Wie reagieren Freunde (richtig)?

Greta1962
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Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Hallo zusammen!

Ich bin jetzt seit 10 Monaten krank geschrieben und hinterfrage natürlich so einiges.
So auch mein soziales Umfeld.

Insgesamt habe ich mich ziemlich zurück gezogen, was zum einen an meiner Gesamtverfassung durch die Krankheit liegt, dann an Corona - aber nicht zuletzt auch daran, dass ich noch mehr soziale und aushäusige Probleme habe, als mir lieb ist (alter Vater, Auseinandersetzungen mit ihm, mit Ärzten wegen ihm, Unterbringung im Heim usw.).

Mein Freundes- und Bekanntenkreis hat sich schon in den letzten Jahren ziemlich dezimiert, was ich aber auch nicht schlimm finde. Einige sind mir geblieben, was ich auch immer ganz schön fand. Ich selbst habe mich auch immer eingebracht - habe bewusst Treffen nicht abgesagt (obwohl mir manchmal danach war) und mich dann auch wohlgefühlt, ich habe Whatsapp-Nachrichten und Bilder verschickt, Karten zu Hochzeitstagen usw. ... kurz, ich habe mich im Rahmen meiner Möglichkeiten durchaus bemüht, präsent zu bleiben.

Aber in den letzten Monaten meiner Krankheit und Krankschreibung ist das nun doch irgendwie noch weniger geworden mit den Kontakten und ich frage mich, ob ich es im Rahmen der langjährigen Freundschaften nicht auch irgendwie erwarten kann, dass man das versteht - und entsprechend darauf reagiert. Klar, Erwartungen sind immer doof - aber man kann sich ja nicht dagegen wehren ... !? Ich erwarte nicht, dass ich nun extra betüddelt werde ... oder vielleicht doch? Ein wenig zumindest? Wenn ich höre, dass eine Freundin von mir an Depressionen erkrankt und monatelang krank geschrieben ist, dann würde ich schon versuchen, da irgendwie einen Weg zu finden, um sie ein bisschen aufzumuntern (oder es zumindest versuchen). Auf jeden Fall würde ich den Kontakt so aufrecht erhalten wie bisher.

Ich hingegen habe eher das Gefühl, dass sich nun die wenigen Freundinnen, die ich hatte, auch noch abwenden. Bei der einen habe ich das Gefühl, sie glaubt mir nicht, dass ich krank bin (weil ich durchaus "normal" wirke bei Treffen und Gesprächen und nicht ständig rumheule oder so - keine Ahnung, was man von Depressiven denkt!?). Die denkt vermutlich, ich mache mir mit meiner Krankschreibung nur ein nettes Urlaubsleben!?
Einer andere, aus dem Ausland, die sich eh nur sporadisch meldet, habe ich mal versucht zu erklären, dass ich aufgrund meiner Krankheit im Moment nicht telefonieren mag/kann. Sie reagierte total pikiert und hat sich seitdem nicht mehr gemeldet. Klar, ist vielleicht schwer zu verstehen - aber sollte man das nicht wenigstens versuchen!?

Auf jeden Fall bin ich irgendwie traurig.
Man selbst will ein guter Freund sein und erwartet das von den anderen irgendwie auch. Das letzte, was man erwartet, ist, dass sie sich bewusst zurückziehen - vielleicht auch deshalb, weil man nicht mehr so ein lustiger Teilnehmer an Veranstaltungen usw. ist ... !? Dann fällt man schnell durchs Raster!? Oder man hat Angst, dass Depressionen "ansteckend" sind? Dass man nur über Probleme reden muss .... !? Wer mich kennt, weiß, dass das nicht stimmt! Meine Familie ist gerade auch anderweitig beschäftigt - meine Kinder wohnen weit weg, der Rest konzentriert sich auf meinen Vater oder hat eh andere Sorgen/Interessen.

Ich könnte irgendwie heulen, wenn ich manchmal von Kranken oder Genesenen höre oder lese, die dann sagen, dass "Familie und Freunde sie soooooooo toll unterstützt hätten in der schweren Zeit .... "! Bei mir ist da keiner - und in der "schweren Zeit" hat man eher das Gefühl, sie ducken sich bewusst oder rennen gleich weg .... !

Da winkt dann doch die Einsamkeit.
Ich habe noch das große Glück, dass ich einen liebe- und verständnisvollen Partner habe ... aber eigentlich hatte ich mir mein soziales Geflecht schon etwas umfangreicher gewünscht ... und eher gestärkt im Alter und nicht gerade dann zerbröselt ... !

Wie geht es euch?
Wie sind eure Freunde und Familie?
Liebe Grüße von ..... Greta
Phoenix2019
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo, liebe Greta,
ich kann deine Wahrnehmung sehr gut nachvollziehen - mich beschäftigen ähnliche Gedanken. Auch mein soziales Netz (Familie und Freunde) ist durch die Depression und Corona immer dünner geworden. Meine Therapeutin möchte meinen Fokus zwar auf die noch verbliebenen Freunde lenken, die sich nicht zurückgezogen haben, bei mir bleibt aber die Wahrnehmung, dass sich immer mehr Verwandte und Freunde zurückziehen oder es bereits getan haben - ich denke aus Unverständnis, Verunsicherung oder - wie du schreibst - weil man sich lieber mit Menschen umgibt, die gute Laune versprühen, und man vielleicht befürchtet, mit "runtergezogen" zu werden. Ich habe mich allerdings selbst auch rar gemacht - gerade erst musste ich meiner Schwester schweren Herzens vermitteln, dass ich ihr nicht garantieren kann, 5 Nächte mit ihr und meiner kleinen Nichte verreisen zu können, sondern eventuell früher zurückfahren zu müssen- wegen meiner massiven Schlafstörungen. Sie fährt nun mit meiner Mutter. Ich überlege, sie trotzdem 2 bis 3 Nächte mit dem Zug zu besuchen, bei dem Gedanken an volle Zugabteile und die Ausbreitung der Delta-Variante wird mir allerdings auch mulmig. Wäre ich gesund, wäre ich einfach 5 Nächte mit ihr mit dem Auto gefahren und basta. Die Depression beeinträchtigt einfach die Lebensqualität massiv - und damit auch soziale Beziehungen. Mein Eindruck ist, dass Verwandte und Freunde sich über die Krankheit auch nicht informieren (wollen). Seelische Erkrankungen sind nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu oder zumindest ein Thema, mit dem sich niemand gern beschäftigt. Ich werde trotzdem weiter offen mit meiner Krankheit umgehen und um die noch verbliebenen Kontakte kämpfen.
Dir viel Kraft und einen lieben Gruß!
Vans_0
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Vans_0 »

Hallo Greta,

ich kann dir nicht viel weiterhelfen, aber ich kann dir sagen, dass ich deinen Frust sehr verstehe. Es würde mir zumindest genauso gehen.

