein. Ich hoffe, dass wir das heute besser hinbekommen mit dem Medikament; das Misstrauen war ja nicht unbegründet.

Schützen möchte ich meinen Sohn nicht. Aber manchmal nehme ich Dinge einfach in die Hand, weil es so mühsam ist, bis er selbst in die Gänge kommt. Schon der Anruf beim Arzt für einen Termin wird dann als „da war keiner“ abgetan, weil irgendwas wichtiger war, da handele ich dann lieber selbst, auch wenn das anstrengt.

Noch zu Deiner Frage nach professioneller Hilfe: Eine Therapie für mich habe ich nicht gemacht, aber es hat Phasen gegeben, in denen ich da sehr kurz vor war, weil ich zB einfach regelmäßig Alkohol getrunken habe, um abends runterzukommen. Als das an Blutwerten auffiel, war ich sehr erschrocken und hab das zum Glück selbst wieder in den Griff bekommen. Und es tut mir gut zu wissen, dass ich mich zB im beruflichen Kontext an die Sozialberatung wenden kann, und auch, dass meine Ärztin mich auch mal krankschreiben würde, wenn mir alles zu viel wird.

Wir können uns auch gern per PN austauschen wenn Du magst; die Selbstfürsorge ist wirklich total wichtig, aber kommt nicht von jetzt auf gleich.

Liebe Grüße, Chiemsee2021
Delicat
Beiträge: 22
Registriert: 23. Nov 2021, 13:55

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Delicat »

ElaGo hat geschrieben:Hallo Chiemsee2021,

ich hatte gestern schon schreiben wollen, aber da bin ich mit meiner fertigen Antwort immer wieder rausgeflogen… nun probier ich es nochmal.

Ja, ich bin auch neu im Forum. Eigentlich war ich im Netz auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe für Eltern depressiver Jugendlicher. Aber da gibt es bei uns in der Region nichts. So bin ich auf das Forum gestoßen.

Wir haben eine Tochter (fast 18) die mit einer diagnostizierten Depression zu kämpfen hat. Aufgefallen ist es mit selbstverletzendem Verhalten (ritzen der Unterarme) vor etwa 2,5 Jahren - also klassisch in der Pubertät. Seitdem ist sie in Psychotherapie, nimmt Medikamente von der Jugendpsychiaterin verordnet und befindet sich aktuell im zweiten Intervall in der Klinik.

Aus der Klinik gibt es die Rückmeldung, dass unsere Tochter oft nicht altersentsprechendes Verhalten zeigt d.h. deutlich jünge und „unreifer“ erscheint. Da ist auch uns zu Hause schon aufgefallen und macht das Zusammenleben schwierig. Sie macht uns Vorwürfe wie ein Kind, zieht sich ins Schneckenhaus zurück und polarisiert. Ich neige dann dazu, sie zu schonen, in Watte zu packen und ihr Verantwortung abzunehmen. Mein Mann „tickt“ da anders, was auch zwischen uns zu Konflikten führt. Kennst du oder auch du frosch0607 das auch?

Mit der Selbstfürsorge bist du einige Schritte voraus, da möchte ich mehr für mich tun. Hast du auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen?

Liebe Grüße von ElaGo
Hallo ElaGo,

Ja, dieses "unreife" Verhalten kenne ich leider auch, inbesondere, was den Rückzug ins Schneckenhaus angeht. Mein Sohn begründet das mit seiner Autismus-Spektrums-Störung. Obwohl er dafür eine Diagnose hat, denke ich mir manchmal, dass es schon sehr bequem für ihn ist, so eine "Ausrede" zu haben, weil es in der Praxis bedeutet, dass alle sich nach ihm richten müssen. Dann habe ich wieder ein schlechtes Gewissen, wenn ich sehe, wie er selbst unter seinem Anderssein leidet :(
Mein Mann hat fast keine Beziehung zu unserem Sohn und hält sich aus allem raus. Welche Variante da jetzt die bessere ist, wage ich nicht zu beurteilen...
LG
Zuletzt geändert von Delicat am 27. Dez 2021, 14:35, insgesamt 1-mal geändert.
ElaGo
Beiträge: 5
Registriert: 15. Nov 2021, 19:19

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von ElaGo »

Guten Abend ihr zwei,

sorry, dass ich mich die letzten Tage nicht zurück gemeldet habe… irgendwie war immer etwas anderes.

