Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Ein Sommertag
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Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Ein Sommertag »

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avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Man sollte das medzinische Modell aber nicht in Bausch und Bogen verdammen – bei mir zum Beispiel IST ES ZUTREFFEND.

VG
avelarte
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Ein Sommertag
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Ein Sommertag »

Anhand welcher Laborparameter ist das bestimmt worden?
Gertrud Star
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Gertrud Star »

Sehr lesenswerter Artikel.
Ich finde auch den bio psycho sozialen Ansatz den einzigen zutreffenden.
Auch wenn die Krankheit durch biologische Faktoren ausgelöst wird, spielen sicher auch psychologische und soziale Faktoren eine Rolle dabei, mindestens bei der Aufrechterhaltung der Krankheit. Ansonsten, wäre die Krankheit rein biologisch, müsste sie auch eher biologisch zu behandeln sein. Und das behauptet ja heute niemand mehr wirklich, zumindest auf Nachfrage.
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Ein Sommertag hat geschrieben:Anhand welcher Laborparameter ist das bestimmt worden?
Das ist es natürlich nicht, aber es haben eindeutig nur medizinische Maßnahmen geholfen – bei der ersten Episode ein AD (nach mehreren Fehlversuchen mit anderen ADs, es hat also nicht sofort funktioniert), und bei der zweiten und der dritten Episode die EKT. Eine Psychotherapie hat mir bisher überhaupt keinen Nutzen gebracht, obwohl ich das natürlich auch gemacht habe, um keine Hilfsmöglichkeit auszulassen. Als mich der biochemische (AD) oder biophysikalische (EKT) Ansatz wieder in einen vernünftigen Zustand gebracht hatte, habe ich allein genügend Psychohygiene betrieben und keinen Therapeuten gebraucht.

Übrigens: Wenn man sich, wie ich vor einigen Jahren, nach einem Sturz heftig den Arm gebrochen hat, ist das Richten der Fraktur mittels Titanplatte und Schrauben ja wohl zweifelsfrei eine medizinische Maßnahme, ohne dass Laborwerte den Knochenbruch bestätigen müssen.
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Ein Sommertag
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Ein Sommertag »

Der Knochenbruch wird wohl durch bildgebende Verfahren bestimmt worden sein.
Deine Depression auch?
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Jetzt willst Du mich wohl festnageln? Weißt Du, im Prinzip ist es mir egal, wie bestimmte Dinge theoretisch begründet werden, denn letztlich gilt doch: WER HEILT, HAT RECHT. Fakt ist, dass ich schon dreimal aus einer ganz schweren und lange andauernden (jeweils zwischen einem und eineinhalb Jahren) Episode wieder herausgekommen bin – ohne Residualsymptome.

Übrigens: Vor der EKT wurde durchaus ein bildgebendes Verfahren angewendet, nämlich eine MRT.
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Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Hallo avelarte,

Ich glaube auch, daß ADs oder auch andere medizinische Maßnahmen hilfreich sein können. Auch mir helfen Antidepressiva, aber nicht nur. So wie ich das medizinische Modell verstehe (bitte korrigiere mich, wenn ich da falsch liege) wird dabei allein auf Medikamente bzw. andere medizinische Anwendungen gesetzt.

Und da liegt für mich der Irrtum. Soziale Lebensumstände, das behaupte ich, können immer bei einer Depression eine Rolle spielen. Das Beispiel der Langzeitarbeitslosen zeigt doch ganz deutlich, daß bei diesen Menschen die Gefahr, an einer Depression zu erkranken, sehr viel höher ist als bei Menschen, die ein gesichertes Einkommen haben und deshalb auch keine Zukunftsängste.

Liebe. Grüße

Jane
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Jane Eisklar hat geschrieben:Soziale Lebensumstände, das behaupte ich, können immer bei einer Depression eine Rolle spielen.
Können, aber müssen nicht. Es gibt auch Ausbrüche einer Depression, bei denen diese überhaupt keine Rolle spielen. Als ich Ende 2010 erkrankt bin, war mein Leben in einem durchgängig positiven, ruhigen Fahrwasser, also keine "Ausreißer" in negativer wie auch in positiver Richtung (es gibt ja auch Menschen, die nach einer überschäumend positiven Lebenserfahrung eine Depression entwickeln) – und trotzdem ist es passiert. Jetzt, wo ich mich aus der dritten schweren Episode herausgekämpft habe (in deren Vorfeld, zugegeben, auch negative externe Gegebenheiten und Probleme vorhanden waren – inwieweit diese allerdings auch ein auslösender Faktor waren, kann ich nicht beurteilen), betreibe ich allein genügend Psychohygiene und brauche keine Psychotherapie. Das heißt natürlich nicht, dass man mir davon abgeraten hätte – das habe ich selbst so entschieden, zumal die Psychotherapeuten/-innen, mit denen ich in den vergangenen 15 Jahren zu tun hatte (in Klinikumgebung oder ambulant), bis auf zwei Ausnahmen mir weder in fachlicher noch in menschlicher Hinsicht wirklich eine Hilfe waren.

