Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

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MettyEisenbein
Beiträge: 5
Registriert: 2. Feb 2021, 14:23

Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

Beitrag von MettyEisenbein »

Ihr Lieben alle,

das Thema Depression begleitet mich ja nun seit vielen Jahren – und seit einiger Zeit merke ich, wie ich immer stabiler, gelassener, selbstsicherer und selbstbewusster geworden bin. Ich habe extrem viel über Depressionen gelernt, nicht nur bei mir selbst, sondern bei Freunden, meiner Familie und auch mit meiner (Noch-)Ehefrau. Ich habe mich für einige Menschen in meiner Umgebung zum Ansprechpartner für seelische Nöte entwickelt, weil sie merken, dass ich ihre Nöte ernst nehme und nicht mit einem tollen Spruch ("Mir ging's auch mal nicht so dolle, da muss man sich zusammenreißen") um die Ecke komme.

Nun hat mir meine beste Freundin, die mich seit mittlerweile 32 Jahren kennt, den Floh ins Ohr gesetzt, ich solle mich um eine Ausbildung zum Notfallseelsorger bemühen – ihrer Meinung nach sei ich dafür regelrecht prädestiniert. Den Gedanken finde ich in der Tat sehr reizvoll, da ich ohnehin zu den Menschen gehöre, die einfach ein großes Bedürfnis danach haben, anderen zu helfen. ich weiß, wie es sich anfühlt, in einer Not- oder Krisensituation allein dazustehen (das ist u.a. einer der Gründe für meine eigenen Depressionen), der Wunsch zu helfen ist in gewisser Weise auch in meiner Persönlichkeit verankert, denn ich brauche das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich bin mit 49 Jahren noch in die Freiwillige Feuerwehr eingestiegen, werde da im aktiven Dienst aber nicht so riesig viel reißen können (Ausbildung für Atemschutzgeräteträger ist mit Asthma nicht so eine tolle Sache) – aber da schon seit langem ein großer Mangel an Notfallseelsorgern herrscht, wäre das für mich eine echte Überlegung wert.

Wie aber seht Ihr das? Was wäre Eure Meinung zum Thema "Notfallseelsorger mit Depressionserfahrung"? Nein, nicht missverstehen, ich suche nicht den Rat, ob ich das machen soll oder nicht, da ich zunächst eine entsprechende Ausbildung durchlaufen muss und wenigstens die dazu nutzen kann, herauszufinden, ob ich (und meine Ausbilder) mich dafür geeignet halte(n) – ich bin mir meiner Sache recht sicher. Aber seid ihr der Meinung, dass jemand besser geeignet ist, die seelischen Nöte anderer zu verstehen und mit ihnen vernünftig umzugehen, der seelische Not aus eigener Erfahrung kennt – oder jemand, der von sich behaupten kann, aufgrund "uneingeschränkter" seelischer Gesundheit einfach stabiler zu sein?
Da jö!

Metty
MarcelK
Beiträge: 34
Registriert: 11. Okt 2018, 16:30

Re: Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

Beitrag von MarcelK »

seid ihr der Meinung, dass jemand besser geeignet ist, die seelischen Nöte anderer zu verstehen und mit ihnen vernünftig umzugehen, der seelische Not aus eigener Erfahrung kennt – oder jemand, der von sich behaupten kann, aufgrund "uneingeschränkter" seelischer Gesundheit einfach stabiler zu sein?
Ich bin in jedem Fall der Meinung, dass Menschen, welche Depressionen aus eigener Erfahrung kennen, besser geeignet sind, als Leute, die sich das Thema lediglich angelesen haben, und gar nicht wirklich wissen, wie sich die Betroffenen fühlen. Und auch nicht diese Arroganz ausstrahlen, wie es Ärzte oft tun.
momadome
Beiträge: 610
Registriert: 2. Aug 2009, 15:03

Re: Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

Beitrag von momadome »

Hallo Metty,

Ob man mit eigener Erfahrung seelischen Leids und Erkrankung besser geeignet ist oder nicht, weiss ich nicht. Man ist auf einem anderen Level geeignet.
Ich habe selbst eine Ausbildung zur Ex-In Genesungsbegleiterin gemacht, das heisst akut seelisch Erkrankte mit dem eigenen Erfahrungswissen unterstützt und begleitet. Für mich war es sehr positiv das Erfahrene und Erlernte anwenden und weitergeben zu können .
Wichtig in beiden Fällen ist die eigene Grundstabilität und die Fähigkeit sich abgrenzen zu können. Sonst geht der Schuss schnell nach hinten los.
Wenn du es dir für dich vorstellen kannst, dann versuche es. Wenn es nicht passt oder zuviel wird....aufhören kann man immer, aber dann weiss man, dass man versucht hat sich seinen Wunsch zu erfüllen .
Lieben Gruß, jojoma
John4155
Beiträge: 395
Registriert: 23. Mai 2011, 18:41

Re: Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

Beitrag von John4155 »

Ich kann momadome nur beipflichten.

Ich war eine Zeit lang in der psychosozialen Unterstützung tätig. Ich habe die Einsatzkräftenachsorge und die Betreuung von Menschen in Notlagen betrieben. Wichtig ist die eigene Stabilität und ein gutes soziales Umfeld. Meine Erfahrung mit psychischer Erkrankung hat mir dabei geholfen einen anderen Zugang zu den Patienten zu finden. Sehr wichtig ist es die eigenen Grenzen zu erkennen, und Achtsam mit sich umzugehen. Als ich gemerkt hatte das ich weitere eigene Themen habe an denen ich arbeiten muss, und ich instabiler wurde, beendete ich diese Tätigkeit.
Viele Grüße

John
Suchende2
Beiträge: 1214
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Metty,

ich denke, die Eignung ist unabhängig von eigenen Erfahrungen.
Es gibt Menschen ohne eigene Depressionserfahrung, die sehr einfühlend sein können und Menschen mit Erfahrungen von denen nur "tolle Sprüche" kommen.

Natürlich ist es von Vorteil, wenn man zu der Sorte Menschen gehört die einfühlend sind und dementsprechend anders auf die Menschen eingehen können. Bei anderen Depressiven muß ich einige Sachen einfach nicht erklären, weil diese sie nicht nur theoretisch, sondern aus eigenem Erleben kennen. Das macht das Gespräch dann sehr viel einfacher.

Wenn es für Dich der richtige Weg ist, gehe ihn.
In einigen Punkten wirst Du wahrscheinlich durch Dein eigenes Erleben einen Vorteil haben, in anderen Punkten werden andere einen Vorteil haben.

Alles Gute,
Suchende
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Psychosoziale Notfallbetreuung / Notfallseelsorge

Beitrag von Katerle »

Hallo Metty,

es gibt Menschen mit Eigenerfahrungen, die anderen sehr behilflich sein können in schwierigen Situationen und dann auch welche, die psychisch stabiler sind und da ist es auch wichtig, sich in andere Menschen gut einfühlen bzw. hineinversetzen zu können, um hilfreich zur Seite stehen zu können.
Dazu ist es auch angebracht nicht über die eigenen Grenzen zu gehen.

LG Katerle
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