Ich wünsche mir doch oft, dass ich mal betüddelt werde, gerade weil ich auch oft versuche trotzallem stark zu sein. Und natürlich verstehe ich auch, dass andere Menschen ein stressiges Leben haben, und auch Corona verlangt vielen gesunden Menschen viel ab. Vielleicht ist es einfach eine blöde zeitliche Kombination bei dir und deinen FreundInnen. Dennoch darf der Wunsch ja da sein, dass nachgefragt wird. Bei mir hat sich neulich meine engste Freundin gemeldet, weil ich mich gar nicht mehr gemeldet habe. Das ist recht untypisch für mich, spricht aber natürlich auch dafür, dass es mir wirklich nicht gut geht. Ich fand es sehr schön zu merken, dass es auffällt, und sie hat vorgeschlagen zu telefonieren.

Leider siebt man doch mit jeder Episode Menschen aus denke ich. Vorallem die, die man noch nicht allzulange kennt. Viele können es einfach nicht leisten, das auszuhalten. Die Kunst für uns ist wahrscheinlich, das nicht auf uns zu beziehen, es nicht am Selbstwert nagen zu lassen.

Ich hoffe, du kannst deine Bedürfnisse für jetzt annehmen und aushalten, und wenn es dir einmal besser geht, dann kannst du es ja vielleicht ansprechen und sagen, was du dir gewünscht hättest oder was dir in solchen Phasen hilft. Häufig ist es auch nur die Annahme anderer, dass man gerade Ruhe möchte, oder völlige Überforderung oder die Angst, etwas zu verschlimmern mit eigenen Problemen oder auch guten Nachrichten.
Greta1962
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Hallo Phoenix!

Ja, ich hatte das gelesen mit dem Urlaub mit deiner Schwester und den Kinder ... und ich ich weiß nicht, ob ich es nur gedacht oder auch geschrieben habe ... aber das wäre wirklich ein absolutes NO GO für mich, never ever, kein Gedanke! Schon die Zugfahrt würde ich nicht überstehen ... !!!! Und dann tagelang wenig Privatsphäre, Lärm .... und vor allem ... ständig irgendwie in Aktion mit anderen Menschen zu sein, viel reden ... usw. .... Nein, das ginge bei mir nicht mehr.

Irgendwie habe ich zum Thema "Einsamkeit im Alter" - jetzt unabhängig von Depressionen - gelesen, wie jemand schrieb, dass andere Angst hätten, später helfen zu müssen. Deshalb suchen die sich nur noch fittere, vermutlich in der Hoffnung, dass die einem dann später helfen. Verrückt.
Klar, jeder hat gern lustige Menschen um sich - aber erstaunlicherweise kenne ich einige Menschen mit nachgewiesen schweren Depressionen, die absolut lustig und extrovertiert sind. Also kein Grund, vor ihnen "Angst" zu haben - es kann absolut unterhaltsam mit ihnen sein.

Ach ja, alles nicht so einfach.
Alles Gute auch für dich!
Liebe Grüße von ..... Greta
Empathie58
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Empathie58 »

Hallo Greta,

das von Dir aufgeworfene Thema "Freundschaften und deren Pflege" finde ich sehr interessant.

Ich habe nur sehr wenige "echte" Freundinnen und Freunde. Mit "echt" meine ich solche, auf die Verlass ist, die auch dann bleiben, wenn es unangenehm wird. Dazu gehört für mich die Bereitschaft, aufmerksam zuzuhören (oder, wie zum Beispiel hier, zu lesen) und - umgekehrt - sich auch selbst zu öffnen und die eigene Befindlichkeit ehrlich zu zeigen, ohne Angst vor Ablehnung haben zu müssen. Es gibt einen passenden Spruch: "Ein guter Freund ist jemand, der mich mag, obwohl er mich kennt".

Viele Menschen scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, eine Freundschaft zu pflegen. Wenn die Initiative stets nur von einer Seite ausgeht, ist das auf Dauer unbefriedigend. Was ich noch wichtig finde: Wer zu dem Schluss gekommen ist, dass es mit der Freundschaft, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr "passt", sollte das ehrlich und zugleich schonend kommunizieren, statt den Kontakt durch schlichtes Schweigen zu beenden. Hier fehlt es oft an Klarheit, die gerade in einer Freundschaft wichtig ist.

Du hast speziell den Umgang mit Menschen angesprochen, die an einer Depression erkrankt sind. Dort gilt, wie in allen anderen belastenden Lebenslagen auch, dass sich echte Freundschaft in der Fähigkeit zeigt, sich nicht abzuwenden, sondern den Umgang empathisch fortzusetzen und die Betroffenen nicht fallen zu lassen.

Ich wünsche Dir, dass Du solche Menschen hast oder findest.

Liebe Grüße
Empathie58
Windwolke
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Windwolke »

Hallo Greta,

Meine Freunde reagieren richtig, wenn sie mir zeigen, dass ihr Interesse an mir erloschen ist - aus welchen Gründen auch immer. Dann habe ich nämlich die Möglichkeit, nach Ende meiner Depression diesen Rückzug zum Thema zu machen und jemand, der mir wichtig ist, zu fragen, woran es liegt. Vielleicht gibt es ein Missverständnis. Oder ich habe ein Verhalten an mir, das den Freund stört. Oder oder oder. Es gibt viele Gründe. Oft interpretieren wir das Verhalten anderer dann gegen uns persönlich, vor allem, wenn wir depressiv sind. Klar, die depressiven Gedanken! Wenn ich in der Lage bin, mich um eine Klärung zu bemühen, spreche ich das Thema an. Wenn nicht, muss es warten. Dann ist aber wichtig, dass ich mir nicht selbst die Gründe für den Rückzug herbei grüble. Denn das zieht runter. Immer wieder kommt es aber auch vor, dass eine Beziehung einfach nicht mehr passt. Ich habe dann keine Lust, immer wieder der aktive Teil zu sein, um sie am Leben zu halten.