Im Oktober 2020 hatte ich einen kurzzeitigen Rückfall, der über Nacht auftrat (als hätte jemand einen Schalter umgelegt), bei dem es aber ebenfalls keinerlei äußere Begleitumstände gab. Zum Glück ist er nach ca. 3 Wochen von allein wieder abgeklungen.

Als allgemeiner Goldstandard gilt auch bei den Ärzten und Wissenschaftlern, die die "medizinische Schiene" vertreten, eine Kombination aus Medikament und Psychotherapie.

Besten Gruß
avelarte
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Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Hallo Avelarte,

Danke für Deine Richtigstellung, daß auch Vertreter des Medizinischen Modells nicht allein auf Medikamente setzen sondern auch auf Psychotherapie.

Allerdings kritisiere ich nach wie vor die Grundthese des Medizinischen Modells:

Das medizinische Modell ist ein Denkmuster, dem zu Grunde liegt, dass Krankheiten auf physischen Ursachen beruhen, die diagnostiziert, behandelt und in den meisten Fällen auch geheilt werden können. Wird das medizinische Modell auf psychische Störungen angewandt, so setzt dieses voraus, dass die seelischen Krankheiten auf der Basis ihrer Symptome diagnostiziert und durch Therapien meist medikamentöser Art geheilt werden können. (Stangl, 2021).


Verwendete Literatur
Stangl, W. (2021). Stichwort: 'medizinische Modell – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/4050/medizinische-modell" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;"

Liebe Grüße

Jane
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Jane Eisklar hat geschrieben: Allerdings kritisiere ich nach wie vor die Grundthese des Medizinischen Modells:

Das medizinische Modell ist ein Denkmuster, dem zu Grunde liegt, dass Krankheiten auf physischen Ursachen beruhen, die diagnostiziert, behandelt und in den meisten Fällen auch geheilt werden können. Wird das medizinische Modell auf psychische Störungen angewandt, so setzt dieses voraus, dass die seelischen Krankheiten auf der Basis ihrer Symptome diagnostiziert und durch Therapien meist medikamentöser Art geheilt werden können. (Stangl, 2021).
Bei mir war bzw. ist es aber tatsächlich so – wenn ich jetzt mal Medikamente (Hilfe nach meiner ersten schweren Episode) und EKT (Hilfe nach der zweiten und der dritten schweren Episode) in einen Topf werfe.

LG
avelarte
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Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Hallo Avelarte,

Ich bestreite ja nicht, dass Deine Krankheitsgeschichte sich so ereignet hat wie Du es schilderst.
Ich kritisiere nur eine Grundhaltung, die sich medizinisches Modell nennt und eben bestimmte Bereiche ausklammert, die für mich nicht ausgeklammert werden dürfen.

Selbst bei Dir gab es vor einer Episode Ereignisse, die möglicherweise eine auslösende Funktion für die Depression hatten.

Du schreibst, Psychotherapien hätten bei Dir in 15 Jahren keinen Erfolg gehabt, bis auf 2. Also ich finde das doch schon mal gut, wenn es in diesen 15 Jahren zweimal hilfreich war. Ich hab in 15 Jahren nur eine Psychotherapie in Anspruch genommen, die mir auch geholfen hat.

Ich finde, so weit sind dann unsere beider Krankheitsgeschichten gar nicht voneinander verschieden.

Liebe Grüße

Jane
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Hallo Jane,

ich habe nicht zwei Psychotherapien gemacht, die mir geholfen haben, sondern bin einem Psychotherapeuten (mit dem ich 2012 ein Gespräch während eines Klinikaufenthaltes hatte, um das ich ausdrücklich gebeten hatte) und einer Psychotherapeutin (bei meiner einzigen Reha 2012, mit der ich 2 oder 3 Gespräche hatte) begegnet, die ich für kompetent und empathisch halte.

Psychotherapien hatte ich zwei – 2006/2007 eine mit sachlich informativen Aspekten und eine 2011/2012, die mir überhaupt nichts gebracht hat. Hilfreich in Bezug auf meine Depression waren sie beide nicht.

