Strukturen einer Depression

Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Hallo, ich hoffe ich stoere nicht, wenn ich als Neuling etwas viel poste. Bin nur gerade in einer Phase wo ich denke, dass ich mir ueber viele Gesichtspunkte meiner Erkrankung klar werden muss. Insbesondere wuerde mich interessieren, welche der Verhaltensauffaelligkeiten, die ich an mir selbst feststelle, einer Depression zuzuordnen sind und ob man an diesen Auffaelligkeiten die Art einer Depression festlegen kann. Ich zaehls einfach mal auf: - Rollenspiel: Ich sehe mich meist nicht als Mensch, sondern als Maschine oder auch als die zerfallende Sowietunion etc. --- hier uebertrage ich modellhaft meine Probleme auf voellig andere, aber ebenfalls problembehaftete Strukturen. Klar weiss ich, dass ich Mensch bin, aber ich fluechte mich doch oft in eine andere Rolle. - Selbstgespraeche: Die fuehre ich zuhause haeufig. Nur dann nicht, wenn andere mithoeren koennen. Bin ich aber alleine, brabbel ich den ganzen Tag im Vortragsstil vor mir hin, von einem Thema zum anderen springend, oft alte Kamellen die ich mir schon oft erzaehlt habe. Wie der Sittich, der allein im Kaefig lebt und vor sich hinzwitschert. - Aktivitaet: Ich bin oft sehr eifrig dabei, mir neue Projekte auszudenken, Konzepte aufzustellen, Bauteile einzukaufen etc. um was Neues zu verwirklichen. Meist ziehe ich das dann auch durch. Auch andere Symptome wie Unrast, haeufiges Haendereiben insbesondere wenn ich mich aufrege fallen in diese Kategorie. - Traurigkeit: Ueberkommt mich oft. Insbesondere, wenn ich andere zusammenleben sehe (Stichwort Paerchen in der Stadt) und selber weiss dass ich hinterher doch wieder allein in meine Wohnung gehe. - Teufel an die Wand malen: Ich stelle mir auch oft vor was waere wenn ich einen Schicksalsschlag erleiden wuerde oder wie es waere wenn ich sterben muesse. Fuer diese Gedanken gibt es rational absolut keinen Grund. Ich denke hier ist auch Selbstmitleid im Spiel. - Mangelndes Selbstvertrauen: Obwohl ich viel erreicht habe, denke ich immer es ist zu wenig. Ich bin zu ineffizient, koennte auch heute mehr geschafft haben. Neue Arbeitspakete anzupacken benoetigt immer einen Angang, wie ein traeger Gueterzug der erst einmal anrollen muss. Hierunter fallen auch Schuldgefuehle nach dem Motto "die Kollegen muessten doch endlich merken dass ich zu ineffizient bin". - Unkonzentriertheit und Muedigkeit: Ich schaffe es spielend, z.B. auf einer Konferenz schon in den ersten 15 min des ersten Morgenvortrags einzunicken. Auch wenn ich entspannt angereist bin und neun Stunden Schlaf hinter mir habe. Natuerlich bin ich nach dem Sekundenschlaf abgehaengt und kann nur noch das Ende des Vortrags abwarten und krampfhaft versuchen, wieder hereinzukommen. Ich vermute, dass meine Sinusbradykardie (habe seit 3 Jahren einen Herzschrittmacher) hier eine Rolle spielt. - Schlechtes Personengedaechtnis: Waehrend ich mir Zahlen und technische Details ganz gut merken kann, erkenne ich Personen oft nicht wieder und spreche z.B. auf Konferenzen falsche Leute an. Ist mir immer furchtbar peinlich und es nagt an meinem Selbstvertrauen. Auch in der Stadt "kenne" ich oft Freunde nicht mehr -- mag sein dass das als Ignoranz oder gar Arroganz ausgelegt wird. Der letzte Punkt ist mir etwas peinlich, ich musste mich ueberwinden ihn hier hinzustellen. Vielleicht ist er deplaziert, ich hoffe niemand fuehlt sich davon peinlich beruehrt: - Gestoertes Sexualleben: Ich hatte erst eine Beziehung, die vor kurzem genau daran scheiterte. Ich habe im Verlauf des langen Alleinseins eigene Phantasien (klingt jetzt gefaehrlich ist aber harmlos, also ich bin kein Vergewaltiger oder so) entwickelt. Um wieder das Beispiel des Sittichs anzufuehren - er ist einsam und vergnuegt sich mit seinem Plastikvogel. Setzt man ihm einen Artgenossen in den Kaefig, hat er den Umgang mit diesem verlernt da er sich an den Plastikvogel gewoehnt hat. Dies betruebt mich ausserordentlich, da ich das Gefuehl habe dass ich, sollte ich nochmal jemanden kennenlernen, diese Frau wieder deswegen verlieren wuerde. So, ich glaube jetzt habe ich erstmal alles aufgezaehlt was mich bedrueckt. Vielleicht seht Ihr ja Parallelen, vielleicht ist auch erkennbar was mir fehlt. Ich hoffe nur, Euch nicht zu sehr auf den Geist zu gehen -- es gibt sicher Leute die Hilfe noetiger haben als ich. Alles Gute, Faustus
Gretchen
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Stören tust Du garantiert nicht, dafür ist das Forum schließlich da. Ich muss jetzt mal etwas aufschreiben was mir sofort bei deinem Namen einfiel, ich lese es immer wenn es mir schlecht geht, vielleicht kennst Du es auch, wo Du schließlich "Faustus" heißt. "So fragest Du, warum dein Herz, sich bang in deinem Busen klemmt/Warum ein unerklärter Schmerz, dir alle Lebensregung hemmt? O sähst du voller Mondenschein, zum letzten mal auf meine Pein, den ich so manche Mitternacht, an diesem Pult herangewcht..." Zu den Symptomen die Du aufzählst kann ich dier einiges sagen, ich habe viele von ihnen auch, sie sind wirklich "typisch depressiv". - Selbstgespräche zu führen ist keine schlimme Sache, obwohl Du es bei einer Therapie (bist Du überhaupt in Behandlung?)auch erwähnen solltest. Ich glaube sie sind ein Zeichne dafür, dass man viele Dinge noch nicht richtig verarbeitet hat und können sogar ganz hilfreich sein. Ich würde an deiner Stelle mal überlegen wann, wo und worüber Deine Selbstgespräche sind. Sind es Sachen, die Du gerne mit anderen Menschen besprechen würdest? Hast Du gute Freunde? Ich führe oft Selbstgespräche wenn ich z.B. wütend auf jemanden bin und ihm das nicht sagen will. Ich plapper dann die ganze Zeit zuhause vor mich hin, sage z.B. wie wütend ich bin und stelle mir vor dieser Mensch höre mir dabei zu. Vielleicht hilft es dir auch die Dinge, die Du sonst im Gespräch mit Dir selber klärst, aufzuschreiben? - Aktivität ist doch auch im Grunde nichts, was Dich in Deinem normalen Lebn behindert, oder sehe ich das falsch? Ich glaube unbedingt typisch ist das nicht, aber die Symptome einer Depression sind ja auch von Mensch zu Mensch verschieden. Innere Unruhe oder äußerliche Rastlosigkeit kenne ich allerdings auch. Vielleicht ist Deine Aktivität auch einfach wichtig für Deine Psyche. Bist Du so aktiv um Dich abzulenken von Deinen Problemen, Deiner Depression? Ich räume oft in meinem Zimmer Möbel um oder kaufe mir irgendwelche Sachen, plane Projekte oder so, weil ich mir dann vorstelle: "Wenn ich das erstmal mache, dann geht es mir viel besser, dann wird alles anders." - Traurigkeit ist ganz typisch. Es ist das Schicksal der meisten Depressiven sich allein und einsam zu fühlen. Je mehr Menschen um einen herum sind, die lachen, sich freuen, so "normal" sind, sein dürfen, ist man traurig. Du scheinst ja auch schon einiges an Beziehungsschwierigkeiten in Deinem Leben mitgemacht zu haben, da ist es slbstverständlich, dass gerade ein "Pärchen in der Stadt" z.B. in der Seele schmerzt. - Teufel an die Wand malen ist ein richtiger Tick von mir seit es mir schlecht geht. Ich stelle mir oft vor, dass eine meiner Freunde oder auch ein Familienmitglied stirbt und ich trauer. Oder die Rede an der Beerdigung halte, die Beileidsbekundungen erhalte usw. Keine Ahnung ob es Selbstmitleid ist, wahrscheinlich eher die Sehnsucht seine Traurigekit und Depression offen zu zeigen, die Sehnsucht beachtet zu werden von seinen Mitmenschen, die Sehnsucht endlich einen Grund für das eigene "Elend" zu haben. - Mangelndes Selbstvertrauen ist auch ein Problem vieler Menschen mit Depressionen. Ich kenne es im Bezug auf mein Aussehen, meine Figur o.ä., aber nicht im Bezug auf meine berufliche Leistung. Was Du mit dem Güterzug beschreibst entspricht aber auch meinen Gefühlen. - Unkonzentriertheit und Müdigkeit ist ein fast immer auftretendes Symptom. Man kann ihnen kaum Herr werden (das sag ich aus eigener Erfahrung) es sei denn, man schläft pro Nacht wirklich nie mehr als 6-8 Stunden. Ich würde es an Deiner Stelle mal ausprobieren, vielleicht hilft es Dir auch. - Ein schlechtes Personengedächtnis kann auf Grund einer Depression enststehen, wäre allerdings dann ein Zeichen, dass die Krankheit schon wirklich sehr ernst ist und DRINGEND behandelt werden müsste. - Ein gestörtes Sexualleben haben auch oft Menschen mit Depressionen, allerdings eher so, dass sie keines mehr haben. Depressionen dämpfen in vielen Fällen die Libido (obwohl man das natürlich nicht verallgemeinern darf). Dass man "gestörte Phantasien" auf Grund von Depressionen hat ist möglich, ich denke aber eher dass jeder Mensch mehr oder weniger "gestörte" bzw. ungewöhnliche Phanatsien hat und finde, dass das nichts Schlimmes ist. Ich kenne Deine ja nicht und kann sie nicht beurteilen (wozu ich wahrscheinlich auch dann nicht in der Lage wäre), aber solange Du noch sagen kannst sie seine "harmlos" ist es bestimmt im grünen Bereich und für keine Frau ein Grund Dich zu verlassen. Alles in allem würde ich schon auf jeden Fall sagen, dass du unter Depressionen leidest auf Grund derer Du Hilfe brauchst. (Um Dir jetzt Genaueres oder Konkreteres zu sagen weiss ich leider auch nicht genug). Falls Du noch nicht in Behandlung bist mache Dir doch mal einen Termin bei einem Arzt der Dich beraten oder einem Psychiater überweisen kann. Ganz liebe Grüße, melde Dich mal wieder und sag wie es Dir geht, Gretchen
Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Liebes Gretchen ! Eine Vorabbemerkung: Dieser Nickname passt wie _die_ Faust aufs Auge ;*) --- _den_ Faust habe ich frueher in der Schule gelesen und schon damals hat der erste Akt gewisse Resonanzen in mir erzeugt. Diese Depression des Gelehrten konnte ich damals schon nachvollziehen. Meine grossen Outbreaks waehrend des Studiums veranlassten mich dann einige Jahre spaeter, eine Gespraechstherapie zu machen. Diese dauerte 3 Jahre und wurde dadurch unterbrochen, dass ich eine Doktorandenstelle in einer anderen Stadt annahm. Dort wurde mir von einer Nervenaerztin (bei der ich wegen koerperlichen Beschwerden war, die spaeter aufs Herz zurueckzufuehren waren ---> Schrittmacher) eine Therapie angeboten. Aber ich wollte versuchen, wieder allein zu leben. Was einige Jahre lang gutging. Jetzt sitze ich als Postdoc im Ausland und die medizinische Versorgung ist hier nicht besonders. Zusammen mit linguistischen Problemen ist eine Gespraechstherapie kaum denkbar. Nun zu den Strukturen: - Selbstgespraeche fuehre ich staendig. Allerdings besonders wenn ich erregt (freudig oder wuetend) bin. Ich kenne es auch, dass ich mich nicht traue jemandem zu sagen was mir nicht passt. Bin ich nicht schlagfertig genug fuer. Ich rede dann staendig mit mir selbst drueber. Ich habe ein paar sehr gute Freunde, auch mit meiner Ex-Partnerin habe ich eine sehr gute Freundschaft. Aber alle sind im Ausland und nur ueber Email und Telefon ueber solche Dinge zu kommunizieren ist nicht immer optimal. An das Aufschreiben habe ich noch nicht gedacht. - Die Aktivitaet finde ich eigentlich auch positiv. Ich kann mit dem Basteln meiner Apparate auch anderen, die mein Hobby teilen, eine Freude machen. Ich habe keinen Fernseher zuhause, brauche ich auch nicht weil ich so aktiv bin. Nur die innere Unruhe ist, denke ich nicht gut. Auch wenn ich woanders zu Gast bin, haben Freunde oft das Gefuehl ich sei innerlich angespannt und wuerde mich unwohl fuehlen -- obwohl das nicht stimmt. - Traurigkeit -- ja, das ist ja eigentlich das Hauptsymptom der Depression. Vor allem ist sie so abgrundtief GRUNDLOS. Man _fuehlt_ sich gehasst, _ist_ es aber nicht. Man hat im Leben viel erreicht, nen interessanten Job usw. und dennoch ist man grundtraurig. Selbst wenn man sich mal was schoenes gekauft hat, haelt das nicht lange vor. Beziehungsschwierigkeiten habe ich insofern dass ich erst mit 31 meine erste Freundin hatte. Mit 20 wollte ich nichts davon wissen (Studium war wichtiger). Dann brachten meine besten Freunde Partnerinnen nach Hause und ich sah, dass das sehr gut war fuer sie. Ich wollte dann auch, aber fuer mich blieb niemand uebrig. Da fuehlte ich mich oft wie etwas was es geschenkt gibt und was doch keiner haben will. Dann endlich vor einem Jahr, ueber mein Hobby ueber ein Diskussionsforum eine Partnerin kennengelernt. Viel aelter als ich, aber jung geblieben. Wir verstanden uns super, bis meine Partnerschaftsunfaehigkeiten herauskamen. - Mit der Sehnsucht, einen Grund fuer das eigene Elend zu haben, triffst Du den Kern ! So sehe ich das auch. Hinzu kommt bei mir, dass ich mit 12 Jahren einmal ein grosses Elend erleben musste (mein Cousin starb mit 11 an Krebs) und meine Psychologin sagte mir mit 23, dass die Wunden die das riss immer noch nicht verheilt seien. - Das mangelnde Selbstvertrauen ist bei mir fast omnipraesent. Auch im Beruf. Ich bin halt immer noch relativ jung und neu, und was ich mache machen andere hier schon lange. Man hat mich mit einem Guru aufs Buero gesetzt, mit dem ich kaum zu diskutieren traue weil ja eh "alles falsch" ist. Ich hatte immer das Gefuehl, bald wollen sie mich loswerden. Dann war ich ganz erstaunt, dass ein Projektmanager von dem ich es gar nicht erwartet haette, meinte, froh zu sein dass sie mich haben. Also offenbar sind meine Bedenken wieder Seifenblasen meiner Depressionen. "Gestoerte Wahrnehmung", wie es meine Psychologin ausgedrueckt haette. - Ich habe Schlafentzug versucht. Aber dann knicke ich am Nachmittag ein. Andererseits kann ich abends nicht frueh ins Bett, wuerde nicht schlafen koennen. Meine Nacht beginnt meist unmittelbar mit der 2.Nachthaelfte, also nach 12. - Fuer das schlechte Personengedaechtnis ist meine Erklaerung, dass ich als Kleinkind zeitweise taubstumm war und meine starke Kurzsichtigkeit erst mit vier zu einer Brille fuehrte. Viele instiktive Funktionen des Personengedaechtnisses, die andere gefuehlsmaessig mit sich fuehren, habe ich so nicht entwickeln koennen. Allerdings ist diese Theorie auf meinem Mist gewachsen und ich weiss nicht ob es serioese wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt. - Meine Sexualstoerung hat meiner Partnerin zunaechst akzeptiert. Sie ist mir sogar teils entgegengekommen. Unser Plan war, dass ich nach und nach in die normale Sexualitaet hinueberrutsche. Hat aber irgendwie nicht geklappt. Ich war nicht anzuregen und sie reagierte ziemlich verletzt, weil sie natuerlich auch in ihrem Selbstwertgefuehl gekraenkt war. Vielleicht hat sie auch Angst dass es an ihrem Alter liegt (sie ist anderthalb Jahrzehnte aelter). Jedenfalls haben wir eine sehr gute Freundschaft, aber das Thema Sexualitaet bringen wir nicht mehr zur Sprache, da es zu Verstimmungen und Traenen fuehrt. Natuerlich fuer mich ein willkommener Anlass, Schuldgefuehle zu entwickeln da ich ja versagt habe ... Ich muss mir echt ueberlegen, ob und wie ich hier im Ausland eine Therapie anfangen kann. Ich werde noch mindestens ein knappes Jahr hierbleiben, bevor ich woanders hingehe (und ob das Deutschland sein wird ist noch unklar). Im Moment bin ich auf "Eigentherapie", gute Freunde und das Web (speziell diese Seite) angewiesen. Nochmal alles Liebe und vielen Dank fuer Deine ausfuehrlichen Stellungnahmen ! Ich hoffe, Du kannst auch davon profitieren. Ist doch troestend zu wissen, dass es anderen Menschen genauso geht. Alles Gute ! Faustus
Gretchen
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Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Was hast Du denn studiert? (Wenn Du das so sagen magst?)In welchem Land bist Du? Ich war auch schon oft lange Zeiten im Ausland, naja gut, nicht unbedingt so lange wie Du, aber immerhin über ein halbes Jahr. Die Sache mit der "Eigentherapie" ist bei mir auch so, mir sagen nämlich die Ärzte ich müsse dringend in einer Klinik behandelt werden, was jedoch unmöglich ist, da ich mir einfach nicht "mal eben" 6 Wochen Zeit nehmen kann. Natürlich profitiere ich von den Stellungnahmen, was du beschreibst hilft mir irgendwie, weil es meinem eigenen Zustand sehr sehr nahe kommt. Du hast Recht, es tröstet ein bißchen. Weisst Du, Faustus, manchmal denke ich schon, dass ich depressiv bin, weil ich ein dummes "Faustproblem" habe. (Es hört sich wirklich blöd an, ist aber so). Ich habe da noch nicht oft mit jemandem drüber gesprochen, vielleicht verstehst Du es. Es macht mich einfach krank zu einem erkenntnislosen Dasein verdammt zu sein. Man geht zur Schule, studiert, und es ergibt sich einfach kein Sinn. Ich denke so viel nach, ich schreibe so viel, und nie kommt Klarheit in den Nebel. "Die Depression des Gelehrten" ist ein Ausdruck der mir gefällt. Es ist wirklich seltsam dass Du plötzlich hier mit diesem Namen auftauchst. Alles Liebe natürlich auch an Dich Gretchen
Anna24

