Angst

Mandelbrot
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Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Guten Abend,

Ich bin noch recht neu hier im Forum und deshalb noch sehr unsicher was das Erzählen von sehr intimen Dingen betrifft. Ich bin allerdings gerade so unglaublich traurig und habe Angst. Ich ezähle mal meine Situation.

Ich bin mit meinem Freund seit knapp zwei Jahren zusammen. Eine erste depressive Phase trat etwas ein halbes Jahr nach unserem Kennenlernen auf. Es war am Anfang sehr schwierig für mich. Da mein Freund zum Glück mit mir kommunizierte und bereit war sich zu öffnen und Dinge zu erklären und meine Fragen zu beantworten war es so, dass wir es irgendwie hinbekamen in diesen Phasen uns aufeinander einzustellen bzw. zurecht kamen. In depressiven Phasen zieht er sich extrem zurück vor allem und von mir auch. Es ist schwierig ihn zu erreichen weil er nicht ans Telefon geht und schriftlich antworten sehr schwierig ist. Es war in solchen Phasen so, dass ich mich dann immer wieder ab und zu gemeldet habe um zu zeigen dass ich an ihn denke, mit Vorschlägen die offen formuliert wurden, manchmal auch wenn ich selbst wichtige Fragen hatte auf die ich Antworten brauchte. Ich habe mir in solchen Phasen oft die Frage gestellt, ob ich mich zu oft oder zu selten melde, zu viele Vorschläge mache/motiviere oder nicht. Ich hatte Angst dass es meinem Freund irgendwie zu viel sein könnte, er mir das aber nicht sagt und dann aus dem Nichts den Kontakt abbricht (oder so ähnliche Horrorszenarien). Deshalb habe ich ihm öfters gesagt dass er mir bitte sagen oder schreiben soll, wenn es ihm zu viel ist wie ich mich bei ihm melde. Bis Vorgestern hat er das nie gemacht. Und so dachte ich, dass es irgendwie gut, beruhigend oder OK für ihn ist, immer mal wieder etwas von mir zu hören.

Nun steckt mein Freund gerade ziemlich tief in einer Depression. Er schafft es arbeiten zu gehen. Und wir sehen uns auch manchmal einmal die Woche kurz, selten zweimal. Dies machen wir eigentlich dann aufgrund meiner Vorschläge auf die er dann eingeht oder eben schreibt dass es nicht geht, dass er nicht kommen kann. Ich komme eigentlich meistens gut zurecht mit Absagen, obwohl ich natürlich traurig bin. Absagen sind mir wichtig, sofern wir etwas vereinbart haben.

Gestern haben wir uns gesehen weil sowohl ich als auch er dringenden Gesprächsbedarf hatten. Er sagte mir wir müssen mal reden. Er fühle sich derzeit bzw. seit einigen Monaten (so lange steckt er auch etwa in dieser depressiven Phase) nicht wohl mit uns. Er wünscht sich eigentlich immer weniger Kontakt oder mich zu sehen und ist eigentlich nur noch genervt wenn ich mich melde weil er dann antworten muss oder denkt dass er antworten muss. Ich habe erstmal zu Ende zugehört. Ich habe ihn gefragt, ob das nicht irgendwie dazu gehört, wenn er depressiv ist (dass er dann keinen Kontakt zu Menschen/mir will). Er sagte ja, aber er könne das nicht mehr voneinander trennen, was davon mit seiner schlechten Stimmung zu tun habe. Ich habe dann erklärt, dass ich mich melde um ihm zu zeigen dass ich an ihn denke, und um manchmal Vorschläge zu machen, oder auch wenn es bei mir etwas dringendes gibt was ich ihn fragen möchte. Ich sagte, dass ich bereit bin zu versuchen etwas zu verändern wenn ihm das zu viel ist wie ich mich bei ihm melde, dass wir das miteinander besprechen und verändern können. Ich sagte, dass ich dachte, dass es irgendwie gut für ihn sein könnte (wenn es ihm schlecht geht) dass ich ab und zu schreibe, einfach so oder mit Vorschlägen. Er entgegnete er wisse das nicht so genau. Ich fragte ihn, ob er die letzten Male nur meinetwegen zu mir kam als ich ihn einlud. Das konnte er nicht so genau sagen. Er fragte mich, wie das Ganze denn für mich eigentlich sei. Das fand ich sehr schön, dass er mich das in seinem Zustand fragte. Ich sagte, dass ich oft sehr traurig bin weil es so viel gibt was ich gerne mit ihm machen würde oder ihm erzählen würde, was oft nicht geht. Ich sagte dass ich mir gleichzeitig so sicher bin darüber dass ich mit ihm zusammen sein möchte, und dass ich mich ihm sehr verbunden fühle und dass meine Traurigkeit daran nichts ändert. Ich musste dann etwas weinen. Er sagte, das mit der Verbundenheit mir gegenüber gehe ihm eigentlich auch so, aber seit ein paar Monaten würde er das nicht mehr spüren/empfinden. Er wisse nicht, ob das an seiner Stimmung/seinen Depressionen liege und er wisse nicht ob diese Verbundenheit einfach verschwinden könne. Ich sagte dass ich denke dass sie verschwinden kann, jedoch nicht von heute auf morgen. Er konnte darauf keine Antwort finden warum die Verbundenheit mir gegenüber verschwunden war.