LG
avelarte
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Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Hallo Avelarte,

Ab wieviel Gesprächen kann man denn Gespräche mit Psychotherapeuten eine Psychotherapie nennen, Deiner Meinung nach?

Für mich zählt alles als Psychotherapie, wenn überhaupt psychotherapeutische Gespräche geführt wurden. Ein Chirurg richtet meinen Knochen beim Beinbruch in der Regel nur einmalig, trotzdem ist es ein vollwertiger chirurgischer Eingriff.

Es tut mir leid für Dich, wenn Du zweimal Pech hattest bei längeren Psychotherapien, das ist wirklich schade. Trotzdem, Du solltest das nicht verallgemeinern, ein neuer Anlauf bringt vielleicht den Durchbruch.

Liebe Grüße

Jane
Wandervogel
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Wandervogel »

Hallo Leute :hello:

Ich sehe das auch eher kritisch.

Früher unterschied man zwischen endogener (also körperlicher, stoffwechselbedingter) und extrogener (also durch äußere Einflüsse z.B. Traumata bedingter) Depression.

Seit einiger Zeit ist das anders. Man unterteilt Depressionen nach Schweregraden. Also leichte, mittelgradige und schwerer Depression, die laut Leitlinie zur Behandlung von unipolaren Depressionen sowohl psychotherapeutisch und medikamentös behandelt werden. Die Leitlinie ist im Internet gut zu finden.

Also ist die Unterscheidung, ob eine Depression rein körperlich oder rein äußerlich zustande kommt, sehr veraltet und laut Behandlungsrichtlinien nicht mehr up to date.

In wie weit sich die Ärzte und Kliniken an diese Richtlinien halten bleibt für mich sehr fraglich.

Kliniken z.B. haben Rabattverträge mit Pharmakonzernen, um günstiger an Medikamente heranzukommen. Natürlich um Kosten zu sparen, da die meisten Kliniken nicht mehr in staatlicher sondern in privater Hand sind (siehe Asklepios, Helios und Co.). Da geht es um Gewinnmaxmierung. Gesundheit also als Ware. Die GKV zahlt nicht genug für die Behandlung von Patienten (siehe Fallpauschale). Gesetzliche Versicherte bekommen daher oft billige Medikamente bei denen das Patent abgelaufen ist. Diese Medikamente haben oft schwere Nebenwirkungen, werden aber dennoch in großen Mengen an gesetzlich versicherte ausgegeben.
Bei Privatpatienten ist das anders, weil dort die Abrechnung mit den privaten Versicherern ein andere, bessere ist.
Außerdem wird in den meisten Akktukliniken vermehrt auf medikamentöse Behandlung als auf Psychotherapeutische Behandlung gesetzt. Eben weil sie durch die Rabattverträge mehr Gewinn einstreichen können.

Bei niedergelassenen Ärzten ist es ähnlich. An gesetzlich versicherte werden auch die billigeren und älteren Medikamente ausgegeben, bei denen das Patent ausgelaufen ist. Hier wird auch von Seiten der Krankenkassen Druck auf die Ärzte ausgeübt, da die Medikamente zu Lasten des Budget geht. Auch hier profitieren die Privatpatienten, weil eben die Versicherer mehr an den Arzt zahlen und die Budgetierung entfällt.
Ich sehe selbst, wie sich die Pharmareferenten bei meinem Arzt die Klinke in die Hand geben. Viele Ärzte werden mit teuren Fortbildungsmaßnahmen und ähnlichem geködert, um bestimmte Medikamente zu verschreiben. Auch hier spielt die Bezahlung der Ärzte durch die GKV eine große Rolle.

Meiner Meinung nach gehört das ganze System der psychatrischen Behandlung (stationär wie ambulant) auf den Prüfstand und auch das System der Krankenkassen. Hier setzt die Poliktik und der Verband der GKV absolut falsche Maßstäbe, die oft von Ärzten aus der Not, weil sie eben zu wenig bezahlt bekommen und mit hohen Regreßforderungen seitens der GKV rechnen müssen, umgesetzt werden. Auch wenn viele Ärzte es gerne anders täten. Des weiteren gehören Krankenhäuser wieder in die komunale Hand, damit mit kranken Menschen kein Profit mehr gemacht werden kann. Asklepios z.B. gehört einem Scheich. Nur mal so nebenbei bemerkt und ist auch ein börsennotiertes Unternehmen. Was auch schon alles sagt - oder.