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Beitrag von Anna24 »

entschuldigt, dass ich mich hier so reinzwänge, aber euer dialog schreit ja förmlich nach einem kommentar. sind eure nicks abgesprochen???? "da steh ich nun, ich armer tor und bin so klug als wie zuvor..." wann hat man schon mal die gelegenheit, faust und gretchen im internet zuzuhören... sorry, wie gesagt, keine verarsche, einfach ein lächelnder kommentar. liebe grüße, anna.
Faustus
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Beitrag von Faustus »

Hallo Anna, also ich kenne dieses Forum seit Freitag. Ich habe meinen Nick "Dr Faust" gewaehlt, da ich mich in einer aehnlichen Situation befinde. Spaeter habe ich ihn in "Faustus" konvertiert, um nicht mit einem der Therapeuten verwechselt zu werden. Ich weiss nicht, wie es mit Gretchen ist -- ich vermute aber dass sie schon laenger so heisst, wenn sie schreibt: "Es ist wirklich seltsam dass Du plötzlich hier mit diesem Namen auftauchst." Also ein Zufall. Aber ein amuesanter, in einem Board in dem es ja um nicht gerade amuesante Sachen geht. Gretchen: Ich antworte Dir etwas spaeter ... bis dann, Faustus
Faustus
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Beitrag von Faustus »

