Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

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Nowhere Man
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Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von Nowhere Man »

Hallo,
vorweg: Ich hoffe, dass ich nicht "zu viele" Threads parallel eröffne. Es sind halt sehr verschiedene Baustellen bei mir, die alle gleichzeitig brennen, und thematisch oft überhaupt nicht in denselben Thread passen oder alles noch verworrener machen würden. Daher versuche ich, auf diese Weise etwas Übersicht zu wahren und zu vermeiden, dass die Länge der Beiträge und Threads immer mehr eskaliert.

Wie ich an anderer Stelle ja mal geschrieben hatte, bin ich - wie viele hier - durch meine Erkrankung auch deutlich eingeschränkt. Bei mir sind es zum einen Schlafprobleme, die manchmal meinen Folgetag körperlich unerträglich machen, und zum anderen (also auch wenn ich ausgeschlafen bin) manchmal kurzfristige psychische Krisen, sodass ich effektiv gefühlt nur 15-20 Stunden in der Woche arbeitsfähig bin, und zwar für alle Bereiche zusammen: Studium, Nebenjob, Freizeit, Sport (neuerdings zum Glück wieder), Haushalt, alltägliche Besorgungen... und dann natürlich noch Großprojekte, wirklich gute Ideen, die schon seit Jahren auf der Agenda stehen, und immer weiter aufgeschoben werden, weil die bürgerlichen Verpflichtungen (z.B. mal das Studium fertig zu machen) dringender sind... die Liste nimmt kein Ende. Nach gar nicht erwähnt sind (derzeit bei mir nicht stattfindende) soziale Kontakte, oder eben auch die aktive Beschäftigung mit der Erkrankung, wie z.B. der Austausch hier im Forum.

Wie handhabt ihr das, zu sehen an einem Tag, wo vielleicht noch 4-5 aktive Stunden bleiben, die "Prioritäten richtig zu setzen"? Man hat sich vorgenommen, jeden Tag zumindest eine Runde zu gehen oder zu joggen (weil mich das auch aktuell psychisch und körperlich aus einem Loch holt), die Wohnung müsste dringend mal wieder aufgeräumt werden (bei mir ist immer viel Unordnung, aber sobald aufgeräumt ist, fühle ich mich einfach besser), und Tag für Tag vergehen fristen an der Uni, und der notwendige Nebenjob will auch bedient werden...

Da hängt man von vornherein immer zurück, wird "nie fertig" (was an sich gar nicht so schlimm ist, besser als Langeweile), aber es ist ein Gefühl ständig "hinterherzurennen", bei vollem Einsatz (also 20 Stunden die Woche), nicht genug Regenerationsphase zu haben...

Häufig stehe ich an solchen Tagen vor der Entscheidung, was DRINGEND und was WICHTIG ist. Das kann man ja sogar 2-dimensional für sich auftragen: Manche Dinge im Leben sind "nur" WICHTIG, aber haben keine Eile, können auch in 6 Monaten oder nächstes Jahr noch angegangen werden... andere sind "nur" DRINGEND, aber nicht so wichtig, sind also an anstehende Termine gebunden, aber die Welt geht nicht unter, wenn es nix wird. Wieder andere sind DRINGEND und WICHTIG, usw...

Im Endeffekt stehe ich dann immer vor der Entscheidung "Entweder ... oder ...?" Für einen Mix aus 2 oder 3 Sachen - wie es gesunde(re) Menschen wohl tun würden und was ich sehr wichtig für die BALANCE finde - bleibt am betreffenden Tag meist keine Zeit, dann wird alles nix Halbes und nix Ganzes... wenn man sich hingehen nur 1 Sache rauspickt, vielleicht sogar die ganze Woche (oder mehrere Wochen), kann der Alltag schnell extrem eintönig werden.

Hierzu Erfahrungen oder Ideen, was hilft?
Novvi
Beiträge: 55
Registriert: 11. Apr 2020, 21:01

Re: Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von Novvi »

Guten abend,
Ersteinmal eine antwort auf deinen kirsiven text: ich finde das vòllig in ordnung, verschiedene treads zu verschieden themen zu eròffnen. Es wird vermutlich nicht jeder gleich viel auf jedem tread antworten. Mich hat dieses thema angesprochen, weshalb ich mich hierauf melde.

