Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Nowhere Man
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Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Mir fällt auf, dass ich mich vor Entscheidungen in meinem Leben fast immer vorher mit meiner Therapeutin berate. Klar, man sollte sich generell schon mal Rat von anderen einholen, wenn man sich unsicher ist, aber andererseits gehört es zur SELBSTÄNDIGKEIT, auch mal der eigenen Ratio und dem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen und mit den Konsequenzen zu leben. Das möchte ich lernen. Als chronisch und akut Depressiver finde ich es aber zusätzlich schwer, immer die Übersicht zu haben, was gerade eine „gute“ Entscheidung ist, ob man überhaupt den „Überblick“ hat und ob einem die Depressionen bei der Beurteilung keinen Streich spielen.

Ich stehe schon seit Jahren vor ein paar wichtigen, aber auch sehr weitreichenden Entscheidungen in meinem Leben – und diese Entscheidungen wird mir am Ende niemand abnehmen, keine Freunde, Eltern, Therapeuten. Ich spüre nur mehr und mehr, dass ich sie nicht ewig aufschieben kann.

Jetzt könnte man sagen, sich NICHT zu entscheiden, ist immer die schlechteste Variante, und das stimmt auch. Allerdings könnte eine Option (und somit auch Entscheidung) sein, mit dem bisher Erreichten weiterzumachen. In mancherlei Hinsicht bin ich einen weiten Weg gegangen heraus aus meinen allerschlimmsten Depressionen. Das möchte man nicht (wieder) auf Dreiviertel der Strecke wegwerfen, sodass wieder alles vergebens war. Außenstehende (oder u.a. auch meine Therapeutin, die derzeit eine meiner wenigen wirklich Feedback-Gradmesser ist, und wohl niemand anderes meine Geschichte so intensiv und ausführlich kennt) würden sagen, dass ich (zum Teil) auf einem „guten Weg“ bin. Und eine Entscheidung FÜR etwas geht oft auch mit einer Entscheidung GEGEN etwas anderes einher. (und es ist nicht so, dass ich mich mit dem Berufsweg, auf dem ich z.Zt. bin, mich GAR nicht identifizieren könne. Es war einst etwas, was mich sehr interessierte, aus einer großen Auswahl von dem, was man hätte machen können... aber eben nur das mir „Zweitwichtigste“)

Es ist schon bezeichnend, dass ich mir auf meinem aktuellen Weg sehr oft selbst suggerieren muss, das er sich „lohnt“, dass ich mich auf diesem Weg über Fortschritte freuen kann und so... von der Gesamtstimmung bin ich zu 95% der Zeit todunglücklich, und wie oft ich in den letzten Jahren mal ein erleichtertes Gefühl hatte, dass „alles okay“ ist, das kann man an einer Hand abzählen.

Mit damals 16 oder 17 haben mich meine Eltern, als ich ihnen (als einzige direkte Bezugspersonen) von meinem großen Lebenstraum erzählte, die Hände über dem Kopf zusammenschlagend, jahrelang verzweifelt bekniet, lieber „etwas Sicheres“ zu machen, „auf Nummer sicher“ zu gehen. (Im Hintergrund hat man – wie ich über 20 Jahre später unabhängig und ungefragt durch einen Verwandten erfuhr – sogar aktiv an der Verhinderung meiner Herzensziele gearbeitet! ... das hatte ich sowieso schon immer vermutet). Und Lehrer bzw. die paar Freunde, die ich hatte (alle ziemlich spießbürgerlich geprägt) schlugen alle in dieselbe Kerbe.

Dieser „gute Weg“ ist scheint aber teils im „Widerspruch“ zu einem anderen mir viel, viel, viel wichtigeren (aber „riskanteren“?) Weg zu stehen, vor allem, wenn man – noch immer sehr gezeichnet von Depressionen, heute kaum fähig den Alltag zu bewältigen – einen vielleicht nötigen(?) radikalen(?) Umbruch angeht. Das mit dem „riskant“ und „auf Nummer sicher gehen“ setze ich hier aber bewusst in Anführungszeichen, weil es eine zweifelhafte Annahme impliziert:

Nach vielen Jahren der Zerrissenheit stellte ich fest: Die einzige „Sicherheit“, die man hat, wenn man seinen Lebenstraum unterdrückt, um etwas „Sicheres“ zu machen, dass dieser Lebenstraum „mit Sicherheit zerstört wird“! Ob aus dem bürgerlich-sicheren (unter diesen emotionalen Umständen) etwas wird, garantiert dir niemand.

Heute sitze ich zwischen den Stühlen, habe wegen vieler Umstände (aber auch dieser ständigen Zerrissenheit, der fehlenden Akzeptanz durch mein damals total falsches, toxisches, aber einziges Umfeld) das eine aufgegeben ohne das andere zu erreichen.

Vielleicht ist es heute mit 40 Jahren gar nicht mehr möglich, diesen Herzensweg zu gehen, zumindest wird ganz sicher nicht mehr alles so funktionieren, als hätte ich mich mit 16 oder 17 dafür entschieden. Das gilt für den anderen, sich wie Kaugummi durch mein Leben streckenden Weg aber gewissermaßen auch. An letzterem hab ich nur inzwischen 20 Jahre gearbeitet und will nicht 2-3 Jahre vor Schluss aufgeben. An dieser Stelle war ich aber schon häufiger in meinem Leben, und dann kam wieder etwas dazwischen, und das Ende rückte in immer weitere Ferne.

Ich denke mir, besser spät als nie? Da ich körperlich (einerseits normaler Alterungsprozess, andererseits verschlimmert durch 22 Jahre Dauer-Depressionen und Grenzerfahrungen) stark abgebaut habe, wird mir bewusst, dass mein Lebenstraum nicht „ewig“ auf mich warten wird, zumal er auch eine körperliche Komponente erfordert, die auch bei nicht-Depressiven irgendwann schlechter wird. Ein paar erste Aspekte gehen bereits aktuell nicht mehr, aber (noch) würde der Körper theoretisch 95% der damaligen Qualität leisten können (nur weniger Quantität). Ein paar Aspekte gingen bereits jetzt nicht mehr, das tut weh, wäre aber noch passabel... was aber wenn der Körper weiter abbaut und der aktuell noch mögliche Rest auch nicht mehr geht?

Dieser Gedanke baut schon einen inneren Zeit- und Leidensdruck auf...

Um diese „Wende“, ja, diese Neuausrichtung in meinem Leben dann auch wirklich zu durchzuziehen, wäre vor allem initial (bevor es wirklich losgeht), sehr viel Kraft für einen Umbruch vonnöten. Das ginge nicht von heut auf morgen. Allein von organisatorischer Seite, sprich Wohnung bzw. auch Wohnort wechseln, monatelang die Gegebenheiten so einrichten, dass man damit arbeiten kann. Alle finanziellen Rücklagen auf den Kopf hauen. Sich inhaltlich wieder in das Thema reinfinden, was man mit vor über 20 Jahren hat liegen lassen, dabei über sehr viele Triggergefahren stolpern... regelmäßig üben/trainieren und zu sehen, wie weit man hinter der Form von vor 20 Jahren zurückhängt, als man voller Euphorie und Startklar war (also nicht nur viel Zeit, sondern auch Fähigkeiten verloren hat)... alles in allem ein gewaltiger Kraftakt, während man aktuell kaum die Kraft hat, einen Brief abzuschicken oder den Müll rauszubringen...

Wie ich auch an anderer Stelle schon schrieb. Man nimmt sich und seine Krankheit immer mit.
Selbst wenn ich heute im viele, viele Millionen im Lotto gewinnen würde und mir (sodass ich z.B. auf ewig finanziell unabhängig wäre und alle Mittel hätte, mir GENAU das aufzubauen, wovon ich mit 16 geträumt habe, um "in Ruhe" an meinem Lebenstraum zu arbeiten)... vielleicht irgendwo in der Karibik, bei bestem Wetter, schönsten Bedingungen... ich würde vermutlich genau so schwach und verkatert 5 von 7 Tagen/Nächten nicht schlafen oder aufstehen können, wie heute auf meinen 36 qm in der grauen Großstadt und bürgerlicher Tätigkeit. Auch das macht mir Angst.

Auch frage ich mich, ob man so etwas "allein" schaffen kann (für diese künstlerisch-schöpferische Tätigkeit als solche MÖCHTE ich allein sein, da brauche ich Ruhe, dass mir da keiner reinfunkt). Oder ob man in so einen Plan mit einbeziehen muss, dass man gleichzeitig (neue) soziale Kontakte um sich herum findet, die einem auch wieder menschliche Perspektive geben?
Suchende2
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Nowhere Man,

ich kenne beruflich eine ähnliche Situation aus dem Freundeskreis. Auch dort wurde der Sohn in einen Beruf gedrängt, den er eigentlich nicht machen wollte und ihn krank gemacht hat. Er hat aber seine eigentliche Passion als Hobby weitergeführt. Jetzt mit über 50 Jahren ist er an dem Punkt, einen gut bezahlten Arbeitsplatz aufzugeben, sobald er in seinem Herzensbereich etwas findet.

Du mußt Dich fragen:
Was passiert wenn Du es nie versuchst?
Kannst Du Dich dann mit Deiner Lebensentscheidung versöhnen?
Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn Du es versuchst?
Bist Du bereit für Deinen Herzenswunsch ins Risiko zu gehen?
Wenn Du nicht dazu bereit bist, was für Wege gibt es noch in Deinem Leben, die Dich zu einem glücklichen und erfüllten Leben bringen?
Und ist es wirklich noch Dein Lebenstraum, oder hast Du Dich in den letzten 20 Jahren so geändert, daß Du eigentlich einen anderen Lebenstraum hättest?

Alles Gute,
Suchende
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe Suchende,
du stellst ein paar sehr gute Fragen, über die ich länger nachdenken werde. Manche davon kann ich spontan beantworten
Suchende2 hat geschrieben: Was passiert wenn Du es nie versuchst?
Kannst Du Dich dann mit Deiner Lebensentscheidung versöhnen?
Klares Nein! Zumindest kann ich mir das nicht vorstellen. Mir sind im Leben andere Dinge "genommen" worden, die mir auch sehr (aber nicht so!) wichtig waren. Und diese Sache ist die einzige, die ich (zumindest theoretisch) in der eigenen Hand habe.
Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn Du es versuchst?
Ich könnte bemerken, dass ich das - worauf ich mit 20 in den Startlöchern stand und jahrelang darauf hingearbeitet habe - heute einfach nicht mehr KANN (rein körperlich, aber auch vom Antrieb her und kognitiv). Dass ich 20 Jahre gewartet habe und die Chance sehenden Auges mit Tag für Tag zermürbender, leidender Seele habe verstreichen lassen.
Diese Gedanke würde mir Angst machen. In meinen dunkelsten Jahren war die Hoffnung, es EINES TAGES gegen alle Widerstände umzusetzen, das LETZTE, was mich buchstäblich "am Leben" gehalten hat, der (eine) Grund, warum ich es vor mir selbst nicht verantworten könnte, auf dumme Gedanken zu kommen.
Wenn diese Säule dann auch noch (für immer) wegbrechen würde, glaube ich nicht, dass ich damit umgehen könnte.
Und ist es wirklich noch Dein Lebenstraum, oder hast Du Dich in den letzten 20 Jahren so geändert, daß Du eigentlich einen anderen Lebenstraum hättest?
Hhm, alle Ideen dazu, der ganze Traum dazu ist noch genau so präsent, als wäre es gestern gewesen. Also Ja. Mein Energielevel und die damit verbundenen Assoziationen sind heute andere.

Und damit es nicht so abstrakt bleibt, worum es geht:
Im Herzen bin ich Musiker, vor allem Komponist. Und da für mich selbst, meine Lehrer und Eltern vom 6. bis zum 17. Lebensjahr klar war, dass ich Physiker werden will (am liebsten Physik-Professor), war es für alle beteiligten ein riesiger Schock, als ich - wie die Jungfrau zum Kinde - so spät mein Interesse für Musik fand (die meine Familie scheut wie der Teufel das Weihwasser, habe dementsprechend auch Null Vorbildung von Haus aus). Ich schloss mich einem Gospelchor an, den ich bald aushilfsweise leitete und eine Ouvertüre komponierte, eignete mir autodidaktisch dann Gitarre und Klavier an, lernte Chorsätze zu schreiben, für klassisches Orchester zu arrangieren, baute mir ein kleines Tonstudio auf, träumte(!) mindestens 1x/Woche einen komplett neuen Song, den ich beim Aufwachen einfach in mein Diktiergerät sang und später dann aufnahm. Alles in mir sprach und spricht noch heute Musik. Bis zum heutigen Tag träume ich Songs und Orchesterwerke (schrieb aber auch immer tagsüber welche), auf meinen Diktiergeräten befinden sich inzwischen weit über 1.000 Ideen (vielleicht sogar schon 2.000) für alle möglichen Stilrichtungen, die ich aber seit ich 22 bin, nie mehr zu Ende schrieb.
Zusätzlich (das wusste ich, bis ich 17 war nicht), habe ich ein sehr breit angelegtes Gesangstalent in die Wiege gelegt bekommen, und die Kombination SONGS zu schreiben, mit den Lyrics, Melodien und Harmonien, sie am besten noch selbst zu singen und so aufzunehmen und abzumischen, wie ich es für richtig halte... das ist für mich eine HERZENSkommunikation, wie ich sie mit 10.000 Seiten Text nie erreichen würde.

Neulich stellte ich fest, dass nicht nur mein Studioequipment, das ich mir vor 20 Jahren voller Begeisterung für den Sankt-Nimmerleins-Tag eingerichtet habe, nicht mehr wirklich geht, dass mein aktives Toningenieur-Wissen eingerostet ist, aus Fachliteratur, welches eine breite Regalwand füllt, von der ich jede Zeile gelesen und aufgesaugt habe, sondern vor allem auch, dass bestimmte Register meiner Gesangsstimme nicht mehr funktionieren! DAS macht mir Angst. Dass dies die ersten Anzeichen irreversibler Schäden sind. Zwar fühle ich mich "in erster Linie als Songwriter/Komponist" und erst danach als "Sänger", aber die Stimme ist schon etwas sehr persönliches, und bereits 5-10% meiner Herzenssongs, die ich einst komponiert habe, werde ich vielleicht nie wieder so singen können, wie sie gedacht waren. Ich habe regelrecht OHRWÜRMER davon, seit über 20 jahren, aber als EINZIGER Mensch, der diese Songs kennt (für den Rest der Welt da draußen EXISTIEREN sie gar nicht).