Hallo Gretchen, so, jetzt hab ich genug Zeit fuer eine ausfuehrliche Antwort ... Ich habe Physik studiert. Derzeit lebe ich im europaeischen Ausland, nicht sehr weit von Deutschland weg. Das mit der Klinik hatte ich auch. Ich hatte eine Einzelgespraechstherapie bei einer Psychologin. Als ich mal dachte, an einer Gruppentherapie teilzunehmen, weil ich mir davon ueber andere Leute mit demselben Problem neue Ansaetze erhoffte, verwies sie mich an ihren Mann, der einen Platz freihaette. Jedoch stellte dieser in seiner Therapiestunde fest, dass ich "sehr sehr krank" sei und er wollte mich fuer einen "kurzen Zeitraum" in eine Klinik stecken. Ich dachte so an drei Tage, er eher an drei Wochen. Und das mitten in meiner Diplomarbeitszeit. Dann die Phobien - was sagen meine WG-Mitbewohner, wenn ich fuer drei Wochen irgendwohin verschwinde ? Wie sagt man es der Arbeitsgruppe ? Und den Eltern - ich war damals noch familienmitversichert. Ich habe diesen Therapeuten nicht wieder aufgesucht. Ein anderes Problem, das ich mit Psychotherapie hatte, ist dass man sich so festlegen soll. Jeden Freitagnachmittag von vier bis fuenf ist ja okay. Aber ich machte die Therapie an meinen Studienort, weit weg vom Aufenthaltsort waehrend der Semesterferien. Dann fuhr ich ja auch mal ein verlaengertes Wochenende fort oder es war eine Tagung. Ich hatte etliche Diskussionen zu fuehren. Ich sage mir immer "die Produktion muss weitergehen", also fuer ein paar Wochen alles fallenlassen - koennte heissen, dass ich mich dann komplett fallenlasse. Besonders irritierend fand ich Ausfallhonorare. Okay, wenn ich zu einem verabredeten Termin nicht komme ist es klar, der Therapeut hat schliesslich eine Stunde seiner Zeit mit Warten vergeudet. Aber wenn ich Wochen vorher bescheidgebe ? Ausserdem waren die 60 Mark damals fuer mich als Studenten viel Geld und ich fuehlte mich bestraft wie ein Schwarzfahrer. Okay, ich musste es nie zahlen aber ich empfand immer diese unterschwellig angedrohte Strafe. Zur "Depression des Gelehrten": Die habe ich einerseits, weil ich mich von der Allgemeinheit sozial abgekoppelt fuehle. Andererseits natuerlich das Problem der Erkenntnis. Ich fuehle das auf fachlichem Gebiet nicht so stark, da hier in den letzten 20 Jahren viel passierte und wir heute Dinge sehen, die vor zwei Jahrzehnten von mir als "kitschige kuenstlerische Darstellungen" abgetan wurden. Anders sieht die Sache im Leben aus. Hier fuehle ich mich unerfahren wie ein 15-jaehriger. Was gegen die Depressionen tun, wie mit Menschen umgehen, wie Kritik vertragen ... Fragen ueber Fragen. Man lernt immer mehr, aber der "ganzheitliche Blick" auf alles tritt nicht ein -- Goethe liess dies den Faustus als "Wissensqualm" bezeichnen. Die Physik erklaert viele Dinge, ja vielleicht wird sich irgendwann einmal alles mit Physik erklaeren lassen. Aber momentan versagt sie schon bei stark vereinfachten Systemen. Wie Gefuehle entstehen, sich entwickeln und welche Konsequenzen das hat, das kann die Physik noch nicht erklaeren. Was hast Du studiert ? Ich hoffe, dass wir hier noch ein bisschen miteinander diskutieren koennen. Es ist wunderbar, wenn man sich so zwanglos mit Gleichgesinnten austauschen kann. Alles Liebe, Faustus
Gretchen
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Mir scheint, Dein Name passt wirklich auf Dich und Deine Lebensgeschichte. Ein Mensch, Physik (Respekt!)studiert und im Leben wie ein 15 jähriger. In dem selben Maße glaube ich manchmal Gretchen zu sein. In meinem Leben ist schon so viel passiert, ich habe so viel erlebt und so viele Erfahrungen gemacht, obwohl ich noch um einiges jünger bin als Du. Ich bin früh von zuhause ausgezogen weil ich meinen Eltern beweisen wollte "dass ich es auch alleine schaffe", ich habe es gehasst dass sie mich erziehen wollten, für mich war es als wollen sie mich verbiegen. Und dann - naja, Du kennst die Geschichte Gretchens: ich war dumm und unerfahren, verlobt (schwanger zum Glück nicht)- aber noch viel zu naiv für alles. Ich bin in vielen Dingen sehr naiv weil ich immer so impulsiv bin. Es waren viele negative Dinge die mir passiert sind, weil ich wirklich noch fast 15 war und dachte ich wäre älter. Zum Stichwort "Wissensqulam": Ja, dass passt. Goethe war doch der beste! Ein ganzheitlicher Blick in Bezug auf das Leben ist vielleicht nie aus dem menschlichen Auge möglich, es sei denn aus einem östlichen, buddhistischen Blickwinkel, "Erleuchtung". Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass es sich die Prioritäten ständig ändern müssen. Manchmal wacht man morgens auf fühlt dass es ein Tag ist, den man Freunden widmen sollte, oder der Familie. Es gibt Phasen in denen steht man selber im Mittelpunkt, die eigene unerfüllte Liebessehnsucht, der Beruf - ja, so wie Qualm, der stets überall ist, sich ausbreitet, und immer in Bewegung, so sind auch die Prioritäten die man setzt, die eigenen Empfindungen, und vor allen Dingen die Außenwelt. Die Wissenschaft ist sicherlich auch immer in Bewegung, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Ich glaube wenn man den Eindruck hat die Welt habe sich verändert ist dem nicht so, nein, man selbst hat sich verändert. Man kann die Welt nicht kennenlernen, egal wie alt man ist, man kann nur sich selber kennenlernen. Und diesbezüglich ist es egal ob man sich als 15jähriger oder über 30jähriger kennenlernt. Das hört sich nun sehr hochgestochen und allgemein an, ich hoffe Du verstehst was ich sagen will. Dass Du Dich bestraft fühltes wie ein Schwarzfahrer ist verständlich, so etwas kenne ich auch. Ein Mensch der in Depression gefangen ist scheint immer ein Eindringling in die "normale" "heile" "gesunde" Welt zu sein, und vor allem ein Störfaktor für die Therapeuten. Sie verdienen ihr Geld an Kranken wie uns, und trotzdem muss man mit ihnen immer wieder schlechte Erfahrungen machen. Dass Du Physik studiert hast finde ich sehr interessant, ein tolles Fach! Leider hatte ich immer Schwierigkeiten mit der Mathematik, so blieb es mir stets ein wenig verschlüsselt.Es ist ein gutes Fach für jeden Faust dieser Erde, denn es wird auf jeden Fall eines Tages große Teile dazu beitragen, dass alles erklärt werden kann, zumindest hoffe ich das (ich glaube an Euch Physiker!) Hast Du eigentlich gute Freunde? Menschen die Dich verstehen? Ach ja, Du hattest ja bereits in Deinem Posting geschrieben, dass Du zu Deiner Ex-Freundin eine gute Beziehung hast. Ich habe viele Freunde, und einige von ihnen könnte ich auch als wirklich gute Freunde bezeichnen. Mit meiner Depression und Verzweiflung bin ich aber trotzdem allein. Sie würden mir gerne helfen, bieten mir ihre Hilfe an, aber ich kann damit doch auch nichts anfangen. Heilen können sie meine kranke Seele nicht, wenn sie so viel lachen und so glücklich sind dann merke ich nur noch mehr, dass ich krank und allein bin in meiner kleinen "Gretchenwelt". @Anna: Ich habe auch kaum meinen Augen getraut als ich mich mal wieder hier im Forum umsah und plötzlich war jemand namens "Faustus" da... Also, Faustus, es ist schon spät und ich hoffe Du schläfst bereits friedlich! Ich wünsche Dir morgen einen schönen Tag, Gretchen
Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Hallo Gretchen ! Danke fuer Dein Posting ! Mein Gott, Du bist aber noch spaet im Web. Als Du das hier schriebst war ich auch noch wach. Habe meine Apparaturen benutzt, seit Langem mal wieder und das war sehr schoen. Deine Erfahrungen mit Erziehung kann ich nachvollziehen. Ich denke auch, dass bei mir zu Hause alles "ueberreguliert" war und kleinste Abweichungen bereits nicht toleriert wurden. Unter anderem mein Hang zu Naturwissenschaften wurde mir zeitweise vorgeworfen und die Entwicklung einer Pubertaet war irgendwie nicht drin. Auch im Studium sollte ich zuhause wohnen (weil das ja billiger ist) aber zum Glueck haben Freunde beschlossen, dass wir zusammen in einer anderen Stadt studieren, wo die Studienbedingungen auch besser waren. War aber ein Nervenkrieg, bis ich das meinen Eltern beigebogen hatte. Tut mir leid, dass Du in Deinem Freiheitsdrang so viele Negativerfahrungen gemacht hast. Welcher Art die auch sein moegen (habe da nur Vermutungen), sie sorgen natuerlich nicht dafuer dass man die Freiheit auskosten kann. Was meinst Du mit "impulsiv" ? Dass Du Dich sehr schnell von Gefuehlen leiten laesst ? Muss nicht das Schlechteste sein. Kommt aber auf den Einzelfall an. Deine Ausfuehrungen zum "Wissensqualm" gefallen mir ! Unterfuellte Liebessehnsucht ist auch bei mir ein Problem. Ich weiss nicht einmal, ob das was ich mir unter Liebe vorstelle ueberhaupt existiert. Ich denke dabei weniger an das, wass allgemein unter Liebe verstanden wird, sondern an eine Geistesverwandtschaft - dass man sich gegenseitig voll respektiert, sich seine Freiheiten laesst und sich nicht unter Druck setzt. Hmm, schwer die richtigen Worte dafuer zu finden. Meine Mutter meinte frueher, wenn ich mit der Wissenschaft weitermache wird mir meine spaetere Frau Aerger machen, weil es Spinnerei sei. Das hat mich jahrelang von einer Beziehung ferngehalten. Heute weiss ich, dass das unsinnig war, weil die meisten Partner fuer so etwas Verstaendnis haben. War halt wieder das kleinbuergerliche Denken in dem ich gross wurde. Dieses Kleinbuergertum, in dem mehr auf Schein als auf Sein wert gelegt wird, ist wirklich ein "Qualm" der die Realitaet verschleiert und unterschwellige Unzufriedenheit weckt. Das mit der Welt und deren Sicht meine ich zu verstehen. Wenn man wie ich schon ein wenig herumgereist ist, kommt der Eindruck auf dass eigentlich woanders auch alles aehnlich ist wie zuhause. Muss nicht schlecht sein. Aber vielleicht ist es auch das, was mich in die Naturwissenschaft getrieben hat. Wenn man seine Apparaturen nutzt kann man schnell herausfinden was es ausserhalb unserer irdischen Erfahrung noch so alles gibt. Zu den Psychologen: Ich war zunaechst waehrend der Semesterferien in einer psychologischen Beratungsstelle. Allerdings habe ich mir von den Psychologen zu viel versprochen. Ich dachte, die haette das Zeug in kuerzester Zeit die Probleme herauszufinden und nur den richtigen Code abzuliefern, um mich zu heilen. Ich war voellig naiv. An der Uni suchte ich spaeter eine Beratungsstelle auf. Die Psychologin dort fing mit Esoterik und Ufologie an. Damit konnte ich nun ueberhaupt nichts anfangen ! Schliesslich fand ich eine brauchbare Hilfe in einer anderen Therapeutin. Spaeter sah ich, dass es drei Jahre dauerte bis ich ueberhaupt einige Konzepte meiner Funktionsstoerungen erkannte. Gestoerte Wahrnehmung ("Alle sind gegen mich") gehoert dazu, und die "Angst vor Naehe". Ich habe die Therapeutin einmal gefragt, was ich denn nun habe, da ich nie eine Diagnose bekam. Ich weiss nicht mehr genau, es war irgendetwas wie "Zwanghafte Stoerungen mit narzistischen Elementen". Zur Physik: Ja, es ist ein sehr interessantes Studium. Allerdings auch ein schweres, und meine WG-Kollegen (die heute auch noch zu meinen besten Freunden gehoeren) waren insbesondere in der Theorie um Groessenordnungen besser als ich. Die Folge waren Lernkraempfe und Selbstzweifel. Meine Therapie begann ich nach dem Vordiplom, das mir viele Nerven geraubt hatte. Auch im Diplom glaube ich, dass ich bessere Pruefungsnoten erhalten haette wenn ich "cooler" gewesen waere. Stattdessen bekam ich einen Nervenzusammenbruch in der Nacht vor der Theoriepruefung und diese fiel dementsprechend mau aus. In den Arbeitsgruppen in denen ich bisher arbeitete fuehle ich mich hingegen akzeptiert und ich kann viele Ideen einbringen. Zu den Freunden - ich habe einige. Einen Deutschen hier vor Ort, ein Chemiker, der leider in drei Wochen zurueck nach Deutschland geht. Der hat mich oft zu sozialen Veranstaltungen mitgenommen. Manchmal war er ein "Mephisto", der mich gern mit in "Auerbachs Keller" nahm ... Einen anderen sehr guten Freund kenne ich seit dem 14. Lebensjahr ueber mein Hobby. Er hat Familie und sein Sohn ist mein Patenkind. Schoen zu sehen wie er heranwaechst - obwohl auch das Gefuehl in mir aufsteigt dass mein Freund die Reife dazu hat waehrend ich nicht einmal eine "ordentliche" Partnerschaft zustandebringe. Aber mit diesem Freund kann ich mich auch heute ueber alles unterhalten, er ist ein sehr einfuehlsamer Mensch, was mir sehr hilft. Leider komme ich kaum noch dazu ihn zu sprechen, wegen seiner Familie. Viel Freunde haben jetzt Familie, unternehmen Dinge fuer sich und ich fuehle mich alleingelassen. Mit meiner Ex-Freundin habe ich noch sehr gute Beziehungen, wir besuchen uns manchmal und unternehmen hobbymaessig sehr viel. Aber uns ist klar geworden dass Fernbeziehungen (Distanz und Altersunterschied) zu schwierig sind. Es war fuer uns beide eine traenenreiche Erkenntnis dass es nicht funktioniert. Zumal sie mit meiner Unreife nicht viel anfangen konnte. Mit meine Hemmungen auf anderen Gebieten noch viel weniger. Ich glaube, die meisten Aussenstehenden sind hilflos wenn man sich als "depressiv" outet. Die einen versuchen, einem klarzumachen wie idiotisch allein der Gedanke ist ("ach komm stell Dich nicht so an Dir fehlt nichts, take it easy" oder "ich kanns nicht mehr hoeren" - einer meiner besten Freunde ist auf diesem Gebiet eher insensitiv). Andere wiederum sind fuer ein gutes Gespraech da aber natuerlich nicht immer, weil sie irgendwann auch ihr eigenes Leben managen muessen. Ich kenne diese Perspektive auch aus anderer Richtung. Ich habe mich frueher ehrenamtlich fuer Fluechtlingshilfe eingesetzt und eine Asiatin kennengelernt, mit der ich mich identifizierte - weil sie auch depressiv war. Irgendwann verliebte ich mich in sie, traute ihr das aber erst nach Jahren zu sagen. Das war ziemlich hart, vor allem als sie immer wieder Suizidandeutungen machte und ich ihr nur anbieten konnte mich jederzeit - auch um drei Uhr frueh - anrufen zu koennen. Ich habe allerdings in sie auch sehr viel hineinprojeziert. Um ehrlich zu sein, heute bin ich froh dass es zwischen uns nichts wurde, die kulturellen Differnenzen waren zu hoch. Damals sah ich halt "Helenen in allen Dingen". Sie hat heute Famile und ist glueckliche (?) Hausfrau. Ein schoener Vogel, den ich pflegte und fliegen liess. Hast Du Freunde, mit denen Du auch tiefergehend ueber Deine Depressionen sprechen kannst ? Ich finde das ist extrem wichtig ! Ich wuensche es Dir ! Habe auch einen schoenen Tag ! Bis bald, Faustus
Gretchen
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Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Als Erstes: Du bist wirklich toll. ...Leider habe ich gerade überhaupt keine Zeit, ich werde später etwas schreiben, okay? Bis dahin ganz liebe Grüße, Gretchen
Conny
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Beitrag von Conny »

