Hallo Topo!
Als ich deinen Eintrag gestern gelesen habe, ist mir sofort etwas eingefallen was in die Richtung von Muschelsammlerin geht.
Kurz zu mir: Ich bin kein Betroffener, sondern meine Freundin. Bei ihr würde ich auch von einer hochfunktionalen Depression sprechen, die allerdings nur in Episoden vorkommt. Bei ihr fehlt es darüber hinaus auch an einer Krankheitseinsicht, denn laut ihrer Definition ist man nur krank, wenn man auch krankgeschrieben ist. So typische Dinge bei ihr sind, dass sie zum Beispiel Angst hat das sie mal tatsächlich wegen einer Grippe beispielsweise krankgeschrieben wird – da werden dann lieber fiebersenkende Medikamente genommen. Oder freie Tage sind während ihrer Episoden der Horror für sie. Die werden vollgepackt mit Dingen. Dies dient nur dazu das man am Tag eine Aufgabe hat. Wie bei dir ist da die Angst vorherrschend, dass nichtstun und langeweile, also keine Aufgabe zu haben, zum endgültigen Absturz führt. Allerdings nach der Arbeit, nachdem man mit Freunden aus war, ist da jedes mal ein großes Loch. Eine Beziehung führen geht während dieser Episoden gar nicht – vermutlich weil sie dann auch noch auf emotionaler Ebene funktionieren müsste. Irgendwo muss halt dann Energie gespart werden. Kennzeichnend ist nach meiner Beobachtung auch, dass sie während dieser Episoden geradezu Raubbau an ihrem Körper betreibt. Nur als Beispiel: Wenn sie abends während einer Episode zum Tanzen geht, dann tanzt sie sechs Stunden durch bis nichts mehr geht - also wirklich gar nichts mehr.
Hier ist es ja auch schon angeklungen, dass solch ein Verhalten gar keine „echte“ Depression sei... allerdings sind viele Glaubenssätze die gleichen, wie etwa das alles auf die Zukunft gerichtete schief gehen wird, ihre innere Leere...
Ich habe am Anfang als Außenstehender oft gedacht, dieser „Aktionismus“ dient nur dazu die Krankheit leugnen zu können - es wäre ein Aufbäumen gegen die Krankheit. Mittlerweile, durch einen Hinweis durch eine private Nachricht hier, bin ich zu dem Bild gekommen, dass es eventuell wie bei Koffein ist. Die meisten Menschen putscht es auf, einige Wenige werden müde davon. Okay, vielleicht ein doofer Vergleich. Aber anstatt wie es wohl bei den meisten ist, die unter Depressionen leiden, hat sie keine Antriebslosigkeit, sondern powert sich jeden Tag total aus. Und wenn es nur diese acht Stunden Arbeit sind und noch jemand auf ein Kaffee treffen.... und danach auf die Couch und die Wand gegenüber anstarren. Aber wenn man das ja schafft, dann ist man ja nicht krank.
Ich glaube das wirklich fatale ist, dass dies niemand sieht. Meine Freundin ist beruflich sehr erfolgreich. Das Funktionieren klappt - wenn sie alleine ist, klappt sie zusammen. Und was wahrscheinlich noch viel schlimmer ist, ist das viele Betroffene ihre Krankheit gar nicht sehen. Es klappt ja. Und das allerschlimmste könnte sein, dass Therapeuten und Ärzte dies nicht sehen. Genau das was sie Betroffenen predigen, klappt ja in dem Fall - sie arbeiten und treffen sogar Freunde. Eine fatale Falle... Fatal dabei ist auch, dass diese Menschen handlungsfähig sind und suizidale Gedanken dann auch tatsächlich umsetzen können. Denkt an Robert Enke oder den Germanwings Piloten... die waren mit Sicherheit höchstfunktional.
Schön lieber Topo ist, dass du das Problem erkannt hast. Problem erkannt, Gefahr gebannt
![Zwinkern ;-)](./images/smilies/icon_e_wink.gif)
Und da du nach einer Idee fragst. Mir ist spontan beim Lesen deiner Zeilen eines eingefallen, was ich meiner Freundin auch schon mal vorgeschlagen habe, was sie aber nicht tun wollte da sie ja nicht krank ist – Eine Kur. Eigentlich auch egal für oder gegen was. Der Vorteil einer Kur ist für dich, dass du da auch wie gewohnt funktionieren musst. Das ist ja kein Erholungsurlaub. Klingt vielleicht bescheuert, ist aber genau das was du schon die ganze Zeit machst – Funktionieren. Es gibt klare Essenszeiten und danach Anwendungen die dich über acht Stunden auf Trab halten. Allerdings sind es acht Stunden die du nur für dich machst, bei dem sich alles nur um dein Wohl dreht – etwas was du wahrscheinlich gar nicht gewohnt bist. Und das ganze noch mit dem Vorteil einer klaren Vorgabe. Könnte vielleicht ein sehr niederschwelliger Anfang sein auf dem Weg zur Besserung. Das was Muschelsammlerin vorschlägt, eine psychosomatische Reha, wäre bestimmt besser. Aber die wirst du wahrscheinlich nicht bekommen, da du ja noch nie wegen Depressionen krank geschrieben warst. Hochfuntktionale passen halt einfach nicht in das Raster rein.
Viel Glück