Es tut gut zu lesen, dass es anderen Müttern ähnlich geht wie einem selbst. Dass auch ihr die Schwierigkeiten und Herausforderungen im Alltag mit unseren besonderen Kindern kennt.
Oh, ja - die Sache mit „sich selbst um etwas kümmern“ ist echt ein Problem. Da wird mir/uns lieber eine Lüge aufgetischt, als dass unsere Tochter sich wirklich hinter etwas klemmt. Genau wie du schreibst Chiemsee2021 - dann heißt es „hab ich schon gemacht“, „war keiner da“, „nee, ich hab keine Aufgabe zu erledigen“ usw. Und dann will ich ja eigentlich meiner Tochter vertrauen und ihr die Antworten glauben. Aber oft gibt sie sich gar keine Mühe, dass diese Schwindelei nicht auffliegt. Ala „Lügen haben kurze Beine“ wird meist schnell klar, dass sie es sich einfach machen wollte mit der Antwort. Aber wie soll ich dann reagieren? Hab bisher kein Patentrezept gefunden…

Ich grüße euch, ElaGo
Chiemsee2021
Beiträge: 19
Registriert: 22. Nov 2021, 19:04

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Chiemsee2021 »

Das mit dem Lügen war schon vor der Erkrankung ein Problem - ein scheinbar probates Mittel, um Diskussionen oder Konflikte zu vermeiden oder auch einfach Konsequenzen eines Fehlverhaltens. Mein Sohn lügt wirklich manchmal das Blaue vom Himmel herunter, und das auf so stümperhafte Art, dass man fast meinen möchte, dass er ertappt werden will. Da sind Arzttermine dann auf einmal am Freitagnachmittag :? Er vergisst aber auch wirklich unheimlich viele Dinge, was teils einer generellen Unlust geschuldet ist, aber eben auch der Krankheit. Das ist immer ein Balanceakt: Wo nehme ich die Dinge in die Hand, wo lasse ich die Sachen laufen, auch wenn die Konsequenzen eben letztlich auf ihn zukommen.

Wenn ich ehrlich bin, dann ist das wechselseitige Vertrauen schon länger beschädigt: Das stimmt mich manchmal traurig, weil ich mich in den Augen meines Sohnes gar nicht richtig verhalten kann: Glaube ich ihm nicht, bin ich die ewig motzende Mutter, die dann noch Schuld an seiner Lage ist, nehme ich Sachen ab, fühlt er sich wie ein kleines Kind behandelt, und glaube ich ihm, gibt es oft Enttäuschungen. Wenn nur jeden Tag ein, zwei kleine Dinge gelingen, so banal sie auch sein mögen, freut es mich.

Einen schönen zweiten Adventsabend noch!
ElaGo hat geschrieben:Guten Abend ihr zwei,

sorry, dass ich mich die letzten Tage nicht zurück gemeldet habe… irgendwie war immer etwas anderes.

Es tut gut zu lesen, dass es anderen Müttern ähnlich geht wie einem selbst. Dass auch ihr die Schwierigkeiten und Herausforderungen im Alltag mit unseren besonderen Kindern kennt.
Oh, ja - die Sache mit „sich selbst um etwas kümmern“ ist echt ein Problem. Da wird mir/uns lieber eine Lüge aufgetischt, als dass unsere Tochter sich wirklich hinter etwas klemmt. Genau wie du schreibst Chiemsee2021 - dann heißt es „hab ich schon gemacht“, „war keiner da“, „nee, ich hab keine Aufgabe zu erledigen“ usw. Und dann will ich ja eigentlich meiner Tochter vertrauen und ihr die Antworten glauben. Aber oft gibt sie sich gar keine Mühe, dass diese Schwindelei nicht auffliegt. Ala „Lügen haben kurze Beine“ wird meist schnell klar, dass sie es sich einfach machen wollte mit der Antwort. Aber wie soll ich dann reagieren? Hab bisher kein Patentrezept gefunden…

Ich grüße euch, ElaGo
Greta1962
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Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Greta1962 »

Hallo!