Ich bin zum Beispiel jemand, der es nicht so toll findet, wenn Leute immer gut drauf, lustig, unterhaltsam sind. Oder wenn sie versuchen stark zu sein, während sie depressiv sind. Dann spüre ich, dass jemand nicht echt ist, und das stört mich sehr.
Andere Leute haben andere Bedürfnisse und andere Gründe sich zurückzuziehen. Auch ich habe schon gemerkt, dass die meisten Leute keine Klarheit wollen, sondern eher Bequemlichkeit. Rückzug ist leichter als etwas zum Thema zu machen und sich ernsthaft zu hinterfragen. Das scheint nicht mehr „in“ zu sein. Viele Leute sind auch so sehr mit ihrem Leben beschäftigt, dass sie sich einfach mittreiben lassen. Für die ist dann Unterhaltung schön, aber Probleme oder trübe Stimmung sind unangenehm. Auf die kann ich dann aber auch verzichten. So gibt es inzwischen neben meinem Mann „nur“ zwei Menschen, die in einer Depression bewusst Kontakt mit mir halten.

Aber hej, auch du hast einen liebevollen Partner! Ich empfinde das als ganz großes Geschenk!
Außerdem habe ich eine tolle Freundin, die leider so weit weg wohnt, dass wir uns maximal 1x/Jahr sehen. Aber wir telefonieren regelmäßig. Wir kennen uns seit 35 Jahren und haben lange Zeit so nah gelebt, dass wir oft Zeit miteinander verbringen und dabei alles besprochen konnten, was uns bewegt. Das war wunderschön und hat sooo gut getan! Es macht uns immer wieder traurig, dass das nicht mehr geht. Aber wir sind dankbar, dass wir telefonieren können.

Und ich habe eine Schwester, die ganz anders ist als ich - viel robuster und ein depressionsfreier Lebenskünstler.
Wir hatten oft Streit, aber je älter wir werden, desto mehr spüren wir, wie wichtig uns ist, dass es die andere gibt.
Wir sehen uns nicht oft, weil wir auch nicht in der gleichen Gegend wohnen, und wenn wir einen Besuch unternehmen, bemühen wir uns immer, die Eigenheiten des anderen stehen zu lassen, wenn sie stören, und einfach die Zeit zu genießen. Diskussionen bringen nichts, und im Laufe der Jahre lernen wir hinzunehmen, was wir nicht ändern können, und trotzdem froh zu sein, dass es die Schwester gibt. Da sie Depression nur immer - bei meiner Mutter und bei mir - miterlebt hat, kann sie sich nicht einfühlen. Aber sie spürt und versucht zu verstehen, wie es mir geht. Interesse und Mitgefühl tun gut, und trotz aller Unterschiede haben wir uns doch gern.

Andere Freunde sind nicht so, und im Laufe der Zeit haben sie sich in „Bekannte“ verwandelt. Die wollen mit Depression nichts zu tun haben. Verständlicherweise können sie nicht nachvollziehen, wie es ist, depressiv zu sein. Mag sein, dass auch mir manch eine Bekannte unterstellt, ich müsse dies und ich müsse das, weil sie einfach nicht verstehen kann, dass es nicht geht. Da wird dann der Kontakt ausgeschlichen, weil es eben doch keine echten Freunde waren.
Bei anderen ziehe ich mich zurück, meist nachdem ich eine Störung angesprochen habe, aber keine Reaktion kam. Ich sehe nicht mehr ein, warum immer ich ein Konfliktthema ansprechen soll, um die Beziehung zu retten. Man macht sich verletzbar, und andere haben keine Lust auf Probleme. Sie wollen sein dürfen, wie sie sind. Das zeigt mir dann aber, dass die Freundschaft mir auch selbst nicht wichtig genug ist. Sonst würde ich darum kämpfen. Inzwischen habe ich gelernt, dass Freunde, die meine wichtigsten Bedürfnisse nicht erfüllen (und ich habe einige!), eher Bekannte sind. Von denen erwarte ich dann aber auch nicht, dass sie mich in meiner Depression betütteln.
Während meine beste Freundin oder meine Schwester sich nie wirklich zurückziehen und immer offen sind, wenn es mir schlecht geht. Doch mein liebevoller Partner ist eigentlich in der Depression der einzige Mensch, der mir wirklich Halt gibt.

Erst neulich hab ich mit meiner besten Freundin darüber gesprochen, dass alle „Freundschaften“ wegbrechen und man keine vergleichbaren mehr findet. Vor allem, wenn man einen Partner hat und so wenig unternehmungslustig ist wie wir, kann man nicht so leicht jemand kennenlernen. Außer beim Gassigehen. Aber da war noch nie jemand dabei, an dem ich tieferes Interesse gehabt hätte. Auf jeden Fall niemand, von dem ich in der Depression betüttelt werden wollte. Nee, es ist wirklich nicht einfach mit den Freundschaften, wenn man mehrmals umgezogen, krank und älter ist. Aber seit Corona höre ich, dass das sogar gesunde Berufstätige sagen, weil alle sich zurückgezogen haben.

Entschuldigt bitte mein Gefasel. Ich bin jetzt sooo müüüde und hab grad überlegt, ob ich diese Nachricht lösche. Aber da ist mir jetzt doch die investierte Zeit zu schade.

LG Windwolke
Suchende2
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Greta,

ich denke, ein Teil der Freunde reagiert auch aus Unsicherheit leider so. Die machen sich Gedanken, die nicht nötig wären und in die falsche Richtung gehen.

