Psychosomatische Reha

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Muschelsammlerin
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Psychosomatische Reha

Beitrag von Muschelsammlerin »

Hallo, bin nach längerer Pause wieder hier aufgeschlagen....war 2017 zuletzt hier.

Ich möchte kurz berichten, wie es mir in der Zwischenzeit ergangen ist und wie sehr mir eine psychosomatische Reha-Maßnahme geholfen hat.
2017 ging es mir ganz erbärmlich schlecht, damals war ich ganz unten im dunklen Loch und mental und körperlich am Ende. Ich nahm in folge ca. 1,5 Jahre AD´s , morgens Duloxetin, abends Doxepin.
Im Spätherbst 2017 fing ich eine Psychotherapie an, nachdem ich fast 6 Monate darauf gewartet hatte. Die Therapie war extrem hart für mich, meine Therapeutin hat mich sehr oft an meine Grenzen gebracht und ich war mehrfach kurz davor, abzubrechen.
Wir hatten viele Meinungsverschiedenheiten und ich musste mir sehr viele Dinge anhören, die ich als verletzend empfunden habe. Später meinte sie nur, sie habe mich so provozieren müssen, um überhaupt eine Reaktion zu erhalten.
Nun ja....nach einem Jahr habe ich jedenfalls damit aufgehört.
Es ging mir nur wenig besser, die Medikamente halfen mir, den Tag zu überstehen, nicht mehr.
2018 erkrankte mein Mann plötzlich schwer....Gehirnblutung. Er lag 5 Wochen auf der Intensivstation, zweimal fiel er ins Koma, ist aber glücklicherweise immer wieder aufgewacht. Danach 3 Monate Krankenhaus und Reha. Es war so unglaublich anstrengend für mich, ich lebte in ständiger Agst und kompletter Erschöpfung.
Mein Hausarzt hat dann Ende 2018 eine stationäre Reha empfohlen.....ich hatte aber monatelang keine Kraft, mich darum zu kümmern.
Erst 2019 im Winter stellte ich den Antrag, der 2020 pünktlich zu Corona-Beginn genehmigt wurde.Ich hatte mich im Vorfeld informiert und mir die Glotterbad-Klinik im Schwarzwald ausgesucht.Wie sich herausstellen sollte, eine gute Wahl!
Auch hier musste ich 6 Monate warten, bis endlich Ende September 2020 ein Platz frei war und ich fahren konnte.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie glücklich ich in den Zug gestiegen bin....ich wollte nur weg von zu Hause und ich erhoffte mir Hilfe und Zuwendung,- dass alle mir sagten, "wie kannst Du jetzt in so eine Klinik fahren" (wg.Corona) war mir total egal.Ich glaube, ich wäre auch hingefahren, wenn dort die Pest ausgebrochen wäre.
In der Klinik habe ich sehr vieles gelernt und ich hatte sehr großes Glück, was meinen Therapeuten und meine Tischgenossen anging. Da mein Therapeut sehr einflussreich in der Klinik war, bekam ich sehr viele gute Therapie-Angebote. Darunter war neben den Einzel-Therapiesitzungen auch die Kunsttherapie unglaublich toll. Ich hätte nie gedacht, dass das so viel Selbsterkenntnis bringt und das kreative Arbeiten nebenbei auch regelrechte Glücksgefühle bei mir ausgelöst hat. Ich hatte Gruppensitzungen, die oft sehr aufwühlend waren. Manchmal wird der eigene Schmerz ganz klein, wenn man hört, was andere erleben und durchmachen müssen. Physiotherapie,Gerätetraining, Laufgruppe,Schwimmen,Wassergymnastik und Atemtherapie....all das half mir sehr bei meinen körperlichen Beschwerden. Selbsthypnose, Gruppe Essverhalten, Depressionsgruppe und nicht zuletzt die vielen tollen Gespräche mit Mitpatienten haben mir viele neue Denkweisen eröffnet und mich so sehr bereichert.
Schön war es auch, sich dreimal am Tag immer mit den gleichen Menschen an einen gedeckten Tisch zu setzen und sich an meist gutem Essen zu erfreuen. Wir haben unglaublich viel gelacht am Tisch, denn wir vier waren eine lustige Truppe. Das mag sich seltsam anhören, waren wir doch alle vier depressiv oder traumatisiert. Aber wir haben uns gegenseitig immer aufgebaut,getröstet, in den Arm genommen und ständig herumgewitzelt.....da blieb man nicht lange niedergedrückt, sondern lachte irgendwann mit.
Dieses Lachen jeden Tag, die Geselligkeit, die Vertrautheit....all das vermisse ich immer noch sehr! Ich kam nach 6 Wochen als ein ganz anderer Mensch nach Hause! Leider in eine Realität, die es mir sehr schwer machte, das Erlernte fortzuführen und die guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Ich brauche ja nicht erklären, was ich alles nicht machen konnte,- man könnte es auch so formulieren,- es ging gar nichts.
Deshalb bin ich inzwischen, nach 7 Monaten erzwungener Isolation auch wieder etwas depressiv und antriebsschwach....die erworbene Resilenz konnte ich nicht bis heute halten. Es fehlte ja an allem, nichts ging mehr.
Nun hoffe ich, dass sich unser Leben wieder halbwegs normalisiert und ich demnächst die Kunst-Gruppentherapie, die Wassergymnastik, den Reha-Sport und meine zwei Hobby-Gruppen wieder besuchen kann.
Ich kann Euch so eine Reha wirklich sehr empfehlen! Allerdings gehört wohl auch etwas Glück dazu, auf die richtigen Therapeuten und Mitpatienten zu treffen. Das Glottertal und seine Natur möchte ich zum Schluss auch noch erwähnen....niemals zuvor habe ich so tolle Waldspaziergänge in einmaliger Landschaft gemacht! Meist ging ich allein, ich habe diese Stille um mich herum geliebt, den Duft der Nadelbäume, das einmalige Farbenspiel des "Indian Summers" ....und Glück mit dem Wetter hatte ich auch! Fast den ganzen Oktober konnte man im Shirt oder mit leichter Jacke draußen herumlaufen....ich war richtig braungebrannt. Ich schäztze ich hatte nicht mehr als sechs oder sieben Regentage.
Dieser Bericht soll Euch anregen und ermutigen, auch eine Reha zu machen.....traut Euch , es kann sich lohnen!
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Liebe Grüße von der Muschelsammlerin
avelarte
Beiträge: 290
Registriert: 3. Nov 2008, 12:30