Ich sagte ihm, dass ich es gut und wichtig finde dass er mir das alles gesagt hat, dass es ihm zu viel ist wie oft ich mich melde. Ich fragte ihn, ob er denkt dass es gut wäre wenn ich mich seltener melde und machte von mir aus den Vorschlag, dass ich mich sofern ich nichts von ihm höre maximal einmal die Woche bei ihm melden könnte. Er dachte darüber nach. Er sagte dann er habe Sorge dann antworten zu müssen, das auch das (also einmal die Woche) vielleicht zu viel sei. Ich fragte ihn ob er sich es seltener wünscht. Er sagte dann nach langem Überlegen einmal die Woche sei OK. Ich sagte, dass ich mich auch ohne Fragen melden könnte, sondern nur mit Grüßen oder Angeboten (z.B. das Angebot auf irgendeinen Ausflug mitzukommen mit Freunden und mir) auf die er nicht eingehen müsste. Dazu sagte er OK. Wir saßen dann eine Weile beieinander. Ich erzählte ihm dann am Ende noch von einem Urlaub den ich im Juli machen werde (eine Freundin am Meer besuchen). Ich sagte ihm, dass ich sie gefragt habe ob er ggfs. mitkommen könnte und dass sie Ja gesagt hat und dass er sich im Sommer auch noch sehr spontan dazu entscheiden kann (wir hatten das vorher besprochen dass ich das frage). Er sagte OK. Dann wollte er bald gehen. Wir umarmten uns zum Abschied.

Ich war nach diesem Gespräch das am Freitag war zunächst sehr erleichtert und fast beflügelt. Ich denke das war deshalb so, weil ich froh war darüber, dass er mir eine Rückmeldung gegeben hat dazu was ihn an mir oder in unserer Beziehung stört/sich mal beschwert hat (das hat er nämlich bisher fast nie gemacht). Ich war froh darüber, dass er für seine Bedürfnisse einsteht. Ich war erleichtert, weil ich das Gefühl hatte nun weniger im Dunkeln zu tappen und nicht zu wissen ob ich zu viel oder zu wenig tue/mich melde und weiterhin zu "raten" was gerade gut ist. Ich war froh darüber, dass wir miteinander gesprochen haben und zusammen überlegt haben wie es für uns funktionieren kann in dieser Phase die ich als Übergangsphase sehe. Ich hatte den Eindruck wir saßen quasi "wieder im selben Boot". Ich dachte, ich müsste mir nun weniger den Kopf zerbrechen ob ich mich melde oder nicht. Anstatt dessen würde ich mich einfach wie vereinbart ca. einmal die Woche melden, also für die nächste Zeit (wie lange ist ja noch unklar). Nun ist Sonntag und ich wurde heute so plötzlich so traurig weil mir klar wurde, dass dieser Plan den ich vorgeschlagen hatte vielleicht doch nicht so super ist. Ich habe plötzlich festgestellt, dass ich nicht weiß ob ich es aushalten kann mich nur einmal die Woche zu melden. Ich fand diesen Plan zu starr. Ich hatte Angst davor was ich machen soll wenn etwas Dringendes ist, ich etwas Dringendes mitteilen möchte oder irgendetwas ist, dass es dann nicht OK wäre wenn ich mich melden würde.

Nun bin ich unglaublich traurig und es fühlt sich an wie Liebeskummer. Ich habe Angst dass es nie wieder besser wird mit ihm/mit uns, und dass ich es nicht werde aushalten können mich nur einmal die Woche zu melden. Und ich habe Angst dass ich es dann dadurch immer schlimmer machen werde und mein Freund sich von mir trennen wird. Ich denke ich habe das Bedürfnis nochmal etwas zu verändern an unserem Plan es eher als Orientierung zu nehmen mit dem 1x/Woche melden, und nicht so starr. So könnte ich es wahrscheinlich eher hinbekommen, wenn ich wüsste dass es OK wäre wenn ich mich bei etwas für mich Wichtigem melden könnte.

Wie ihr vielleicht lesen könnt bin ich total durcheinander. Ich frage mich, ob ihr ähnliche Probleme kennt wie meine? Wie macht ihr das mit dem Melden? Habt ihr da schonmal irgendwelche Absprachen mit euren Angehörigen getroffen? Ich bin gerade so ratlos darüber wie man so etwas am besten gestalten kann. Vielleicht muss man einfach kreative fleixible Lösungen finden weil jeder Mensch und jedes Paar anders ist und andere Bedürfnisse mitbringt?

Ich würde mich sehr freuen von euren Erfahrungen lesen zu können.

Alles Liebe

Mandelbrot
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Angst

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo Mandelbrot!

Ich kann das Schreiben hier im Forum nur jedem empfehlen. Das sortiert einfach die Gedanken die man sich so macht und Dinge werden auch zu Ende gedacht – Mir hat dies gerade am Anfang sehr geholfen, damit ich mich gedanklich nicht immer im Kreis drehe. Und irgendwie hatte ich auch das befreiende Gefühl, alles was ich hier aufgeschrieben haben, war dann ein Stück weit aus meinem Kopf. Du tust dich schwer mit dem Erzählen von intimen Dingen? Dieses Forum ist anonym und vielleicht genau deshalb die richtige Plattform. Anfangs habe ich auch meine Texte so geschrieben, dass eine Zuordnung nicht erfolgen konnte, also das meine Freundin, wenn sie denn hier mitliest, mich nicht erkennt. Das habe ich dann irgendwann aufgegeben, da ich mir sehr sicher bin, dass sie hier nicht mitliest.