People writing songs
that voices never share
no one dare
disturb the sound of Silence


Das gruselt mich. Aber das geht mir durch den Kopf. Das ist beklemmend.
Das mit der Stimme ist wenig verwunderlich:
Wenn man über 20 Jahre lang in Panik lebt, immer am Rande des Zusammenbruchs, sich oft die Seele aus dem Leib weint, 90% seiner Nächte einfach nicht schlafen kann, und manch ein Semester nach dem anderen trotzdem wie ein Zombie von morgens 8 bis abends um 22 Uhr versucht, seine Leistung zu bringen... und dabei so zurückgezogen lebt, dass man (Stand heute) im Alltag mit 0 Menschen SPRICHT (außer ab und an mit der Telefonseelsorge, alle paar Wochen mit der Therapeuten oder in einer Videokonferenz, wenn der Prof ne Frage stellt) und in den letzten 12 Monaten nicht EINMAL überhaupt gesungen hat, auf keiner Bühne, nicht mal unter der Dusche oder im Auto... dann wird einem das fremd.
Und dann schlafe ich ein, und träume, wie ich mit meiner damaligen Band auf der Bühne stehe und vor 500 Leuten lauthals (und schön) einen Song singe, den die Welt noch nie gehört hat. Wache auf, habe diesen Song genau im Ohr, von Anfang bis Ende mit allen Instrumenten, und spüre, das meine Stimme das gar nicht mehr kann.

Obendrauf kommt die mangelnde soziale Perspektive bzgl. Menschen, mit denen ich meine Musik teilen möchte. Da gab es, nachdem ich mir schon einmal nach vielen Jahren Pause alles neu aufgebaut und eine einmalige Band hatte, die kurz vor dem Durchbruch stand, von 2011-2013 eine sehr toxische Konstellation, die mir genau die Community, wo ich mich 2008 zum ersten Mal im Leben zu Hause fühlte, für immer zu verbrannter Erde gemacht hat. Daher sind auch diese Vorzeichen heute viel, viel einsamer als damals, und ich traue mich umso weniger raus.

Dass mich ein unverschuldeter Vorfall dann auch noch äußerlich "entstellt" hat, macht die Hürde, mich wieder auf die Bühne (oder auf Youtube) zu trauen, nochmals größer.

Ui ui ui, schon wieder so viel Text. Wie gesagt, meine Songs sagen in wenigen Zeilen, so viel mehr, oder zumindest anders...
Gertrud Star
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Nowhere Man,

jetzt ist es fühlbar, wer du bist, zumindest größtenteils. Du bist Vollblutmusiker, und das ist schön.

Dass deine Stimme jetzt nicht mehr ganz so umfangreich ist, ist ja da spielten viele Sachen mit rein. Aber wenn du solch ein Talent hast, wirst du noch gut genug singen können.
Was das Aussehen angeht, da können doch (zumindest für die Bühne) Profis etwas basteln. Und als Komponist ist das nicht vordergründig notwendig, top wie ein junger Hüpfer auszusehen. Und sicher macht dir die Depri die Wahrnehmung etwas trüber oder ungünstiger.

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, unverbindlich dich mit jemandem zusammen zu tun, mal ein modernes Tonstudio mit nutzen zu können oder mal anzugucken? Weißt du, wenn man Musikerbiografien liest, gibt es oft Kollegen, Manager oder sonstige Beteiligte oder auch die Ehepartner, die an denjenigen einfach glaubten und auch unterstützten. Ich weiß ja nicht, wie Therapeuten da ganz praktisch helfen können. Deine scheint ja zumindest sehr an dich zu glauben.

Musiker scheinen ja eher Einzelkämpfer zu sein, was es nicht einfacher macht. Manchmal sollen aber auch Freundschaften entstehen, trotz allem, was voher passiert ist. Da kann man auch Sorgen mitteilen denke ich.

Ich selber sehe auch Parallelen zu mir. Ich habe mich in eine Berufsausbildung schicken lassen, die nicht meine war, wegen dem Abitur als Voraussetzung für ein Studium. Bei mir daheim hat sowas niemanden interessiert und man war allgemein schon überfordert. Ich studierte dann genau diese Fachrichtung, in der Hoffnung, später etwas mit Fremdsprachen machen zu können. Ich wurde von dem allen auch krank. Dann kam die deutsche Wiedervereinigung, mein Beruf war nicht mehr gefragt. Ich ließ mich der Wohnsituation wegen in eine Überschuldung manövrieren und dann hatte ich ein Fernpendlerleben als Hilfsarbeiterin, um die Schulden abbezahlen zu können. Bei mir merkten die Behandler nicht einmal, dass ich eine höhere Intelligenz habe. Sie konnten nicht helfen und lasteten das teils mir an. Eine Umschulung ging schief, ich musste wieder fernpendeln und war nicht mal therapiert, geschweige denn genesen. Solch ein Ausnahmetalent bin ich auf keinem Gebiet.
Ich habe einige Fremdsprachen rudimentär gelernt (etwa 5, einige davon etwas mehr als rudimentär). Wahrscheinlich bin ich eher im Sprachlichen daheim, naturwissenschaftlich nicht untalentiert. Musikalisch bin ich auch, mir fehlt aber das nötige Kreativitätsgen dafür scheinbar.
Ich habe mit meinen 55 den Wunsch, über einiges ein Buch zu schreiben (ausgehend von meiner Biografie) und einige wenige Ideen im Kopf. Ich habe vor wenigen Tagen eine Journalistin im Internet gefunden, die ich anschreiben werde und frage, ob sie eventuell helfen möchte, wenn ich dann soweit bin. Sie wohnt zwar ganz woanders als ich, aber beim Schreiben ist das nicht so wichtig.

Kann es auch sein, dass dir der Kontakt zu solch Ausnahmetalenten fehlt? Das merke ich auchb immer wieder, dass mir das fehlt. Der Durchschnittsintelligente reicht halt auf Dauer nicht ganz aus, es fehlt immer irgendwas.
Ich hatte das Glück, längere Zeit mit solch einem Menschen intensiver zu tun gehabt zu haben, was mich etwas aufgebaut hat, naja eher erstmal zur Ruhe gebracht.
Das ist viel wert.
Es scheinen sich auch mittlerweile Gruppen zu bilden, in größeren Städten, wo sich sehr talentierte Menschen mit psychischen Einschränkungen zusammen finden. In meiner Stadt kenne ich welche.
Wenn du diesen Kontakt suchst, schreibe mich ruhig per PN an, dann sage ich dir die Stadt und Kontaktadressen.

Gruß Gertrud
DieNeue
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Nowhere Man,

was spricht denn dagegen, einfach mal in einer Musikschule ein paar Gesangsstunden zu nehmen? Wenn du solange nicht mehr gesungen hast, ist ja klar, dass deine Stimme nicht mehr so geschmiert läuft wie früher. Ich habe früher auch viel Musik gemacht, gesungen und Gitarre gespielt. Mittlerweile spiele ich nicht mehr, denn es laugt mich eher aus als dass es mir gut tut, aber singen könnte ich mir noch vorstellen und überlege manchmal, ob ich irgendwann vielleicht doch mal noch Gesangsunterricht nehme. Gar nicht mal, um mit anderen zusammen was zu machen, sondern einfach für mich.

Wenn du schlechte Erfahrungen gemacht hast, muss das nicht wieder so laufen. Du bist mittlerweile ja nicht nur älter geworden, sondern auch reifer und weiser.

Ob das deine Eltern oder sonstwer schlecht findet, ist doch egal. (Müssten die ja nicht mal wissen ;)) Wenn dir Musik machen gut tut und das eigentlich dein Herzenstraum ist, dann könntest du doch versuchen, das wieder mehr in dein Leben aufzunehmen. Es reicht doch auch erstmal neben deinem Studium wieder ein bisschen Musik zu machen, etwas aus deinem "Schneckenhaus" rauszukommen, vielleicht gibt dir das so viel Auftrieb, dass es auch insgesamt wieder aufwärts geht. Vielleicht wäre auch ein Nebenjob in einem Musikstudio, Musikgeschäft o.ä. was für dich.
Ich kann verstehen, dass es viele Triggergefahren gibt, wenn du dich wieder auf das Thema "Musik" einlässt. Es schmerzt einfach zu sehen, was man früher konnte und was jetzt noch davon übrig ist. Geht mir mit dem Klettern so, das habe ich auch aufgehört, weil es nicht mehr ging, immer wieder neu probiert, aber ich habe mittlerweile beschlossen, dass ich das erst wieder richtig anfange, wenn ich wirklich fit bin und auch eine realistische Chance auf Erfolgserlebnisse habe. Sonst frustriert mich das nur.
Es mag sein, dass du nicht mehr die Übung hast, dass du einen Teil von dem, was du machen willst, vielleicht nicht mehr kannst, aber dein Talent hast du noch, das geht ja nicht einfach so verloren und mit Talent lässt sich ja schon was anfangen, auf dem man was aufbauen kann.
Vielleicht kannst du durch mehr Übung, positives Feedback von anderen, wieder mehr Vertrauen in dich aufbauen.
Von jetzt auf heute würde ich nicht alles hinschmeißen, wenn du nicht so stabil und außer Übung bist. Aber mal wieder reinschnuppern, dich ein bisschen herausfordern, schauen, wie du tatsächlich mit den möglichen Triggern zurechtkommst, wäre vielleicht ein guter Startpunkt.

Liebe Grüße,
DieNeue
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe (Die)Neue,
was spricht denn dagegen, einfach mal in einer Musikschule ein paar Gesangsstunden zu nehmen?
ich hab sogar neulich überlegt, mal meine alte Gesangslehrerin zu kontaktieren (falls es nicht besser wird). In den letzten Wochen ist mir nämlich bewusst geworden, dass doch deutlich mehr als die o.g. 5-10% fehlen. Ich glaube, das ist eine Kombination von psychischen Verspannungen (nicht locker lassen, Hemmungen heben) sowie langfristigem (und teils akutem) psychischem Stress inkl. Schlaflosigkeit (im Laufe dieses Jahres hatte ich viele Alltagssituationen, wo 24 Stunden sogar meine Sprechstimme fast ganz weg (extrem heiser) war. Dass ich überdies "aus der Übung" bin, stimmt auch. Gesang ist eine ganzkörperliche Angelegenheit und es sind viele Muskel und unbewusste Automatismen beteiligt, die jemand, der sein Leben lang täglich frei von der Leber weggesungen hat (wie ich als 20 jähriger, ob unter der Dusche, im Auto, im Gospelchor oder im eigenen Tonstudio) für selbstverständlich angesehen hat.

Dann kam mir aber wieder ein wichtiger Gedanke, den ich aktuell ein bisschen kultivieren möchte: Es erst mal SELBST versuchen. Klar, ist ein Feedback einer erfahrenen Gesangslehrerin von außen besser. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie nicht viel mehr dazu wird sagen können, als ich EIGENTLICH selbst schon weiß. Dass es etwas mehr Verbindlichkeit mit sich bringen würde, hätte etwas für sich.
Vom Kopf her weiß ich ganz gut, "wie Singen funktioniert" und kenne darüber hinaus meinen Körper auch ganz gut... nur ist es (durch den großen zeitlichen Abstand) zu einem "Fremdkörper" geworden, mit jedem weiteren ungesungen Tag, Monat, Jahr...

Jetzt - ÜBERRASCHUNG, und MAL was Positives von mir - nachdem ich es vorgestern geschafft hatte, den Raum, wo ich i.d.R. Musik mache, in einem Kraftakt von "Fast-Messie"-Zustand, auf "fast schon ordentlich" aufzuräumen und sich dabei u.a. die Quadratmeterfläche betretbaren Geländes vervielfacht hat, und man nun wieder "seinen Blick schweifen" lassen kann, nahm ich gestern Abend zum ersten mal seit ... äh... 2 Jahren?!? ... wieder meine Gitarre in die Hand, zog neue Saiten auf, während ich meine Lieblingssongs von früher hörte (was schwer war, denn auch diese triggern heftig, waren GENAU diese mit soooooo viel Hoffnung verbunden, die Jahre später ad absurdum geführt wurden). Als die Gitarre besaitet war, spielte ich mit zu den Songs, und - sei's drum - sang mit... vorsichtig, leise... bzw. erst summte ich mit, machte Aufwärm- und Einsingübungen... ganz viele Töne brachen weg... egal, ich machte weiter... nach 1 Stunde hatte meine Stimme merklich "genug" und brauchte Feierabend... ABER am Ende dieser Stunde traf ich sogar den ein oder anderen Ton wieder, und ich fühlte mich körperlich irgendwie "freier".