Da Du gefragt hast, wie es bei uns ist, hier eine einigermaßen ausführliche Aufstellung.
Eine Schwester + Familie unterstützt mich sehr stark und ich bin sehr froh, daß es sie gibt.
Eine Schwester + Familie weiß nicht, daß ich an einer Depression erkrankt bin und das würde die auch nicht interessieren. Da würden höchsten "kluge" Ratschläge kommen.
Meine Schwiegerfamilie weiß zum Teil nicht genau, wie sie damit umgehen soll. Da kam auf der Taufe neulich der Tipp, ich solle einfach das Positive sehen, dann würde es mir schon besser gehen.
Ich finde diesen Tipp unmöglich. Ich weiß aber, daß er nicht böse gemeint war. Das macht es für mich ein wenig einfacher, so etwas zu ertragen. Und trotzdem weiß ich, daß ich mich auf meine Schwiegerfamilie verlassen kann.
Bei Freunden und Bekannten ist es verschieden.
Einige Freunde melden sich regelmäßig bei mir (eine zum Beispiel 1 x im Monat), weil sie wissen, daß es mir zur Zeit schwerfällt.
2 Freunde melden sich nicht mehr bei mir. Mit denen werde ich ins Gespräch gehen, wenn es mir besser geht und dann entscheiden, wie ich weiterhin mit denen Kontakt haben werde oder eben auch nicht.
Eine Freundin meldete sich bei mir und fragte, warum ich mich nicht melde. Sie wußte von meiner Depression und hat zur Zeit selbst in der engen Familie jemanden mit einer schweren Depression.
Ich habe ihr etwas flapsig geantwortet und dann haben wir beide gelacht. Sie hatte einfach aufgrund Ihrer zur Zeit angestrengten Situation nicht mehr daran gedacht, daß mir das Melden schwer fällt. Das konnten wir zum Glück schnell und mit Humor klären.
Ein Freund hat meinem Mann am Telefon erklärt, daß er sich nicht bei mir melden wird, da er mich nicht belästigen möchte und nicht weiß, ob es gerade passt. Da dieser Freund manchmal etwas anstrengend ist, hat mein Mann nicht wiedersprochen. Wie ich mich da weiter verhalte, weiß ich noch nicht.

Ich bekomme mit, daß manche Familiär sehr belastet sind und sie deshalb nicht die Kapazitäten haben, die sie gerne hätten. Aber wenn das offen angesprochen wird, dann ist es o.k. Eine Freundin hat zum Beispiel ein behindertes Kind und da gibt es immer Phasen, in denen sie alle Energie für die Familie benötigt. Corona und das Home-schooling haben die Situation bei ihr verschlechtert.

Und ja, ich hinterfrage auch mein soziales Umfeld und was mir davon wichtig ist.

Vor 25 Jahren gab es eine sehr schwierige Zeit in meinem Leben und da habe ich festgestellt, wer meine echten Freunde sind. Es war damals hart, aber es war für mich eine gute Schule fürs Leben. Die Freunde, die damals zu mir gehalten haben, habe ich noch heute und die sind auch weiterhin für mich da.

Ich wünsche Dir, daß Du einen guten Weg mit Deinen Freunden findest.

Alles Gute,
Suchende
Greta1962
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Danke für eure Antworten.

Es beruhigt immer, wenn man merkt, dass es anderen ähnlich geht.

Mein Problem ist, dass ich sehr konsequent bin - man könnte auch sagen nachtragend - wenn ich merke, dass mich jemand im Stich lässt bzw nur meldet, wenn derjenige selbst was von mir will, oder sich sonstwie doof verhält - dann kann ich zwar verzeihen, aber nicht vergessen. Und dann ist meist ein Cut in der Beziehung, den ich gar nicht kitten will.

Wenn ich jetzt also 10 Monate krank geschrieben bin und jemand meldet sich so gar nicht oder spricht das Thema mal an (nicht mitleidig oder so, aber wenigstens interessiert, zumal ich ja auch offen damit umgehe), dann fühle ich mich da schon angepieselt und da gibt es dann auch keine Gespräche mehr, wenn es mir besser geht. Warum auch!? Der Mensch hat ja seine Seite gezeigt, die ich nicht akzeptieren mag. Ich mache da keinen Stress oder Streit - aber ein Freund bleibt es trotzdem nicht. Das macht natürlich den Freundeskreis u.U. auch rasant kleiner ... aber irgendwie hat man eh die meisten "Freunde", wenn man selbst aktiv ist und vieles unternimmt und sich mit anderen zusammentut. Das alles kann und will ich nicht mehr. Es ist, wie es ist.
Liebe Grüße von ..... Greta
Lavendel64
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Greta,

was erwartest Du von deinen Freunden?

Das wäre die erste Frage, die ich gern in den Raum stellen möchte. Denn ich glaube, man muss sich selber erst darüber klar sein, welche Reaktion für Dich die richtige wäre. Dazu kommt, dass ein Symptom der Depression ist, dass es einem niemand Recht machen kann.

Doch gerade unter Freunden sollte es möglich sein, das zu thematisieren. Niemand kann sich vorstellen, was in einer Episode passiert, niemand, der es nicht selber erlebt hat. insofern muss man - glaube ich - auch mit dem Umfeld ein wenig Geduld haben.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Greta1962
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Guten Morgen!

@Lavendel ... ja, was erwarte ich? Ich glaube nicht viel. Dass sie sich mal melden, dass sie mal ein Whatsapp-Bildchen schicken. Dass sie sich "zu meinen Bedingungen" mit mir treffen ... sprich, irgendwie im kleinen unkomplizierten Rahmen. Dass sie mich nicht zu irgendwas einladen oder drängen, was mich überfordert - und dann eine Absage irgendwie bespötteln oder sauer darüber sind. Dass sie akzeptieren, dass ich nicht mehr so bin wie früher - und dass sie das annehmen und sich nicht abwenden, auch wenn ich vielleicht nicht mehr so der Party-Löwe bin.

Ich finde, das ist nicht so wahnsinnig viel und anspruchsvoll. Im Gegenteil, ich bin schon mit wenig Aufmerksamkeit zufrieden, weil mir viel Aufmerksamkeit eh zu anstrengend wäre. Außerdem bin ich selbst ja auch aufmerksam - in dem Rahmen wünsche ich mir schon eine Antwort.

Und ich muss ja auch dazu sagen, dass ich ein sehr offene Mensch bin. Ich spreche über meine Krankheit und auch über meine Wünsche und Gedanken. Es ist nicht so, dass ich mich zurückziehe und wie eine Muschel zusammenklappe - und alle Außenstehenden raten lasse, was nun mit mir los ist. Nein, ich bin immer bereit zu einem Gespräch. Aber ich kenne das schon mit meiner 1. Krankheit - Rheuma - das hat auch niemand so richtig ernst genommen, weil man Schmerzen nun mal schwer beschreiben kann.