Die Probleme die du kennst, sind mir sehr bekannt. Meine Freundin hatte in den sechs Jahren in denen wir uns kennen, bestimmt schon vier mal eine schwere Episode, bei denen sie den Kontakt mit mir unterbrochen hat. Auch sie geht weiterhin arbeiten und nach außen hin wahrt sie den Eindruck, dass alles in Ordnung ist. Das kommt mir teilweise richtig bizarr vor, denn ich weiß das sie beruflich sehr kommunikativ sein muss, es aber nach Feierabend nicht schafft, mit mir ein belangloses Gespräch zu führen – wobei belanglose Gespräche gibt es nicht, denn darüber wird meist Beziehung ausgedrückt. Über das Wetter spricht man nicht mit jemandem dem einem egal ist. Über das Essen spricht man nicht mit seinen Feinden.

Versuche während dieser Episoden weiterhin den Kontakt auf ein Minimum zu halten, sind gescheitert. Das sieht sie als eine quälende Pflicht. Etwas anderes hat mir auch zu denken gegeben: Das ist ihr Erleben von Zeit innerhalb einer Episode. Mag sein das dies sehr individuell erlebt wird, aber wenn ich mich mal so alle zwei Wochen bei ihr gemeldet habe, ist das für sie als würde ich mich ständig melden. Einmal kam der „Vorwurf“, nachdem ich ihr einen Blumenstrauß geschickt hatte, ich solle mich doch nicht gleich ein paar Tage später wieder melden, obwohl dies schon einen Monat her war. Oder ein Treffen das wir mal während einer Episode hatten, verortete sie auch Monate später als es tatsächlich stattgefunden hat. Damals war ihre Episode zu Ende, wir trafen uns wieder ein erstes mal und sie meinte allen Ernstes, das wir uns ja im letzten Monat getroffen hätten. Wir hatten Herbst, getroffen hatten wir uns im Frühling das letzte mal. Also bei dem Kontakt halten muss ich schon sehr vorsichtig sein um es nicht zu übertreiben. Ich versuche auch schwere Themen, speziell Beziehungsthemen, auszuklammern. Ich melde mich halt ab und zu – ohne ein Schema zu verfolgen – und versuche ihr nur zu sagen, dass ich ihr nicht böse bin und sie sich die Zeit nehmen soll die sie braucht. Ich stelle auch nie die Frage, wie es ihr denn geht. Was soll sie schon drauf antworten? Sagt sie es geht ihr gut, muss sie sich rechtfertigen warum sie keinen Kontakt zu mir aufnimmt. Sagt sie es geht ihr schlecht, muss sie sich rechtfertigen warum sie sich keine Hilfe sucht. Letztlich wurschtelt sie sich da halt durch. Ich wiederum suche vielleicht so im Schnitt alle zwei bis drei Wochen einen Anlass, um Kontakt zu ihr aufzunehmen. Selbstverständlich bekommt sie zum Geburtstag einen Blumenstrauß von mir geschickt, mal eine Mail, mal eine WhatsApp – aber sehr niedrig dosiert. Eigentlich auch so ein bisschen als Testballon um zu sehen ob sie noch in einer Episode steckt. Ich bin mir halt einfach nicht sicher, ob sie sich aus Scham vielleicht nicht von sich aus bei mir meldet, wenn es ihr wieder besser geht. Mal bekomme ich keinen Antwort auf meine Kontaktversuche, mal entspinnt sich daran ein kleiner Austausch, mal reagiert sie total sauer. Ich habe diesbezüglich ein sehr dickes Fell bekommen, denn ich weiß es lohnt sich. Bei ihr ist noch jede Episode zu Ende gegangen. Allerdings heißt es auch, dass nach jeder Episode auch immer vor der nächsten ist. Dazwischen ist es wunderbar und wäre dies nicht so, wären wir nicht da wo wir sind. Im Moment übrigens mal wieder in einer Episode von ihr.

Klasse finde ich es, dass du für dich einen Urlaub geplant hast, völlig unabhängig davon ob er mit kann oder nicht. Genau dies habe ich für mich als die richtige „Taktik“ erkannt – nicht darauf warten das die Episode vorbei geht, sonder selbst aktiv werden. Irgendwie sehe ich mich als Teilzeitsingle. Und als Single muss man auch keine Rücksicht auf jemand anderes legen. Was ab und zu auch ganz nett sein kann. Das mag für Außenstehende vielleicht herzlos aussehen, aber ich habe nun mal auch Interessen, die ich nicht mit ihr teile.

Womit ich sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe, ist mich als stützende Hilfe einbringen zu wollen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ihr mit den Depressionen nicht wirklich helfen kann. Ich benenne Probleme die daraus resultieren klar und deutlich, denn in ihrem Selbstbild ist sie nach einer Therapie geheilt... aber das wäre jetzt ein anderes Thema. Nur bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir beide nur dann auf Augenhöhe bleiben können, wenn ich nicht immer die Depressionen und was man dagegen machen kann, sehe. Ich bin halt nicht ihr Therapeut und Liebe oder Beziehung heilt diese auch nicht. Sich bestmöglich damit zu arrangieren – daran sehe ich für mich eine Lösung.