Ich will mich da nicht zu früh freuen. Es wäre wirklich traurig, wenn meine gesamte obere Oktave nicht mehr zu retten wäre (Falsett, da komm nur noch heiße Luft und Gekrächze, dabei war das früher eine meiner großen Stärken und kommt doch in sehr vielen meiner Songs vor), aber das spontane Singen gestern hat erst mal tendenziell eher gut getan. Vielleicht bin ich wirklich nur ein bisschen "eingerostet", es kommt - wenn es kommt - sicher nicht von heut auf morgen wieder... aber mit viel Glück und Geduld wird's ja vielleicht etwas.
Du bist mittlerweile ja nicht nur älter geworden, sondern auch reifer und weiser.
Hhm, würde ich nicht direkt unterschreiben. Nach 10 Jahren Depressionen, also damals mit 30, ja, da fühlte ich mich auf dem Status, als ich mich noch so fit fühlte, dass ich wie Phönix aus der Asche einen fulminaten Neustart hinlegte - bevor von extern die totale Katastrophe kam.
Heute hingegen, fühle ich mich nicht gerade "weiser" (da ist in den letzten 10 Jahren nix dazugekommen), sondern vor allem "sehr viel schwächer", das ist das Gefühl, das überwiegt.
Ich kann verstehen, dass es viele Triggergefahren gibt, wenn du dich wieder auf das Thema "Musik" einlässt. Es schmerzt einfach zu sehen, was man früher konnte und was jetzt noch davon übrig ist.
Das ist sehr, sehr treffend. Jetzt weiß ich nicht genau, wie das bei dir mit dem Klettern war, aber ich weiß nicht, ob ich für mich veranschlagen kann, es "immer wieder versucht" zu haben. Stattdessen hab ich es eher "immer wieder aufgeschoben" oder die wenigen Male, die ich es versucht hab, kamen ganz destruktive Umstände dazu. Es hält mich seit Jahren am Leben, dass ich mir sage, EINES TAGES mach ich das alles noch, daran klammere ich mich... und zeitgleich sehe ich, wie Zeitgenossen um mich herum ihre Gesundheit verlieren usw... und mir ist schon seit Jahren bewusst, dass die "Uhr tickt".
Ich hab mich schon des öfteren engagiert, und meine Zeit, mein Wissen und meine Begabung in Musikprojekte anderer Musiker gesteckt, während ich mich für die eigenen Projekte zu schwach fühlte.
Das mit dem Triggern stimmt wirklich, auch wenn "Neid" aufkommt, wenn man heute 20-Jährigen begegnet, die mehr Unterstützung bekommen und ihren Traum leben dürfen. Und wenn man dann als "alter Sack" unter ihnen komisch angeguckt wird. Das lässt sich halt nicht vermeiden. Aber dann möchte ich WENIGSTENS, dass meine Leistung noch stimmt, bzw. ich Songs präsentieren kann, wie ich sie vor 20 Jahren (für mich) geschrieben hab. Ich wollte sie immer aufnehmen, denn mein Credo war: Emotionen, die EINMAL auf Band sind, kann dir nie mehr jemand wegnehmen (deswegen arbeite ich lieber projektbezogen, wo man alle paar Wochen/Monate etwas "im Kasten" hat, statt jahrzehntelang an derselben Sache zu forschen), und diese alten Songs, die einfach TEIL MEINER SEELE sind, die SIND nun leider noch nicht "im Kasten", aber sie wollen dahin. Da wünsche ich mir einfach, dass es damit nicht zu spät ist.
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe Gertrud,
du sprichst gleich zu Beginn eigentlich mehrere Sachen in einem Atemzug an. Das möchte ich mal etwas aufdröseln:
Was das Aussehen angeht, da können doch (zumindest für die Bühne) Profis etwas basteln.
Das hab ich sogar schon gemacht. Oft und für längere Zeit. Nun ist es aber erstens nicht so, dass ich auf der Bühne "eine Rolle spielen" wollen würde, die ich nicht bin, sondern dort möglichst "authentisch" sein will. Und zweitens fängt man ja nicht gleich auf dem größen Broadway oder in einer Las-Vegas-Show an, sondern "tingelt" anfangs (und die meisten von uns auch ewig, sogar die großen Stars) in sehr kleinen, persönlichen Settings.
Soll heißen, ich bin nicht Michael Jackson oder Elvis, den nach der Show eh keiner zu Gesicht bekommt, sondern zu einem Großteil seines Publikums hat man persönlichen Kontakt davor und danach. Und das ist auch gut so.
Als ich jedoch versuchte, da "durch Profis etwas basteln zu lassen", irritierte das die Menschen, die mich danach auch abseits der Bühne kannten, umso mehr. Und man bekommt schnell das Stigma "unehrlich" zu sein, anderen "falsche Tatsachen vorzuspiegeln"...
Und als Komponist ist das nicht vordergründig notwendig, top wie ein junger Hüpfer auszusehen.
Es ging nie um "junger Hüpfer", sondern um einfach so natürlich aussehen, dass die anderen nicht 100% der Zeit durch den optischen sehr prägnanten Makel abgelenkt werden und gar nicht mehr der Musik zuhören können.
Und sicher macht dir die Depri die Wahrnehmung etwas trüber oder ungünstiger.
Hier waren Ursache und Wirkung andersherum. Dass diese Entstellung auftrat und (gegen meinen ausdrücklichen Willen!) falsch behandelt wurde (man hätte es EINFACH vermeiden können, aber ich saß am kürzeren Hebel), das war damals der allererste Auslöser meiner Depressionen überhaupt.
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, unverbindlich dich mit jemandem zusammen zu tun, mal ein modernes Tonstudio mit nutzen zu können oder mal anzugucken?
Hab ich mehrfach hinter mir. War jedes Mal verlorene Zeit, verlorenes Geld, und v.a. verlorene Nerven. Was im Amateur (aber auch im Profi-)Musikbereich teilweise für Pappnasen herumlaufen, richtig kaputte Leute, die aber keine (wahrnehmbaren) Depressionen haben, sondern sich für den ganz tollen Hecht halten, da fasst du dir an den Kopf. Ein Kuriositätenkabinett. Nein, da mach ich wirklich lieber allein weiter. Ich kenn ja ein paar Musiker, hatte ja auch eine Band, bevor alles auseinanderbrach. Aber so Leute, mit denen es stimmt, sind echt sehr selten zu finden. (Und auch ggü. diesen gilt, was ich oben schon geschrieben hatte wegen äußerlich unabänderlichem Makel... ernst genommen, respektiert zu werden... und schon beim Vorsingen (das Auge isst mit)... ich bin u.a. genau aus diesem einzigen Grund (obwohl die Leistung stimmte) mal aus einem Casting geflogen, zu dem ich mich doch mal überwunden hatte (Produzent: "Sowas will doch auf der Bühne niemand sehen"). Manche empfahlen mir mal "The Voice", weil das "Blind Auditions" sind, aber "blind" ist es ja auch nur für die paar Juroren. Am Bildschirm würde einen dann ja doch wieder ein Millionenpublikum sehen.

(Ich muss gerade mal eine Pause machen, gehe auf den Rest später ein)
Suchende2
Beiträge: 1214
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Nowwhere Man,

zu dem, was Du geschrieben hast, sind mir ein paar Sachen eingefallen, die die Anderen zum Teil bereits geschrieben haben.
Die Stimme verändert sich im Laufe des Lebens. Das ist normal.
Einen Teil Deiner Stimme kannst Du bestimmt durch üben und Gesangsunterricht zurückholen.
Hast Du Dir schon mal Lieder von Sängern in deren unterschiedlichen Alter angehört?
Manchmal findet man die Version des jungen Sängers richtig gut. Und wenn man dann 30 Jahre später dasselbe Lied vom gleichen Sänger wieder hört, ist es zum Teil noch besser, da es dann, wohl durch die Lebenserfahrung, mehr Tiefe in Stimme hat. Eine Stimme mit einem etwas kleinerem Umfang muß nicht nur schlecht sein.
Natürlich muß man dem Alten nachtrauern, aber in der Trauer über was nicht mehr geht hängenzubleiben, hilft Dir nicht auf Deinem Weg in die Zukunft. Ich wünsche Dir, daß Du einen guten Weg für Dich und Deinen Schmerz findest.

Dann ist da noch Dein Problem mit dem Aussehen. Ich stimme Dir zu, daß man auf der Bühne nicht verkleidet sein sollte, wenn man sich dann nicht wohl fühlt. Da Du nichts genaues geschrieben hast, ist es hier schwierig Dir Vorschläge zu machen. Das man zum Beispiel mit Schminke einiges hinbekommt, weißt Du sicherlich. Wie sieht es mit einen Markenzeichen / Eyecatcher in Form von Kleidung aus, das ablenkt. Das könnte ein Hut, ein besondersfarbiges Hemd, ... sein.

Zudem ist mir noch etwas aufgefallen. Du hast in sehr kurzer Zeit sehr viele Themen hier im Forum eröffnet. Ich kenne es aus meinen schlechtesten Phasen, wenn alles dringend ist und ich nicht in der Lage bin, zu Priorisieren. Ich nehme an, Dir geht es zur Zeit genauso. Allerdings habe ich die Befürchtung, daß Du aufgrund der Masse an gleichzeitigen Themen im Forum und in der Therapie, eventuell den einzelnen Themen nicht gerecht werden kannst. Ich hoffe, daß ich mit meiner Befürchtung unrecht habe und wünsche Dir, daß bei Dir der Druck der Themen ein wenig nachläßt.

Alles Gute,
Suchende
EverDream
Beiträge: 1
Registriert: 27. Apr 2021, 16:49

Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von EverDream »

hallo ... ich hab hier bisher noch nichts geschrieben, aber ich möchte dazu jetzt etwas los werden, weil ich ein paar (winzig) kleine parallelen sehe.

ich habe auch keinen mut zu irgendwas, aber ich glaube, ich hatte ihn nicht mal "damals".
du hast diese ganzen "schätze" noch (über 1000 ideen? davon kann ich nur träumen). vielleicht erfüllt es dich momentan nicht, aber alleine, etwas zu haben, woran man sich festhalten kann ... und auch überhaupt zu wissen, dass man es kann ...
... okay, dann sind vielleicht ein paar register kaputt, aber was ist mit den anderen fünf millarden sachen, die du noch kannst?! diese wiegen doch so viel mehr. alleine schon, dass du das alles im jugendalter gelernt hast und dann auch nicht nur so: "naja, bisschen klimpern und voila", sondern ... SO VIEL, einfach SO VIEL, ALLES.

ich war mit 16 schon depressiv und bin nie dazu gekommen, irgendwas zu lernen. irgendwas. nix. ich hab's versucht, mit anfang 20 klavier und mit 32 mit gitarre, aber es ist zu spät. ich weiß nicht, warum ich es überhaupt noch versuchen sollte, der zug ist abgefahren. aber deiner nicht, er steht vielleicht auf dem abstellgleis, aber wenn er wieder fit genug ist, kann er los fahren und andere leute wie ich trotteln hinterher und winken. (:

damit möchte ich deine sorgen keinesfalls schlecht reden oder widerlegen. es ist nur mal eine andere perspektive.

"einfach mal gesangsstunden nehmen" wurde ja schon gesagt, das hatte mir meine therapeutin auch schon gesagt, aber mir fehlt dazu der glaube (an mich selbst), den du ja glücklicherweise noch hast, von daher fände ich das auch eine sehr gute idee.
und zum thema öffentlichkeit/zeigen: mich würde es nicht wundern, wenn jemand mit "äußerlichem makel" (ich gebe das jetzt nur so wieder) gerade auf so plattformen wie youtube & co. viral gehen würde. ob man das dann will, ist die andere sache ... natürlich kann auch einfach gar nichts passieren oder man wird runter gemacht, aber die gefahr gibt es ja überall ... also egal ob im "echten" leben oder im internet. da ist die frage, wie viel man aushalten kann.

ich wollte eigentlich gar nicht so viel schreiben. als außenstehende sagt sich das sowieso immer alles so leicht ... ich hatte auch schon mal die idee, musik einfach ohne gesicht hochzuladen, gibt ja genug, die das machen. was das am ende bringen soll? keine ahnung, aber besser irgendwas tun, als nichts zu tun?


und jetzt ist mir hierzu noch etwas eingefallen:
Hier waren Ursache und Wirkung andersherum. Dass diese Entstellung auftrat und (gegen meinen ausdrücklichen Willen!) falsch behandelt wurde (man hätte es EINFACH vermeiden können, aber ich saß am kürzeren Hebel), das war damals der allererste Auslöser meiner Depressionen überhaupt.
bitte nicht böse sein wegen der frage bzw. wenn es nicht zu beantworten ist, ohne zu viel zu sagen, dann ignoriere es einfach, aber:
könnte man das dann heute nicht mehr "fixen"? oder scheitert es an den kosten?
there's no chance for us
it's all decided for us ...
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe Suchende,
Suchende2 hat geschrieben:Zudem ist mir noch etwas aufgefallen. Du hast in sehr kurzer Zeit sehr viele Themen hier im Forum eröffnet. Ich kenne es aus meinen schlechtesten Phasen, wenn alles dringend ist und ich nicht in der Lage bin, zu Priorisieren. Ich nehme an, Dir geht es zur Zeit genauso. Allerdings habe ich die Befürchtung, daß Du aufgrund der Masse an gleichzeitigen Themen im Forum und in der Therapie, eventuell den einzelnen Themen nicht gerecht werden kannst. Ich hoffe, daß ich mit meiner Befürchtung unrecht habe und wünsche Dir, daß bei Dir der Druck der Themen ein wenig nachläßt.
Ich bin ja gerade aufgrund der Masse von Themen parallel zur Therapie auch hier. In der Therapie müssen wir stark priosieren. Und andere Themen liegen dann auf Eis. Ich halte meine Therapeutin für sehr umsichtig und super strukturiert, aber „zaubern“ kann sie auch nicht, und nicht plötzlich 10-mal so viel Zeit haben, als uns zur Verfügung steht. Da werden Themen manchmal im Vorfeld geplant, dann und dann anzugehen, dann kommt eine sehr akute Krise mit wieder einem anderen Thema dazwischen. Sie hat das alles im Blick, aber man kann sich eben nicht zerreißen. Heute werde ich meinen nächsten Termin bei ihr haben, wo wir endlich ein Thema angehen wollen, welches sehr wichtig (aber – für sich genommen – nicht sehr dringend) ist, und das wir jetzt schon seit 1 Jahr immer wieder aufschieben.

Das mit den vielen (7-8, gefühlt eher 12) Großbaustellen gleichzeitig ist bei mir leider schon ein Dauerzustand seit vielen Jahren. Es ist wie ein Waldbrand, der dich von allen Seiten gleichzeitig umkreist, und man weiß nicht, wo man anfangen soll zu löschen. (Etwa die Hälfte der ungelösten Probleme hab ich noch gar nicht angesprochen.( Es ist also nicht nur eine Phase, in der es mir sehr schlecht geht, sondern vielmehr eine sehr viele Jahre bestehende Dauerkonstellation, wo ich trotz großen Bemühens in mehreren noch nicht gelösten Zwickmühlen stecke. Das heißt nicht, dass es mir – wie in deinem Falle, wenn so vieles gleichzeitig ist – nun über viele Jahre Tag für Tag ganz besonders schlecht geht, aber es ist schon ein Dauerzustand, mit so vielen Brandherden, dass ich tatsächlich zu 90% der Zeit (also auch, wenn es mir mal nur mittelschlecht geht) Tag für Tag „auf der Kippe“ stehe, in diesen Problem abzustürzen. Über Jahre (eigentlich seit 2012 ohne ein einziges mal mehr als 5-6 Tage Durchatmen) ist das schon zermürbend.

Ich selbst bin ohnehin ein Mensch, der sich am besten stark auf eine Sache konzentrieren kann (also darin tief abtauchen und früher dann auch erstaunliche Ergebnisse hervorbrachte), aber auch in der Therapie müssen wir jedesmal sehr gründlich ein Thema rauspicken, um uns nicht zu verzetteln.

Wenn ich aber immer nur jeweils ein Problem angehe, warten die anderen Probleme nicht und brechen früher oder später umso stärker über mich herein. Andersherum sich parallel mit mehreren Baustellen zu befassen, ist jeweils ein Tropfen auf den heißen Stein (oder den Waldbrand, um bei der Metapher zu bleiben).
Suchende2 hat geschrieben: Dann ist da noch Dein Problem mit dem Aussehen. Ich stimme Dir zu, daß man auf der Bühne nicht verkleidet sein sollte, wenn man sich dann nicht wohl fühlt. Da Du nichts genaues geschrieben hast, ist es hier schwierig Dir Vorschläge zu machen. Das man zum Beispiel mit Schminke einiges hinbekommt, weißt Du sicherlich. Wie sieht es mit einen Markenzeichen / Eyecatcher in Form von Kleidung aus, das ablenkt. Das könnte ein Hut, ein besondersfarbiges Hemd, ... sein.
Das ist ja nicht nur auf der Bühne ein Problem, denn wie schon gesagt, die allerwenigsten von uns (sogar noch weniger, als man als Außenstehender im Showbiz wahrnimmt), machen von 0 auf 100 eine Karriere, wo sie sofort unantastbar auf großen Bühnen sind und ihr Privatleben komplett von Fans abschotten. (Da will und kann und konnte und wollte ich auch nie hin).
Genau so belastet es mich seit 22 Jahren (also die ganze Persönlichkeit, den Lebensweg prägend) natürlich auch im Privaten, abseits von Bühnen, weil ich dort dieselbe Person bin.