In meinem schlechteren phasen haben mir wochenplàne sehr geholfen. Fùr mich war auch wichtig, eine schòne sache am tag einzuplanen. Wichtig war auch zu schauen, was kann ich schaffen und großzùgig zeit einzuplanen und auch dinge zu streichen bzw. Gar nicht aufzuschreiben. Eben zu schauen was kann ich in meiner jetzigen situation schaffen und nicht was kònnte ich wenn es mir besser gehen wùrde oder was andere machen. Das ist gift und wirft einen nur nach hinten. Ganz am anfang hatte ich eine freundin, die mir dabei geholfen hat, weil entscheidungen nicht ganz einfach waren. Man kònnte auch verschiedene kategorien machen und die farblich markieren und schauen, dass vokln jeder kategorie etwas von der woche dabei ist. Jemand anderes sagte mal, er mòchte einen wochenplan entwerfen mit dingen, die ihm dabei unterstùtzen, dass es nicht schlechter wird und ein bis zwei dinge, damit es besser werden kònnte (sitaution-nicht stimmung). Mir war aber vor allem wichtig und ist mir heute auch nicht zu viel druck und schòne dinge mit eon planen.

Vielleicht war etwas fùr dich dabei. Weiterhin viel kraft.
Liebe grùße, novvi
DieNeue
Beiträge: 5513
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Nowhere Man,
Nowhere Man hat geschrieben: Häufig stehe ich an solchen Tagen vor der Entscheidung, was DRINGEND und was WICHTIG ist. Das kann man ja sogar 2-dimensional für sich auftragen: Manche Dinge im Leben sind "nur" WICHTIG, aber haben keine Eile, können auch in 6 Monaten oder nächstes Jahr noch angegangen werden... andere sind "nur" DRINGEND, aber nicht so wichtig, sind also an anstehende Termine gebunden, aber die Welt geht nicht unter, wenn es nix wird. Wieder andere sind DRINGEND und WICHTIG, usw...
Ich hatte meine To-do-Liste auch mal so aufgeteilt mit den zwei Achsen "wichtig" und "dringend", aber es war immer total schwierig, das zu unterscheiden und richtig einzuordnen. Meine Betreuerin hat das dann mit mir geändert. Jetzt mache ich mir drei Spalten mit Zeitspannen, innerhalb derer ich etwas bestimmtes erledigt haben möchte und die Zeitspannen sollten auch realistisch sein. Die erste ist zwei Wochen, die nächste vier Wochen und die dritte irgendwann. Da kommt dann automatisch das wichtige und dringende nach vorne (irgendwann wird das wichtige schon dringend ;))
Manches streiche ich auch ganz von der Liste. Meine Betreuerin hat einmal meine To-Do-Liste für drei Wochen mit in ihren Urlaub mitgenommen, damit ich nicht immer so an der Liste klebe. Ich hab mir noch ein paar wichtige Sachen davon aufgeschrieben und es hat gut geklappt. Die Welt ist nicht untergegangen.
Manches, was wirklich keine Dringlichkeit hat oder entferntere Pläne sind, bekommt vielleicht noch eine extra Ecke auf dem Blatt oder einen extra Zettel, aber nicht so groß wie vorher auf der Liste.
In meinem Haushalt gehen langsam lauter Geräte kaputt und ich müsste etliches neu anschaffen, weil sie wahrscheinlich bald komplett den Geist aufgeben. Ich schreibe mir dann die ganzen Geräte auf einen Zettel, damit ich weiß, was noch so ansteht, und wo ich was durchstreichen kann, wenn es gekauft ist. Wie ich den Kauf dann konkret angehe, kommt dann z.B. auf den Zeitplan, also zB. im Elektroladen mich über Staubsauger beraten lassen, recherchieren und mir aufschreiben, was mein Staubsauger für Eigenschaften haben sollte usw. Aber solche "Langzeitprojekte" landen nicht mehr als Ganzes auf der Liste, sonst wird die ewig lang, niemals kürzer und bei jeder neuen Liste kann ich alles übertragen, was ich eh nicht schaffe. Mit dem Zeitplan und extra Zetteln für Kategorien komme ich echt besser klar. Klappt nicht immer, bin da auch am Üben (und am Schludern) und ich habe auch das Gefühl nie fertig zu werden und allem hinterherzurennen. Grade in letzter Zeit hatte ich das Gefühl, alles stürzt über mir zusammen und ich weiß gar nicht, was ich zuerst machen soll.