Hallo Faustus! Ich wohne auch im Ausland (Schottland) und ich habe gerade eine Gespraechstherapie angefangen. Ich weiss ja nicht,wo du lebst,aber ich denke doch mal, dass du der Landessprache einigermassen maechtig bist und deshalb glaube ich, dass du ruhig eine Therapie anfangen koenntest wo du bist. Sicherlich sagt mit meine Therapeutin auch manchmal" Wie bitte,das hab ich jetzt nicht ganz verstanden" und dann sage ich es einfach nochmal anders und dann geht das auch. :-) Das hilft mir sogar beim Verbessern meines Englischs, da man sich ja mal so ganz anders ausdruecken muss. Da benutzt man Woerter,die man im Studium ja so nie braucht,gell? Liebe Gruesse, Conny
Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Hallo, Gretchen und Conny ! Vielen Dank fuer Eure netten Postings ... Gretchen: Dein Posting war kurz aber es hat sehr gut getan ! Ich freue mich schon auf Deine Antwort. Klar, ich kann auch nicht immer sofort antwortet. Ich habe keinen privaten Onlineanschluss, nur "Privatpfusch" ausm Buero in den Pausen. Es kann auch mal sein dass der Server klemmt, also in melde mich auf jeden Fall, werktags auch ziemlich schnell. Conny: Dein Beispiel macht mir Mut - ich sollte das mal versuchen. Unsere Universitaet bietet auch Gespraeche mit Studierenden an, vielleicht frage ich da mal an - zumindest koennen die mich weiterleiten. Das mit den Woertern ist echt ein Problem. Ich habe die Fremdsprache ja hauptsaechlich in Veroeffentlichungen gelernt, kann alles wissenschaftlich exakt ausdruecken aber im Privatbereich bleibe ich auf einer sehr kleinen Vokabularbasis haengen. Alles Gute, Faustus
Gretchen
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Gretchen »