Was dabei „maskenbildnerisch“ im Rahmen des Machbaren ist (privat und auf der Bühne) hab ich bis zum Exzess inzwischen durch, über viele Jahre. Alltagstauglich ist es das einfach nicht. Zu dem speziellen Thema kann mir auch keiner mehr was erzählen, da behaupte ich in 22 Jahren „alles“ zu kennen und schon alles probiert zu haben. Das stößt, wenn es doch mal rauskommt, was unvermeidbar ist, spätestens, wenn man Menschen näher kennenlernt, nur auf Unverständnis und krasse Stigmatisierung und Schubladendenken, selbst bei Menschen, die man ansonsten als richtig, richtig gute Charaktere eingeschätzt hatte.

Sogar das mit der stark ablenkenden Kleidung hab ich sogar lange Zeit praktiziert, aber erstens gab das in 90% nur negatives Feedback, sodass sich das Problem also nur verlagert/verstärkt hat, und die anderen 10% (positiven) waren durch die Kleidung so abgelenkt, dass ihnen meine Musik (für die ich lebe) dann wiederum komplett egal war :( … und ich nicht als Singer-Songwriter wahrgenommen wurde, sondern als der Freak mit dem komischen Outfit.
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe EverDram,
ich finde es sehr gut, dass du schreibst, auch in diesem Umfang (den du nicht wolltest, passiert mir auch immer ;)), und dass wir ein paar "winzige" Parallelen haben.

Deine Perspektive ist interessant und die muss ich auch mal verdauen, also von jemandem, der das, was ich "kann" oder "habe" als viel ansieht und da gern tauschen würde. Von Außenstehenden (also Leuten, die z.B. GAR keinen Draht zum aktiven Musikmachen haben) hab ich das auch schon oft gehört, wenn ich mal irgendwo etwas zum Besten gebe, was qualitativ bei 5% "meiner Ansprüche" liegt... Klar, "Ansprüche runterschrauben" ist da immer schnell gesagt. Aber ich hab schon so oft ein bisschen "Trallallala" auf der Bühne gemacht, Leute "beschallt", und dann wird man damit identifiziert, und das ist so weit weg von dem, was ich eigentlich immer machen wollte (aber besser als nix, um zumindest nicht - zusätzlich - so aus der Übung zu kommen, wie in den letzten Jahren bei mir)
EverDream hat geschrieben:alleine schon, dass du das alles im jugendalter gelernt hast und dann auch nicht nur so: "naja, bisschen klimpern und voila", sondern ... SO VIEL, einfach SO VIEL, ALLES.
Na ja, so wirklich "gelernt" hab ich nix davon, und erst recht nicht im Jugendalter. Wenn ich Mitschüler sehe, die wie selbstverständlich seit dem 5. Lebensjahr Klavier und Geige spielen und mit den Eltern von Kleinauf in Symphonien waren..... ich finde immer, ich bin in der unmusikalischsten Familie der Welt aufgewachsen. Da meine Eltern viele Geschwister haben, die ihrerseits viele Kinder haben, ist die Verwandtschaft riesig. Und bis auf eine Ausnahme (20 Jahre vor mir) hat von diesen 70 Leuten kein einziger auch nur ansatzweise etwas mit Musik, Bühne, Schauspiel, Kultur zu tun... die eine Ausnahme hingegen galt in der Familie immer als "abschreckendes Beispiel", weil sie alles auf die Musik gesetzt hat statt die Ausbildung fertig zu machen, und damit groß gescheitert ist.

Daher war es von der ersten Note an, die ich gesungen hab (und mein Herz zum schwingen brachte), in meinem Elternhaus ein ROTES TUCH, und es wurde keine Gelegenheit ausgelassen, mir jede meiner Bestrebungen madig zu machen.

Da ich eben NICHT von kindauf die Instrumente gelernt habe und auch heute noch nicht "in Echtzeit" Noten lesen kann (zwar nach und nach und dann auswendig spielen), gab es - vom Widerstand der Eltern mal ganz abgesehen - für mich auch nie die Option Musik zu studieren, weil man da bereits zum Anfang diese "Grundlagen" mitbringen muss, und zwar flüssig, wie man auf der Schule Lesen und Schreiben lernt.
mit anfang 20 klavier und mit 32 mit gitarre, aber es ist zu spät.
Es ist immer die Frage, was bzw. welche Methode man lernt, mit welcher Zielsetzung. Mir brachte damals jemand in einer Jugengruppe innerhalb von 2 Nachmittag alles bei, worauf ich dann später für mich selbst - autodidaktisch - aufbaute. Und für (improvisierte) Liedbegleitung und Zusammenspiel in der Band, ist das optimal. Ich erinnere mich an einen bunten Abend, wo ich unter Leuten saß, die fertig ausgebildetet Kirchenorganisten waren und quasi von Geburt an ihre klassischen Etüden hoch und runter spielten. Ich hatte ein Akkordbuch mit zum gemeinsamen Singen, Pop und Rocksongs, und diese "Profis" wussten nichts damit anzufangen... bis ich schüchtern fragte, ob ich mich mal ans Klavier setzen kann. Und mit immer den gleichen 3 Griffen (die man wie gesagt an 2 Nachmittagen quasi lernen kann) sangen wir bis tief in die Nacht. Manche fragten mich, wo ich denn die "Noten" dazu hab... ich sagte nur, ich kann überhaupt keine Noten.

Was ich sagen möchte: Wenn man (da kann ich nur für Klavier und Gitarre reden) als Erwachsener das "klassisches Schema F" lernen möchte, kann das sehr schwer und mühselig werden, oft brechen Leute ab, weil sie einfach nicht so viel Freizeit investieren können und anders herangehen, als ein 6-jähriges Kind, für das es wie Lesen und Schreiben lernen ist (nur mit mehr Spaß). Auf der anderen Seite kenn ich aber viele Leute, die sich zu verkrampft an Noten halten, weil sie davon "abhängig" sind, und nie eine andere herangehensweise gelernt haben.

Ist natürlich auch immer ein bisschen talentabhängig, und vieles, was ein 6-jähriger bereits in seinem 1. Jahr spielt, werde ich auch niemals können. Will ich aber auch nicht. Ganz anderes Einsatzgebiet, andere Musikrichtung. Viele Musiker, die seit 50 Jahren Weltstars sind (und richtig gute Kompositionen abliefern), können bis heute kaum bis keine Noten lesen.

"einfach mal gesangsstunden nehmen" wurde ja schon gesagt, das hatte mir meine therapeutin auch schon gesagt, aber mir fehlt dazu der glaube (an mich selbst), den du ja glücklicherweise noch hast, von daher fände ich das auch eine sehr gute idee.
An deiner Stelle würde ich dann vielleicht eine Stufe tiefer ansetzen, die mir (bis auf die Ausnahme neulich, von der ich schrieb) im Alltag z.B. fehlt. Wenn dein Umfeld es zulässt (also wenn du z.B. allein wohnst) einfach mal schöne Musik anmachen und mitsingen, egal wie es klingt. Und Spaß haben. Oder unter der Dusche, im Auto, falls vorhanden... einfach so... das ist schon mal viel mehr, als gar nicht zu singen.
und zum thema öffentlichkeit/zeigen: mich würde es nicht wundern, wenn jemand mit "äußerlichem makel" (ich gebe das jetzt nur so wieder) gerade auf so plattformen wie youtube & co. viral gehen würde. ob man das dann will, ist die andere sache ...
Genau, der letzte Punkt ist ganz wichtig. Ich wurde schon im Privatleben auf dem Unicampus, auf Feiern, beim Gang durch die Fußgängerzone deswegen schon so oft ausgelacht und verspottet, dass ich das nicht zusätzlich "viral" haben möchte... Eher könnte ich mir vorstellen, z.B. einen Zeichner zu engagieren, der animierte Charaktere mit meiner Stimme singen lässt. Aber das wäre alles soooooo aufwändig. Ich möchte doch einfach NUR die Kamera anmachen, meine Gitarre rausholen und singen, wie andere auch.
ich hatte auch schon mal die idee, musik einfach ohne gesicht hochzuladen, gibt ja genug, die das machen. was das am ende bringen soll? keine ahnung, aber besser irgendwas tun, als nichts zu tun?
Das stimmt schon. Wird für mich auch der erste Schritt sein. Besser als nix. Aber dafür muss ich den Schritt zurück in die Musik erst mal schaffen.

bitte nicht böse sein wegen der frage bzw. wenn es nicht zu beantworten ist, ohne zu viel zu sagen, dann ignoriere es einfach, aber:
könnte man das dann heute nicht mehr "fixen"? oder scheitert es an den kosten?
Leider kann man das nicht. Selbst nicht, wenn ich Millionär wäre. Schwer vorstellbar? Wo man als nicht-Betroffener denkt, hey, man kann doch heutzutage "alles" fixen. Neue Nase für soundsoviel, falsche Brüste für soundsoviel, sogar vollständige Geschlechtsumwandlungen... alles eine Frage des Geldes... denkste.

Ich hab mich über meine Lage sehr lange informiert, und Fakt ist, dass man es HEUTE nicht (mehr) fixen kann, selbst wenn ich Milliardär wäre. Es gibt eine winzige Möglichkeit (Chance vielleicht 10%), durch starke Medikamente (x-fach höher dosiert, als ursprünglich gedacht) plus mehrjähriger Vorbereitung plus DANACH (nach Jahren) mehrerer teurer OPs (die rund 35.000 € kosten würden, wofür ich sogar bereit wäre Kredite aufzunehmen) ein Ergebnis erzielen kann, welches nicht "schön", aber vielleicht so weit akzeptabel ist, dass man sich nicht mehr komplett entstellt fühlt, wie in den 22 Jahren seiner "besten Zeit", die einem eh niemand mehr zurückbringt. Dieser (mäßige) Wiederherstellungsprozess würde für sich schon ca. 4 Jahre dauern.
DieNeue
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Nowhere Man,

erstmal zur Vorwarnung: Was ich dir schreibe, hört sich teilweise vielleicht hart an, aber es ist überhaupt nicht böse gemeint.
Nowhere Man hat geschrieben: und es wurde keine Gelegenheit ausgelassen, mir jede meiner Bestrebungen madig zu machen.
Ich habe gerade deine letzten Beiträge gelesen und habe langsam den Eindruck, dass du dir jede deiner Bestrebungen auch selbst madig machst. Auf alles, was man dir rät, kommt die Antwort "Aber früher war ich viel besser."
Vom rumsitzen und schreiben, wie krächzig deine Stimme mittlerweile ist, wird sie aber auch nicht geschmeidiger.
Nowhere Man hat geschrieben: hält mich seit Jahren am Leben, dass ich mir sage, EINES TAGES mach ich das alles noch, daran klammere ich mich... und zeitgleich sehe ich, wie Zeitgenossen um mich herum ihre Gesundheit verlieren usw... und mir ist schon seit Jahren bewusst, dass die "Uhr tickt".
Wann ist denn "eines Tages"? Wenn du gar keinen Ton mehr rausbringst? Wenn du nur noch im Altersheim deine Mitbewohner mit ein paar Ständchen aufmuntern kannst?
Wenn deine Finger wegen Gicht oder sonst einer Krankheit gar nicht mehr beweglich sind und das einzige, was du am Klavier noch tun kannst, ist, den Deckel rhythmisch auf- und zuzuklappen?
Ich denke, es bringt nicht viel, wenn du jetzt deine ganze Karriere im Voraus komplett planen willst. Das Leben ist nicht immer planbar und mit der Erwartung, dass du "eines Tages" irgendwas machst, blockierst du dich zu einem Teil auch selber.
Was ich im Lauf meines Lebens durch meine Depressionen gelernt habe, ist, dass man das Leben oft Schritt für Schritt leben muss und das oft auch heißt, dass man einen Schritt gehen muss, ohne zu wissen, wie der zweite aussieht. Das ist oft alles andere als einfach und macht Angst, nimmt aber gleichzeitig auch den Druck raus, dass man immer alles unter Kontrolle haben muss. Und ist manchmal auch spannend, wo einen das Leben hinführt.
Nowhere Man hat geschrieben: nahm ich gestern Abend zum ersten mal seit ... äh... 2 Jahren?!? ... wieder meine Gitarre in die Hand, zog neue Saiten auf, während ich meine Lieblingssongs von früher hörte (was schwer war, denn auch diese triggern heftig, waren GENAU diese mit soooooo viel Hoffnung verbunden, die Jahre später ad absurdum geführt wurden). Als die Gitarre besaitet war, spielte ich mit zu den Songs, und - sei's drum - sang mit... vorsichtig, leise... bzw. erst summte ich mit, machte Aufwärm- und Einsingübungen... ganz viele Töne brachen weg... egal, ich machte weiter... nach 1 Stunde hatte meine Stimme merklich "genug" und brauchte Feierabend... ABER am Ende dieser Stunde traf ich sogar den ein oder anderen Ton wieder, und ich fühlte mich körperlich irgendwie "freier".
Das ist doch schon mal ein guter Anfang! Auch wenn es dich traurig macht oder du mal weinst beim Spielen, weil es schwer ist sich an früher zu erinnern, denke ich, dass du durch die Musik deine Gefühle ausdrücken kannst und du dadurch vielleicht auch einiges verarbeiten kannst. Von daher möchte ich dich ermutigen, da weiterzumachen. Du schreibst auch, dass du dich am Ende körperlich freier gefühlt hast. Vielleicht ist das wirklich eine Ressource, die du auch dazu nutzen kannst, dass es dir psychisch und körperlich wieder besser geht.
Vielleicht kannst du auch die Geschichte mit deiner Ex-Freundin in ein Lied packen oder andere Themen, die dich beschäftigen.
Vielleicht bekommst du dadurch auch wieder mehr Energie für andere Sachen.

Aber das kann man auch nicht alles im Detail planen. Ich denke, wichtig ist, anzufangen und zu machen, sich drauf einzulassen und neugierig zu sein, was dann passiert und wohin es dich führt.
Ich weiß, lieber nicht zu früh freuen, die Depression macht einem ja oft einen Strich durch die Rechnung, kenne ich nur zu gut. Aber es ist doch gut, dass es dir danach besser ging. Bei mir war das nie mehr der Fall, ich war danach eher ausgelaugt und depri.