Re: Psychosomatische Reha

Beitrag von avelarte »

Nach diesem positiven Bericht festigt sich bei mir die Meinung, dass es sehr wichtig ist, in welche Klinik man geht bzw. geschickt wird. Eine Studienfreundin von mir war im März in einer psychosomatischen Rehaklinik, und eine andere Freundin ist jetzt gerade zur Reha. Beide Kliniken kann man unter Ulk verbuchen (da ich nicht selbst die Erfahrungen gemacht habe, möchte ich die Namen der Kliniken auch nicht hier öffentlich nennen) – was jetzt zu Corona-Zeiten dort veranstaltet bzw. nicht veranstaltet oder unterlassen wird, spottet jeder Beschreibung.

Ich war 2012 in der Klinik am Hainberg in Bad Hersfeld zur Reha. Das war reiner Zufall – ich wusste damals noch nicht, dass man auch Wünsche äußern kann. Auch jetzt mit so viel Jahren Abstand habe ich nur gute Erinnerungen an meinen Aufenthalt.

Besten Gruß
avelarte
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Ein Optimist denkt genauso einseitig wie ein Pessimist, nur lebt er froher. (A. Lassen)
Muschelsammlerin
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Re: Psychosomatische Reha

Beitrag von Muschelsammlerin »

Sicherlich gibt es Unterschiede bei der Qualität der Kliniken....aber es kommt auch darauf an, ob man die Angebote und Ratschläge annehmen kann/will.Man sollte seine Ansprüche nicht zu hoch schrauben....es gab auch in dieser Klinik unverbesserliche Nörgler und Nein-sager.
Einigen waren zu viele Termine auf ihrem Therapieplan, einigen zu wenige.
Einige fanden es unverantwortlich mit 10 Personen in einem Becken zu schwimmen, andere mäkelten unentwegt wegen der Maskenpflicht oder dem (wirklich ständigen) Lüften, vor allem wenn es mal kühler war.
Man kann es eben nicht allen recht machen.
Ich persönlich war einfach nur dankbar und habe alles angebotene regelrecht aufgesaugt.
Ich war zufrieden, dass ich so viele Anregungen und Aktivitäten wahrnehmen konnte.
Kleinere Pannen und Unzulänglichkeiten haben mir wenig ausgemacht, es überwog immer das Positive.
Überhaupt habe ich in dieser Reha gelernt, meinen Focus auf die positiven Aspekte in meinem Leben zu lenken....und Positives gibt es immer, auch wenn es an manchen Tagen etwas ganz kleines oder alltägliches ist, was man früher nie so wahrgenommen hat oder gar zu schätzen wusste.
Nun muss ich versuchen, das Gelernte dauerhaft in meinem Leben zu verankern ....das schaffe ich hoffentlich, wenn ich die Möglichkeiten, die ein normales öffentliches Leben bietet wieder ohne Beschränkungen wahrnehmen kann. Hoffen wir das Beste!
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Liebe Grüße von der Muschelsammlerin
Strohi
Beiträge: 388
Registriert: 17. Mai 2015, 22:45