Hallo Faustus! Nun bin ich schon wieder so spät im web. Es liegt einfach daran, dass ich krank geschrieben bin (bis nächste Woche) auf Grund meiner Depressionen, und mein Schlafrhytmus muss sehr drunter leiden. Aber was soll's, nachts ist es immer so schön ruhig und leise, keine grellen Farben, nichts was so blendet. Wenn es mir gut geht bin ich immer ein richtiger Frühaufsteher, morgens wenn die Vögel aufwachen und die Sonne aufgeht bin ich dann schon wach. Wie sehr habe ich das immer geliebt! Wenn es mir schlecht geht dann ist jeder Morgen für mich die Hölle. Ich denke immer "verdammt, noch ein Tag vor mir..." Über meinen Freiheitsdrang gibt es viel zu sagen. Ich kann mir Druck nicht umgehen, keine Ahnung warum das so ist, ich brauche immer viel Platz und Raum für mich, wenn ich völlig unabhängig bin, man mir freie Hand lässt, dann kann ich alles machen. Ich bin zu großen Teilen wirklich wie ein Kind, ich will immer alles ausprobieren und wissen. Das hat gute Seiten aber auch schlechte. Ich habe schon viel in meinen jungen Jahren erlebt, erreicht, verstanden, aber auch schon so viele Fehler gemacht, so viel Negatives erfahren. Ich würde gerne noch mal ganz von voren anfangen, noch einmal geboren werden. Ein neues Leben. Obwohl... jetzt, wo ich schon so viel Kraft und Arbeit in dieses gesteckt habe... Zum Stichwort "impulsiv": Du hast schon irgendwie Recht, dass es nicht nur etwas schlechtes ist. Bei mir ist es aber zu oft gepaart mit komischer Naivität. Ich lasse mich schnell beeindrucken, beeinflussen. Ich glaube sogar der Werbung im Fernsehen. (Wirklich!). Ich fälle so schnell Entscheidungen wie ich sie auch wieder rückgängig mache. Mein Leben ist deshalb ziemlich chaotisch und wild. Manchmal stört mich das sehr weil ich mir ein wenig Ruhe wünsche. Was genau kann ich mir vorstellen unter "narzistischen Elementen"? Freunde habe ich viele und überall. Ich weiss, dass sie sich um mich sorgen, sie versuchen mir auch zu helfen und mich zu verstehen, aber sie können es natürlich nicht. meine beste Freundin kenne ich seit 15 Jahren, ohne sie würde ich meinen Zustand kaum aushalten. Aber andererseits ist es auch schwer weil es in unserer Freundschaft so viele festgefahrene Muster gibt. Als wir uns kennenlernten war ich noch sehr schüchtern und zurückgezogen, ein typisches "Mauerblümchen", dafür aber nachdenklicher und (was jetzt kommt hört sich sehr blöd an) klüger als sie. Sie war das völlige Gegenteil. Damals hat sich das gut ergänzt, bis ich plötzlich aus meiner Rolle ausgebrochen bin und der Welt gegenüber in die Offensive trat. Seit dem ist es ein für uns ein ständiges Ringen dass sie mich nicht aus Versehen zurück in meine Rolle als Stille, Nachdenkliche, Zurückgezogene drängt. Ich hasse diese Rolle, bin inzwischen überhaupt nicht mehr so, was auch gut ist. Wenn es mir allerdings schlecht geht passiert es zu leicht, dass meine Freundin versucht mich von der Welt abzudrängen, abzuschirmen. Es ist eine intensive, aber auch sehr problematische Freundschaft. Vielleicht gibt es da Parallelen zu der Sache mit Dir und Deiner Mutter. Zu schnell setzen sich Sachen im Kopf fest; zu oft muss ich mir auf's Neue sagen: Nein, du bist nicht nur nachdenklich und still, in dir ist schon lange viel mehr... Die Geschichte mit dem Vogel den Du schließlich fortfliegen lassen musstest kenn ich aus meinem eigenen Leben, die Geschichte von mir und meinem ehem. Verlobten ist ganz ähnlich. Was ich allerdings noch nicht ganz verstehe ist, was Du immer in andere Personen hineinprojezierst. Deine Gefühle? Deine Krankheit? Lieber Faustus, ich freue mich auch schon auf Dein posting morgen, gute Nacht, Gretchen
Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Hallo Gretchen ! Vielen Dank fuer Dein liebes Posting ! Du bist ja ein ziemlicher Nachtvogel. Ich eigentlich auch, nur mit dem Fruehaufstehen habe ich es nicht so. Bin halt ne Eule, keine Nachtigall ... und ich liebe die Nacht, die Luft und die Ruhe, die (leider vielerorts nicht mehr vorhandene) Dunkelheit. "Verdammt, noch ein Tag vor mir" -- das stimmt mich bedenklich. Auch der Umstand, dass Du wegen der Depressionen krankgeschrieben bist, betruebt mich. Ich hoffe, dass Du aus der Phase schnell wieder herauskommst. Allein zu sein - gerade in der Depression - verschlimmert meines Erachtens den Zustand nur. Bei der Arbeit werde ich abgelenkt, und schaffe ich wieder einen Meilenstein, erhoeht das auch mein Selbstvertrauen. Das mit dem Druck und Freiheitsdrang kenne ich. Ich meine, gerade in einem Arbeitsverhaeltnis ist immer ein gewisser Druck da und es faellt schwer, das auszuhalten. Inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Zeitplaene bei groesseren Projekten so gut wie nie eingehalten werden. Ich habe auch Schwierigkeiten damit, in so ein Korsett eines Zeitplans eingetaktet zu werden. Manage ich dagegen mein eigenes Projekt, habe ich weniger Probleme damit. Dass Du das Kind in Dir hast, alles ausprobieren und wissen willst, ist eine unschaetzbare Gabe. Wie oft sehe ich Leute, die im Alltagsleben abstumpfen und fuer die das Leben nur noch nach einem kleinbuergerlichen Strickmuster ablaeuft. Natuerlich macht man auch Fehler. Das Gefuehl mit dem Nochmal-Anfangenwollen kenne ich aber ich teile Deine Meinung. Wir koennen nicht nochmal anfangen und ehrlich gesagt haette ich keinen Bock auf noch eine Kindheit. Nochmal alle Rechte abgeben und den ganzen Tag gesagt bekommen, was man zu tun und zu lassen hat - nein, mir gehts heute so gut wie nie zuvor. Du sagst, Du glaubst sogar an Fernsehwerbung (ich habe keinen Fernseher, da kann das nicht passieren ...) aber Du weisst dass das ein Fehler ist. Diese Struktur kommt mir bekannt vor von vielen Verhaltensmustern bei mir. Rational weiss ich was falsch ist und was geaendert werden sollte. Aber die Aenderung setze ich nicht um. Zu eingefahren sind die alten Muster, zu gross die Hemmungen. Manchmal bin ich "ewig gestrig", haenge Gedanken nach die ich schon ein halbes Leben mit mir herumtrage. Das ist eine eigenartige Ambivalenz von Entdeckergeist einerseits und konservativem Denken auf der anderen Seite. Du sagst Dein Leben ist chaotisch und wild - kannst Du Dir die Ruhe nicht nehmen ? Das mit den schnellen Entscheidungen mag aus Verunsicherung heraus resultieren. Solange Du die Entscheidungen immer wieder rueckgaengig machen kannst, ist das kein Beinbruch. Aber ich kann mir vorstellen, dass Dein Umfeld dadurch bisweilen irritiert wird. Ich bin da konservativer und ueberlege oft zu lange an einer Entscheidung. Sicher auch nicht der Koenigsweg. "Narzistische Elemente" - soweit ich das verstanden habe ist Narzismus so etwas wie Liebessehnsucht oder die Sucht danach, geliebt zu werden. Das erkenne ich in mir wieder. Einerseits verkrieche ich mich in die Metapher der leistungsstarken, emotionslosen und unantastbaren Maschine. Andererseits, insbesondere wenn ich allein bin, kommt der Mensch raus und fordert sein Tribut. Mich freut es dass Du Freunde hast ! Nicht jeder kann Depression verstehen. Viele kennen dieses Gefuehl nicht und weil es ihnen ihr Leben lang bisher gut gegangen ist, glauben sie einfach das sei eine Einbildung. Ich glaube, die einfuehlsamsten Menschen sind die, die auch eine Depression durchlebt haben. Ich habe auch solche Jugendfreunde - sobald ich mit ihnen zusammenkomme tauchen die festgefahrenen Muster wieder auf. Hat Vor- und Nachteile. Irgendwie glaube ich immer, die beiden anderen Freunde haben sich weiterentwickelt und ich nicht. Dass Du aus Deiner "Rolle" als stille, nachdenkliche Person ausbrachst, hat sicher was Gutes. Ich glaube, das ist extrem wichtig, dass man z.B. in der Pubertaet auch einem in einem gewissen Rahmen ueber die Strenge schlaegt. Einer meiner Freunde hatte auch so ein typisches Pubertaetsjahr mit Haargel, schwarzen Klamotten und Bravolesen. Aus ihm ist im Unterschied zu mir ein sehr ausgeglichener Mensch geworden. Es faellt angesichts des Begriffs der "Rolle" natuerlich auch schwer, herauszufinden was einfach eine Maske ist und was man selbst. Manchmal, z.B. auf Parties, ertappe ich mich dabei wie ich in eine Rolle schluepfe (meist die des Spassvogels), was garnicht gut ankommt weil es so auffaellig bloed ist. Ich denke, wir sollten unsere Wurzeln nicht vergessen und uns nicht zu sehr verstellen. Ein Bekannter gab mir den Tip, immer zu laecheln wenn ich unter Gesellschaft bin, nie die "Mine eines Totengraebers" zu haben und nie ueber Probleme zu sprechen. Er hat damit sichtbar Erfolg. Aber ich kann das nicht. Andererseits - wenn Du spuerst dass Du nicht die Nachdenkliche und Stille bist, dass da mehr schlummert, dann lass es rauskommen. Und es freut mich fuer Dich, wenn Du eine neue Facette Deiner Persoenlichkeit ausgegraben hast. Was ich in Personen, zu denen ich mich hingezogen fuehlte, hineinprojeziere, ist oft ein beidseitiges Verstaendnis. Die Asiatin kannte ich nur aufgrund ihrer Depressionen und aus der Zeit, wo ich ihr mit ihrer Ausbildung half. Ich habe mir dann vorgestellt, dass wir ideale Partner waeren, dass sie selbstverstaendlich meine Begeisterung fuer Naturwissenschaft teilt und auch sonst meine Gefuehle hat. Spaeter habe ich mehr und mehr gesehen, dass sie ganz anders drauf war. Zum Beispiel oft vorm Fernseher sass, waehrend ich mir das abgewoehnt habe und eher die Kreativitaet mag. Und ich glaube auch, dass sie mit meiner Leidenschaft fuer Natur und Wissenschaft herzlich wenig anzufangen wusste. Aber wie gesagt, zunaechst projezierte ich das alles in sie hinein und ich denke, eine Partnerschaft mit ihr waere fuer beide Seiten eine ziemliche Enttaeuschung geworden. Irgendwann hat sie mir freudestrahlend berichtet, dass sie verheiratet wuerde (ein Problem das viele junge Auslaenderinnen haben, die in der westlichen Kultur aufwachsen aber noch unter ihren traditionellen Eltern zu leiden haben). Zwei Wochen vor der Hochzeit war sie dann wieder Down, sie meinte "wenn sie es bis zur Hochzeit nicht schaffen wuerde, sollte ich rote Rosen auf ihr Grab legen, das waeren ihre Lieblingsblumen". Du kannst Dir vorstellen, wie fertig ich war. Zu guter Letzt ging aber alles gut - sie konnte sich mit ihrem Mann anfreunden und inzwischen hat sie zwei Kinder und offensichtlich leidet sie nicht unter der Ehe. Und ich blieb uebrig, jahrelang auf "sie", d.h. meine Projektion in ihr, fixiert und nun uebrigbleibend. Ich freue mich auch auf Dein Posting. Das Wochenende naht und ich werde nicht online sein. Spaetestens Montag bin ich aber wieder da, vielleicht komme ich auch vorher mal rein. Alles Liebe und hoffentlich gute Besserung ! Ich kenne Dich ja gerade erst, aber aus Deinen Postings zu schliessen bist Du ein sehr sensibler und einfuehlsamer Mensch. Ich wuerde Dir wuenschen, dass Du Dein Leben bald ordnen kannst um es dann zu geniessen ! Faustus
Conny
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Beitrag von Conny »

Hallo Faustus! Die Uni bei uns bietet auch Councelling an,aber nur 4 Stunden um Krisen zu ueberbruecken (das ist dann eher cognitive behaviour therapy). Aber weiterhelfen koennnen dir die bestimmt. Viel Glueck wuensche ich dir damit auf jeden Fall! Gruss, Conny
Faustus
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Beitrag von Faustus »

Hallo Conny ! Danke fuer Deinen Hinweis. Ich bin uebrigens nicht allzuweit von Dir weg ... werde mal fragen. Normalerweise bieten die Councelling nur fuer die "Kundschaft" (sprich Studenten) an. Aber gegebenenfalls koennen sie mir sicher weiterhelfen. Ich habe auch schon mal einen Aushang gesehen, wonach in den studienfreien Zeiten die Kapazitaeten auch fuer die wissenschaftlichen Angestellten zur Verfuegung stehen sollen. Alles Gute und nochmal danke fuer den Hinweis, Faustus
Gretchen
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Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Ja, es geht mir zur Zeit wirklich ziemlich schlecht. Ich habe aber heute etwas Positives mitzuteilen: Ich habe am Dienstag Vormittag einen Termin bei einer Psychiaterin!!!!!! Die Mutter einer Freundin hat ein Bekannte die von mir gehört hat und bereit erklärt hat mich OHNE diese Wartezeit von 6 Monaten sofort zu behandeln!!! Ist das nicht wundervoll? So, jetzt zu Deinem ausführlichen Posting (es macht immer richtig viel Spaß sie zu lesen!) Dass Du nicht nochmal Kind sein willst kann ich ganz gut vertshen im Grunde. Ich habe früher immer sehr darunter gelitten wenn ich nicht ernst genommen wurde, weil ich immer das Bedürfnis hatte mich mit anderen Menschen (meistens mit Älteren) über die Welt zu unterhalten. Aber wer hört einer 11 jährigen zu? Ich bin zu wenig ernst genommen worden, zu veile Gednakengänge wurde als "süß" oder "so niedelich aufmüpfig" behandelt. Es gab Zeiten, in denen es mir schon besser ging, ja, im Grunde ging es mir noch nie so schlecht wie gerade (sch** Depressionen!). Aber andereseits erlebe ich auch gerade mehr den je, das sich ernst genmommen werde und plötzlich mit meinen Sachen Erfolg habe, dass die Leute mir Respekt entgegenbringen oder sogar mich für meine beruflichen Leistungen bewundern! Das ist ein schönes Gefühl, steht allerdings in keinem Verhältnis zu dem, was ich erlebt habe als noch keiner an mich glaubte. Das müsstest Du ja auch ganz gut kennen, soweit ich Dein Leben usw. kenne. Was sagt Deine Mutter eigntlich jetzt dazu, dass Du es mit Deinen "Naturwissenschaftlichen Flausen im Kopf" zu etwas gebracht hast? Und was sind das für Apparate von denen Du immer sprichst? Es hört sich ja wirklich hochwissenschaftlich und sehr interressant an! Was machts Du ganz genau? Zu der "Stillen" und der "Anderen" Person gibt es bei mir viel zu sagen. Ich hatte nämlich Phasen in denen ich stets überall der Mittelpunkt war, immer unterwegs und gutgelaunt. Da habe ich gemerkt, dass das alleine mich nicht ausfüllt. Meine Arbeit ist eine sehr stille, einsame, da ist die nachdenkliche Person in mir immer präsent. Das ist das Seltsame. Und ich brauche es auch. Nur kann ich einfach diese Beiden "Persönlichkeiten" nicht unter einen Hut kriegen. Ich kann nur immer eine von beiden sein. Und das ist mein manisch-depressives Problem. Das Du schnell in die Rolle des Spaßvogels verfällst finde ich interessant. Ja, man braucht seine "Maske" wenn man unter vielen Leuten ist. Ich will mir gar nicht vorstellen wie es wäre, wenn ich so, wei es mir echt geht, unter Menschen begeben würde. Weinend, fast aphatisch... Das will keiner sehen. Es will aber auch keiner sehen, dass es einem gut geht, weil ja alle wissen "dass mit der irgendwas nicht stimmt... die hat doch Depressionen oder so..." Vielleicht wären Depressionen gar nicht so schlimm, wenn man der einzige Mensch auf der Welt wäre. Oder so. Nein, das wäre auch nicht die Lösung. Ich finde es gut, wie Du es formuliert hast: "Wir sollten unsere Wurzeln nicht vergessen..." Ich will jetzt noch mal nachhaken, was das ist mit Deinem Gedanken über Dich als Maschine. Es scheint ja schon lange in Dir zu sein, und kommt auch immer wieder in Deinen Postings vor. Du erscheinst mir hier, wie Du schreibst und fühlst, ganz und gar nicht als Maschine oder Roboter, sonders als richtiger Mensch. Seit wann hast du diesen "Maschinengedanken"? Seit dem Studium? Ich glaube Du musst ihn ablegen, dann kannst Du Dir selber vielleicht besser "erlauben" Fehler zu machen. Hast Du schonmal draüber nachgedacht, dass Dich dieser Gedanke irgendwie davon abhält der Wahrheit ins Auge zu sehen? Wenn ich jetzt hier zu viele "Hobbypsychologische Vermutungen" angestellt habe musst Du es sagen, ich kann das ja alles auch nicht sooo gut beurteilen und will Dich natürlich nicht belehren oder so. Ich dachte nur, dass es Dir vielleicht hilft. So, nun ist es gleich 19:00 Uhr, ich habe meinen Freunden versprochen mit ihnen auszugehen. Mir graut davor. Ich komme mir unter meinen Freunden immer so vor als würde ich mit lauter Sehenden als einziger Blinder eine Kinovortsellung besuchen. Ich wünsche Dir ein angenehmes Wochenende, bis Montag, Gretchen
Faustus
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Beitrag von Faustus »