Das mit deiner früheren Gesangslehrerin finde ich eine gute Idee.

Was mir meine Betreuerin mal noch gesagt hat, als ich recht niedergeschlagen war, wenn ich an früher dachte, war, dass es auch normal ist, dass man immer mal wieder melancholisch wird, wenn man an seine Jugend denkt. Es ist einfach eine Zeit, die nicht mehr zurückkommt. Damit will ich nicht sagen, dass du nur deiner Jugend nachtrauerst wie alle anderen auch und es deshalb nicht so schlimm ist, sondern dass es ein Stück weit nicht nur darum geht, dass du oder ich unser Leben an die Wand gefahren haben, sondern dass es einfach auch normal ist, der Zeit
nachzutrauern und das auch eine Aufgabe ist, die nicht unbewältigbar ist. Ich fand das beruhigend, dass auch Normalos da durchmüssen und es nicht nur an mir oder meiner Krankheit liegt.

Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen weiter.

Liebe Grüße,
DieNeue
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

DieNeue hat geschrieben:Auf alles, was man dir rät, kommt die Antwort "Aber früher war ich viel besser."
Das ist jetzt aber wirklich zu stark vereinfacht. Mit der Einstellung bräuchte man so gar nicht mehr an sich zu arbeiten.
Vom rumsitzen und schreiben, wie krächzig deine Stimme mittlerweile ist, wird sie aber auch nicht geschmeidiger.
Nowhere Man hat geschrieben: hält mich seit Jahren am Leben, dass ich mir sage, EINES TAGES mach ich das alles noch, daran klammere ich mich... und zeitgleich sehe ich, wie Zeitgenossen um mich herum ihre Gesundheit verlieren usw... und mir ist schon seit Jahren bewusst, dass die "Uhr tickt".
Wann ist denn "eines Tages"? Wenn du gar keinen Ton mehr rausbringst? [...]
Ja, das ist doch genau, was ich meinte. Ich sitze halt nicht blöd rum und tu nichts, sondern verheize im Gegenteil meine sämtlichen Kapazitäten für Dinge, die (gerade) "dringender" sind, und das ist irgendwie ein Fass ohne Boden. Das merke ich selbst. Es brennt an allen Enden, und ich muss zugeben, dass ich auch nie (für mich) diese Rechtfertigung gelernt habe, dass Musik eben AUCH "wichtig" sein darf. Ich sehne mich danach, merke aber, dass ich extrem vom Feedback nicht nur der Eltern, auch der Gesellschaft, von Lehrern, Mitmenschen, Ärzten geprägt bin. Beipsiel: Als ich vor einiger Zeit mein Studium wieder aufnahm (was wirklich 200% meiner geschwächten Zeit erfordert, d.h. ich renne ständig hinterher), und ich zu der Zeit einen Arzttermin hatte, wo er mich fragte, was ich gerade so mache, sagte ich ihm (der sich die Wichtigkeit psychischer Gesundheit sehr auf die Fahnen schreibt), dass ich nach langer Pause mein Studium wieder aufgenommen, aber ingesamt sehr unglücklich sei, keine Musik mehr zu machen (und andere Dinge, die bei mir gerade nicht liefen).

Seine einzige Antwort darauf: "Oh, das ist ja toll, dass es bei Ihnen nun wieder vorwärts geht!". Hat er sicher gut gemeint. Aber für die anderen Bedürfnisse des Leben, wo es nicht um eine bürgerliche Karriere geht, auf dem Ohr stellen sich andere immer taub oder sehen (wie z.B. meine Eltern) diese Dinge sogar als "hinderlich" und zu vermeiden.

Ich bin immer noch in dem Prozess, da für mich selbst einzustehen. Und wenn z.B. harte Zeiten an der Uni sind, wo einem das Lernen und die Hausaufgaben körperlich und mental so aus den Ohren raushängen, und man Tag für Tag über seine Belastungsgrenze geht, benötigt es viel "Vertrauen" darin, ob dieser eingeschlagene Weg denn richtig ist - sagen einem doch alle, ist man etwa der einzige, der das anders sieht? Ist das dann "Faulheit", wenn man statt Uni lieber Musik schreiben und Musicals komponieren würde? Dieses Gefühl möchte ich loswerden...
Ich denke, es bringt nicht viel, wenn du jetzt deine ganze Karriere im Voraus komplett planen willst. Das Leben ist nicht immer planbar und mit der Erwartung, dass du "eines Tages" irgendwas machst, blockierst du dich zu einem Teil auch selber.
Es ist nicht die "Erwartung", dass ich "eines Tages" etwas mache, sondern das (mir) dringende Bedürfnis (vom Bauchgefühl her am liebsten von jetzt auf gleich, aber das wäre unverantwortlich). Ich seh doch selbst, wieviel Zeit ich verliere und es von Jahr zu Jahr schwerer wird.
Nowhere Man hat geschrieben: nahm ich gestern Abend zum ersten mal seit ... äh... 2 Jahren?!? ... wieder meine Gitarre in die Hand, zog neue Saiten auf, während ich meine Lieblingssongs von früher hörte (was schwer war, denn auch diese triggern heftig, waren GENAU diese mit soooooo viel Hoffnung verbunden, die Jahre später ad absurdum geführt wurden). Als die Gitarre besaitet war, spielte ich mit zu den Songs, und - sei's drum - sang mit... vorsichtig, leise... bzw. erst summte ich mit, machte Aufwärm- und Einsingübungen... ganz viele Töne brachen weg... egal, ich machte weiter... nach 1 Stunde hatte meine Stimme merklich "genug" und brauchte Feierabend... ABER am Ende dieser Stunde traf ich sogar den ein oder anderen Ton wieder, und ich fühlte mich körperlich irgendwie "freier".
Das ist doch schon mal ein guter Anfang! Auch wenn es dich traurig macht oder du mal weinst beim Spielen, weil es schwer ist sich an früher zu erinnern, denke ich, dass du durch die Musik deine Gefühle ausdrücken kannst und du dadurch vielleicht auch einiges verarbeiten kannst. Von daher möchte ich dich ermutigen, da weiterzumachen. Du schreibst auch, dass du dich am Ende körperlich freier gefühlt hast. Vielleicht ist das wirklich eine Ressource, die du auch dazu nutzen kannst, dass es dir psychisch und körperlich wieder besser geht.
Ja, ist es, und die ich sogar nutzen "muss", glaube ich. Es rüttelt jedesmal emotional viel in mir wach, weil ich mich da viel mehr "zu Hause" fühle als in allem anderen, was ich (teils widerwillig) mache. Da würde ich am liebsten sofort wieder GANZ in die Musik abtauchen (weil ich keine halben Sachen machen möchte). Meinen Alltag an der Musik ausrichten, auch wenn ich weiß, dass es (hoffentlich nur anfangs/vorübergehend) rein körperlich noch sehr frustrierend sein kann, wieder reinzukommen.
So lang ich meiner - geliebten - Musik immer nur "hinterrenne", hat sie ein großes Potential zu einer "Hassliebe" zu werden, weil das, was ich machen möchte, wie mit der Möhre und dem Esel ist, seit Jahren. Da ist man, wenn überhaupt in dem Übungs-Status, macht 1 Schritt vor und 2 zurück. Ich will da - genau so wenig wie in meinem Studium - durch Rückschläge nicht der "ewige Anfänger" sein. Wie auch im Studium hab ich gelernt, dass "Anfängersein" von der Energie, die man darauf verwendet, zeitlich begrenzt sein muss, und man irgendwann mal eine Stufe weiterkommen sollte, sonst ist nur Frust.
Vielleicht kannst du auch die Geschichte mit deiner Ex-Freundin in ein Lied packen oder andere Themen, die dich beschäftigen.
Ja, genau. Sowieso. Hatte ich glaub ich oben schon geschrieben. Mit keinem anderen Medium (mit Abstand!) konnte ich mich je so gut ausdrücken wie in meinen Songs. Und gerade da habe ich ja (mit 1000 Songideen, die NUR in MIR sind) bzgl. Kommunikation sehr viel in mich hineingefressen. Für mich ver-arbeite ich Themen, über die ich einen Song schreiben. Das ist auf jeden Fall ein therapeutischer Schritt. Es fühlt sich nur so unwirklich an, wenn das ALLES nur "wie eine Phantasie" in mir ist, da platzt man innerlich, oder genauer: Man implodiert unter diesem Druck wie ein Schwarzes Loch unter der eigenen Gravitation. Die Metapher des Schwarzen Lochs passt insofern auch, als dass es (was es einmal geschluckt) hat, nicht mehr nach außen kommunizieren kann. So "einsam" fühlt sich das dann oft an.
Ich denke, wichtig ist, anzufangen und zu machen, sich drauf einzulassen und neugierig zu sein, was dann passiert und wohin es dich führt.
Genau. Ich versuche, jeden Tag aufs Neue, das "unter einen Hut zu kriegen", und z.B. auch Bewegung an der frischen Luft. Das hab ich JAHRELANG nicht getan, nur am Schreibtisch gesessen oder im Bett gelegen. Bin gerade dabei, es als festen Bestandteil des Tages zu etablieren. Musik soll wieder dazukommen. Auch (ein wenig) Sport: Im Sport komm ich sogar damit klar, dass ich mit 20 ziemlich erfolgreicher Läufer war und heute (total untrainiert) nicht ansatzweise(!) so Leistungen bringen kann. Aber es ist Basisarbeit: Extrem langsam eine ganz kleine Runde ist immer noch besser als sich über Wochen und Monate NICHT zu bewegen.
Da sich akut nun auch noch Schlafprobleme geändert haben (ich schlief schon immer schlecht aber normal lang, aber seit 2 Monaten (entweder seit der Covid-Impfung oder dem Beginn des Opipramols) komme ich ohne 14 Stunden Schlaf nicht mehr aus dem Bett. Da ist der Rest des Tages eh schon kurz, und meinem äußerst moralischen "Über-Ich" fällt es schwer, vermeintlich nach dem "Lustprinzip" zu gehen, "was ja immer der leichteste Weg sei", wie sich mein erster Psychologe(!) mal äußerte (in der allerersten Sitzung!!), als er meine Wunsch, lieber Musik zu machen als zu studieren, auf diese Weise abwertete und mich außerdem "wieder auf den Teppich" holen wollte, weil er darauf bestand, dass ich mir nur deswegen "Musik machen" in den Kopf gesetzt hätte, um irgendwie "reich und berühmt" zu werden und ergo "etwas Besseres als die anderen zu sein". Das hatte ich nicht mit einem Wort gesagt und wäre auch niemals meine Motivation gewesen!
... dass es auch normal ist, dass man immer mal wieder melancholisch wird, wenn man an seine Jugend denkt. Es ist einfach eine Zeit, die nicht mehr zurückkommt. [...] Ich fand das beruhigend, dass auch Normalos da durchmüssen und es nicht nur an mir oder meiner Krankheit liegt.
Ja, in gewisser Weise muss da jeder durch. Ich glaube aber schon, dass viele von uns, wenn die Depressionen die Jugend so geprägt haben, dass über weite Strecken ein normales (Aus)leben von sozialen Kontakten, Unternehmungen, Hobbies/Leidenschaften, Liebe, Berufsausbildung etc. nie stattgefunden hat. Dann ist das noch eine andere Weise der Melancholie, glaube ich. Ansonsten stimmt es schon, dass alle Menschen da im selben Boot sitzen und die Zeit nicht zurückdrehen können.
Vor einiger Zeit hörte ich (über Ecken) im Privaten von einem alten Mann, der wusste, dass er bald sterben würde. Und so unausweichlich und traurig das war und er sicher noch lange auf diesem Planeten bleiben wollte, war ein prägender Satz, dass er voller Überzeugung (sinngemäß) sagen konnte: Ich hatte ein erfülltes Leben. Es gibt nichts, was ich wirklich bereue und ich hab alles erlebt, was ich erleben wollte und hab die Welt in meinem Sinne ein wenig mitgestaltet.

So ging er buchstäblich in Frieden (mit sich und der Welt).

So auf sein Leben zurückzublicken zu können, das wünsche ich einfach jedem Menschen. Für mich weiß ich nur, dass sich zumindest die vergangenen 20 Jahre GAR nicht so angefühlt haben, und wenn es ewig so weiterginge, käme mir (wann immer das sein wird) so etwas vermutlich nicht über die Lippen. Das macht mir Angst, noch ist Zeit, und ich weiß dass es in der eigenen Verantwortung liegt, noch richtig abzubiegen.
Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen weiter.

Liebe Grüße,
DieNeue
Das hilft mir alles auf die ein oder andere Weise weiter. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.

Liebe Grüße!
Zuletzt geändert von Nowhere Man am 6. Sep 2021, 13:31, insgesamt 1-mal geändert.
Suchende2
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Nowhere Man,
Nowhere Man hat geschrieben: Ich bin ja gerade aufgrund der Masse von Themen parallel zur Therapie auch hier.
Für mich hört sich dieser Satz so an, als ob wir Deine erweiterte Therapiestunde sind und nicht ein Betroffenen- und damit Selbsthilfeforum. Entschuldige den harten Satz, vielleicht habe ich auch Deinen Satz falsch interpretiert.
Nowhere Man hat geschrieben: Das mit den vielen (7-8, gefühlt eher 12) Großbaustellen gleichzeitig ist bei mir leider schon ein Dauerzustand seit vielen Jahren. Es ist wie ein Waldbrand, der dich von allen Seiten gleichzeitig umkreist, und man weiß nicht, wo man anfangen soll zu löschen. (Etwa die Hälfte der ungelösten Probleme hab ich noch gar nicht angesprochen.( Es ist also nicht nur eine Phase, in der es mir sehr schlecht geht, sondern vielmehr eine sehr viele Jahre bestehende Dauerkonstellation, wo ich trotz großen Bemühens in mehreren noch nicht gelösten Zwickmühlen stecke. Das heißt nicht, dass es mir – wie in deinem Falle, wenn so vieles gleichzeitig ist – nun über viele Jahre Tag für Tag ganz besonders schlecht geht, aber es ist schon ein Dauerzustand, mit so vielen Brandherden, dass ich tatsächlich zu 90% der Zeit (also auch, wenn es mir mal nur mittelschlecht geht) Tag für Tag „auf der Kippe“ stehe, in diesen Problem abzustürzen. Über Jahre (eigentlich seit 2012 ohne ein einziges mal mehr als 5-6 Tage Durchatmen) ist das schon zermürbend.
Nowhere Man hat geschrieben: Wenn ich aber immer nur jeweils ein Problem angehe, warten die anderen Probleme nicht und brechen früher oder später umso stärker über mich herein. Andersherum sich parallel mit mehreren Baustellen zu befassen, ist jeweils ein Tropfen auf den heißen Stein (oder den Waldbrand, um bei der Metapher zu bleiben).
Du siehst, seit Jahren, daß der eingeschlagene Weg Dich weiterbringt, da Du immer nur dabei bist "von einem Brandherd zum anderen zu springen". Habe den Mut, einige oder einen Deiner Brandherde weiterbrennen zu lassen und Dich dafür intensiv und erfolgreich um andere Brandherde zu kümmern. Dann werden eventuell auch die anderen Brandherde automatisch kleiner.
Ein großer Brandherd ist bei mir zum Beispiel die Arbeit. Meine Therapeutin hat aber mit mir besprochen, daß dieser Brandherd, solange ich noch nicht annähernd arbeitsfähig bin, nicht bearbeitet wird. Natürlich poppt das Thema Arbeit bei mir immer wieder auf, aber sie hat Recht. Wenn ich meine anderen Probleme bearbeite habe ich dann eventuell schon einen Teil meiner Arbeitsproblematik gelöst und habe vor allem habe ich dann viel mehr Kapazitäten frei, um mich um dieses sehr wichtige Thema zu kümmern.
Nowhere Man hat geschrieben: Sogar das mit der stark ablenkenden Kleidung hab ich sogar lange Zeit praktiziert, aber erstens gab das in 90% nur negatives Feedback, sodass sich das Problem also nur verlagert/verstärkt hat, und die anderen 10% (positiven) waren durch die Kleidung so abgelenkt, dass ihnen meine Musik (für die ich lebe) dann wiederum komplett egal war :( … und ich nicht als Singer-Songwriter wahrgenommen wurde, sondern als der Freak mit dem komischen Outfit.
Ich meinte keine stark ablenkende Kleidung, sondern einen sogenannten Eyecatcher.
Hast Du mal Höhle der Löwen geschaut? Dort ist ein Investor, der immer gleichfarbige Schuhsohlen, Socken und Einstecktuch hat. Das fällt auf, lenkt aber nicht von dem eigentlich Wesentlichen (das wäre bei Dir die Musik) ab.