Wie auch immer, es wird keinen Königsweg geben den euch irgendjemand vorzeichnen kann. Ihr werdet selber einen Weg finden müssen. Vielleicht reicht dir auch das Versprechen von ihm, dass er sich meldet wenn es ihm mal zwischendurch besser geht. Sucht wirklich kreative und flexible Lösungen dabei. Und bei all dem, achte vor allem auf dich selbst und vielleicht hilft dir ja ein Bild: Seit Jahrhunderten fahren Menschen zur See. Deren Liebste bleiben auch über Monate auf dem Festland zurück und hören nur ab und zu von ihnen. Solche Beziehungen sind gar nicht so selten und gar nicht so unglücklich. Es hat auch was schönes wenn sie zurück kommen.
Mandelbrot
Beiträge: 16
Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo FrequentFlyer,

Vielen Dank für deine Antwort. Das tat sehr gut deine Zeilen zu lesen. Ich denke auch, dass ich mich daran gewöhnen kann hier private Dinge differenziert zu beschreiben. Ich bin auch ziemlich sicher dass mein Freund hier nicht liest. Es ist glaube ich aber noch eine kleine Barriere da.

Ich habe noch ein paar Fragen an dich und Gedanken die mir während des Lesens deines Textes gekommen sind. Woran merkst du, wenn bei deiner Freundin depressive Episoden vorbei sind? Ist es dann so, dass wieder mehr Initiative von ihr aus kommt? Ich kann mir manchmal gar nicht vorstellen bei uns, dass es wieder ausgeglichener sein kann mit unserer gegenseitigen Initiative. Es war mal recht ausgeglichen, jedoch habe ich Zweifel ob sich das wieder ändern kann. Das fühlt sich total schräg an.

Weiterhin ist ein Thema welches mich beschäftigt, der Umgang mit meinem Umfeld. Ich vermute und merke, dass ein großer Teil der Menschen in meinem Umfeld nicht verstehen würde weshalb ich so eine Beziehung führe wie die unsere. Es gibt wirklich nur eine gute Freundin von mir, der ich von dem Ausmaß der Einschränkungen erzählen kann welche unsere Beziehung durch die Depression (so meine ich) erfährt. Das führt dazu, dass ich wirklich nur mit den wenigsten Menschen offen sprechen kann oder eben etwas weniger offen. Das belastet mich, weil ich den Eindruck habe dass es dazu führt, dass ich bestimmte Menschen nicht mehr so gerne treffen möchte (ich habe eigentlich viele Kontakte und ein paar gut Freunde, bin mit meinem Freundeskreis zufrieden). Ich merke dann, dass ich keine Lust habe bestimmte Menschen zu treffen weil ich stark vermute oder in Ansätzen mitbekommen habe, dass die Reaktionen mir nicht gut tun oder weiterhelfen könnten und ich mich wahrscheinlich unverstanden fühlen würde. So kommt es, dass sich der Kreis meiner engsten Vertrauten im letzten Jahr reduziert hat. Das fühlt sich irgendwie auch gut an. Davor war es mir manchmal auch zu viel Zeit die ich für oberflächliche Beziehungen brauchte. FrequentFlyer, kennst du solche Gedanken? Wie ist das mit deinem Umfeld?

Ich hab weiterhin festgestellt, dass ich mich fundamental damit auseinander setzen muss, was für mich eigentlich Liebesbeziehung bedeutet. Und es wird mir auch sehr deutlich vor Augen geführt, was es in unserer Gesellschaft oder für viele Menschen bedeutet. Ich merke für mich ganz klar und deutlich, dass Krankheit und Beeinträchtigung (und damit verbundenes Leid) für mich zum Leben dazu gehört. Ich wünsche mir eine Welt und Beziehungen die dies integrieren. Ich wünsche mir, dass es in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht um "Funktionieren" und "Nicht Funktionieren und deshalb in der Schlussfolgerung Beziehungsabbruch" gehen soll (dennoch ist mir klar, dass Trennung manchmal eine Möglichkeit sein muss). Ich wünsche mir, und das klingt jetzt vielleicht blöd, getragen zu werden von meinen Beziehungen, auch wenn ich mal schwer krank werde (egal welche Erkrankung es ist). Natürlich ist mir klar, dass es da irgendwo Grenzen gibt. Ich stelle manchmal fest, dass ich weniger darunter leide was die Depression meines Freundes für unsere Beziehung im Privaten bedeutet (denn das kann ich zu weiten und großen Teilen einordnen und durch Aufklärung über die Erkrankung schaffe ich es, das oft gut es nicht persönlich zu nehmen, außerdem erfahre ich viel Nähe und Fürsorge in meinen anderen privaten Beziehungen durch Freunde und Familie). Worunter ich glaube ich viel mehr leide oder viel mehr mit beschäftigt und konfrontiert bin, ist das gesellschaftliche Ideal von Liebesbeziehung (welches von außen an mich herangetragen wird und auch natürlich in mir drin steckt durch kulturelle erzieherische Einflüsse etc.). Es führt mir immer wieder vor Augen, wie "unnormal" oder "anders" wir unsere Beziehung führen. Ich habe dann manchmal die Gedanken im Kopf, dass unsere Beziehung ja eigentlich keine "richtige" "normale" Beziehung ist. Diese Gedanken sind manchmal da, und manchmal entstehen sie auch durch Fragen oder Begegnungen oder Äußerungen von Außenstehenden. Ich finde das schmerzhaft und schwierig. Kennst du so etwas, FrequentFlyer?

