Suche Erfahrene Angehörige zum Informationsaustausch

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Valentina738
Beiträge: 1
Registriert: 28. Sep 2021, 11:34

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Beitrag von Valentina738 »

Guten Tag!

Ich wollte hier über meinen Mann und mich selbst berichten, um mir einige Ratschläge und Hilfe unter Gleichgesinnten zu suchen. Ich selbst leide nicht unter Depression oder einer psychischen Erkrankung. Merke jedoch, wie es mir immer mehr zusetzt wie sehr er und unsere Beziehung unter der Depression leiden. Vorab, ich bin sehr gut über die Erkrankung informiert, da ich Pflegekraft bin. Allerdings fällt es mir dennoch schwer damit umzugehen. Mein Mann geht alle zwei Monate zum Therapeuten. Es ist nicht medikamentös eingestellt. Er leidet zusätzlich unter einer schweren Niereninsuffizienz ( wir beide sind 30), was vieles für ihn schwerer macht.
Ich merke gerade wie es immer schlimmer wird und ich mich immer hilfloser fühle. Wir haben schon häufig darüber geredet, dass er zur Verhaltenstherapie geht. Leider sind die Wartezeiten sehr lang (bis zu einem halben Jahr). Es ist in Behandlung bei einem Tiefenpsychologen, war aber noch nie in seinem Leben zur Verhaltenstherapie um zu lernen, wie er selbst am besten damit umgeht. Ich merke manchmal wie er die Erkrankung abstreitet. Es belastet mich sehr, weil es Phasen gibt wo er sehr distanziert mir gegenüber ist. Ich weiß einfach nicht was ich machen soll. Wir streiten uns dann irgendwann zwischendurch, weil sich dann in mir irgendwann das Gefühl aufstaut dass er diese Beziehung nicht mehr will. Er sagt jedoch, dass er mich liebt, was ich ihm auch glaube. Trotzdem kann er fast gar keine Nähe zeigen und ich merke wie ich mich teilweise einsam fühle. Er sagt auch, dass er kein Mitleid empfindet wenn ich deswegen traurig bin. Ich weiß dass er das nicht bösartig meint und dass er für dieses Verhalten und diese Distanz zwischen uns nichts kann. Ich weiß dass er ein anderer Mensch ist, weil ich ihn anders kennen gelernt habe und ich ihn für sein großes Herz so sehr liebe. Ich selbst habe jedoch noch nicht so viele Wege entdeckt wie ich am besten damit umgehen kann. Ich merke wie es mich öfters selbst innerlich runter zieht, gerade wenn es mir durch andere Dinge nicht gut geht. Ich würde gerne etwas tun, damit es nicht mehr eskaliert zwischen uns. Ich möchte gerne besser mit dieser Erkrankung umgehen können und vor allem möchte ich ihn besser unterstützen.

Danke für Ratschläge und Tipps im voraus. Ich nehme gerne jede Kritik an. Ich freue mich über alles was uns weiterhilft, denn momentan fühle ich mich verzweifelt und hilflos.
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Suche Erfahrene Angehörige zum Informationsaustausch

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo Valentina738!

Ich selbst bin auch Angehöriger von einer unter Depressionen leidenden Freundin. Diese zeigen sich in klar abgegrenzten Episoden. Während heftigeren Episoden trennt sie sich (wir wohnen nicht zusammen) regelmäßig von mir, um dann nach Ende der Episode wieder die Beziehung aufzunehmen. Wir sind beide Mitte fünfzig und kennen uns seit sieben Jahren. Das nur kurz zur Erläuterung.