Ich habe auch so eine schwere Zeit mit meinem Sohn hinter mir - da war er auch so 17/18 Jahre alt und das zog sich über 3 Jahre hin. Mittlerweile ist er 30 und die Depressionen haben sich glücklicherweise zurückgezogen - er steht gut im Leben, Beruf, Partnerschaft, alles gut.

Was ich rückblickend als besonders wichtig fand - gerade in diesen Krisenzeiten, wenn die Jugendlichen nur rumhängen, nix machen usw.:
Als Eltern sollte man einfach ruhig bleiben - nix sagen - vor allem nicht danach fragen, was er nun vorhat, welche Pläne usw. ... ! Auch keine Vorwürfe machen, keine Diskussionen, kein guten Ratschläge ... ! Einfach mal die Klappe halten.

Das ist unheimlich schwer - gerade auch dann, wenn man denkt, dass das "Kind" mal ganz gute 5 Minuten hat. Dann denkt man, man könne da schnell mal was loswerden - Fragen, Ratschläge. Aber das ist falsch, weil er dann sofort wieder zuschnappt, wie eine Auster. Und dann hat man eine Chance vertan.

Mein Sohn ist zu der Zeit immer zum Rauchen rausgegangen. Er wollte allein sein. Und ich rauche auch nicht. Irgendwann fragte er "kommst du mit?" ... was für ein glücklicher Moment für mich, mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich dran denke.
Aber wenn wir dann draußen saßen, nebeneinander in der Hollywoodschaukel vor uns hin wippend, dann musste ich höllisch aufpassen ... kein "sag mal, wie stellst du dir das jetzt eigentlich mit der Schule vor?" ... oder ähnliches ... ! Nix. Nur "guck mal, eine Amsel!" ... oder ähnliches.

Das war letztendlich der Schlüssel zur Annäherung.

Und man muss immer bedenken - die "Kinder" wissen alles! Die wissen, dass wir uns Sorgen machen, die wissen, dass ein Schulabschluss besser wäre, die wissen, dass es besser wäre, aus dem Bett zu steigen und irgendwas zu machen ... aber aus welchen Gründen auch immer können sie es nicht umsetzen. DAS ist das Problem! Und nicht, dass sie es nicht wüssten und wir als Eltern es ihnen sagen müssten.

Zu viele Worte können genau das Gegenteil bewirken - nämlich, dass sie noch mehr ins Schneckenhaus kriechen.

Nur mal so als Denkanstoß.
Alles Gute für euch!
Liebe Grüße von ..... Greta
Chiemsee2021
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Registriert: 22. Nov 2021, 19:04

Re: Depression bei Heranwachsendem (19)

Beitrag von Chiemsee2021 »

Danke für Deinen Denkanstoß. Du hast schon recht damit, dass es nichts bringt, immer wieder als Eltern „kluge“ Ratschläge zu geben. Was die berufliche Zukunft angeht, sagen wir da auch gar nichts. Und trotzdem: Ohne Eingreifen unsererseits würde er bis heute keinen Psychiater haben, würde die Suche nach einem Therapieplatz nicht anlaufen und wären auch diverse behördliche Dinge nicht geregelt.

Nun ja, wir werden sehen: Ich halte viel die Klappe (auch wenn es schwer fällt), lasse ihn allein sein, wenn er es will, und hoffe einfach, dass er professionelle Hilfe annehmen kann und wieder aus seinem Tal herauskommt.

Und ja, dass Dich so ein Moment der Annäherung gerührt hat, das lese ich noch jetzt aus Deinen Zeilen.

Danke daher für die guten Wünsche
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