Umgang mit Einweisungen

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SophsFirebird
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Registriert: 9. Jan 2021, 10:27

Umgang mit Einweisungen

Beitrag von SophsFirebird »

Hallo Ihr lieben,

Derzeit mache ich mir viele Gedanken über meine Krankenhauseinweisung im letzten Jahr. Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass ich das erste Mal wegen meiner Depression ins Krankenhaus musste. Es ging von jetzt auf gleich. Das heißt ich hatte ein Notfallgespräch mit einer Psychotherapeutin und dann einer Psychiaterin und musste am gleichen Tag ins Krankenhaus. Das war damals ein ziemlicher Schock für mich, da ich mir 100% sicher war, dass ich mir alles nur einbilde. Ich war also die ersten beiden Wochen damit beschäftigt, darauf zu warten, dass das Pflegepersonal mich endlich wieder entlässt, da ich ja nicht krank war. Ich hatte auch riesige Angst enttarnt zu werden.
Im Nachhinein bin ich unendlich dankbar, dass mir geholfen wurde. Nachfolgend habe ich ein paar Gedanken dazu aufgeschrieben, wie es mir in der Zeit vor der Einweisung ging. Ich hab alle Namen geändert :)

Wie erging es euch mit Krankenhauseinweisungen? Wart ihr froh, dass ihr Hilfe bekommen habt oder habt ihr euch anfangs auch gewehrt?