Vielleicht habe ich auch einfach nur keine richtigen Freunde!?
Und das zeigt sich jetzt.
Schon traurig irgendwie.
Das setzt der Depression noch die Kirsche aufs Sahnehäubchen!
Liebe Grüße von ..... Greta
Herr Rossi
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Herr Rossi »

Hallo Greta.

Mal ganz vorsichtig gefragt: meldest du dich ab und zu bei deinen Freunden?
Ich sehe das bei uns, nachdem die beste Freundin meiner Frau vor 2 Wochen gestorben ist, haben wir tatsächlich nur noch zwei Freunde, die sich "von sich aus" manchmal bei uns melden. Alle anderen würden sich nicht rühren wenn die Welt untergehen würde, dass geht dann von uns aus.
Wir hatten auch schon vor 20 Jahren einen guten Freund, zu dem der Kontakt abgebrochen ist, weil er sich nie meldete, dass ging immer von uns aus. Und auch mein eigener bester Freund hat vor 5 Jahren jeden Kontakt abgebrochen, aus mir bis heute unverständlichen Gründen.
Jetzt ist es bei dir noch "komplizierter", weil ein "Normalo" nicht vernünftig einschätzen kann, wie es dir gerade geht, und wie er damit umgehen kann / muss.
Das ist einerseits traurig, andrerseits auf bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, wenn die Kontaktaufnahme beispielsweisenur von einer Seite ausgeht.

Liebe Grüße

Herr Rossi.
Greta1962
Beiträge: 281
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Hallo, Herr Rossi!

Ja, ich melde mich bei meinen Freunden - bzw. habe ich mich gemeldet. Ich habe das bewusst gemacht, weil ich mir da eigentlich eine Beständigkeit wünschte. Ich wollte mir auch nicht später selbst vorwerfen, dass ich da zu nachlässig war.
Als ich aber merkte, dass von der anderen Seite nichts kam - oder nur, wenn die irgendwas von mir wollten, da hatte ich dann auch keine Lust mehr. Da habe ich dann mal gewartet auf das, was evt. passiert - und was passierte!? Nix.

Keine Ahnung. Man nimmt es ja persönlich. Andererseits beobachte ich bei anderen auch, dass die manchmal putzwunderlich werden. Und irgendwie will ich sowieso nicht mehr mit Leute zusammen sein, mit denen ich mich nicht wohlfühle, die mir irgendwie mehr Energie abziehen als zuführen. Vielleicht ist das alles nur so was wie eine normale Entwicklung!? Das blöde ist halt nur, dass keine neue Menschen mehr in mein Leben kommen, mit denen ich so was wie eine Freundschaft aufbauen kann. Früher fiel mir das immer total leicht - ich kam in eine Gruppe (ob damals Schulklasse, ob in einen Sportverein, einen VHS-Kurs, eine Reha o.ä.) und hatte nicht nur schnell Anschluss, sondern auch eine direkte Freundin gefunden, mit der ich dann sofort alles gemacht habe - und mit der ich anschließend oft jahrelang eine Freundschaft pflegte. Das war ein richtiges Geschenk, wofür ich immer dankbar war. Heute ist das nicht mehr so leicht - auch deshalb, weil ich nicht mehr so oft in irgendwelchen Gruppen bin.

Ich glaube auch nicht, dass andere ein Problem jetzt mit meiner Krankheit haben. Es ist ja nicht so, dass ich ständig niedergeschlagen bin und das am Telefon auch thematisieren muss. Wenn es sich ergibt, dann rede ich darüber - aber ich hoffe ja, dass ich das ganz gut einschätzen kann. Obwohl ... viel rede ich natürlich über die Probleme mit meinem alten Vater ... das nimmt vielleicht viel Raum ein und ist auch nicht so geeignet für eine fröhliche Unterhaltung! Allerdings müssen Freunde so was auch aushalten können ... ich habe mir auch schon so viel Probleme von anderen anhören müssen!

Alles Gute !
Liebe Grüße von ..... Greta
Reiseonkel87
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Reiseonkel87 »

Hey Greta,

da kann ich ein Lied von singen. Damals, eine riesige Freundschaftsklicke gehabt, sei es Partys, zum Fußball oder andere aktivitäten in der Freizeit. Ich habe meine Krankheit nicht öffentlich gemacht. Was am ende auch gut so gewesen ist. Aus dieser Klicke hab ich mehr oder weniger nur noch zu zwei Leuten sporadisch Kontakt. Viele haben eine eigene Familie und haben sich aus der Klicke abgekapselt. Wenn man sich auf der Straße sieht dann ist ein herzliches Moin natürlich da, aber das da eine Bindung ist bzw wäre, das ich denen die Krankheit beichte, nein, keine Chance. In meinen Umfeld wissen es nur die wenigsten. In der Familie brauch ich keine Hilfe suchen/erwarten, die bekomme ich zwar von meiner Mutter und meiner Frau und damals noch mein Vater (seit 08/18 verstorben). Zwei enge Freunde, könnten nicht unterschiedlicher sein, der eine den geht es sprichwörtlich am Ar*** vorbei und wenn was ist, kommt sowas wie "ist dann so" oder er stellt sich selbst in den Mittelpunkt und meint er wäre der beste, der tollste usw... der andere hingegen würde sofort ins Auto steigen. Nur er wohnt in Berlin und ich in Lübeck. Es gibt solche und solche. In Lübeck hab ich nur einen richtigen Freund. Auf den kann ich mich auch verlassen und er sich auf mich. Freunde kommen und gehen, Familie bleibt. Inzwischen kann ich mich mit einigen Sachen an meinen Cousin wenden, da wir zuletzt sehr viel zusammen durchgemacht haben. So kann ich von mir sagen, meine Mutter und meine Frau sind erste Ansprechpartner, da Sie auch vieles kennen und verstehen. Dann würde mein Kumpel aus Berlin kommen, da er einiges von mir kennt, immerhin seit 2002 befreundet. Ist ein besonderes Thema. Ich freue mich für jeden, der ein soziales Umfeld hat, das funktioniert.
LG von der Küste
=============
Reiseonkel
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Hallo zusammen!