Ein paar Gedanken von mir zu deinen Zeilen:
Du sprichst davon das er derzeit für dich ein andere Mensch ist, anders wie du ihn kennen gelernt hast. Mir ist irgendwann klar geworden, dass dies die Betrachtungsweise von uns Angehörigen ist. Bei meiner Freundin sieht wahrscheinlich jeder Außenstehende innerhalb ihren Episoden einen anderen Menschen. Gerade weil diese Episoden sehr „hart“ abgegrenzt bei ihr sind. Das sehen aber nur wir Außenstehende so. Sie selbst nimmt sich (eher weniger) in zwei Zuständen wahr. Dieses Gefühl der Gefühlslosigkeit ist ja tatsächlich da und nicht abstrakt. Ich weiß nicht ob dies tatsächlich so ist, ich erlebe es nur so – Diese Krankheit ist einfach unteilbar mit dem Ich unserer Liebsten verbunden. Das geht bei meiner Freundin ja so weit, dass sie schon mehrmals die Beziehung beendet hat. In dem Moment der Trennung ist das für sie die logische Konsequenz, auch wenn sie mich noch liebt und sie rein theoretisch wissen müsste, dass ihre Episoden wieder vorbei gehen – also dieses Gefühl der Gefühlslosigkeit nur vorübergehend ist. Aber dies scheint so mit dem Ich verbunden zu sein, dass eine abstrakte Betrachtungsweise wie wir dies als Außenstehende machen, ihr nicht möglich ist. Wir verdrehen die Augen wenn wir von unseren Liebsten mit gewissen Dingen konfrontiert werden - für sie ist das ein reales Gefühl.

Was mir im Umgang damit am meisten geholfen hat klingt vielleicht etwas hartherzig und so ganz konsequent ziehe ich es auch nicht wirklich durch. Aber ich belasse einfach die Krankheit bei ihr. Ich arrangiere mich nur noch damit – mehr nicht. Du als Pflegekraft machst dies ja beruflich jeden Tag. Du nimmst dir auch nicht die Sorgen deiner Patienten an. Daran würdest du zerbrechen.
Wir sind Verwandte, Ehepartner, Liebhaber, Freunde... das ist unsere Rolle. Was sind keine Therapeuten, Gesundheitsmanager, Antreiber und schon gar nicht Prellbock.
Ich habe da immer folgendes Bild vor mir: Wir alle könnten wahrscheinlich etwas sportlicher sein und ein paar Kilos weniger wiegen - etwas mehr für die Gesundheit tun. Jetzt stell dir mal vor, wir haben einen Partner, Angehörigen, Freund der uns wirklich mag, den wir mögen und der die Sportskanone unter der Sonne ist. Jetzt geht morgens der Wecker und dieser Mensch steht schon im Zimmer, reißt die Fenster auf (frische Luft ist ja gut) und sagt: Auf, lass uns vor dem Frühstück laufen gehen, danach gibt es ein ungezuckertes Müsli mit grünem Tee (ist alles sehr gesund). Und so geht es dann den ganzen Zeit weiter.... Ey, ich würde durchdrehen nach ein paar Tagen auch wenn dies alles total lieb gemeint ist. Aber als Angehörige nehmen wir oft diese Rolle an und das muss schief gehen.
Mir hilft dieses „die Krankheit bei ihr belassen“, das es mich weit weniger runter zieht. Es hilft mir einen eigenen Weg zu gehen, der sich eben nicht an der Krankheit meiner Freundin orientiert. Gut, dies ist weitaus schwieriger bei dir, da ihr zusammen wohnt. Aber es hilft dir vielleicht schon einfach dabei, kein schlechtes Gewissen zu bekommen wenn du Dinge machst die dir gut tun – zum Beispiel am Samstag mal wieder mit Freundinnen auf die Piste gehen, alleine mal ein paar Tage weg fahren oder was auch immer.

Ich wünsche dir viel Kraft!
Herr Rossi
Beiträge: 166
Registriert: 2. Sep 2018, 08:19

Re: Suche Erfahrene Angehörige zum Informationsaustausch

Beitrag von Herr Rossi »

Hallo Valentina.

Dieses Distanz und keine Nähe zulassen, kennen wir vermutlich alle recht gut.
Das bedeutet aber nicht automatisch, dass er sich trennen will.
Ich habe für mich erkannt, dass ich einfach damit leben muss. Es gibt bessere und schlechtere Tage, und die schlechten muss ich einfach aussitzen.
A und O wäre zunächst eine Therapie, bzw. bei Bedarf die richtigen Medikamente.

LG

herr Rossi
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