Angst.
So viel Angst.
Sie ist glühend heiß. Nimmt alles ein.
Und dann ist da nichts mehr, außer diesem Gefühl. Alles andere ist weg. Aufgegessen. Und die Zeit raste dahin und blieb nicht mehr stehen.
Und dann steht Maja vor mit. Sieht mich an und nimmt mich in den Arm. Und dann bekommt die Zeit doch einen Ruck und stottert. In dieser rasenden Zeit war sie immer mein Anker. Hat mich aufgehalten und die Wolken verschoben. Für mehrere Monate wusste ich nicht wohin mit mir. Ich bestand nur noch aus Angst. Angst aufzufliegen. Angst mich zu verlieren. Angst nie wieder stehen bleiben zu können. Ich war mir sicher, dass alle Menschen blind waren. Wieso konnte niemand sehen, wie es mir ging? Wie ich Stück für Stück auseinander fiel? Zu einen Häufchen Elend.
Nachts konnte ich nicht mehr schlafen. Alpträume plagten mich. Was, wenn doch jemand hinsah? Sag, dass ich eine Betrügerin war? Das ich jeden nur etwas vorspielte? So blind konnten doch nicht alle sein. In ihren Reihen lief die größte Versagerin der Welt und niemand bemerkte es? Die Welt wurde immer dunkler.
Nichts konnte mich berühren. Ich konnte nichts berühren. Ich verstand nichts mehr. Spürte nichts. Da war nur dieses große schwarze Loch in mir und es konsumierte alles. Alle Gefühle. Alles Leben. Alle Gedanken. Ich konnte nicht mehr denken. Alle Gedanken waren schwarz. Und müde.
Und über allem stand die Frage: Wieso sieht mich keiner? Ich versuchte meine Arbeit. Doch auch da verstand ich nichts mehr. Ich vergab Termine, schrieb Briefe, telefonierte. Doch wozu? Ich machte doch eh alles falsch. Wieso sieht das keiner? Die Akten wurden mehr. Ich musste mehr Termine vergeben, mehr Gespräche führen, mehr Fragen stellen. Doch warum? Ich konnte es doch eh nicht.
Und versuchte mir Hilfe zu holen. Begriff, dass irgendwas nicht in Ordnung war. Fragte Max. Johann, Maja. Irgendwer musste mir helfen, musste mir helfen mich zu sortieren. Nur noch dieser eine Fall. Nur dieser Klient. Das war doch nicht so schwierig. Nur noch das und dann wurde alles wieder gut, dann könnte ich wieder atmen. Wieder Leben.
Wenn es doch nur so einfach gewesen wäre.
Ich konnte kaum mehr atmen Immer wieder holte ich tief Luft. Zitterte. Bebte. Mein Herz wummerte.
„DU zitterst immer, wenn du bei mir bist.“ Da. Mein Strohhalm. Maja bemerkte es. Konnte sie mir helfen? Maja. So aufmerksam. Hilfe. Bitte hilf mir. Doch wie sollte ich mich bemerkbar machen? Wie konnte ich Hilfe von ihr holen, ohne aufzufliegen? Dann würde sie merken, dass ich ihr in all der Zeit nur etwas vorgespielt hatte. Sie würde merken, dass meine Gefühle falsch gewesen sind. Dass ich sie nur angelogen habe. Die ganze Zeit nur angelogen habe.
Denn wer konnte glauben, dass ich so tiefe Gefühle haben konnte? Ich, der Eisblock? Noch nie habe ich so tief für einen Menschen empfunden. Mit ihr war alles möglich. Sie ließ mich lebendig fühlen. Etwas fühlen. Sie machte mich stark. Unbesiegbar.
Einmal habe ich mich ihr anvertraut. Das da oft diese schwarzen Wolken seien, die mich nutz- und wertlos machten. Sie wurde wütend, dass ich so etwas nicht denken sollte. Ich musste ihr versprechen zu kämpfen.
Wir ahnten beide nicht, wie groß diese Wolken schon waren.
Dann war da der Tag, wo ich Ute einen Fall erklären sollte. Sollte. Sollte. Und nicht konnte. Ich wusste nicht, worüber sie sprach. Habe ich so was je schon mal gemacht? Schon hunderte Male, Dich nicht heute. Rien ne vas plus. Finito. Ich begrüßte Gudrun und wankte in mein Büro. Alles war aus Watte und ich war aus Luft.
Dann klingelte mein Telefon.
Maja.
„Gudrun macht sich Sorgen. Was ist los?“ Sie sorgte sich. Doch ich wusste keine Antwort. Ja, was war denn los? Ich belog die ganze Welt? Ich war unausstehlich zu meinen Eltern. Ich konnte sie nicht mehr ertragen. Ihre Lügen. Ihr Getue. Alles war so klar. Und doch so schwer.
An diesen Tag ging ich zum Arzt und dann nach Hause. Alles hatte seinen Anfang.
Die folgenden Tage sind nur noch Szenen in meinen Kopf. Kein Ganzes. Nur Halbes.
„Du bist nie krank zu Hause.“
„Du kannst so nicht arbeiten.“
„Ich hab dich lieb, hörst du? Ich hab dich lieb.“
„Du hast Borderline.“
„Sie ist sicher zu Hause.“
„Sie sind der Ursprung des Verderbens.“
„Sie müssen ins Krankenhaus.“
Und dann war da dieses Wochenende. Das schlimmste meines Lebens. Ich war bei meinen Eltern. Suchte Halt. Doch verlor mich komplett. Am Montag würde ich endlich enttarnt werden. Dann würden alle sehen, was ich geschauspielert habe. Das ich allen eine Erkrankung einreden kann, die ich nicht habe. Dann würde die Welt zerbrechen. Chaos würde ausbrechen. Alles wurde immer wieder schwarz.
Montag.
„Sie können so kein Auto fahren.“
Frau Ackermann wies mich ins Krankenhaus ein.
Zu all der Angst formte sich Hoffnung. Erleichterung.
Endlich Hilfe.
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Umgang mit Einweisungen

Beitrag von anna54 »