Liebes Gretchen ! Ich komme gerade vom Haertetraining: Weihnachtseinkaeufe in einer Grossstadt. Ich habe mich gut gehalten, nur selten kam der Fluchtreflex durch in dem Gedraenge. Als ich aus dem Zug stieg, hats mich doch wieder ins Buero getrieben, um nachzusehen ob Du was geschrieben hast. Vielen Dank fuer Dein liebes Posting. Ich habe heute in der Stadt oft an Dich gedacht, wie Du Dich hier fuehlen wuerdest. Ich hatte auch wieder die "Miene eines Totengraebers". Als ich eine DVD fuer meinen Bruder kaufen wollte (eine Avantgarde-Band, deren DVDs man anscheinend nirgendwo kaufen kann), war ich "completely lost". Selbst einen Verkaeufer zu fragen hat drei Versuche gekostet. Die sind immer an mir vorbeigerannt, weil sie nicht registrierten dass ich eine Frage hatte. Irgendwo hatte das aber auch seine Komik, ich glaube von Charlie Chaplin gab es auch einmal einen Stummfilm ueber eine aehnliche Situation. Mir tut das leid mit Deinem derzeitigen Gesundheitszustand und ich kann nur hoffen, dass die Therapeutin Dir am Dienstag zusagen wird. Ist ja oft ein Problem, einen geeigneten Therapeuten zu finden. Hast Du schon vorher mal eine Therapie gemacht ? Du sagst "manisch depressiv" - so hatte ich mich auch einmal bezeichnet, bin aber von meiner Therapeutin zurueckgepfiffen worden, weil zum "manischen" auch Hoch-Phasen mit Euphorie, Kaufsucht etc. gehoert. Trifft das bei Dir zu ? Ich glaube, wir stecken insofern in der gleichen Situation, dass wir es beruflich zu etwas gebracht haben und dennoch ungluecklich sind. Heute sind meine Eltern stolz auf mich, trotz der "Spinnerei". Mit dem Ernstnehmen war es zuhause auch nicht gut bestellt. Ich wuchs im Schatten meines aelteren Bruders auf. Da faellt mir diese Episode ein: Frueher wollte ich immer basteln, aber mein Vater und Bruder wussten es immer besser und alles was ich machte war in ihren Augen Murks. Als wir in ein neues Haus zogen, hatten wir einen grossen Keller und meine Eltern sagten, dass jeder von uns seine Werkbank bekommen solle. Mein Vater und mein Bruder bekamen eine, ich sollte "wenn ich sie mal brauche" die vom Vater benutzen - was ich auch tat aber immer alles wegraeumen musste weil es ja schon fast illegal war. Als unser Haus renoviert wurde, haben sie die interessanten Arbeiten erledigt waehrend ich Schrauben und Naegel anreichen durfte, worueber sie sich auch noch lustig machten. Irgendwann platzte mir der Kragen und ich arbeitete heimlich weiter, um ihnen zu zeigen dass ichs auch koenne. Natuerlich wurde das nur als "nette Ueberraschung" gesehen und "da haettest Du es ein bisschen besser machen koennen". Dass das auch ein Zwischenruf war, wurde ihnen nicht klar. Hattest Du damals als Kind/Jugendliche wenigstens woanders einen Rueckhalt ? Oder warst Du in der Schule auch eine Aussenseiterin mit der keiner was zu tun haben wollte ? Bei mir war letzteres der Fall. Das war keine gute Zeit. Ich erinnere mich daran, mal im Kunstunterricht in Traenen ausgebrochen zu sein - grundlos. Heute weiss ich dass das erste Depressionen waren. Wie ich lese, traegst Du ein frohes Wesen und die Depression in Dir herum. Ist das die "manische" Seite der Depression, dass mal die eine, mal die andere Seite nahezu ungedaempft in Erscheinung tritt ? Bei mir ist es vergleichbar, aber nicht als "manisch" diagnostiziert. Ich kann mich gut an einer Geburtstagsparty erinnern, wo ich mich nach einigem Bier so zum Clown machte, dass ich mich am naechsten Tag dafuer schaemte. Meine Psychologin meinte, dass Minderwertigkeitskomplexe dahinterstuenden - natuerlich ist man als launiger Possenreisser im Mittelpunkt und man meint, dass sich andere daran erfreuen. Was sie auch tun, aber nicht im geplanten Sinn. Bloss in der Partylaune vergesse ich das allzu gern. Da kann ich mich nicht immer steuern - wieviel Froehlichkeit ist sozialvertraeglich, und wieviel ist einfach nur peinlich ... Ich glaube, wenn Du mit Freunden ausgehst wie heute abend (SEHR WICHTIG !!! Auch wenn Du keine Lust verspuerst, BITTE NICHT ABKAPSELN !!!), darfst Du auch eine froehliche Miene zeigen. Auch wenn sie wissen dass Dein Inneres traurig ist. Das bestaetigt sie auch darin, Dich zu integrieren. Den Satz, dass Depressionen nicht so schlimm waeren wenn mal einzig auf der Welt waere, finde ich interessant. Ich koennte auch gut einsam sein, wenn ich in einer Forschungsstation irgendwo in der Wueste waere. Aber einsam zu sein und zu sehen, dass andere nicht einsam sind - als wenn man von einer unsichtbaren Mauer umgeben waere - das ist hart. Zur Maschine - das hatte ich schon in der Grundschule. Ich weiss nicht warum, aber ich habe mir nie vorgestellt ich selbst zu sein. Maschinen hatten was unantastbares. Sie muessen nicht gut aussehen und brauchen nicht viel Liebe. Sie muessen nur funktionieren. Das war ein Fluchtraum, als ich aelter wurde - oft wurde mir von anderen Schuelern nachgestellt, ich wurde ausgelacht etc. Wenn ich nur schnell genug war und mir einbildete dass diese seelischen Grausamkeiten mir nichts anhaben konnte, dann konnte ich irgendwie besser damit leben. Nachteil ist allerdings, dass ich oft das Gefuehl habe, ein "Leben hinter der Glasscheibe" zu verbringen. Du hast Recht, Deine "Hobbypsychologischen Vermutungen" teile ich. Ich muss da raus. Aber das erfordert viel Energie. Ich sah in meiner Partnerschaft, dass der Maschinengedanke fort war. Aber das war immer nur, wenn ich mit ihr zusammen war - und das war leider in unserer Fernbeziehung eher selten. Ich hoffe, Du hast den Abend mit Deinen Freunden zumindest ein wenig geniessen koennen - trotz allem. Gestern abend kam auch noch mein Chemiefreund vorbei und wir gingen fuer ein Bierchen aus. Mephisto ... Heute abend werde ich allein sein. Meine Apparate werde ich nicht nutzen koennen, das Wetter macht nicht mit ... Ich wuensche Dir alles Gute, vor allem eine guten Sonntag und erfolgreichen Start in die Woche. Und ich fange schon jetzt mal mit dem Daumendruecken an bezueglich Dienstag ... Alles Liebe, Dein Faustus ....
Gretchen
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Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Genau so ein Härtetraining hatte ich heute auch, ich war nämlich in einem Konzert. Das Weihnachtsoratorium von Bach. Ich liebe es und wollte unbedingt hin, was sich dann aber schnell als riesiger Fehler herausstellte. Es war die Hölle. Massen von schrecklichen spießigen Menschen (und ich dachte auch noch die ganze Zeit sie würden mich böse anschauen....). Ich habe kaum zuhören können weil ich so damit beschäftigt war nicht loszuheulen oder loszuschreien. Und dann saß neben mir auch noch eine Frau die immer näher gerückt ist. Ich habe prinzipiell keine Berührungsängste, aber in dieser Situation fühlte ich mich schrecklich bedrängt und hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Immerhin habe ich es überlebt, und ich war da. Das ist ein gutes Gefühl. Der Abend mit meinen Freunden war auch noch ganz schön.Ich habe an Dich gedacht, daran, dass Du den Abend alleine verbringst. Ich hoffe er war trotzdem schön für Dich. Zu dem manisch depressiven: Kaufsucht - mein Paradebesispiel für meine manische Seite. Ich habe es zum Glück noch so weit unter Kontrolle, dass ich mich nicht verschulde oder so, aber ich kaufe ständig ein, viel zu viel. Ich bilde mir dann ein, "dass es mir ja schon wieder viel besser geht", dazu brauche ich erstmal ein passendes Outfit, neue Musik, rase in der ganzen Stadt herum, besuche anschließend alle meine Freunde, bin furchtbar aufgedreht, rede wie ein Wasserfall, bin gar nicht mehr fähig mich (oder andere) richtig wahrzunehmen, kann Situationen auch überhaupt nicht mehr einschätzen - und irgendwann ist es dann so, als würde man mit einer Nadel in einen Luftballon stechen. Pffff... alles verpufft und mir wird klar, dass es "nur heiße Luft" war und fühle mich schrecklich leer. Dann kommt das richtige Down... Mag sein, dass das so ist, weil ich wirklich eigentlich ein fröhlicher Mensch bin und sein möchte (ich habe das glaube ich schon mal geschriebn) der sich wie ein kleines Kind über jede Kleinigkeit freut. Was Du von der Geburtstagsparty beschreibst könnte aus meinem Leben kommen! So etwas ist mir schon unendlich viele Male passiert, und noch heute könnte ich mich in Grund und Boden schämen dafür. Ich war in meiner Kindheit und Jugend(obwohl letztere erst ganz knapp vorbei ist)zum Glück nie außenseiterin. Ich war immer mit denen befreundet, die man als "beliebt" bezeichnete. War alledings glaube ich für mich nicht unbedingt das Beste, weil ich dauerhaft im Schatten meiner Freundinnden stand. Würdest Du Dich eigentlich heute noch als Außenseiter bezeichnen? Zu meiner familiären Situation: Ich bin die mittlere von zwei Geschwistern. Meine große Schwester war immer "vernünftig und angepasst", meine kleine Schwester "süß und lustig". Ich hatte irgendwie keinen Platz, habe wohl deshalb so rebelliert. Richtig im Schatten einer meiner Geschwister stand ich nie, trotzdem hatte ich so große Probleme mit meiner großen Schwester. Sie hat mir immer das Gefühl gegeben ich wäre peinlich, meine Kleidung, meine Gedanken - alles was individuell war. Heute habe ich (leider zum Glück) keinen Kontak mehr zu ihr. Wie ist Dein Verhältnis zu Deinem Bruder heute? Da fällt mir ein: was wirst Du an Heiligabend eigentlich machen? Und an Silvester? Feierst Du mit Familie, Freunden??? Ich wünsche Dir auch eine schöne Woche, ich werd morgen bestimmt mal hier im Forum vorbeischauen ob Du was geschriebn hast. Ganz liebe Grüße, Dein Gretchen P.S. Wie sehr Du betont hast, dass ich mich nicht abkapseln darf hat mich sehr berührt. Ich werde mich darum bemühen. Danke!
Faustus
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Beitrag von Faustus »