Liebe Grüße
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Jane Eisklar hat geschrieben:Ab wieviel Gesprächen kann man denn Gespräche mit Psychotherapeuten eine Psychotherapie nennen, Deiner Meinung nach?
Vielleicht hatte ich da einen Denkfehler. Ich habe bisher als Psychotherapie nur einen von der Kasse genehmigten Zyklus (also mindestens 25 Stunden) betrachtet.
Jane Eisklar hat geschrieben:Trotzdem, Du solltest das nicht verallgemeinern, ein neuer Anlauf bringt vielleicht den Durchbruch.
Wozu denn? Ich brauche wirklich keine Psychotherapie, weil sich die Depression bei mir ausschließlich auf körperlicher Ebene abspielt und diverse emotionale Reaktionen nur eine Folge davon sind. Wenn der Körper wiederhergestellt ist, kann ich gut auf mich achten.

LG
avelarte
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Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Lieber Avelarte,

Das ist natürlich was anderes, dann ist ja alles in bester Ordnung.

Allerdings, das muß ich dann leider doch noch anmerken, verstehe ich dann nicht Deine hier im Thread geäußerte mehr oder weniger pauschale, vernichtende Kritik sowohl an Psychotherapeuten als auch generell an Psychotherapie.

Wenn das alles für Dich nicht die Lösung ist, bedeutet es doch nicht, dass es generell so ist. Vielen, sehr vielen, hilft Psychotherapie, das höre ich auch immer wieder von TeilnehmerInnen unserer Selbsthilfegruppe.

Liebe Grüße

Jane
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Liebe Jane,

ich bin kein "Er", sondern eine "Sie". ;)

Wenn es so herausgekommen ist, dass ich Psychotherapie und -therapeuten pauschal verurteile, dann bin ich falsch verstanden worden. Ich weiß, dass die Therapie für viele hilfreich ist, und freue mich für die Betroffenen. Ich möchte mir nur keine Psychotherapie aufschwatzen lassen, da ich sie wirklich nicht brauche.

LG
avelarte
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Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Liebe Avelarte,

tut mir leid wegen dem überflüssigen „r“.

Du hast Recht, niemand sollte sich eine Therapie aufschwatzen lassen. Die Entscheidung sollte derjenige immer von sich aus treffen.

Gestört habe ich mich hauptsächlich an Deiner Bemerkung oben „Man sollte das medzinische Modell aber nicht in Bausch und Bogen verdammen – bei mir zum Beispiel IST ES ZUTREFFEND“.

Da bin ich nach wie vor anderer Meinung. Das medizinische Modell erkennt soziale Komponenten als Auslöser einer psychischen Erkrankung nicht an. Das trifft so nicht zu. Die Coronie Pandemie mit ihren sozialen Folgen wie z.B. Isolation, Existenzangst usw. hat ganz aktuell bewiesen, wie sehr soziale Probleme Menschen psychisch krank machen können.

Das bedeutet ja nicht, daß Krankheitsverläufe nur wegen sozialer Probleme erklärt werden können. Deine eigene Erfahrung zeigt das ja. Aber wenn soziale Probleme als eine Ursache gänzlich ausgeschlossen werden, wie es das medizinische Modell tut, dann kann ich dem nicht zustimmen. Ich hoffe, Du verstehst das.

Liebe Grüße


Jane
Gertrud Star
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Gertrud Star »

Moin.
Man darf glaube ich nicht den Fehler machen, von der Art der Behebung des Problems auf die Ursachen zu schließen und dabei streng an dieser Erklärung festzuhalten, die mit der Methode der Behebung zu tun hat (in diesem Fall Medikamente).
Historisch betrachtet gibt es da sicher mal Unterschiede, das Pendel schwingt mal mehr mal weniger in die eine oder andere Richtung. Mal steht die Medizin im Vordergrund, mal das Soziale, mal die Psyche. Da spielt auch der Zeitgeist mit rein.
Letztendlich gibt es ja auch Forschungen, wieviel Prozent der Durchschnittsbevölkerung und wieviel von anderen Menschen (vor allem Arbeitslose) von psychischen Krankheiten betroffen sind, ebenso wie es Kenntnisse bei Behinderten gibt. Einige Erkenntnisse gibt es auch im Bereich des Minderheitenstresses, besonders bei Homosexuellen. In diesem Zusammenhang wurde auch verwiesen auf den Stress, den Menschen haben, die mehreren Minderheitengruppen angehören, beispielsweise arme kranke Schwule. Die Soziologie kennt dafür den Begriff Intersektionalität also Mehrfachminderheiten"status", welcher ein großes Krankheitsrisiko darstellt.
Gruß Gertrud
avelarte
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von avelarte »

Wichtig ist doch letztendlich das Ergebnis – nach der Devise: "Wer heilt, hat recht." Ich bin riesig froh und dankbar, dass ich nun schon dreimal komplett wieder gesund geworden bin – auf welcher theoretischen Grundlage die Heilung beruht, kann mir eigentlich egal sein.