Was mir auch geholfen hat, mal aufzuschreiben, wie lange ich für bestimmte Tätigkeiten brauche, also Saugen x min., WC putzen y min. usw.
Jetzt im Lockdown, wo alle äußeren Erwartungen weg waren, habe ich viel besser rausgefunden, wieviel Kraft ich eigentlich für bestimmte Dinge brauche. Manches ist an sich gar nicht mal so anstrengend, aber wenn noch zusätzlich andere Anforderungen, Probleme etc. dazukommen, habe ich nicht mehr so viel Kraft und früher konnte mir meine Sachen dann nicht mehr so gut einteilen, weil es mich mal so viel Kraft gekostet hat und beim anderen so und so viel Kraft. Es war jedes Mal anders und einfach nicht mehr abschätzbar und hat dann eben auch oft nicht hingehauen. Jetzt weiß ich eher, ob ich etwas noch schaffe oder nicht.
Beim Haushalt hat es mir geholfen, dass ich mir vorgenommen habe, vier Sachen in einer Woche immer zu schaffen. Wohnung durchsaugen, wischen, WC putzen, Waschbecken putzen. Den Boden brauche ich, weil wenn der dreckig ist, auch alles andere unordentlich wirkt, egal, ob aufgeräumt ist oder nicht. WC und Waschbecken einfach wegen der Hygiene.
Beim Rest wie Abstauben, Kühlschrank saubermachen etc. habe ich mal aufgepasst, in welchem Zeitabschnitt das ungefähr immer nötig ist und versuche das dann grob so einzuplanen. Küche saubermachen, Dusche sauber u.ä. mache ich dann, wenn es nötig ist, bzw. schaue, dass ich sie einigermaßen sauber verlasse, dann eskaliert es nicht so schnell. Die Wäsche wasche ich nicht mehr erst, wenn ich die ganze Maschine vollkriege und alles schon überquillt, sondern auch schon mal früher, dann ist es nicht so viel zum Aufhängen und es stehen nicht so viele Wäscheständer auf einmal in der Wohnung rum. Seitdem ich mich auf die vier wichtigsten Sachen konzentriere und den Rest nicht mehr ganz so wichtig nehme, läuft es viel besser. Nicht immer gut, denn wenn es mir psychisch schlechter geht, komme ich nicht hinterher, aber es läuft nicht mehr so extrem aus dem Ruder wie früher.
Aufräumen tue ich öfter mal mit dem Wäschekorb, indem ich mit dem Korb durch die Wohnung gehe und alles in den Korb schmeiße, was nicht da liegt, wo es hingehört. Hat den Vorteil, es ist schnell ordentlich, und den Nachteil, dass zumindest bei mir der volle Korb relativ lange rumsteht, bis ich die Sachen dann wegräume. Aber wenn man irgendwas nicht findet, kann es ja dann nur im Korb sein ;) Und es ist einfach schnell ordentlich. Das ist mir auch wichtig, denn Unordnung schlägt bei mir auch oft auf die Stimmung.

Ich fand das Prioritäten setzen im Studium echt schwierig. Die ganzen Fristen sind auch nicht ohne und wenn man dann noch länger braucht als die Regelstudienzeit, wird es mit dem BAföG auch irgendwann sehr schwierig. Einen Nebenjob hätte ich gar nicht mehr geschafft. Für mich wäre das Studium leichter gewesen, wenn ich nicht auch noch die Geldsorgen gehabt hätte, die Wege nicht immer so weit gewesen wären bzw. ich ein Auto gehabt hätte und der Alltag außen rum nicht so anstrengend gewesen wäre. Eine Betreuerin wie jetzt hätte mir im Studium bestimmt auch gut getan.

Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen weiter.

Liebe Grüße,
DieNeue
Nowhere Man
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Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Re: Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von Nowhere Man »

Danke für den vielen Input.
Was ich nur kurz festhalten möchte, ist, dass ich das Differenzieren von "Wichtigkeit" auch wirklich nicht einfach finde. Ich finde es sehr schwer (das hat etwas mit Prägung und Glaubenssätzen) zu tun, zu entscheiden, warum Sache A wichtiger/dringender als Sache B sein sollte oder andersherum. Zumal sie oft auf ganz unterschiedlichen Lebensebenen stattfinden.