Alles Gute,
Suchende


Nachtrag. Nowwhere Man, in manchen Gegenden muß es brennen, damit die Natur neu erstehen kann. Vielleicht kann dieses Dich die Brandherde besser aushalten lassen, wenn Du weißt, es kann aus einem Feuer am Ende auch etwas neues entstehen.
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Suchende2 hat geschrieben:
Nowhere Man hat geschrieben: Ich bin ja gerade aufgrund der Masse von Themen parallel zur Therapie auch hier.
Für mich hört sich dieser Satz so an, als ob wir Deine erweiterte Therapiestunde sind und nicht ein Betroffenen- und damit Selbsthilfeforum. Entschuldige den harten Satz, vielleicht habe ich auch Deinen Satz falsch interpretiert.
Hmm... ja, das ist ein harter Satz, aber der liegt nicht an dir. Denn du hast da tatsächlich einen problematischen, wahren Knackpunkt erkannt. Derzeit (das heißt nicht, dass es immer so bleiben würde) habe ich ein großes Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen in diesem Forum. Das kann man als egoistisch ansehen, ist es gewissermaßen vielleicht auch. Hat von meiner Seite aber wirklich keine böse Absicht. Umso dankbarer bin ich um jede und jeden, der sich hier die Zeit nimmt, auf meine Threads einzugehen. Als ich mich hier registrierte, da gibt es ja so einen Fragebogen, nachdem man manuell von den Admins/Moderatoren hier freigeschaltet wird, und da hatte ich es tatsächlich auch so ähnlich angegeben, wie du es oben geschrieben hattest. Ich vergesse dabei aber niemals, dass wir alles Betroffene sind, die sich möglichst gegenseitig helfen wollen, weiß, dass wir hier alle unter Säcklein zu tragen haben, und hoffe, dass auch ich irgendwann wiede raktiver für andere da sein kann.

Es gab andere Zeiten - online, aber vor allem offline - wo ich selbst nur gegeben und gegeben hab und von zuverlässig bis aufopferungsvoll für meine Mitmenschen da war... aus einem inneren Bedürfnis und weil ich damals einfach sogar "Kraft übrig hatte". Als es dann mit meinen Depressionen sehr schlimm wurde, war von diesen Menschen plötzlich niemand mehr da, und am eigenen Schopfe konnte ich mich nicht aus dem Sumpf ziehen.

Ich hoffe so sehr, wieder selbst mehr Energie zu haben, um auch innerhalb des Forums mehr zurückgeben zu können.
Du siehst, seit Jahren, daß der eingeschlagene Weg Dich weiterbringt
Hier fehlte glaub ich ein "nicht", oder?
Das wäre dann aber so nicht ganz richtig. Der eingeschlagene Weg bringt mich nicht "ausreichend weiter", aber generell "weiter" schon. In der Therapie versuchen wir Eckpfeiler im Blick zu halten und zu sehen, inwieweit ich z.B. heute weiter bin als noch vor einem Jahr. Das, was jedoch "weiterbrennt", brennt im x-fachen Tempo dessen, was ich an anderen Stellen erreiche.
da Du immer nur dabei bist "von einem Brandherd zum anderen zu springen".
Hmm... nee, vor allem aktuell nicht (früher schon, das stimmt). Aber z.B. die vergangenen 9 Monate (ohne Unterbrechung) hab ich mich um den großen Brandherd "Studium abschließen" gekümmert und die anderen Sachen brennen lassen. Genau in dieser Zeit hat sich meine Lebensqualität noch mal massiv verschlechtert.
Habe den Mut, einige oder einen Deiner Brandherde weiterbrennen zu lassen und Dich dafür intensiv und erfolgreich um andere Brandherde zu kümmern. Dann werden eventuell auch die anderen Brandherde automatisch kleiner. [...] Nachtrag. Nowwhere Man, in manchen Gegenden muß es brennen, damit die Natur neu erstehen kann. Vielleicht kann dieses Dich die Brandherde besser aushalten lassen, wenn Du weißt, es kann aus einem Feuer am Ende auch etwas neues entstehen.
Ja, für manche meiner Brandherde gilt das. Ich finde, da gibt es 2 Sorten Brände: Die einen, das sind 2-3 Dinge, die mir, wenn ich sie abbrennen lassen, einfach "weglaufen". Das wäre sehr schade, aber dann ist die Chance halt vertan, nicht mehr in diesem Leben errreichbar usw... Es existieren aber parallel 5-6 weitere Brandherde, die derart bedrohlich "auf mich zurollen", dass sie mich zu aktivem Handeln zwingen. Wieder alle gleichzeitig. Und sie werden Bedrohlicher, und ihre Konsequenzen schlimmer, solang ich mich nicht darum kümmere. Solche meinte ich
Ein großer Brandherd ist bei mir zum Beispiel die Arbeit. Meine Therapeutin hat aber mit mir besprochen, daß dieser Brandherd, solange ich noch nicht annähernd arbeitsfähig bin, nicht bearbeitet wird.
Dies (Arbeit) und mein abzuschließenden Studium, welches 10 Jahre auf Eis lag, war bei uns auch lange Thema, dass ich da für eine Weile nicht rangehen sollte. Wir kümmerten uns zunächst um andere Baustellen, aber irgendwie war alles ein Fass ohne Boden, es fehlte jede Stabilität. Dass ich nunmher seit 9 Monaten (intensiv) wieder Fokus aufs Studium nehme (weit entfernt von wirklicher Arbeitsfähigkeit) ist verschiedenen Umständen geschuldet, die in der Summe jedenfalls dazu führten, dass dies "jetzt dran" ist... nur, wie gesagt, seit ich das jetzt intensiver mache, machen mir die anderen Brandherde viel größere Sorgen, und machen an verschiedenen Stellen fast täglich auf sich aufmerksam. Ich antworte dann immer innerlich: "Alles zu seiner Zeit, JETZT ist Studienabschluss dran", aber merke dabei, wie ich auch für diese Baustelle immer kraftloser werde.
Suchende2
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Nowhere Man,
Nowhere Man hat geschrieben:
Suchende2 hat geschrieben:
Du siehst, seit Jahren, daß der eingeschlagene Weg Dich weiterbringt
Hier fehlte glaub ich ein "nicht", oder?
Stimmt! :D
Nowhere Man hat geschrieben: Ja, für manche meiner Brandherde gilt das. Ich finde, da gibt es 2 Sorten Brände: Die einen, das sind 2-3 Dinge, die mir, wenn ich sie abbrennen lassen, einfach "weglaufen". Das wäre sehr schade, aber dann ist die Chance halt vertan, nicht mehr in diesem Leben errreichbar usw... Es existieren aber parallel 5-6 weitere Brandherde, die derart bedrohlich "auf mich zurollen", dass sie mich zu aktivem Handeln zwingen. Wieder alle gleichzeitig. Und sie werden Bedrohlicher, und ihre Konsequenzen schlimmer, solang ich mich nicht darum kümmere. Solche meinte ich

Dass ich nunmher seit 9 Monaten (intensiv) wieder Fokus aufs Studium nehme (weit entfernt von wirklicher Arbeitsfähigkeit) ist verschiedenen Umständen geschuldet, die in der Summe jedenfalls dazu führten, dass dies "jetzt dran" ist... nur, wie gesagt, seit ich das jetzt intensiver mache, machen mir die anderen Brandherde viel größere Sorgen, und machen an verschiedenen Stellen fast täglich auf sich aufmerksam. Ich antworte dann immer innerlich: "Alles zu seiner Zeit, JETZT ist Studienabschluss dran", aber merke dabei, wie ich auch für diese Baustelle immer kraftloser werde.
Schön, daß Du schon einige Brandherde löschen konntest und zur Zeit Dein Studium weiterführst!
Ist es für Dich eine Möglichkeit, wenn Du professionelle Unterstützung in Form von Betreuung bekommst, damit Du Dich um einige Brandherde nicht alleine kümmern musst?
Dann könntest Du eventuell eine kleine Entlastung bekommen und mehr Zeit und Energie für andere Sachen haben. Das könntest Du mit Deiner Therapeutin besprechen und ich glaube DieNeue kennt sich auch damit aus.

Alles Gute,
Suchende
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Suchende2 hat geschrieben:Schön, daß Du schon einige Brandherde löschen konntest und zur Zeit Dein Studium weiterführst!
Ehm, hab ich irgendwo geschrieben, dass ich bisher welche löschen konnte? Falls ja, dann war das unglücklich formuliert. Eigentlich brennen alle bedrohlicher denn je und es kommen sogar neue hinzu (bzw. bedingen sich gegenseitig). Ich hab allenfalls von einer Sorte Brandherde geschrieben, die ich (theoretisch) "von mir weg brennen" lassen "könnte", ohne dass ich dabei DIREKT Schaden nehme... Die anderen muss ich noch löschen.
Und "Schön, dass du dein Studium weiterführst" ist nett gemeint und formuliert, und u.a. auch exakt die Reaktion, die mir damals mein Hausarzt entgegenbrachte, für mich ist aber fraglich ob das Studium im Endeffekt nicht schon immer der Sargnagel für meine Lebensträume war und ich mit Vollgas in die "falsche Richtung" unterwegs bin (auch wenn sich 99% der Leute, die durch bürgerliche Berufe geprägt sind, das nicht vorstellen können, dass ein Studium der "falsche" Weg sein kann).
Ist es für Dich eine Möglichkeit, wenn Du professionelle Unterstützung in Form von Betreuung bekommst, damit Du Dich um einige Brandherde nicht alleine kümmern musst?
Dann könntest Du eventuell eine kleine Entlastung bekommen und mehr Zeit und Energie für andere Sachen haben. Das könntest Du mit Deiner Therapeutin besprechen und ich glaube DieNeue kennt sich auch damit aus.
Das hatte meine Therapeutin sogar einmal am Rande erwähnt, dass es im Ernstfall (und wenn solche Themen an der Reihe sind) auch eine Option am Horizont wäre. Ich selbst wäre noch nicht wirklich bereit dazu, und sie meint auch, es besteht durchaus die Chance und das Ziel, es ohne Betreuung hinzubekommen, aber das sei zumindest noch so eine Hintertür am Horizont. Andere Leute, die viel zu tun haben, nähmen sich z.B. eine Putzfrau/Haushaltshilfe. Da sei auch nichts Schlimmes dran (ist natürlich etwas anderes, aber sie wollte dadurch den Schrecken vor dem Begriff Betreuung nehmen).[/quote]
DieNeue
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Nowhere Man,
Nowhere Man hat geschrieben:
Suchende2 hat geschrieben:Schön, daß Du schon einige Brandherde löschen konntest und zur Zeit Dein Studium weiterführst!
Ehm, hab ich irgendwo geschrieben, dass ich bisher welche löschen konnte?
Falls ja, dann war das unglücklich formuliert. Eigentlich brennen alle bedrohlicher denn je
Ne, find ich nicht. Ich glaube, du siehst manchmal nicht so ganz, was grade los ist. Der Brandherd Studium ist doch so gut wie gelöscht. Vier Wochen noch und dann ist es vorbei.
Was du dann mit deinem Abschluss anstellst oder nicht, ist dann wieder ein ganz anderes Kapitel!
Nowhere Man hat geschrieben: für mich ist aber fraglich ob das Studium im Endeffekt nicht schon immer der Sargnagel für meine Lebensträume war und ich mit Vollgas in die "falsche Richtung" unterwegs bin
Ganz ehrlich: Hau diesen blöden Sargnagel endlich rein. Es sagt doch keiner, dass du dich in diesen Sarg dann auch reinlegen und drin verschimmeln muss!
Ich weiß wie es, eine Ausbildung zu machen, wo man sich falsch fühlt. Hab ich auch gemacht, ich hab auch in dem Beruf gearbeitet und als ich meinen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, habe ich mich gefühlt, als würde ich mein Todesurteil unterschreiben. Ich bin froh, dass ich raus bin aus dem Beruf und dann noch studiert habe. Aber ich bin gleichzeitig auch froh, dass ich die Ausbildung fertig gemacht habe.
Wenn du jetzt aufhörst, hast du gar nichts geschafft (auch wenn du im Studium noch so viel gelernt hast), denn auf dem Papier, vor jedem Amt, auf jedem Formular bist du "nichts". Das hat nichts mit spießbürgerlichen Lebensvorstellungen zu tun, sondern das heißt, dass das, was du ALLES an Anstrengungen in dieses Studium reingesteckt hast, völlig unter den Tisch fällt. Du bist offiziell ungelernt und wirst so eingeordnet, weil mehr interessiert auch nicht. Du bekommst von der Uni einen Wisch für die Rentenversicherung, von wann bis wann du studiert hast, und wenn du schlau genug bist, druckst du dir vor der Exmatrikulation noch deine Notenübersicht aus, denn die bekommst du nämlich nicht mal automatisch mit bei deiner Exmatrikulation geschweige denn einen Stempel drauf. Der Uni ist dann nämlich auch egal, was mit dir passiert. Ich musste mein Studium wegen den Depressionen abbrechen und ich kann dir sagen, das ist kein schönes Gefühl und du wirst öfter in die Situation kommen, dass du sagen musst, was du "bist", als dir lieb ist.