Ich muss jetzt mal wieder hier schreiben, weil ich heute gleich 2 Erlebnisse "der dritten Art" hatte ... das hat mich richtig fertig gemacht und ich möchte mal euer feedback hören um einzuschätzen, ob ich überreagiere, oder ob das nur Mimimi von mir ist ... !

Fall 1:
ich hatte einer Freundin am Wochenende eine Nachricht geschickt, ein Schönes Wochenende gewünscht und kurz erzählt, dass es mir nicht so gut geht ... dass coronabedingt ja jetzt einige Sachen möglich sind, ich diese aber nicht nutzen kann, weil ich krankheitsbedingt gerade überhaupt nicht unter Leute gehen mag.
Darauf hin kam eine Sprachnachricht, in der sie mir 4 Minuten lang ungefähr 15 tolle Erlebnisse schilderte, die sie in den letzten Wochen hatte .... Konzerte, Thermenbesuche, Tagesausflüge, Feiern mit Freunden ... usw.
Bin ich jetzt empfindlich, wenn ich das Käse finde!?
Kann die sich nicht vorstellen, dass ich das natürlich auch alles gern machen würde - und dass es mich nur schmerzt, wenn ich so höre, was andere machen und ich nicht!?

Fall 2:
Heute habe ich mich das erste mal in diesem Jahr (!!!!!!) mit Freundinnen getroffen. Ich bin insgesamt 9 Monate (!!!) nicht aus dem Haus gegangen, bzw. nur für notwendige Dinge wie Supermarkt oder Arzt. Das Treffen heute hat mich schon im Vorfeld sehr aufgeregt. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, hatte eine Art Panikattacke, hatte Angst vom Autofahren ... naja, das versteht nur ihr, die ihr vielleicht auch betroffen seid. Am liebsten hätte ich abgesagt - aber ich habe mich dann doch irgendwie dazu gezwungen, weil ich es auch wollte und weil ich mir sagte, dass ich mich ja nun nicht vollends isolieren kann ... ! Ich habe mich schön angezogen (im Rahmen meiner Möglichkeiten), ich habe meine Haare frisiert und mich sogar geschminkt. Ich fühlte mich ganz wohl, auf niedrigem Niveau.

Dort angekommen gucken die beiden mich groß und entsetzt an ... und anstatt zu sagen "Mensch Greta, lange nicht gesehen, schön dass du mal wieder dabei bist!" ... guckten sie und sagten dann "Mensch, Greta, siehst du schlecht aus!!!" und kriegten sich gar nicht ein und fragten, wieso nun was los sei und überhaupt und wieso ich denn so schlecht aussehe ..... ich glaube, die haben noch nicht mal "hallo" gesagt.
Ich war total platt - guckte zurück, wusste gar nicht, was ich sagen sollte und Tränen stiegen mir schon wieder in die Augen. Am liebsten hätte ich losgeheult und wäre gegangen. Aber ich wollte eben auch nicht so eine Mimimi-Welle machen. Also habe ich nur gesagt, dass ich ja nicht ohne Grund seit 9 Monaten krank geschrieben bin und dass man sich da doch denken kann, dass ich nicht aussehe wie das blühende Leben ... !

Was mich da besonders getroffen hat ... ich habe 15 kg zugenommen in den letzten Monaten (auch wegen ADs), ich habe kreisrunden Haarausfall .. ich fühle mich eh nicht wohl in meiner Haut! Und da gehe ich seit Ewigkeiten mal wieder raus - und muss mir das anhören, wie Scheixxe (sorry) ich aussehe - und beziehe es natürlich sofort auf mein Aussehen! Vermutlich meinten die es gar nicht so ... aber das nutzt mir jetzt auch nix!

Ich bin, wohlgemerkt, gar kein eitler Typ - ich bin 58, ich muss nicht "schön" sein und auch nicht schlank .... das ist also überhaupt nicht das Problem. Ich will im Grunde, dass aus meinem Aussehen, ob gut oder schlecht, gar kein Thema gemacht wird.

Jetzt habe ich Angst, dass ich gar nicht mehr vor die Tür gehen kann - wenn ich das eh nicht will, Ängste habe - und jetzt noch das Gefühl haben muss, mich wegen des Aussehens schämen zu müssen ... !!!?
Das ist doch alles großer Mist!
Liebe Grüße von ..... Greta
Empathie58
Beiträge: 266
Registriert: 23. Okt 2017, 21:48

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Empathie58 »

Hallo Greta,

die beiden von Dir geschilderten Fälle haben eines gemeinsam, nämlich mangelhaftes Fingerspitzengefühl Deiner Freundinnen.

Im Fall 1 finde ich das besonders krass, weil Du vorher ausdrücklich darauf hingewiesen hast, dass Du an derartigen Aktivitäten krankheitsbedingt nicht teilnehmen kannst. Dann auch noch Salz in die Wunde zu streuen und von eigenen Erlebnissen zu berichten, zeugt von wenig Empathie.

Fall 2 ist für Dich ebenfalls schmerzlich, auch wenn es hier vermutlich "nur" Gedankenlosigkeit Deiner Freundinnen war, die nicht wussten, mit welchen Empfindungen Du in das Treffen gegangen bist.

Ich wünsche Dir die Kraft, Dich von solchen Erfahrungen nicht aus der Bahn werfen zu lassen, sondern Dir selbst treu zu bleiben und an Dich zu glauben.

Liebe Grüße
Empathie58
Suchende2
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Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Greta,

Fall 1 war entweder extrem unsensibel oder hat eine falsche Sicht auf die Depression. Ich habe auch schon wirklich gut gemeinte Ratschläge wie "Du musst einfach positiv denken" oder "mache was schönes (inklusiv Vorschlägen) und dann geht es Dir besser" erhalten. Und das war von den Personen ernst gemeint! Zu welcher Kategorie Deine Freundin gehört, weiß ich nicht. Am Besten ansprechen, wenn Du die Kraft dazu hast und klären.

Bei Fall 2 kann ich mir auch gut vorstellen, daß Deine Freundinnen einfach überrascht waren (da sie Dich schon länger nicht gesehen hatten), wie schlecht Du aussiehst. Wahrscheinlich haben sie in diesem Moment einfach begriffen, wie es Dir die letzten 9 Monate ergangen ist.