Mir ist eigentlich zu weiten Teilen sehr klar, dass ich unsere Beziehung mag. Ich habe zu weiten Teilen keine besonderen Schwierigkeiten damit, dass wir eine sehr "besondere" Beziehung führen weil wir halt anscheinend sehr "besondere" oder "spezielle" Menschen sind. Es gibt jedoch noch etwas, was für mich wirklich ein Problem darstellt wo ich nicht weiß was man da machen kann. Ich bin jetzt 29 Jahre alt und mein Freund 34. Ich frage mich manchmal, ob ich mal eigene Kinder haben möchte und denke, dass ich schon gerne irgendwann mit Kindern leben möchte, bin da aber sehr offen und denke dass ich nicht unbedingt biologisch eigene Kinder bekommen muss (z.B. denke ich auch an Pflegekinder). Du schriebst ja FrequentFlyer, dass es gut ist seine eigene Pläne zu machen. Das kann ich sehr gut. Ich habe Freunde mit denen ich Urlaub machen kann und auch fällt es mir leicht meine Freizeit zu gestalten. Was dieses Thema Lebensform und Kinder angeht habe ich jedoch eine Blockade im Kopf. Ich frage mich, wie ich in diesem Bereich meine eigenen Pläne machen kann/mein Leben gestalten kann. Ich denke, dass das sehr schwierig ist. Ich frage mich, ob ich meine Beziehung weiter führen kann, und gleichzeitig diesen für mich ggfs. immer wichtiger werdenden Bereich des Lebens gestalten kann. An dieser Stelle denke ich, dass das Problem nicht bestehen würde wenn ich bereits Kinder hätte. Dann könnte ich sehr gelassen mit dem Thema Liebesbeziehung umgehen. Das würde ich eigentlich sehr gerne. Verrückt, oder? Wie ist das denn bei dir, FrequentFlyer?

Ich habe manchmal den Eindruck, dass Frauen in meinem Alter oder etwas älter einen wachsenden Kinderwunsch haben und dann mit der Person Kinder bekommen, mit der es dann "zufällig" (sorry, etwas überspitzt und nicht negativ gemeint) zu der jeweiligen Zeit passt. Ich frage mich manchmal, ob da nicht auch viele pragmatische Gründe eine Rolle spielen (zwei Menschen die sich treffen und gerade gerne Kinder möchten). Ich kann mir das schwer vorstellen. Ich habe in meinem Leben sehr selten Personen getroffen, mit denen so eine starke geistige Verbundenheit da war, mit denen ich mich so "zu Hause" gefühlt habe. Mir liegt es also so fern, bei einem starken Kinderwunsch mich zu trennen wenn mein Partner den ich liebe und mit dem ich mich sehr verbunden fühle bspw. keine Kinder bekommen möchte oder aus gesundheitlichen Gründen gerade nicht kann. Ich würde versuchen wollen alternative Lösungen zu finden damit die Beziehung fortbestehen kann. Ich frage mich manchmal, ob ich da sehr naiv gestrickt bin. Dennoch sehe ich gleichzeitig, dass so viele Elternpaare sich (nach manchmal schon sehr kurzer Zeit) trennen, auch wenn Kinder noch sehr jung sind. Und dann frage ich mich, ob man nicht gleich alternative Lösungen/Ideen finden kann. Solche Gedanken mache ich mir im Moment..

Lieber FrequentFlyer, schreib mir gerne deine Gedanken zu diesen Themen auf wenn du magst. Ich würde es sehr schön finden von dir noch etwas lesen zu können.

Alles Liebe und einen guten Tag

Mandelbrot
Remu
Beiträge: 55
Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Angst

Beitrag von Remu »

Hallo Mandelbrot,

ich finde es klasse, dass du den Mut hattest, dich hier zu öffnen. Wenn es dir nicht geheuer ist, dass jeder mitlesen kann, gibt es bei Gelegenheit auch immer noch die Möglichkeit der PN. Das hat mich z. B. sehr gut aufgefangen.

Sehr gut finde ich, dass dein Freund und du so offen geredet habt. Und dass du erst mal zugehört hast, was dein Freund auf dem Herzen hat. Solche offenen Gespräche sind mir sehr wichtig geworden, leider kommt es bei uns nicht so häufig vor, da mein Mann eher alles mit sich selbst aushandeln will. Wir waren aber durchaus schon so weit, dass jeder mal klar gesagt hat, was ihn beschäftigt, womit er nicht gut klarkommt usw. Manchmal hatte ich da schon einen Knoten im Bauch, weil ich nicht wußte, was nun kommt, aber wir konnten bislang immer einen guten Kompromiß finden. Aktuell zieht mein Mann sich leider wieder sehr zurück, so dass ich wieder nur raten kann, was ihn beschäftigt. Er redet dann auch nicht wirklich, auch nicht über belanglose Dinge wie z. B., was wollen wir heute essen. Vor allem dieses Schweigen macht mich fertig. Gestern war es den ganzen Tag so, ich war so unendlich traurig, weil wir doch schon viel viel weiter waren, und nun fühlt es sich an wie 5 Schritte zurück.

Ja, ich glaube auch, dass dieses Festtackern auf 1x/Woche melden zu starr ist, wie du es ja auch formulierst. Ich kenne das auch, es ist halt ein weiterer Versuch, alles bzw. so viel wie möglich richtig zu machen. Es funktioniert nur nicht immer, darum höre ich dann doch eher auf mein Bauchgefühl. Manchmal brauche ich auch etwas Mut, mich bei meinem Mann zu melden. Wichtig für mich selbst ist, keine Antwort zu erwarten. Wenn dann doch eine kommt, freue ich mich umso mehr. Planen kann ich jedenfalls nichts, ich kann auch nur anbieten, ob mein Mann mitkommen möchte, zu was auch immer.