Ein fertiges Studium zeigt nicht nur Fachwissen, sondern man geht auch von gewissen Fertigkeiten aus, die jemand mit Studium hat... selbstständig lernen können, komplexe Sachverhalte verstehen, Durchhaltevermögen usw. Andersherum wenn jemand 10 Jahre dafür braucht, dass er es am Ende nicht mal schafft... da kommen dann eben negative Vorurteile.

Mein Rat in deiner Situation wäre, jetzt nicht länger darüber nachzugrübeln, ob dein Studium jetzt richtig war oder das richtige für deine Zukunft ist, sondern den Sch... jetzt einfach fertig zu machen und dann wirklich mal KONKRET zu schauen, was von deiner Stimme und deinen musikalischen Fähigkeiten noch übrig ist und was du KONKRET für Möglichkeiten hättest, in dem Bereich wieder oder mehr einzusteigen. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, deinen studierten Beruf zum Geldverdienen herzunehmen und nebenbei Workshops oder Fortbildungen zu besuchen, ne musikalische Ausbildung zu machen, selber Workshops zu geben o.ä. und Stück für Stück weiterzugehen. Nicht wieder anfangen, schon riesengroß zu denken und Grundsatzentscheidungen zu wälzen, sondern wirklich konkret und kreativ gucken, wo du einsteigen könntest, wo du vielleicht auch finanziell erstmal abgesichert bist, damit es keinen riesen Crash gibt, falls es nicht so funktionieren sollte. Von 0 auf 100 oder nur durch Denken lässt sich das ja eh nicht realisieren, also Schritt für Schritt konkrete Dinge angehen.

Was das Thema Betreuung angeht: Im Prinzip ist das nichts anderes als dein privater Alltagsmanager. Und den könntest du meiner Meinung nach schon gut gebrauchen. Du eierst seit Jahren mit den gleichen Themen rum, kriegst deine Prioritäten nicht gebacken, siehst manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht (wie z.B. bei den Arztterminen), bleibst an Kleinigkeiten hängen, die dich aus der Bahn werfen.
Ein guter Betreuer könnte dir genau da helfen. Da hättest du einen flexibleren, alltagsnäheren Ansprechpartner, mit dem du auch mal Krisen gut überstehen kannst, so dass du in der Therapie mehr bei anderen Themen am Ball bleiben kannst. Du wirkst auf mich als hättest du sehr viel Redebedarf, sowas kann ein Therapeut mit einer Sitzung pro Woche niemals abdecken. Bei einem ambulanten Betreuer könntest du auch mehr Stunden haben, da wird anfangs festgelegt, wie groß der Bedarf ist und man kann mit den Stunden auch mal rauf oder runter gehen, wenn sich der Bedarf ändert. Es gibt natürlich auch inkompetente Betreuer oder welche, die nicht zu einem passen, aber es gibt auch welche, die es richtig drauf haben. Mit meiner ersten Betreuerin habe ich 3 Jahre zusammengearbeitet, die hat mich weitergebracht als manche Therapie.
Es gibt auch noch die Möglichkeit der Ambulanten psychiatrischen Pflege, das hat z.B. Gartenkobold, das geht wohl auch bisschen in die Richtung.

Liebe Grüße,
DieNeue


P.S. Vielleicht könntest du auch mal überlegen, was du Positives aus deinem Studium mitnimmst (Eigenschaften, persönliche Entwicklung, welche Erfahrungen daraus dir in der Zukunft weiterhelfen könnten, Fachwissen, das dir im Bereich Musik hilft/helfen könnte, Fähigkeiten, die du in beiden Bereichen brauchst u.ä.). Mal bisschen in alle Richtungen denken. Vielleicht findest du Dinge, die nicht nur mit Spießbürgerlichkeit oder Sargnägeln zu tun haben, sondern auch mit dir. Das könnte dir vielleicht helfen, dein Leben nicht so zweiseitig und absolut zu sehen. Das Studium auf der einen Seite und die Musik auf der anderen. Es gehört ja beides irgendwie zu deinem Leben und ich finde, wenn man schon so eine Zeit hinter sich hat, ist es ganz gut, sich mal konkret zu überlegen, was man daraus noch Gutes für die Zukunft rausziehen kann.
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe DieNeue,
vielen Dank für deine Meinung und die vielen Informationen. Gerade auch zum Thema Betreuung. Da klemm ich mich noch mal hinter (alles zu seiner Zeit). Auch zu den anderen Themen antworte ich noch, darf mich gerade (s.o.) nur nicht so verzetteln ;)
DieNeue
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von DieNeue »

Hallo,

stress dich nicht mit dem Antworten. Wenn es grade zu viel ist, brauchst du auch gar nichts dazu schreiben, denn es sind ja einfach nur Anregungen für dich. Zieh dir einfach das raus, was für dich passt.
Zur Betreuung gab es mal hier den Thread:
https://www.diskussionsforum-depression ... ng#p525742" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Kannst du ja mal bei Gelegenheit lesen, wenn du noch mehr Infos brauchst. Die Vermögensfreigrenze ist, glaube ich, mittlerweile nochmal erhöht worden. Wichtig ist auch zu wissen, dass ein ambulanter Betreuer was anderes ist als ein rechtlicher Betreuer. Bei der ambulanten Betreuung bleibst du weiterhin voll verantwortlich für dich, der Betreuer darf für dich nichts unterschreiben oder entscheiden.

Liebe Grüße,
DieNeue
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe DieNeue,

auch wenn ich gerade nicht auf alles eingehen kann, möchte ich zu 2 Sachen antworten, die mir immer wieder durch den Kopf gehen:
DieNeue hat geschrieben:Du wirkst auf mich als hättest du sehr viel Redebedarf
Das stimmt durchaus. Ohne dass ich jedoch von Natur aus eine "Labertasche" wäre.
Vielmehr ist Folgendes wie ein Alptraum: Ich hab (sicher nicht als einziger hier) ziemlich viel Sch... erlebt, zum Teil wo Menschen auf unglaublich(!) bösartige Weise alles kaputtgemacht haben - so "unglaublich", dass mir: niemand glaubt!
Vor allem seit 10 Jahren. Alles, was ich mir bis dahin - trotz meiner Depressionen mit unheimlich viel Durchhaltevermögen und Disziplin aufgebaut hatte.
Die Geschichte, die dahintersteckt ist so krass, dass ich genau so gut erzählen könnte, ich sei von Außerirdischen entführt worden. Und stehe am Ende als der Trottel da, der "einfach nichts hinkriegt", obwohl ich schon 1000mal weiter war als heute.
Dass (als fast einzige Person auf der Welt) zumindest meine Therapeutin meine Geschichte ernst nimmt und m.E. auch wirklich GLAUBT, ist ein kleiner, wichtiger Trost. Wenn ein weiterer (bisher fremder) Mensch, wie ein Betreuer, das alles wüsste, wäre das nett, aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Dies kocht die ganze Zeit in mir, wobei "kochen" oft ein viel zu energetischer Ausdruck ist. Ich erlebe ganze Tage (wie heute), wo ich Familie oder Freunde oder Fremde sehe, und stundenlang nur teilnahmslos (und ausgebrannt und leer) ins leere oder an die Wand oder auf meine Füße starre. Man fühlt sich nur noch als Hülle, die nicht mehr hier her gehört.
P.S. Vielleicht könntest du auch mal überlegen, was du Positives aus deinem Studium mitnimmst (Eigenschaften, persönliche Entwicklung, welche Erfahrungen daraus dir in der Zukunft weiterhelfen könnten, Fachwissen, das dir im Bereich Musik hilft/helfen könnte, Fähigkeiten, die du in beiden Bereichen brauchst u.ä.).
Ach, das wäre so schön... Aber mit dem Studium, wie es z.B. an der jetzigen Uni ist, finde ich da GAR nichts, was ich noch nutzen kann. Die Themen und der Lehrplan an sich führen (nicht nur aber eben auch bei mir mit der Krankheit) zu 0% Lerneffekt (im Sinne von Fertigkeiten) und 100% körperlicher, geistiger und zeitlicher "Abnutzung". Tragisch ist hier Folgendes:
Damals war ich nach der Hälfte meines Diplom-Studiums (also mit Vordiplom) ganz gezielt an eine andere Uni gewechselt, für die ich 250 km umziehen musste, weil sie (als einzige von 2 Unis überhaupt) mein absolutes Lieblings- und Spezialgebiet innerhalb der Physik anbot. Das hatte sogar VIELE Schnittmengen mit der Musik und vieles davon hatte ich mir hobbymäßig in meiner Freizeit schon seit vielen Jahren so weit angeeignet, dass ich z.T. sogar mehr konnte, als in den entsprechenden Kursen gefordert wurde, und mancher Übungsleiter ganz angetan war von meinem intrisischen Interesse!

Wegen Depression und einer anderen Krankheit wechselte ich jedoch wieder in die Heimat, bevor ich dort fertig wurde, zurück an die Uni, deren Fachgebiete mich im Hauptstudium gar nicht interessieren, machte aber so weit weiter, dass mir zum Physik-Diplom nur noch 2 Scheine und 1 Seminar fehlten (und ich fand eine Arbeitsgruppe, die ich immerhin ausreichend interessant, um dort meine Diplomarbeit schreiben zu wollen).

Genau da kam das persönlich hochtraumatische und sehr weitreichende Ereignis, was aktiv meine Uni torpedierte, mein gesamtes Sozialgefüge kaputtmachte und für viele Jahre innerhalb meiner Familie zu einem kompletten Zerwürfnis führte. Von Fast-Diplomant war ich die nächsten mindestens 5 Jahre am Stück arbeits-, uni-, freunde- und hoffnungslos, hauste in einem Bett und alles um mich zerfiel - und der Welt war es scheißegal, und sobald ich meine Fühler ausstreckte, hagelte es sogar böse Anschuldigungen ehemaliger Freunde, und bestenfalls Unverständnis und Schulterzucken.

Jahrelang meldete ich mich - die Studiengebühren in Kauf nehmend - immer wieder zurück, einfach um nicht aus dem Studiengang zu fliegen, denn mein fast fertiges Diplom sollte mir bei all der Krise nicht AUCH noch am Ende für immer genommen werden.

Vor 2 Jahren erfuhr ich dann - durch eine zufällige Rückerstattung auf meinem Kontoauszug (ansonsten hatte ich KEINE Information oder IRGENDWAS z.B. per Post bekommen) - dass ich klammheimlich exmatrikuliert wurde... in einem Akt der Panik sammelte ich alle meine Scheine zusammen und rannte damit aufs Prüfungsamt... ich hatte (vor 10 Jahren) bereits deutlich(!) mehr bestanden, als man heute für einen kompletten Bachelor braucht, aber nach der neuen Studienordnung, musste ich noch fachfremde Zusatzkurse (Sprachkurse etc.) belegen sowie eine Bachelorarbeit schreiben. Wenn ich diese dann fertig haben werde, "lockt" das Masterstudium, weil ich dort ja EBENFALLS bereits über 50% der Scheine habe, die sonst vergebens wären... mein Physik-Diplom, welches bereits in der Grundschule ein Lebenstraum war, werde ich nie wieder bekommen. Das tut schon weh. Du schreibst ja, man wird im Leben häufiger gefragt, was man denn "sei". Und in einem Nebenjob, den ich mal hatte, stellte mich mein Chef mal (versehentlich, oder absichtlich) als Diplom-Physiker vor, und alles so "oho", weil "überqualifiziert". Wenn ich heute (im selben Nebenjob) sage, ich mach gerade meinen Bachelor als Physiker, kann da niemand was mit anfangen ("Wat soll dat sein? Lehramt oder wie?") und dann muss ich immer dazu sagen, dass ich wissenschaftlich arbeite. Wird mit fertigem "Master" auch nicht anders sein.

Heute - nach allem, was passiert ist - bin ich schwächer denn je, und so lange aus der Materie raus, und es tut schon ganz schön weh, dass das, wofür ich so lange gekämpft hatte, wo ich mir als Licht am Ende des Tunnels sagte: "DAS lasse ich mir nicht auch noch nehmen", nun auch weg ist.

Die erwähnte Arbeitsgruppe, in der ich damals meine Diplomarbeit anmelden wollte, hat sich inzwischen aufgelöst, jetzt gibt es dort überhaupt kein Teilgebiet mehr, dass mich so interessiert, dass ich noch Energie da reinstecken wollte.


PS: Noch mal zum Thema Redebedarf:
Ich habe über die Jahre gemerkt, dass das eigene Schreiben von Songs MIT ABSTAND den größten therapeutischen Effekt für mich hat. Alle Themen (schlechte wie auch gute), die ich auf diese Weise behandelt hab, bis konsequent ein Song drauf wurde, konnte ich zu einem gewissen Grad "verarbeiten", mehr als ich es allein mit Worten je könnte.
De facto habe ich Jahr für Jahr vielleicht 1% meiner Zeit damit verbracht, und keine Minute bereut, sondern nur, dass ich nach 1% aus "Zeitgründen" abgebrochen habe, bevor mehr Gutes daraus entspringen konnte (Prioritäten, dass man zu 99% der Zeit anderen "Verpflichtungen" hinterherrennt - und sie nicht erreicht). Auf diese Weise bin ich auch in diesem Herzensgebiet "ewiger Anfänger" geblieben.

Der krasse Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen ist:
In der Physik - die ich wählte, um zu sehen und zu verstehen, wie die Welt funktioniert - rechnet man zum 1.000.000. Mal aus, was 1.000.000 Menschen vor einem schon gerechnet haben. Auf der Lernkurve ist so viel Reproduktion, natürlich AUCH Faszination, wenn man dies oder jenes verstanden hat, aber etwas "Schöpferisches" erreicht man nur (mit viel Glück) vielleicht irgendwann (nach vielen Jahren des Tage und Nächte durcharbeitens) in seiner Doktorarbeit oder Post-Doc-Zeit oder noch danach, vielleicht etwas "wirklich" interessantes erst nach 30 Jahren Berufserfahrung. (Und dann versteht weltweit gerade mal eine handvoll von Experten, worum es da geht... es wird in den Folgejahren 20-mal als Fußnote zitiert und verstaubt ansonsten anonym in riesigen Bibliotheken)

In der Musik hingegen, auch wenn darin nur 1% meiner damaligen Energie investiert habe - und zwar OHNE einen "Abschluss" -, hab ich mehrfach Erlebnisse wie das Folgende gemacht: Beim Autofahren fällt mir die Idee für ein Chorstück ein, 20 Minuten später ist der gesamte Ablauf mit Stimmaufteilungen und allen Harmonien und Einsätzen fertig. Nach dem Abendessen schreibe ich einen Text dazu und präsentiere es 2 Tage später in der Probe: Alle Mitglieder des Chorus - quer durch die Gesellschaft, durch alle Bildungsschichten - sind davon begeistert... es wird mit begeisterung eingeprobt, man schaut in strahlende Gesichter, in den Proben und bei der Premiere... und selbst 3 Jahre SPÄTER, wo man schon lange nicht mehr da wohnt, bekommt man eine liebe E-Mail, dass der Chor heute, in teils neuer Besetzung, noch mal meinenn Song herausgeholt hat und auch den neuen hätte das so viel Freude bereitet.