Ich wünsche Dir, daß Du diese Beiden Vorfälle für Dich gut klären kannst und wegen Deines Aussehens brauchst Du Dich nicht zu schämen!
Ich habe soeben meiner Nachbarin die Tür in unmöglichen Aussehen geöffnet. Das habe ich erst hinterher gemerkt und jetzt ist es mir sehr unangenehm. Aber ändern kann ich es leider nicht mehr. :-)

Alles Gute,
Suchende
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Greta,
Fall 2 würde ich auch der Überraschung der Freundinnen zuordnen.
Fall 1 könnte man auch so sehen: Greta meldet sich endlich mal wieder, und jetzt erzähle ich mal alle Neuigkeiten, vielleicht freut sie sich ja darüber.
Klingt jetzt unsensibel, ich weiß.
Gruß Gertrud.
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Hallo!

Vielen Dank für eure Antworten.

Ja, vermutlich sortiere ich das alles etwas falsch ein - bzw. nehme es zu tragisch. Das ist halt so das Problem, dass man das emotionale nicht so einfach wegdrücken kann. Wenn man stabil ist, dann steckt man so was weg und denkt nicht mehr groß drüber nach.

Trotzdem bleibt mir das merkwürdige Gefühl, dass man von anderen einfach nix erwarten kann ... dass man krank ist, sich krank fühlt, krank aussieht - und trotzdem nicht drauf hoffen kann, dass die Leute damit irgendwie normal umgehen. Kein Mitleid oder so - einfach nur "normal" - und keine doofen Reaktionen. Naja. Schaun wir mal Das ist bei mir hoffentlich auch ein Lerneffekt.
Liebe Grüße von ..... Greta
SonneundDunkenheit
Beiträge: 706
Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Greta, ich glaube es gibt kein richtig und kein falsch. Auf beiden Seiten gibt es Unsicherheiten und Erwartungen und die können sich ständig verändern. Wir nehmen sehr selektiv wahr, wenn es uns schlecht geht. Die"Gesunden" wissen oft nicht, was wir erwarten (wenn sie denn überhaupt von der Erkrankung wissen; ich gehe eher zurückhaltend damit um) und haben kein Gefühl,was sie mit ihren Aussagen bei uns in Gang setzen können....
Ich hätte ähnliche Ängste vor einem persönlichen Treffen nach langer Abstinenz gehabt wie du... mich gefreut, wenn ich es dennoch geschafft hätte.... gleichzeitig verstehe ich die andere Seite.... sie haben sich nicht verstellt und ihren Impulsen folgend Fragen gestellt.....dich hat das überfordert und zum Teil verletzt (weil sie unangenehme Dinge zum Vorschein gebracht haben)....auch verständlich.... ist für beide Seiten schwierig. Du möchtest kein Mitleid, sondern normal behandelt werden. Was ist denn normal für dich?
Im Fall 1 bin ich zwiegespalten. Klar wäre es toll und erwartbar, wenn Freunde auf den eigenen besch.... Gesundheitszustand eingehen. Gleichzeitig gestehe ich meinen Freunden aber ein schönes Leben mit tollen Erlebnissen zu. Ich freue mich über die Bilder und Nachrichten auch wenn es mir gerade schlecht geht und kaum was geht. Sie können nichts dafür, dass ich krank bin und viele Dinge gerade viel zu viel wären.
Ich kämpfe seit vielen Jahrzehnten mit Depressionen und habe nicht viele tiefe Freundschaften (mir fehlt das Vertrauen...), aber die Menschen, die ich an mich ranlasse, haben auch ein eigenes Leben und es ist immer ein Ausloten was sie leisten können, was ich brauche/ erwarten kann und wie ich es dann wahrnehme.
LG
Gertrud Star
Beiträge: 3441
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Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Gertrud Star »

Ja, ich bin auch ziemlich empfindlich geworden und brauche auch viel Zeit alleine, um vieles zu verdauen. Oft ist es so, dass man mir nix recht machen kann. Es ist oft nicht einfach, für alle Beteiligten. Man kann so viel falsch machen, und je schlechter es mir geht, umso mehr. Ich hab dann auch oft das Gefühl, ich mache das meiste nur falsch.

Greta, vielleicht könnt ihr in ruhiger Minute darüber reden, wie die Worte gemeint waren und wie sie ankamen. Vielleicht hilft das ja etwas.
Ist alles leichter gesagt als getan. Ich wüsst nicht, ob ich den Mut dazu hätte.

Gruß Gertrud
Dora20
Beiträge: 217
Registriert: 1. Nov 2020, 15:05

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Dora20 »

verdammt, liebe Gertrud, schon wieder bist du mir zuvorgekommen und hast mich rausgeworfen!

Ich muss also ein zweites Mal schreiben. Grrr an Gertrud :evil:

Liebe SonneundDunkelheit, ich mag deinen Beitrag sehr. Danke dafür. Er ist sehr abwägend.

Liebe Greta, ich habe auch fast immer in meinem Leben gekränkt, verletzt usw. reagiert.
Da ist auch was dran. Denn ich finde, die meisten Menschen haben sehr wenig Ahnung und Verständnis für psychische Krankheiten, Depressionen speziell.

Andererseits bin ich wirklich oft schwer auszuhalten in schlechten Phasen.
Das ist nicht angenehm.
Deshalb finde ich gerade deinen letzten Satz sehr hilfreich, SonneundDunkelheit.

Liebe Greta, dir wünsche ich gute Lösungen, hast ja bereits viele hilfreiche Beiträge erhalten.

SonneundDunkelheit, ein bisschen mehr Mut und Vertrauen für dich, ich bin sicher, die Menschen können von deiner differenzierten Ausgewogenheit profitieren!


Liebe Grüße und gute Wege an alle, Dora
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Greta1962 »

Vielen Dank!