Ich komme aus einem sehr konservativen Elternhaus, und bin geprägt durch die Grundhaltung "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen". Das "Vergnügen" ist hier aber erstens kein passives Sich-Gehen-Lassen, sondern ein (genau so arbeitsintensiver, aber viel persönlicherer) aktiver Prozess, und daher kein Anhängsel, kein Bonus, auf den man genau so gut verzichten könnte. Und ich laufe Gefahr, in meiner Lebenssituation "erst die Arbeit, dann die nächste Arbeit, dann die nächste Arbeit..." zu machen, sodass meine Herzensangelegenheiten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag aufgeschoben werden.

Es gibt (bürgerlich gedacht), immer wieder Gründe, warum 1000 andere Dinge (jetzt gerade!) wichtiger oder dringlicher sind als das, was ich EIGENTLICH machen möchte. Für meine Herzensangelegenheiten habe ich keinerlei Rechtfertigung von extern, niemand der mir sagt: "Genau, mach das", sondern kenne nur sämtliche Stimmen, die mich warnen (oder gar jähzornig werden): "Mach das auf keinen Fall". Dann glaubt man nach und nach auch weniger an die "Wichtigkeit".

Wie gesagt, ich hatte in diesem Bereich schon mal Erfolge gefeiert, habe in meinem Leben an 5 kleinen und großen Wettbewerben zu dem Thema teilgenommen (und habe alle 5 gewonnen, bei teils 200 Teilnehmern), und jedesmal wenn ich mit so einem "Erfolg" nach Hause kam, hagelte es anstatt Zuspruch (oder mal ein bisschen Mitfreude) ein großes Drama und die Panik, dass man ja "vom rechten Weg" abkomme...
Katerle
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Re: Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von Katerle »

Hallo Nowhere Man,

mir hilft das tägliche Aufschreiben, was ich machen möchte. Dabei versuche ich drauf zu achten, dass nicht zu viel oder zu wenig zusammenkommt an einem Tag. Zwischendurch mal ne Pause.
Mein Psychiater sagte mir erst letztens, ist doch auch nicht schlimm, mal garnichts zu machen.
Irgendwas habe ich immer zu tun und Langeweile kenne ich auch keine. (noch nie)
Gestern z. B. hatte ich mit Fensterputzen begonnen und heute bzw. morgen geht es dann weiter.
Dann hatte ich für uns und unsere Kinder mal ein Essen organisiert an einem See und dort können wir auch mal wieder schön zusammen spazieren gehen.
Heute habe ich ein paar Wege zu machen und wenn ich daheim bin, werde ich mich dann erstmal wieder ausruhen.
Letztens was im Garten gemacht und mich auch danach erholt.

LG Katerle
Greta1962
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Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von Greta1962 »

Ich mache mir auch Listen - wenn möglich jeden Tag, ist aber kein Muss.
Da schreibe ich alles drauf, auch Kleinigkeiten, auch schöne Sachen.
Dann hake ich ab.
Was nicht erledigt ist, nehme ich für den nächsten Tag mit rüber - manchmal durchläuft dann so ein Ladenhüter mehrere Tage, bis ich merke, dass er eigentlich gar nicht wichtig ist - dann wird er einfach und ersatzlos gestrichen. Da merkt man dann, wie vieles wirklich überhaupt nicht wichtig ist.

Man muss natürlich aufpassen, ob einen solche Listen motivieren - oder ob sie einen nerven und nur noch mehr Druck machen.
Liebe Grüße von ..... Greta
Nowhere Man
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Registriert: 5. Mär 2021, 16:02

Re: Mit Einschränkungen (auch Zeit) umzugehen lernen?

Beitrag von Nowhere Man »

@DieNeue:
Aufräumen tue ich öfter mal mit dem Wäschekorb, indem ich mit dem Korb durch die Wohnung gehe und alles in den Korb schmeiße, was nicht da liegt, wo es hingehört. Hat den Vorteil, es ist schnell ordentlich, und den Nachteil, dass zumindest bei mir der volle Korb relativ lange rumsteht, bis ich die Sachen dann wegräume. Aber wenn man irgendwas nicht findet, kann es ja dann nur im Korb sein ;) Und es ist einfach schnell ordentlich. Das ist mir auch wichtig, denn Unordnung schlägt bei mir auch oft auf die Stimmung.
Das mache ich ganz oft ganz genau so. Die berühmten Wäschekörbe.
Bedenklich wird es, wenn irgendwann ein zweiter (oder gar dritter) Wäschekorb herhalten muss...

(musste da gerade dran denken, weil ich just in dieser Minute so einen (noch leeren) Wäschekorb in der Hand habe, um mal wieder auf die Schnelle klar Schiff zu machen.)
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