Re: Psychosomatische Reha

Beitrag von Strohi »

Hallo Muschelsammlerin,

vielen Dank für Deinen tollen Bericht von Deiner Reha! Ich freue mich für Dich, dass es Dir, zumal in einer sehr belastenden Zeit (nicht nur Corona, sondern darüber hinaus vor allem die Krankheit Deines Mannes), sehr gut getan hat.

Meine Frage hört sich jetzt vielleicht blöd und dumm an, sie ist trotzdem wahrhaftig und ernst.

Ich habe, seitdem bei mir die mittelgradige bis schwere Depression akut ausgebrochen ist (2009/2010) und ich in fachärztlicher und therapeutischen Behandlung und Betreuung bin (seit 2011), hauptsächlich und vor allem Probleme mit meiner Konzentrationsfähigkeit und meinem Erinnerungsvermögen (hinzu kommt noch eine intensive, übermässige Müdigkeit und eine sehr starke Antriebslosigkeit). Dies kenne ich aus meiner Zeit vor dem akuten Ausbruch überhaupt gar nicht, im Gegenteil (obwohl die Depri vermutlich schon lange, seit meiner Jugend, in mir schlummert).

Dass ich früher keinerlei Probleme hatte mit der Konzentration und Erinnerung hat bei mir dazu geführt, dass ich weder eine Art Tagebuch über meine (ambulanten und stationären) Therapien geführt habe noch mir Notizen darüber gemacht habe; ein weiterer Aspekt war, dass ich Angst hatte, etwas von den ja weiter gehenden Gesprächen und Diskussionen in den Therapien nicht mitzubekommen, während ich mir etwas aufgeschrieben hätte.

Mir ging es übrigens wie Dir, ich habe - in der konkreten Situation - alles aufgesaugt wie ein trockener Schwamm.

So bin ich heute in der (blöden) Situation, dass ich das Gefühl habe, die ganzen (ambulanten und stationären) Behandlungen/Therapien umsonst gemacht zu haben (vielleicht von dem abgesehen, was sich von dem Gehörten sozusagen unbewusst in mir festgesetzt haben könnte).

Wie hast Du das denn bewerkstelligt? Hast Du Dir Notizen oder Ähnliches gemacht, von denen Du heute profitieren kannst, wenn es darum geht, das Gelernte dauerhaft in Deinem Leben zu verankern?

Vielen Dank im Voraus für Deine Antwort.

Liebe Grüsse, Strohi
Muschelsammlerin
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Re: Psychosomatische Reha

Beitrag von Muschelsammlerin »

Entschuldige, dass ich erst jetzt antworte,- ich habe Deinen Beitrag irgendwie übersehen.... :oops:

Ich habe ein Tagebuch geführt, während der Reha. Darin sind aber ehr meine ganz persönlichen Empfindungen und Befindlichkeiten festgehalten. Zu den anderen Techniken und Themen gab es so gut wie immer schriftliches Material, z.B. zur Selbsthypnose, zu Ernährungsthemen, zur Klopftechnik und so weiter. Das bekam man am Ende der Therapien ausgehändigt.
Manches habe ich aber schon schnell verinnerlicht, vor allem , was mir selbst klar wurde in den den Einzelgesprächen oder in der Kunsttherapie. Es gibt ja auch sehr viel gute Literatur zu wichtigen Themen....
Ich hatte das große Glück , in der Reha einen sehr kompetenten und erfahrenen Therapeuten zu haben, der selbst einige Bücher geschrieben hat....drei davon habe ich mir gekauft.
Sie sind mir Anleitung und Stütze in schlechten Zeiten.....wenn es Dich interessiert, kann ich Dir gerne eine Nachricht mit den Titeln senden.
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Liebe Grüße von der Muschelsammlerin
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