Ich kann zum Beispiel auch nicht nachvollziehen, welchen Wert viele Betroffene darauf legen, dass ihnen eine eindeutige Diagnose benannt wird. Letzten Endes ist doch zweitrangig, "wie das Kind heißt", Hauptsache, der Mensch wird wieder (weitestgehend) gesund. Im Bereich psychischer Erkrankungen läuft doch eh immer noch das meiste nach dem Prinzip "Trial and Error" ab - leider.

LG
avelarte
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Wandervogel
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Wandervogel »

Hallo Avelarte, :hello:

Das einem egal sein kann, "wie das Kind nun heißt" kann ich nicht sagen.

Mir war das nicht egal. Es war ein Erleichterung endlich zu wissen was mit mir los war. Eine Ärzteodyssee hinter mir und falsche Behandlung. Ende vom Lied, meine Depressionen sind chronisch. Mir war das nicht scheißegal - damit das mal klar ist. Wenn es Dir scheißegal ist, ist es ja gut. Anderen geht das anders und die haben ein Recht dazu.

Liebe Grüße
Gertrud Star
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Gertrud Star »

Wichtig ist doch letztendlich das Ergebnis – nach der Devise: "Wer heilt, hat recht." Ich bin riesig froh und dankbar, dass ich nun schon dreimal komplett wieder gesund geworden bin – auf welcher theoretischen Grundlage die Heilung beruht, kann mir eigentlich egal sein.
Natürlich hat recht, wer heilt. Das gilt für die Behandlung.
Allerdings ist das medizinische Modell eine Theorie, und diese stützt sich auf Beobachtung vieler Patienten hinsichtlich Behandlung. Das ist wichtig, keine Frage. Aber es ist eben zu begrenzt als Wissenschaftsmodell. Das heißt, dass Menschen nicht im luftleeren Raum leben, sondern unter konkreten Umständen. Auf den Menschen üben eben die medizinische Behandlung, die psychologische Behandlung, sein Umfeld (Familie, Arbeit, Traditionen, finanzielle Umstände, Wohnumstände) ein, auch andere körperliche Krankheiten und Gebrechen.

Ich könnte jetzt einige krasse Beispiele anführen, wo man sofort sehen würde, dass Menschen aus Umständen heraus depressiv werden müssen, sofern sie die Gene dazu haben und die Epigenitik entsprechend anspringt, weil unter solchen Umständen jeder Mensch überfordert wäre. Ich denke aber, jeder kann sich das selbst vorstellen.

Das medizinische Modell als wissenschaftliche Erklärung von Krankheit allgemein, also als Erklärung für viele Depressive, ist viel zu begrenzt.
Jane Eisklar
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Jane Eisklar »

Liebe Gertrud,

Du bringst es genau auf den Punkt. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso Avelarte das nicht begreift.
„Das medizinische Modell als wissenschaftliche Erklärung von Krankheit allgemein, also als Erklärung für viele Depressive, ist viel zu begrenzt.“

Wenn ihr wissenschaftliche Modelle, wie sie schreibt, „scheißegal“ sind, warum verteidigt sie dann das medizinische Modell?

Liebe Grüße

Jane
Nico Niedermeier
Moderator
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Re: Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!

Beitrag von Nico Niedermeier »

Hallo von der Moderation, da schreib ich jetzt doch mal was dazu...
Also: Der Autor des Ausgangsartikels ist Stephan Schleim...Herr Schleim ist weder Facharzt für Psychiatrie, noch Facharzt für Psychotherapeutische Medizin noch Psychologischer Psychotherapeut und er behandelt keine depressiven Patienten und er ist kein Depressionsspezialist..
Es gibt kein medizinisches Modell, das ist ein künstlicher Versuch irgendetwas zu spalten, sonst nichts..
Ich kenne die Folien z.B. von Herrn Prof. Hegerl zur Depression seit über 20 Jahren (gab es ja auch auf jedem Patientenkongress zu sehen) und da gibt es nie ein medizinisches Modell, sondern immer ein Modell mit psychologischen und biologischen Faktoren als Auslöse- und Aufrechterhaltungsmöglichkeit von Depressionen so sieht es die DGPPN, die DGPM, also die medizinischen Fachgesellschaften zu dem Thema...Folglich halte ich den Ausgangsartikel für wenig fundiert, weil er etwas konstruiert, dass es so gar nicht gibt...sorry, aber habe wirklich sehr lange stillgehalten:-)
Beste Grüße
Nico Niedermeier (mal als Arzt und nicht als Moderator)
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