Hallo Gretchen ! Danke fuer Dein Posting ! Schoen, dass Du Dich nicht abkapseln moechtest - wichtig ! Obwohl es mir leid tut, dass bei dem Konzert die Soziophobie wieder durchkam. Ich gehe sehr selten in Konzerte (alleine macht das auch keinen Spass), aber wenn dass schliesse ich die Augen und meditiere -- zumindest bei klassischer Musik geht das ja. Was ich auch empfehlen kann, ist "Musik unterm Sternenhimmel" - das wird vielerorts von Planetarien angeboten, die zu entspannender Musik den Sternenhimmel projezieren. Ein Vorteil ist, dass Du dabei die Leute nicht siehst - zumal es (leider/gottseidank) meist recht leer ist, da solche Vorstellungen nicht so einen grossen Andrang haben. Erstaunliche Parallelen sehe ich zu Dir in Bezug darauf, loszuhechten um sich was neues zu kaufen weil man meint dass das was bringt. Meist samstags ist das bei mir der Fall - einmal der Gang durch die Stadt mit all seinen Panikattacken, andererseits kaufe ich dann doch schnell ne CD und hoere die dann abends. Aber die Freude ist von kurzer Dauer. Auch sonst - heute verdiene ich gutes Geld und kann mir so manchen "Jugendtraum" erfuellen. Aber die Freude darueber ist nur kurz, das Kroesos-Syndrom, materielle Werte bringen es irgendwie nicht. Habe ich am Wochenende z.B. eine Party, dann freue ich mich wie ein Kind darauf. Aber ich texte die andernen Leute zu sehr zu und glaube, die anderen koennen mit mir nicht allzu viel anfangen. Ich muss dazu sagen, dass ich als Teenager z.B. Klassenparties hasste und nicht hinging, weil ich dort nur veralbert wurde. Erst mit 18 ging ich mal wieder zu einer Kursfete, blieb aber nicht lange und hatte damals auch kein Verstaendnis fuer den Alkohol. Meine richtige "Partyzeit" ging dann etwa mit 22 los, im Studium, als meine Freunde mich mitnahmen und so manches Bier fand dort sein Ende. Inzwischen glaube ich, fuer solcherlei Parties zu alt zu sein. Ich wurde durch meine Freunde in eine Clique eingefuehrt, wo oft gefeiert wurde aber so richtig integriert war ich nie. Fuehlte mich immer wie ein Gast, hatte nie das richtige "Wir"-Gefuehl. Heute ist diese Clique zerfallen, meist in Familien, und ich bin uebrig. Bezeichnend finde ich, dass Du Dich andauernd "im Schatten der Freundinnen" sahest. Ich hatte auch wenige Freunde, aber immer war ich der "schlechtere". Der eine war sportlicher (und ich hasste Sport), der andere wurde von seiner Mutter verwoehnt und hatte einen Haufen Taschengeld - er gab mir oft einen aus und ich war immer in der Rolle des Bittstellers. Andererseits musste ich dann fuer ihn unangenehme Dinge erledigen, war gewissermassen sein "Untertan" oder Knecht. Eine gleichwertige Freundschaft ergab sich erst, als ich die beiden Freunde kennenlerne, die mein Hobby teilten und mit denen ich spaeter studierte. Jedoch kam auch hier nach einiger Zeit eine Atmosphaere auf, bei der ich wieder der "Untergebene" war - wir hatten ein gemeinsames Projekt und waehrend meine Freunde ueber den Konstruktionsplaenen hockten, durfte ich den Tee kochen gehen. Gerade heute wuerde ich mich wieder als Aussenseiter sehen. In meinem Dorf, weil ich als Auslaender und an der Universitaet Arbeitender sowieso schlecht Anschluss finde. Die Jugendlichen beschimpfen mich wenn ich nur ueber die Strasse gehe und schmeissen mir Muell hinterher. In der Uni mache ich mein Projekt, aber die soziale Anbindung koennte auch besser sein. Liegt sicher auch an mir, aber ich kann nicht schon um fuenf Uhr nachmittags in die Kneipe gehen, wie das hier freitags Sitte ist. Ich habe nur einen Bruder, der drei Jahre aelter ist. Wir sind kulturell sehr unterschiedlich -- er ist sehr aufbrausend und voller Geschaeftsideen, mit denen er mich leider oft zutextet. Er ist schon sehr unterschiedlich im Vergleich zu mir. Wenn ich ihn treffe, freue ich mich eine halbe Stunde lang. Dann habe ich das Beduerfnis, erstmal wieder Abstand zu gewinnen, wenn er wieder anfaengt aufbrausend mit lauter Stimme ueber Politiker zu schimpfen oder aehnliches ... Zu Weihnachten werde ich wieder zuhause sein, aber ueber Neujahr fahre ich nach Spanien zu meiner Ex-Freundin, mit der ich mich ja weiterhin sehr gut verstehe und mein Hobby mit ihr teile. Ich habe ihr ein Geraet gebaut, was ich dort installieren werde. Ein anderer Freund kommt auch mit. Erst Mitte Januar werde ich wieder zurueck sein. Hoffentlich kann ich mich in dieser Zeit auch ein wenig erholen. Zuhause wird das kaum der Fall sein - die Familie strengt an, zumal die Grossmutter dieses Jahr dabei ist, die dem Klischee der "Schwiegermutter" zu 120 % entspricht ... Habe sowieso die Erfahrung gemacht, dass ich mich im Urlaub kaum erholen kann, weil dann immer wieder anderer Stress ansteht. Zuhause kommt man wieder in dieses kleinbuergerliche Korsett rein ("Zieh Dir ne Jacke an, es ist kalt draussen !") und die Decke kann da schnell auf den Kopf fallen. Irgendwie faellt es mir schwer, innerlich zur Ruhe zu kommen. Ich wuensche Dir, dass Du mit Deiner Arbeit - die Du ja diese Woche wieder anfaengst - gut zurecht kommst und vor allem fuer morgen druecke ich Dir alle meine Daumen ! Hoffentlich wirst Du mit der Therapeutin gut zurechtkommen. Ich wuensche es Dir von Herzen ! Alles Liebe und bis bald, Faustus ....
Faustus
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Beitrag von Faustus »

Hallo Conny, heute habe ich all meinen Mut zusammengenommen und eine Email an unser Counselling-Office geschrieben. Vielleicht koennen die mir helfen. Vielen Dank fuer den Tip - ich glaube ohne Deine Erfahrung haette ich mir das nicht zugetraut. An Gretchen: Ich hoffe, Du kannst von Deinem Termin heute profitieren. Ich finde es klasse, wie Du Dich mit Deiner Situation auseinandersetzt - z.B. die Vogelspinne beschaffst gegen Anachrophobie - ich bin da viel verklemmter. So weiss ich seit 18 Monaten dass es bei uns an der Uni eine psychologische Beratung gibt, bringe aber erst jetzt den Mut auf mich an diese zu wenden. Ich glaube, "Selbstheilungstendenz" (wie es ein Therapeut bei mir nannte) ist fuer den Heilerfolg extrem wichtig. Ich bemitleide diejenigen die unter Depressionen leiden aber sich nicht helfen lassen ("Zum Psychater ? Ich bin doch nicht verrueckt !"), auf Dauer ziehen die den Kuerzeren. Alles Gute, Faustus
Gretchen
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Gretchen »

lieber Faustus! Ich komme gerade von dem Arzttermin und bin völlig aufgewühlt. Die Frau war ganz okay eigentlich. Sie war der Meinung ich sollte SO SCHNELL WIE MÖGLICH stationär behandelt werden. Das geht einfach nicht, ich habe die Zeit nicht! Ab mitte Sommer werde ich Zeit für soetwas haben, aber JeTZT NICHT! Ich hab gar keine Ahnung mehr wie es weitergehen soll. Sie meinte wenn ich das, was ich habe, ganz einfach als "ein bißchen manisch depressiv" abtue würde ich nicht richtig hinsehen. Sie meinte in meinem Zustand würde ich garantiert in den nächsten Wochen bereits irgendwo eine Klinik finden die mich aufnimmt. Und sie hat mir Antidepressiva verschrieben und Schlaftabletten. Mit der Nebenbemerkung "..ja also von denen kann man, wenn man sie zu lange nimmt, ein bißchen abhängig werden, musst du mit aufpassen..." Na toll, "ein bißchen abhängig"?! Wie soll ich mir denn soetwas vorstellen? Ich hatte schon genügend Drogen und Abnhängigkeitsprobleme in meinem Leben. Ich soll mri jetzt Kliniken heraussuchen, die mir ganz gut gefallen könnten. Ach - ich bin völlig verwirrt. Soll, ich diesen Arztbesuch jetzt als Erfolg betrachten oder nicht? Und warum zum Teufel muss soetwas immer im falschen Monet kommen? Ich glaub ich mach mir ertsmal ein Tee und denk noch mal in Ruhe über alles nach. Ist schon heftig für mich, wenn jemand so ehrlich sagt wie es um mich steht... Faustus, manchmal macht mein Leben mich so müde. Erschöpfte Grüße Dein Gretchen P.S. ich werd mich heute abend, wenn mein verwirrtes Hirn wieder geregelter Denken kann noch mal melden.
Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Liebes Gretchen ! Ich kann mir vorstellen, wie Du Dich jetzt fuehlst. Ich kenne das von einem Psychologenbesuch, bei dem mir beigebracht wurde, dass ich "schwer schwer krank" sein und ein "kurzer Klinikaufenthalt von 3 Wochen wichtig". Ich habe damals von dem Therapeuten Abstand genommen und weiter mich weiter meiner ambulanten Gespraechstherapie unterzogen. Nun - sieh einmal die gute Seite - auf jeden Fall werden Deine Probleme ernstgenommen ! Das ist mir ganz wichtig. Mit den Psychopharmaka waere ich auch vorsichtig. Warum hat sie Dir Schlaftabletten verschrieben ? Zu Deinem Job - ist er in Gefahr wenn Du Dich jetzt in Behandlung begibst, oder kann Dein Arbeitgeber mit einer weiteren "Auszeit" leben ? Hast Du das Vertrauen zu Deinem Chef/Vorgesetzten, mit ihm darueber zu reden ? Wenn es moeglich ist, die Therapie aufzunehmen ohne den Job zu riskieren, wuerde ich es an Deiner Stelle sofort machen. Ich glaube wohl, dass der Arztbesuch erfolgreich war. Auch wenn es Dir noch nicht so vorkommen mag - natuerlich bist Du schockiert und siehst in alle dem eine unerwartete Wendung. Ich waere in dieser Situation genauso verwirrt ... Du brauchst viel Kraft, um das durchzustehen. Das ist nicht anders als bei einer Operation - der Patient muss die Kraft haben, die Auswirkungen eines Eingriffs zu ueberstehen. Ich bin nun kein Fachmann, aber ich glaube wenn Du in einer stationaeren Therapie massiv Hilfe bekommen kannst, wird der Eingriff besser ueber die Buehne gehen als bei einer ambulanten Therapie. Du sagst, Du haettest schon Drogen- und Abhaengigkeitsprobleme in Deinem Leben gehabt - bezieht sich das auf Freunde oder auf Dich selbst ? Falls letzteres der Fall ist - weiss die Psychaterin das in Hinsicht auf die Medikamente, die sie Dir verschrieb ? Ich hoffe, was ich schrieb klingt nicht zu "oberlehrerhaft" -- ich versuche nur, mich in die gleiche Situation zu versetzen und mir vorzustellen, wie ich entscheiden wuerde. Ich wuenschte wirklich, hier mehr fuer Dich tun zu koennen ... Alles Liebe, und vor allem keine Angst ! Dein Faustus ...
Gretchen
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Gretchen »