Ja, es ist nicht einfach mit mir - das weiß ich ja auch und deshalb zucke ich auch zurück, meine Gedanken und Gefühle nun so offen darzulegen. Nicht weil sie "falsch" oder "richtig" sind - sondern weil andere es halt nicht verstehen. Normalerweise bin ich nie bange, irgendwas zur Sprache zu bringen - ich kann mich da immer gut ausdrücken und alles auf den Punkt bringen ... obwohl, naja ich muss wohl eher sagen "konnte", denn jetzt fange ich schnell an zu weinen. Und das passt gar nicht zu mir - und irritiert mein Gegenüber. Und darauf habe ich dann natürlich keine Lust, das ist irgendwie doof und vor allem unangemessen. Das sehe ich ja selbst so - man muss nicht anfangen zu weinen wegen einer Kleinigkeit. Wenn ich das tue, dann ist es ok für mich - aber ich weiß auch, dass andere das mit Befremden wahrnehmen und damit nicht umgehen können. Das finde ich auch normal.

"Fall 1" fand ich vor allem deshalb so doof, weil sich diese "Freundin" vorher wochenlang nicht gemeldet hat. Denn ... natürlich freue ich mich mit jedem, wenn er was Schönes unternimmt und das gönne ich jedem von Herzen. Und besonders freue ich mich, wenn man mich da ein bisschen dran teilhaben lässt ... wenn man mir mal ein Foto schickt aus dem Urlaub oder so. Das geht ja heute alles so einfach mit der modernen Technik. Das ist z.B. etwas, was mich eher aufbaut als runterzieht - es geht also nicht darum, dass die Freundin mir das mitgeteilt hat.
Aber nach Wochen auf meine Nachricht "es geht mir nicht gut und ich komme trotz des Sommerwetters gar nicht vor die Tür und in Urlaub fahren wir auch nicht!" ... zu antworten "oh, das tut mir ja leid - wir waren hier und dort und da und alles war wunderschön und die nächsten Wochen haben wir noch dies und das und jenes vor ... !" ... DAS fand ich maximal unsensibel.

Am liebsten würde ich diese "Freunde" einfach aus meinem Leben kicken. Ich glaube, es würde mir zum jetzigen Zeitpunkt (meiner Krankheit) weder leid tun noch würden sie mir fehlen. Aber ich weiß nicht, wie das mal später ist ... !? So ganz ohne Freunde ist auch doof ... andererseits, was hat man von Freunden, wenn sie doof sind und man sich nur über sie ärgern muss .... !?
Liebe Grüße von ..... Greta
Lavendel64
Beiträge: 543
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Greta,

Es kommt wirklich darauf an, wie man emotional drauf ist. Es war sicherlich unsensibel, aber ich versuche (auch an dunklen Tagen) zu reflektieren, wie ich im "Normalzustand" mit solchen Dingen umgehen würde. Vielleicht hätte ich ein ironisches "schön für Dich" hinterhergeschickt. Aber diese Reflexion hilft mir zu sehen, wie ich emotional gerade drauf bin. Und das wiederum hilft, mit den Mitmenschen umzugehen.
Macht die Freundin es immer so? Oder lief sie einfach nur über vor Glück und musste das loswerden? Dann kann man vielleicht drüber hinwegsehen. Wenn sie immer so ist ... unsensibel, interessiert sich nicht für Deine Sorgen - sorry, dann ist es keine Freundin.

Aber wenn ich so überlege, habe ich auch schon bei meiner Freundin angerufen, weil ich was loswerden wollte und am Ende haben wir zwei Stunden über ihre Probleme gesprochen - auch das passiert einfach mal. Ich finde sowieso, dass Textnachrichten sehr schnell mißverstanden werden können. Schneller als ein persönliches Gespräch.

Grundsätzlich aber würde ich gern loswerden (weil es mir öfter gesagt wurde). Jemand, der nie mit Depressionen zu tun hatte, kann sich überhaupt nicht vorstellen, was das mit einem macht. Es ist für sie unvorstellbar, dass die Gedanken ein negatives Eigenleben entwickelt, das tage- wochen oder monatelang anhält und das gesamte Umfeld beeinflussen. Mir fällt es immer schwer, ihnen das zu beschreiben, denn viele sind wirklich daran interessiert.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
SonneundDunkenheit
Beiträge: 706
Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Greta, ich würde jetzt an deiner Stelle niemanden "aus meinem Leben kicken". Lasst euch Zeit. Beide Seiten müssen sich an die Veränderungen gewöhnen. Ich melde mich manchmal lange nicht bei Freunden, wenn es mir schlecht geht oder bleibe eher sachlich. Tiefe Freundschaften habe ich nur zu wenigen Menschen, aber auch hier versuche ich bei Treffen darauf zu achten, dass sich Geben und Nehmen ungefähr die Waage halten.
Ein gutes Gespräch ist wie eine Therapiestunde, aber es fordert dem Gegenüber auch viel ab. Ich stehe mir in schlechten Phasen oft selbst im Weg und mein Mann muss dann so einiges aushalten. Freunde sind damit wahrscheinlich eher überfordert. Ich komme beruflich aus dem sozialen Bereich, habe täglich mit psychisch kranken Menschen zu tun und treffe also auf Kollegen, die Erfahrungen im Umgang mit psychisch kranken Menschen haben. Trotzdem ist es dann noch einmal was anderes, wenn es den eigenen (geachtet und geschätzten Kollegen betrifft. Ich möchte mich nicht ständig erklären, warum ich mich gerade zurückziehen, nicht an Feiern teilnehme oder die Mittagspause alleine verbringe....der Gegenüber kann nicht nachvollziehen was da gerade in mir vorgeht und ich kann es nicht so beschreiben wie vielleicht notwendig wäre...
Das Leben mit Depressionen macht zeitweise sehr einsam, selbst wenn "liebe" Menschen um einen herum sind....wir sind trotz allem soziale Wesen und benötigen Kontakte, aber eben anders als die "Normalen"....
Ich wünsche dir (und allen anderen im Forum) einen schönen Tag!
Dora20
Beiträge: 217
Registriert: 1. Nov 2020, 15:05

Re: Wie reagieren Freunde (richtig)?

Beitrag von Dora20 »

Liebe Greta,

magst du nicht versuchen, es ihnen genau so zu sagen, wie du es hier geschrieben hast?
Es wird sich zeigen, ob sie es nachvollziehen können/wollen, dir Zeit lassen, bis es dir wieder besser geht.
Ich kann sehr gut verstehen, was du geschrieben hast!
Ob es Depressionsunerfahrene können?
Ich weiß nicht. Aber es sind Erklärungen über dich, keine Angriffe auf andere. Das ist doch gut.
Alles Gute, Dora
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