Hallo liebe Seele
bitte erlaube mir diese Anrede.
Ich bin sehr nah bei dir,bei deinen Worten,deiner so wirklichen Beschreibung deiner unendlichen Not!
Die Depression ist eine miese Verräterin.
Sie redet dir Schuld ein,und sie läßt dich glauben,dass du eine Schwindlerin bist.
Alles Gelumpe,wirf es aus dem Fenster.
Ich kann nur hoffen,dass du inzwischen gute Hilfe gefunden hast.
Der große Zusammenbruch ist auch ein Anfang,ohne das vorherige zu verleugnen oder zu werten,das kommt erst viel später und am besten in einer guten Therapie.
Sichern,was zu sichern ist,keiner muss am Arbeitsplatz seine Diagnose mitteilen.
Auszeiten braucht es,Vertrauen---ganz langsam ausloten,Zeit braucht es.
Die anderen verstehen das,was sie kennen,erwarte da noch nicht zu viel.
Besprechen,erklären,das kommt später,wenn du es auch möchtest.
Aber bring dich in Sicherheit,egal ob Klinik oder ein anderer Schutzraum.
Eine längere Krankschreibung bietet erst mal Sicherheit,nur nicht auf schwankendem Untergrund Halt suchen.
Immer wieder zu fallen,nimmt alle Energie,und die hast du nicht übrig.
Eine Depression frisst alles und hinterläßt erst mal ein Trümmerfeld.
Aber nichts geht verloren,alles kommt zurück,aber erst zu seiner Zeit und die kannst du nicht abkürzen.
Sei gnädig mit dir,bitte gib dir endlich die Aufmerksamkeit,die diese schwere Krankheit braucht.
Das Forum ist ein guter Ort,hier findest du viel Erfahrung und auch hoffentlich ein Fünkchen Hoffnung.
Zu meiner Krankenhauseinweisung:
viel zu lange gewartet
gehofft
vergebens
zwei kleine Kinder,ein Ehemann,der blind sein wollte,ein Arbeitsplatz,der mir "heilig" war.
Zu viele vergebliche Wege zur Hilfe verbauten den Weg zur Diagnose.
Viel zu lange erwartet,dass andere "mich sehen".
Sie sehen nicht.
Psychischer und physischer Zusammenbruch,im Bett verelendet,bis ein Krankenwagen mich abholte,weinend und voller Scham bin ich im Krankenhaus gelandet.
Konnte irgendwann wieder essen,wieder duschen,wieder laufen,wieder sprechen.
Dann kam die Psychiatrie,dort viele vergebliche Anläufe,ich vertraute zu sehr auf Hilfe,die dort nicht geleistet wurde.
Ambulante Hilfe hat mich gerettet,das war ein ganz langer Weg.
Jeder geht seine Weg,in Schuhen,die schwerer sind als Blei.
Aber es gibt auch Umwege,andere Wege,bessere Wege.
Die zu finden ist mühsam.
Die Angst war immer da,wurde größer und wieder kleiner.
Die Krankheit zu begreifen,die Scham zu erkennen und damit ihr keine Berechtigung mehr zu geben,das ist wichtig.
Niemals wirst du dich verlieren,nur zeitweise dich nicht mehr erkennen,das geht vorrüber,immer.
Ich umarme dich und gebe dir das war ich ganz gut kenne,die Hoffnung.
anna54
SophsFirebird
Beiträge: 39
Registriert: 9. Jan 2021, 10:27

Re: Umgang mit Einweisungen

Beitrag von SophsFirebird »

Danke Anna für deine berührenden und bewegenden worte. Sie geben mir viel Kraft. Ja, ich habe mir Hilfe geholt, war 5 mal in der Klinik und bin bei einer super Therapeutin angebunden. Ich nehme Medikamente und langsam scheint die Sonne wieder. Der Weg ist lang und steinig und schwer und zum kotzen. Aber ich weiß das ich nicht alleine bin, habe so viel Unterstützung. Ich gebe nicht auf, kämpfe weiter, will kämpfen. Werde kämpfen und gewinnen. Danke :)
Wyrem
Beiträge: 3
Registriert: 8. Mär 2021, 19:10

Re: Umgang mit Einweisungen

Beitrag von Wyrem »

Hey Firebird!
Wahnsinn, wie 95% deiner Beschreibung auf mein Inneres zutraf. Durch solche Worte merkt man, dass man eben kein Versager oder Betrüger ist. Das man sehr wohl mit einer Krankheit zu tun hat, die einem Kraft und Energie raubt. Das man nicht alleine mit diesen düsteren Gedanken ist.
Danke, dass du so ehrlich warst!
f32-axolotl
Beiträge: 203
Registriert: 17. Jul 2017, 20:43

Re: Umgang mit Einweisungen

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo SophsFirebird,

dass ich eingewiesen wurde, hat sehr viel in mir zerstört. Ich habe es geschehen lassen und auch alle Therapieangebote wahrgenommen. So steht es auch im Entlassungsbericht. Aber ich bin seitdem von stationären Aufenthalten traumatisiert und werde freiwillig keine stationären oder teilstationären Dinge mehr machen.

Es war einfach eine extrem schlimme Erfahrung. Geholfen wurde mir nicht. Ich habe jede Woche Albträume davon und wünsche mir so sehr, dass die Erfahrung nicht hätte machen müssen.

f32
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