Ich habe immer mal wieder das Problem mit dem Umfeld. Schwierig finde ich dabei vor allem, dass die Leute sehr oberflächlich sind und erst mal nur sehen, dass mein Mann nicht so locker-flockig "funktioniert", wie andere es vielleicht gewohnt sind. Sie wenden sich dann sehr schnell ab und machen sich nicht mal ansatzweise die Mühe, hinter die Fassade zu schauen. Meinem Mann scheint dieses Verhalten nichts auszumachen, mir setzt es schon eher zu. Ich bin jetzt nicht der Typ für Friede-Freude-Eierkuchen, alles ist toll, wir haben uns alle lieb. Ich wünschte mir nur manchmal ein ganz normales Treffen mit mehreren Leuten, wo ich nicht das Gefühl habe, sobald wir weg sind, wird gegen meinen Mann geredet. Schwierig finde ich manchmal auch, dass er eben eher Einzelgänger ist und ich doch gern auch mal Besuch habe oder Leute treffe. Ich habe keine Ahnung, ob sich da irgendwann eine gute Lösung für uns beide finden lässt. In der aktuellen Zeit haben wir das Thema auch erst mal zur Seite geschoben.

Jedenfalls habe ich inzwischen keine Lust mehr, mich jemandem anzuvertrauen, der mir - wie leider gerade vor kurzem erlebt - dann doch einen Tritt gibt. Das Thema Depression kann nur mit Leuten besprochen werden, die selbst betroffen sind, die wissen, wovon man redet, die einem helfen können, Tipps geben usw. Das Forum hier hat mir schon einige Male weitergeholfen. Ich konnte für mich das ein oder andere aus manchen Beiträgen ziehen, das baut schon auf.

Ich wünsche dir erst mal alles Gute und dass du hier die Antworten findest, die du suchst.

Liebe Grüße, Remu
Mandelbrot
Beiträge: 16
Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Liebe Remu und liebe Jupiter,

Vielen lieben Dank für die Antworten auf meine Texte. Wohnt ihr beiden mit euren Partnern zusammen? Es klingt so danach. Gab es am Anfang eine längere Phase ohne Depression bei euren Partnern? Und wie ist es bei dir Jupiter mit dem Umfeld? Gibt es da Menschen mit denen du sprechen kannst? Schön auf jeden Fall, dass es bei dir gerade "heller" ist :)

Ich bin sehr froh darüber, dass ich hier einen Text geschrieben habe. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr es hilft hier zu lesen. Wenn ich traurig bin durch irgendeine Situation oder etwas was mich im Zusammenhang mit der Depression meines Freundes traurig gestimmt hat, so funktioniert es mir immer wieder aufs Neue hier zu lesen. Oder auch woanders.

Der Text heute wurde etwas kürzer. Ich wünsche euch einen schönen Abend :)

Alles Liebe

Mandelbrot
Remu
Beiträge: 55
Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Angst

Beitrag von Remu »

Hallo Mandelbrot,

ja, mein Mann und ich leben zusammen. Wir sind jetzt im 12. Ehejahr, haben vor etwas mehr als 10 Jahren ein Häuschen gekauft. Wir hatten anfangs eine reine Wochenendbeziehung, weil mein Mann weiter weg stationiert war. Irgendwann ging es aber auf Kosten unserer Ehe, also liess er sich 2014 hier in die Nähe versetzen.
Als er in die Lebenskrise geriet, dachte ich erst, dass es mit seinem bevorstehenden 50. Geburtstag zu tun hat, er wirkte ein gutes halbes Jahr vor diesem Tag schon sehr unzufrieden. Mit der Arbeit, mit sich selbst....Später redeten wir ziemlich viel darüber, und er sagte, er wäre schon seit Jahren, also seit ca 2015 immer unzufriedener geworden, hat mir aber nie etwas davon gezeigt oder gesagt. Das tat mir sehr weh. Es kamen aber noch einige Baustellen mehr dazu, z.B. auch Zukunftsängste. Seit über 2 Jahren ist mein Mann in Therapie, ihm wurde dort auch dann Depression diagnostiziert.

Alles andere als einfach, wenn man den Weg zusammen gehen will. Dass viele (oder vielleicht sogar die meisten?) Angehörige irgendwann aufgeben, weil keine Kraft mehr da ist, konnte ich schon so manches Mal nachvollziehen. Doch aufgeben ist für mich keine Option, solange unsere Basis stimmt.

Liebe Grüsse, Remu
Remu
Beiträge: 55
Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Angst

Beitrag von Remu »

Ps: Guten Morgen, Mandelbrot.
War gestern abend wohl schon etwas spät, hab die Hälfte vergessen zu schreiben.

Aktuelle Wohnsituation bei uns: mein Mann ist jetzt seit über 2 Jahren unter der Woche wieder in der Kaserne. In der Woche mit Therapie kommt er nur am Wochenende nach Hause, wo ich am besten keine Fragen stellen soll, weil der Therapeut das ja bereits getan hat. In der anderen Woche kommt mein Mann mittwochs nach Hause, um Kraft zu tanken.

Viele haben mir schon gesagt, dass das nichts für sie wäre. Tja, ich komme im Normalfall gut damit zurecht, nur hat sich im Laufe der Jahre eben auch mal was geändert. Ich leide momentan sehr darunter, dass mein Mann nicht wirklich mit mir redet. Ich habe mir vorgenommen, ihn zu fragen, wie er sich den weiteren Weg vorstellt. Wie soll diese Ehe funktionieren, wenn geschwiegen wird? Für solche Fragen muss ich allerdings abwägen, ob ich Zugang zu meinem Mann habe oder nicht.