Diesen Kontrast spüre ich immer wieder. Ich will mein Studium nicht schlecht reden. Physik kann ein sehr schönes Fach sein, und man kann dort wirklich kompatible Menschen finden, unter den Studenten als auch unter den Profs. Im Vergleich zu dem, was mir die Musik gab, fühle ich mich dort aber total verloren, u.a. wenn ich sehe, wie ich an "einfachen" Aufgaben scheitere.
Gertrud Star
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Nowhere Man,

was verstehst du denn unter "einfache Aufgaben" (an denen du immer scheiterst, und ist das wirklich so? Ich kann das durchaus nachvollziehen.

Ich denke außerdem, dass du mit sehr hoher Mehrfachbegabung eine Ausnahmeerscheinung sein dürftest, selbst für Studierende. Ich selbst war in meinem Herkunftsdorf schon eine Ausnahme, und auch im näheren Umkreis. Hätte ich damals mehrere solcher Menschen kennen gelernt, hätte ich erstmal einsortieren müssen, dass es sowas überhaupt gibt, und mein IQ ist (in gesundem Zustand) durchaus ganz beachtlich, im Vergleich zur ganzen Bevölkerung, gilt für einige andere hier auch.

Mir fällt in diesem Zusammenhang ein Mensch an der Uni Chemnitz ein, der hat auch die Schnittmenge von Physik/Technik und Musik auf eigene Art verwirklicht. Er konstruiert eine Armprothese, mit der er Platten auflegen kann oder so ähnlich. Er wurde mal im DLF Kultur vorgestellt. Vielleicht ist das eine Inspiration für dich, vielleicht kennst du den ja schon und nur ich "doofe Sozialhilfeempfängerin" bin über solche Menschen und Sachen total erstaunt.

Was den Redebedarf angeht: Du hast denke ich auch ein Schreibtalent. Viele Leute schreiben ja auch Bücher, auch wenn es darin stark um das Leben geht.
Übrigens, derjenige, der mich so halbwegs wieder auf den Boden gebracht hat, war ein lebenserfahrener Techniker mit sehr hohem IQ und vielfältigen Interessen, die er fast alle verfolgt. Technik und Musik gehören auch dazu, ebenso Menschen und die an erster Stelle. Dazu hat er ein Wahnsinns Interesse an Gesellschaft und Gerechtigkeit.

Der Professor heißt Bertold Meyer, findbar mit Suchmaschinen.

LG Gertrud
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Eben aus aktuellem Anlass, auf etwas aus einem anderen Thread zurückgreifend, weil es hier gerade besser reinpasst, finde ich:
Nowhere Man hat geschrieben:Auf der anderen Seite sind dies aber auch sehr, sehr emotionale Träume, wo ich (oder problematische Personen in meinem Leben) das aussprechen, was man sich tagsüber nicht trauen würde - schonungslos! Das trifft mich dann mit voller Breite.
Danach wache ich auf und kann mich eben nicht beruhigen, dass es "nur ein Traum" war, sondern denke mir: "Scheiße, der Traum hat ja RECHT. So ist es WIRKLICH. Und im Alltag, wo ich das unterdrücke, mache ich mir nur etwas vor, dass es halb so wild ist..." Und dann bin ich richtig traurig.

Ich glaube, das liegt (beides) daran, dass wir im Traum unsere Gedanken weniger kontrollieren können. Also bei den positiven Träumen weniger Hemmungen haben, nicht (zeitlich, oder mit Prioritäten) "unterdrücken" können [...]
Vergangene Nacht habe ich (nach langer Zeit endlich) mal wieder körperlich gut geschlafen, fühlte mich beim Erwachen körperlich ausgeschlafen, ABER: Erwacht bin ich aus einem ganz, ganz schlimmen Alptraum, der mir bzgl. bestehender Konflikte so schonungslos den Spiegel vorhielt. Ich sprach in dem Traum aus, was mir im Alltag nie über die Lippen käme, die anderen Beteiligten ebenso, mit allen Konsequenzen. Es spitzte sich wirklich schlimm zu!
Als ich dann erwachte, wie gesagt körperlich endlich mal erholt (kam zuletzt selten genug vor), war mir sehr, sehr flau, weil ich sehe, dass (und wie heftig) diese Konflikte WIRKLICH bestehen (eben nicht "nur ein Traum") und mir wieder klar wurde, wieviel Wut und Verzweiflung ich da angestaut habe, die sich weder auflösen noch kanalisieren lässt. Anstatt dann an mein geistiges Tagewerk zu gehen (für das ich Fokus und zumindest ein kleines bisschen "Zuversicht" brauche) konnte ich nur liegenbleiben, fühlte mich sehr schwach und ausgelaugt und in der Folge war die erste Tageshälfte schon wieder komplett versaut...
Gertrud Star
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Gertrud Star »

Träume verändern sich oft im Laufe der Zeit, hin zu leichteren positiveren lösungsorientierteren.

Ich wünsche dir, dass du den restlichen Tag gut hin bekommst.
Nowhere Man
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Re: Mut zu großen Entscheidungen und Neubeginn?

Beitrag von Nowhere Man »

Liebe Gertrud,
Gertrud Star hat geschrieben:Hallo Nowhere Man,

was verstehst du denn unter "einfache Aufgaben" (an denen du immer scheiterst
Es geht hier gar nicht um "immer", sondern vor allem "im Moment".
Meine zu schreibende Bachelor-Arbeit insbesondere im Vergleich zu dem, was ich vor Jahren (aber auch jüngst in den letzten 2 Semestern) geleistet habe, inhaltlich deutlich einfacher. Und auch vom Umfang ist es nicht SO viel mehr, als die in unserem Studium 2 Jahre lang 14-tägig stattfindenden Praktikumsarbeiten (über viel komplexere Themen), die ich allesamt mit Bravour gemeistert habe, sage und schreibe 18(!) mal hintereinander. (So viele müssen halt machen, 9 im Bachelor, 9 im Master, parallel zu stressigen Vorlesungen). Genau so etwas (in maximal doppelten Umfang) muss ich jetzt noch EINMAL leisten.

Also objektiv wäre das eigentlich (zumindest im Vergleich zum bisherigen) ein "Klacks".

Aber ich bin aktuell einfach am BODEN. (Wie bei einem "Burn-Out" vielleicht). Körperlich und vor allem NERVLICH (und auch psychisch, weil ich mich Tag für Tag frage: "Wofür lebe ich überhaupt noch?" NICHTS macht mehr Freude, seit vielen Jahren TAG für TAG. Da ist NICHTS. Und das finde ich bedrohlich und leer"
Ich denke außerdem, dass du mit sehr hoher Mehrfachbegabung eine Ausnahmeerscheinung sein dürftest, selbst für Studierende. Ich selbst war in meinem Herkunftsdorf schon eine Ausnahme, und auch im näheren Umkreis. Hätte ich damals mehrere solcher Menschen kennen gelernt, hätte ich erstmal einsortieren müssen, dass es sowas überhaupt gibt, und mein IQ ist (in gesundem Zustand) durchaus ganz beachtlich, im Vergleich zur ganzen Bevölkerung, gilt für einige andere hier auch.
Hhm, ja, von dem Gefühl kommt mir einiges bekannt vor. Wichtig ist dein Einschub "im gesunden Zustand". Mich schränken ja v.a. wiederkehrende Schlafprobleme ein (wo ich mich den Folgetag fühle, wie ein Zombie), das deckt ungefähr 60-70% meiner Tage ab. (An diesen Tagen würde ein IQ-Test bei mir sicher 30 Punkte schlechter ausfallen, mindestens! Ich kann mich dann keine 10 Sekunden auf irgendwas konzentrieren). Wenn ich dann DOCH mal gut geschlafen habe, kann es trotzdem noch zu psychischen Totalabstürzen kommen, was in ca. 20% der Tage der Fall ist. Um meinem Studium und dem Rest meines Lebens nachzugehen, bleiben mir dann im Schnitt 1-2 "gute" Tage in der Woche. Noch vor einiger Zeit war es so, dass diese Tage dann "wirklich gut" waren, wo ich mich schlagartig "voll" einsatzfähig fühlte.

Inzwischen hat mich vor allem die psychische Aussichtslosigkeit und Frustration (aber auch die nunmehr über 20 Jahre anhaltenden Schlafprobleme körperlich) so ausgelaugt, dass ich gar nicht mehr von heut auf morgen plötzlich "einen richtig guten Tag" haben kann. Es ist alles sehr, sehr gedeckelt. Ich komme selbst an "guten" Tagen nur noch zu 70% meiner Leistung.
Was den Redebedarf angeht: Du hast denke ich auch ein Schreibtalent. Viele Leute schreiben ja auch Bücher, auch wenn es darin stark um das Leben geht.
Ja, es gibt 3 größere Themen, die ich seit Jahren immer wieder aufschiebe, "weil Dringenderes und Wichtigeres zu tun ist". Diesen 3 Themen könnte ich jeweils ein eigenes BUCH widmen. Ich weiß nicht, wer das lesen wollen würde, weil es triefend negativ wäre, voller Vorwürfe, Wut und Ärger, was manche Leute mit "Selbstmitleid" verwechseln, was es aber nicht ist. Ich klage an. Beschwere mich über Ungerechtigkeiten, die unsichtbar sind, weil Menschen in Machtpositionen sie unter den Teppich kehren. Das hat mein Leben ziemlich geprägt.
Übrigens, derjenige, der mich so halbwegs wieder auf den Boden gebracht hat, war ein lebenserfahrener Techniker mit sehr hohem IQ und vielfältigen Interessen, die er fast alle verfolgt. Technik und Musik gehören auch dazu, ebenso Menschen und die an erster Stelle. Dazu hat er ein Wahnsinns Interesse an Gesellschaft und Gerechtigkeit.

Der Professor heißt Bertold Meyer, findbar mit Suchmaschinen.
Das klingt gut, und ich werde ihn mir mal anschauen, wenn meine Nerven es etwas mehr zulassen. Gerade im Moment merke ich wieder, dass ich das nicht kann, weil es auch etwas mit der Zuschauer/Konsumenten-Rolle zu tun hat, in der ich mich (z.B. im krassen Gegensatz zu meinen Eltern) GAR nicht sehe. Das war schon immer in allen Situationen zu. Ich hab so viel in mir, was schöpferisch rauswill, dass es mich oft nervt und Spannungen hervorruft, mich passiv von anderen Menschen "berieseln" zu lassen, die etwas Schöpferisches verwirklichen. Viele andere können genau in dieser Rolle aber exakt das finden, was sie suchen (was ich jetzt NICHT auf DICH beziehe!). Bin da sehr geprägt von meinen Eltern, die kategorisch durch und durch die Ansicht vertreten, dass WIR (also unsere Familie) nicht ansatzweise dazu gemacht sei, selbst was eigenes Kreatives/Schöpferisches/Neues... als würde das gegen alle Naturgesetze verstoßen, als kämen solche, die in Film und Fernsehen oder auf Bühnen stehen, Bücher oder Songs schreiben, von einem anderen Planeten, wären eine "andere Spezies". Ich dürfe auf KEINEN Fall jemals solche törichten Phantasien haben, dazuzugehören, das würde alles kaputtmachen. Aber als ewige ZUSCHAUER sind die total in ihrem Element. Und das sind nicht nur meine Eltern, sondern trifft auf locker 90% der Menschen zu, die ich kenne. Die sind ZUFRIEDEN und sogar sehr aktiv und glücklich damit, "Fan" zu sein, sei es von einem Fußballverein, von einer Rockband, von einem Schauspieler, und sammeln Devotionalien, Autogrammkarten und können alle Texte auswendig... Ich hab auch Lieblingsbands, deren Songs ich einfach toll finde und auswendig kann, Filme und Bücher und Personen, die ich supertoll finde, aber das macht für mich alles zusammen max. 1% Lebenssinn aus.

Von einem Musiker, den ich mag, las ich mal ein Interview, dass er bei einem Rockkonzert im Publikum stand und sich dort "fremd" fühlte, dass er die Party viel lieber von der anderen Seite feiern würde. Dabei geht es überhaupt nicht darum "im Mittelpunkt stehen zu wollen", wie einem dann oft vorgeworfen wird, sondern weil es sich "natürlicher" anfühlt. (Bei mir fühlt es sich von Jahr zu Jahr immer weniger natürlich an, je mehr ich es aufschiebe oder die destruktiven Glaubenssätze meiner Eltern im Kopf habe)

Ein anderer Mensch, mit dem ich mal über Sportveranstaltungen sprach (es ging konkret um Fußballgucken), schaute mich ganz entgeistert an: "Ich bewege mich gern, und Fußballspielen macht echt Spaß! Aber anderen dabei ZUGUCKEN?... WARUM?? Welchen Sinn soll das haben. Da will man selbst spielen, und darf nicht. Nee, das wäre für mich Zeitverschwendung".

Dieses Gefühl trifft es oft für mich, wenn es um Musik oder Schreiben geht. (Oder generell auf Veranstaltungen, Partys, Festivals, Theaterprojekten o.ä. dort einfach nur "abhängen" konnte ich nie, sondern es machte immer nur dann Spaß, wenn ich irgendwo - und sei es unbemerkt im Hintergrund - "kreativ mitwirken" konnte)

Es heißt NICHT, dass ich die Gedanken anderer Menschen per se als "Zeitverschwendung" ansehe, das wäre hoch-arrogant und total neben der Realität, aber wenn man übervoll ist mit Emotionen und Gedanken, die ein Ventil nach draußen suchen, ist manchmal jede weitere Beschäftigung mit NOCH MEHR Input zumindest (weitere) Zeit, die man zumindest in diesem Moment (wieder) NICHT in die Verwirklichung eigener Projekte stecken kann. Und die bleiben ewige Pläne/Phantasien, was einen immensen inneren Druck aufbaut.
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