Lieber Faustus! Ich sitze gerad hier und muss wirklich schmunzeln, das Du geschriebn hast "Was für ein Wurst ich bin...". FAUSTUS, DU BIST DOCH KEINE WURST! UND JEDER DER DAS DENKT MÜSSTE WIRKLICH DUMM SEIN! (Dieser Ausdruck "Wurst" ist absolut lustig, ich hoffe Du kommst Dir nicht veräppelt vor, ich finde es nur so süß) Okay, jetzt noch mal zu meinem Arzttermin. Ich hatte einfach nicht mit so einer heftigen Dioagnose (mal wieder) gerechnet. Schon so oft habe ich mir gesagt "jetzt geht es wieder bergauf..." "...dieses mal wirst du es schaffen..." und am Ende merkt man, dass man kaum weiterkommt. Das ist so entmutigend. Für mich ist es einfach mal wieder ein Rückschlag. Ich hatte das früher schon mal so, als ich meine "Abhängigkeitsprobleme" hatte, dass ich mir geschworen hab mein Leben in Griff zu kriegen und meine Krankheit auch. Ich dachte schon so oft ich könnte es schaffen. Warum geht das nicht? Die Schlaftabletten hat sie mir verschrieben weil ich so tierisch Schlafprobleme habe. Ich hab mir gerade die Packungsbeilage durchgelesen -ganz schön krasses Zeug... Ich habe ihr auch gesagt, was ich früher alles so zu mir genommen habe, ich hoffe sie hat das in der Wahl meiner Medikation berücksichtigt. Mein Klinikaufenthalt wäre (soweit das voraussehbar ist) ziemlich lang, sie meinte 2monate min., weil es so scheint, als gäbe es bei mir ziemlich viel was "da ganz tief drinnen" noch brodelt ohne das ich mir dessen bewusst bin. So, dass war jetzt mal wieder genug über mich. Es hat mich sehr traurig gemacht, dass Du heute noch immer (oder wieder) Außenseiter bist. Ich verstehe das nicht. Kennst Du eigentlich das Buch "Steppenwolf" von Herman Hesse? (ich bin mir eigentlich sicher, dass Du es kennst)Manchmal erinnerst Du mich an diese Figur. Ich hatte mal einen sehr guten Freund, der hat das Buch über alles geliebt, er konnte es schon fast auswendig. Fällt mir nur so ein gerade. Hast Du zur Zeit eigebntlich sonst Kontakt mit Frauen? Eine Freundin hast Du ja nicht so viel ich weiss. Ich habe ja auch keinen Freund, aber ich hätte gerne einen. Keine Ahnung warum ich nie einen finde, der zu mir passt. Mein ehem. Verlobter hat inzwischen sogar schon ein Tochter. Ach Faustus, ich gebe heute ja wirklich nur melancholisches Zeug von mir. Ich bin nicht immer so. Bald wird das auch wieder anders sein, dann werd ich Dir schriebn, dass es mir gut geht, ich so glücklich bin... (und Du wirst ein sehr berühmter Physiker sein der NIE WIEDER depressiv ist) Wir schaffen das! Ach ich bin (und schreibe hier) wirklich wie ein kleines Kind. Was soll's, man muss ja manchmal ein bißchen träumen. Schreib mir bitte wie es Dir gerade geht. Ich werd' keine Angst haben, Dein Gretchen
Faustus
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Strukturen einer Depression

Beitrag von Faustus »

Hallo Gretchen ! Da haben wir Glueck gehabt, ich habe schon die Radlermontur an - 10 km Heimweg liegen vor mir. Zur Wurst - in der Tat ein lustiger Ausdruck. Er stammt aus meiner WG-Zeit, irgendwie kamen wir darauf. Ich wende diesen Begriff des oefteren - allerdings eher selbstironisch - auf mich an. Du schreibst, Du haettest "mal wieder" so eine niederschmetternde Diagnose erhalten - hast Du schon eine Psychotherapie hinter Dir ? Wie ich lese, hattest Du ein Abhaengigkeitsproblem und hast es erfolgreich besiegt ! Herzlichen Glueckwunsch ! Ich kenne so einige Leute, denen ich das auch wuenschen wuerde ... Die Psychotherapie ist da schwerer. Depressionen sind wie ein Vulkan - jahrelang inaktiv und dann brechen sie auf einmal wieder aus. Manchmal brodeln sie harmlos vor sich hin, sich in Erinnerung rufend. Zu anderen Zeiten kommt es zu Katastrophen. Man weiss nie, ob die Therapie den Vulkan fuer alle Zeiten unschaedlich machte oder ob er nur in eine zeitweise Inaktivitaet getreten ist. Zu den Schlaftabletten - ehrlich gesagt graut es mir davor, Tabletten zum Schlafen zu nehmen. Was bei mir sehr gut wirkt, ist Lesen. Es kommt aber auf die Literatur an - ehrlich gesagt, bei "trockener" wissenschaftlicher Literatur fallen mir die Augen am schnellsten zu. Dummerweise auch in Konferenzen ... Zwei Monate sind eine lange Zeit - aber wenns Dir hilft ? Ist nur die Frage, ob das mit Deiner Arbeit konform geht. Ich meine, wenn Du den Job verlierst wegen der Therapie, kommst Du frohgemut aus der Therapie um gleich mit einem neuen Problem konfrontiert zu werden. Geht das dagegen mit der Auszeit klar, hast Du keine "und was danach ?"-Aengste auszustehen. Bist Du in der Therapie vollkommen abgeschnitten von der Aussenwelt ? Oder wirst Du Email haben, um mit diesem Forum in Kontakt zu bleiben ? Zu mir: Ich bin halt Auslaender hier und in dem Dorf, in dem ich lebe, gibt es viele einfache Leute mit voellig unterschiedlichem kulturellen Background, eine hohe Arbeitslosenquote (historisch bedingt, ein altes Bergarbeiterdorf) und der Dialekt den sie sprechen ist kaum verstehbar. Im Institut sind viele in derselben Situation, aber einige haben schon Partner/Familie oder sie leben in Wohngemeinschaften oder Colleges. Ich war in einer WG - vielleicht mit den falschen Leuten - und am Rande des Nervenzusammenbruchs (ein Mexikaner der immer Selbstgespraeche "bruellte" und auch sonst merkwuerdig war, und einen Taiwanesin die acht Stunden pro Tag vor dem Schminkspiegel verbrachte, kein Witz !). Jetzt habe ich mein eigenes Refugium, meine Privatsphaere. Nur eben allein. Es gibt auch Lichtblicke, z.B. meine Vermieter sind die nettesten Vermieter die ich je hatte ... Das Buch kenne ich nicht. Werde mich mal danach umsehen. Zu Frauen habe ich keinen Kontakt, von meiner Ex-Freundin mal abgesehen. Die Ex-Freundin war mein erster Versuch, und es scheiterte an der Distanz, dem Altersunterschied und meiner nicht funktionierenden Sexualitaet. Ich vermute, Du hast es schon mehrmals probiert. Komisch, warum das heutzutage so schwer faellt. Frueher war das doch (angeblich ?) anders. Aber okay, frueher musste die Frau sich oft den buergerlichen Verhaeltnissen unterordnen und sie wurde auf Unterwuerfigkeit erzogen. Das ist zum Glueck heute anders - jede(r) will sich selbst verwirklichen und das ist auch gut so. Aber ich glaube, dass eine Freundschaft desto laenger Bestand hat, je aelter man wird. Nur so eine Vermutung ... Ich mag Dein "melancholisches Zeugs" und ich finde es gut, dass Du es von Dir gibst anstatt es herumzutragen und zu verdraengen. Dafuer ist dieses Forum ja da. Ich freue mich auf die Zeit, wenn es Dir besser gehen wird ! Aus mir wird wohl kaum ein beruehmter Physiker, ich bin nur ein kleines Raedchen im Getriebe. Aber mein Ziel ist auch eher, ein gluecklicher Physiker zu werden. Es ist wichtig zu traeumen - das Leben kann so schoen sein, wir Depressive muessen es zu geniessen lernen ! Momentan gehts mir "polarisiert" - einerseits bin ich nachdenklich wegen Deiner Situation und hoffe, dass Dein Umfeld mitmacht und Du von dieser Therapie profitierst. Andererseits hatte ich vor kurzem einen "Euphorieanfall" - ich hatte zwei meiner zuhause fertiggestellten Apparaturen fuer eine Oberflaechenbeschichtung fortgegeben. Die Firma, die das macht, kann die Oberflaeche vermessen und mir wurde nach Tagen aengstlichen Wartens mitgeteilt, dass ihre professionellen Messmaschinen keinen Fehler erkennen koennen ! Damit sind meine Geraete besser als viele industriell gefertigte und von daher kratze ich gerade mit meiner Nase die Decke ;*) Aber das geht auch vorbei und dann kommt die Einsamkeit wieder. Aber es ist wichtig, Erfuellung und Anerkennung in einem Hobby zu haben ! Hast Du auch eins ? Ich wuensche es Dir ... Nun alles alles Gute und hab eine gute Nacht - hoffentlich ohne das Schlafmittel - vielleicht mit einem (nicht zu spannenden) Buch ... Dein Faustus !
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