Es tun sich grad sehr viele Fragen und Zweifel auf, die ich erst mal nur in mein Tagebuch schreibe, um sie loszuwerden. Zerstreuen kann so was nur ein Gespräch. Mal gucken, was das Wochenende bringt.

Viele Grüsse, Remu
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Angst

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

Uff, so viele Fragen Mandelbrot – ich versuche sie mal alle zu beantworten.

Vorweg noch kurz zu mir: Ich bin Mitte fünfzig, meine Freundin Anfang fünfzig. Wir sind beide geschieden und haben je zwei Kinder aus unseren Ehen. Schön finde ich auch, dass Remu und Jupiter19 hier etwas dazu geschrieben haben, denn viele Perspektiven sind gerade hier wichtig. Ich selbst kenne keine „individuellere“ Krankheit als Depressionen – selbst Symptome können sich sehr stark unterscheiden, wie ich hier gelernt habe. Und so gibt es keine einheitliche Herangehensweise für uns Partner oder Angehörige. Vielleicht so ein paar Richtlinien, die man sich aber auch so ein Stück weit selber erarbeiten muss. Eine meiner wichtigsten „Richtlinien“ ist, dass ich versuche die Krankheit bei ihr zu belassen: Ich bin nicht ihr Therapeut, nicht ihr Fachmann für ihre Krankheit, nicht verantwortlich wenn sie sich keine Hilfe holt. Sie trägt nun mal für sich die Verantwortung und ich will diese nicht übernehmen – das entspricht nicht meinem Menschenbild. Klar, das gilt jetzt nicht absolut und das man in Krisenzeiten jemandem hilft ist kein Thema... wenn es den gewollt ist.

Was mir noch zu dem Thema der Absprachen wegen Kontakt eingefallen ist: Wir hatten dies ja auch schon mal vereinbart und dies ist dann grandios gescheitert, in dem sie die Beziehung beendet hat über diese Episode hinweg. Mir ist klar das sie auch wirklich vorhatte die Absprache zu halten, aber einfach nicht konnte. Und den Konflikt hat sie dann so gelöst, wie sie halt während ihrer Episoden ihre Konflikte löst: Durch zurück ziehen. Dein Freund scheint sich ja wacker an euren „Kontaktplan“ zu halten.

Woran ich merke das die Episode vorbei ist? Gar nicht. Da ist dann über Nacht alles vorbei. So zumindest kommt es mir vor, was ja auch nicht verwunderlich ist, denn wir haben ja wenig Kontakt in der Zeit. Da habe ich mich noch jedes mal überfahren gefühlt. Auf einmal bin ich dann kein „Teilzeitsingle“ mehr. Und so sehr man sich dies auch wünscht, so unerwartet kommt dies dann. Das ist schon alles für Außenstehende etwas bizarr. Wenn sie in eine Episode „rutscht“, dann bekomme ich dies mit. Sie hat dann für ein paar Tage eine Art Aura, in der sich ihre Sprache und Mimik ändert. Da zieht sie sich noch nicht zurück, aber ich merke halt einfach das es wieder soweit ist. Ich glaube selbst an der Anzahl der verwendeten Emojis in Nachrichten, kann man bei ihr erkennen, wie es um sie steht.

Meinem Umfeld erzähle ich nichts mehr davon. Vielleicht der Grund warum ich hier so viel schreibe ;-) Selbst mein bester Freund verfolgt dies alles eher mit Skepsis. Ich bin meinem Umfeld aber auch nicht böse deswegen. Vor sieben Jahren hätte ich wahrscheinlich die selben klugen Ratschläge gegeben. Auch wollten mich meine Kumpels schon verkuppeln – es war ja gut gemeint. Sie sehen mich in einer sog. On Off Beziehung in der ich verschaukelt werde. Und die Tatsachen, dass man dies nicht so einfach behandeln kann, ist auch wirklich schwer zu vermitteln.
Mag sein das ich mich anfangs auch unverstanden von meinem Umfeld gefühlt habe und letztlich begegne ich meinem Umfeld auch damit, das ich gar nicht mehr viel von meiner Freundin erzähle. Es ist halt auch eine Fernbeziehung und da kann man schnell mal dem ganzen aus dem Weg gehen, in dem man sagt, sie hat halt keine Zeit. Aber mittlerweile lege ich, im Gegensatz zu dir, sehr viel Wert auf meinen Freundeskreis und pflege diese Kontakte auch sehr. Meine Freundin ist da auch nicht so integriert in diesen Freundeskreis und für die Zukunft werde ich dies auch weiterhin so halten. Und vielleicht machen diejenigen, die eine „normale“ Beziehung führen den Fehler, dass sie ihr Leben zu sehr auf eine Person ausrichten.
Zu deinem Kinderwunsch möchte ich nicht viel sagen, außer zwei Dinge: Du hast noch Zeit und kannst alles in Ruhe abwarten. Und meine Freundin ist und war immer eine gute Mutter: Diese Rolle kann und konnte sie zu jedem Zeitpunkt gut ausfüllen.

