Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

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Topo
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Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von Topo »

Hallo Leute,

meine Psychiaterin hat mir wegen Therapie-resistenter Depression Ketamin-Infusionen vorgeschlagen. Ich habe etwas Angst wegen der halluzinogenen/ dissoziativen Wirkung. Denn eine Person in meiner Familie leidet an Schizophrenie, sodass ich eine Prädisposition dafür haben könnten, "hängenzubleiben". Die Psychiaterin tut meine Sorge damit ab, dass Halluzinationen bei der Infusion "nur selten" vorkommen und die Behandlung "gut erforscht" ist. Weiß zufällig jemand konkret, wie stark diese medizinischen Ketamin Infusionen dosiert sind und inwiefern Dissoziationen da üblicherweise vorkommen?

Danke und viele Grüße
Gartenkobold
Beiträge: 2063
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Topo,

vielen Dank für Deine Antwort bezüglich der MAO-Hemmer, diese sind eine Überlegung wert.
Ketamin kenne ich aus dem OP und der Notfallmedizin in seltenen Einzelfällen, jedoch nicht zur Behandlung von Depressionen.
Es verursacht eine dissoziative Anästhesie. Die Patienten atmen weiter und erfahren keine oder eine reduzierte Schmerzwahrnehmung, auf Kosten von möglichen Halluzinationen (die ich nicht unbedingt als Psychose bezeichnen würde). Das kann in Situationen, in denen eine Intubation nicht möglich ist notwendig sein, z.B. wenn jemand nach einem Unfall so eingeklemmt ist, das man einfach keine Bedingungen zur Intubation hat. Dann verwendet man Ketanest in Kombination mit einem Benzodiazepin (Midazolam), damit der Patient nicht zu starke Ängste entwickelt und die Halluzination nach der Narkose vergisst. Midazolam verursacht auch eine Amnesie.
Einige sehr wenige Erfahrungen habe ich in solchen Situationen mit Ketamin.
Gleich kann ich Dir weiter schreiben, muss erst mal mein Smartphone laden...

LG Gartenkobold
Gartenkobold
Beiträge: 2063
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Topo,

so nun weiter. Ich hatte schon einen Text geschrieben, der dann weg war. Die halluzinogene Wirkung kommt daher, dass Ketanest wie LSD auf den NMDA-Rezeptor wirkt (GABA auch und vermutlich auch Opiatrezeptoren).
Vom S-Enantiomer nimmt man für die Analgesie O,125-O,25 mg\kg i.v. als Bolus. Midazolam wir gleich danach gegeben und man muss aufpassen, das der Pat. weiter atmet. Dann hängt es von der Stimmung des Pat. und der Person die das Ketamin verabreicht ab, ob Halluzinationen auftreten. Hat der Pat. Angst und ich auch, sind Halluzinationen wahrscheinlich. Das kann von "Ich fliege durch bunte Räume, ist das normal?" bis zu "Da sind kleine bissige Schweinchen" gehen. Es liest sich lustig, ist es aber in der Situation für den Patienten überhaupt nicht. Man soll die Leute während der dissoziativen Anästhesie völlig in Ruhe lassen, nicht ansprechen und laute Geräusche vermeiden (was am Unfallort und im OP schwierig sein kann). Nach der OP können viele Leute von den Halluzinationen berichten, trotz Midazolam und erzählen von Alpträumen, aber bisher habe ich noch von keinem Bericht gehört wo jemand stecken geblieben ist, habe aber nur sehr wenig Erfahrungen damit.
Früher war eine Ketamin-Narkose eine weiter verbreitets Verfahren und ist es heute bei Kindern immer noch, somit stimmt das mit dem "gut erforscht" was Deine Psychiaterin Dir erzählt hat. Zumindest gibt es eine lange klinische Erfahrung mit diesem Medikament in der Anästhesie und Notfallmedizin. In der Schmerztherapie wird Ketanest auch eingesetzt z.B. gegen Stumpfschmerzen als kontinuierliche Infusion (Perfusor). Die Dosierungen sind geringer, leider weiß ich sie nicht mehr. Die wenigen Patienten, die ich damit gesehen habe (Schmerzrunde) wirkten recht zufrieden.
Bei den Dosierungen muss man daran denken, dass es S-Ketamin (halbe Dosierung) und Ketamin (Racemat R- u. S-Enantiomer, ungefähr doppelte Dosierung) gibt. Die Affinität von S-Ketamin zum Rezeptor soll größer sein...deshalb wird vieles Klinik und Erfahrung sein.
Vielleicht meldet sich noch jemand, der bereits eine Ketamin-Infusion hatte. Da bin ich auch neugierig.

LG Gartenkobold
DieNeue
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Re: Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von DieNeue »

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Zuletzt geändert von DieNeue am 9. Jun 2022, 13:52, insgesamt 1-mal geändert.
Bluehaven
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Re: Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von Bluehaven »

Guten Tag,

ich habe im Dezember 21 eine ambulante Therapie mit Ketamin gemacht.
Ich hatte keine Nebenwirkungen, leider aber auch keine positive Wirkung.
Das soll nicht heißen, das Ketamin bei Anderen keine Wirkung hat.
Ich warte immer noch auf die Therapie die bei meinen chronischen Depressionen wirklich hilft.
Eine gute Nacht wünsche ich
747er
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Re: Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von 747er »

Ich kenne Ketamin auch nur aus der Rettung, und in Kombination mit Midazolam. Man kann es auch niedrig dosiert alleine geben, dann halt als reines Schmerzmittel.
Wie wirksam es dann tatsächlich ist, weiss ich nicht, da ich diese Anwendung nie mitbekommen habe.
Ich weiss, dass die Albträume, die es verursachen kann, von den Pat als sehr bedrohlich und sehr real beschrieben werden. Esketamin soll weniger solche Träume auslösen, ganz ausgeschlossen ist es allerdings auch nicht.

Ganz ehrlich, ich hätte da auch Bedenken, und möchte, sollte ich Notfallpat in der Rettung sein, lieber Opiate, als Ketamin.
Jo88
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Re: Ketamin Infusion - Psychose-Gefahr?

Beitrag von Jo88 »

Weiss denn hier jemand eventuell, wie man gut an irgendwelchen psilocybinstudien(oder LSD) als Proband teilnehmen kann? Ist ja anscheinend noch nicht zugelassen als offizieles Therapiemittel. Anders beim Ketamin. Wie kommt man da an die Behandlung eigentlich?
Mein Psychiater ist da leider eher konservativ wenn ich diese Themen mal angesprochen habe. Er vertraut eher auf die üblichen ADs, dass man es auch damit schafft. Ich schau mich als Betroffener halt weitläufiger um, um sich zu heilen. Er als Arzt beruft sich auf seine Mittel mit denen er Erfahrung hat. Verschiedene Ansätze/ Sicht auf die Dinge zu dem Thema halt.
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