Ich finde diese Beziehung auch nicht „anormal“, bestimmt aber „anders“ als man sich eine innige Beziehung so landläufig vorstellt. Ich habe ja auch schon ihr gegenüber den Scherz gemacht, dass ich sie sofort heiraten würde (in elf Stunden wären wir in Las Vegas), aber bestimmt nicht mit ihr zusammen ziehen würde. Dieser Scherz hat schon einen sehr wahren Kern. Das mag vielleicht sehr egoistisch und kaltherzig klingen, ist aber das Resultat der Erfahrung in meinem Fall. So wie es derzeit in ihrer Episode ist, kann sie sich wirklich in Ruhe zurück ziehen und meine Anwesenheit würde sie wahrscheinlich täglich an ihre „Pflichten“ in einer Beziehung erinnern. Doof ist natürlich, das ich nicht weiß ob sie vielleicht mal wieder suizidale Gedanken bekommt. Aber wahrscheinlich würden diese in meiner Anwesenheit viel eher kommen. So ist sie derzeit ein Eremit bei dem sich halt alles um sie selbst dreht.
Egal wie, ihr müsst einfach für euch selbst einen Weg finden. Wir leben im Jahr 2021 und da muss eine Beziehung nicht aus dem Dreiklang bestehen: Heiraten, Haus und Kinder. Heute ist einfach nur der Kern wichtig und der ist nun mal ob man sich mag – Versorgung spielt mittlerweile eine eher untergeordnete Rolle. Und sollte dies eine Rolle spielen, so würde ich mich niemals wohl fühlen in so einer Beziehung. Hätte ich Töchter (ich hab nur Söhne), so würde ich ihnen auf den Weg geben: Geh deinen eigenen Weg, verdiene dein eigenes Geld und mach dich nie abhängig – niemals. Genauso wie ich niemals eine abhängige Partnerin möchte. Aber das ist meine Sicht der Dinge.

@Jupiter19: „Er möchte sich für gesund erklären. Er will seine persönlichen Probleme nicht mehr als Krankheit ansehen.“
Diese Worte sind mir so bekannt. Ich will dich wirklich nicht desillusionieren, aber genau diese Worte habe ich schon oft gehört. Nach jede Episode hat sich meine Freundin quasi neu erfunden – sie hat jedes mal einen weiteren Schritt in ihrer Entwicklung gemacht – so ihre Wahrnehmung. Jetzt, aber auch wirklich jetzt mit dieser Erkenntnis, hat unsere Beziehung neue Höhen erklommen – nein, hat sie nicht. Sie ist noch immer das geblieben, was sie schon immer war und immer sein wird: Eine Beziehung zwischen jemand mit Depressionen und jemand ohne Depressionen.
Gloeckchen
Beiträge: 8
Registriert: 26. Feb 2021, 07:34

Re: Angst

Beitrag von Gloeckchen »

Hallo an euch alle,

vielen Dank zunächst für all diese offenen Worte und die Einblicke in euer Leben! Wirklich! Das hilft mir sehr weiter. ich bin recht neu hier und auch mittlerweile echt verzweifelt. So blöd das auch klingt, denn ich wünsche keinem eine Depression oder eben alles was dazu gehört, aber ich bin nicht alleine. Und hier sind Leute, die sich auch so viele Fragen stellen!

Dass hier einige sogar das "Problem" haben, sich nur einmal die Woche oder gar alle paar Monate zu hören, habe ich nun nicht. Im Gegenteil. Manchmal wäre es vielleicht sogar sinnvoller, es so zu handhaben. Aber so stelle ich mir bspw. eine Liebesbeziehung nicht vor. Besonders um damit auf Deine Frage @Mandelbrot , einzugehen, die Du Dir stellst. Wie stellt man sich eine Beziehung vor? Was erwartet man sich? Ich persönlich erwarte da immer Offenheit. Und ich bin auch sehr, sehr froh, dass mein Freund schon immer offen ist, soweit er es sein kann. Oft sind seine Gedanken verwirrend. Für ihn als auch für mich. Ich habe das Gefühl, besonders wenn wir räumliche Distanz haben und eben jeder gerade ins einer Wohnung bzw auf Arbeit ist, dass die Depression wie so ein schwarzes Loch ist. Dann gibt es einen Auslöser, oder mittlerweile auch nicht mehr, da reichen seine Gedanken, und dann wird er in die Gravitation eingezogen. Und alles was ich sage, ist negativ. Für ihn ist immer alles so, als würde ich es nicht so meinen. Manchmal wirds auch vorwurfsvoll, ich würde mich nicht genug reinhängen. Sozusagen. Aber muss ich das?! Wie ist da sbei euch? Viele schreiben, sie haben schon völlig akzeptiert, dass sie nichts dagegen tun können. Und ich merke, dass ich das zwar theoretisch verstehe, aber praktisch offenbar nicht. Denn viel zu häufig erlebe ich mich in der Situation, wo ich meinen Freund aus einer akut schlechten Situation "raus quatsche". Oft hilft da auch Nähe. Er will die dann auch. Ich soll ihn auch in den Arm nehmen, auch wenn er nur dasteht wie eine Marmorfigur. Wie macht ihr das? Wie geht ihr damit um, wenn jemand nur dasteht und es dann nicht erwidert?
Und ja, auch in meinem Umfeld wird das sehr skeptisch beäugt. Gerade weil wir erst ein Jahr zusammen sind, sagen viele "na dann geh, so lang Du noch kannst". Dabei ist er in den nicht-depressiven Momenten genau der Mensch, mit dem ich zusammen sein will und mit dem ich mir auch wirklich eine Zukunft vorstellen kann.
Selbst Freunde, die auch schon solche Episoden hatten, nur nicht so schwer, verstehen das alles nicht. "Ja soll er halt zum Arzt gehen, soll er halt Antidepressiva nehmen". Ja so einfach ist das doch aber alles gar nicht. Und wenn jemand nicht will, dann kann man ihn ja auch nicht zwingen. Und so gehe ich nun auch dazu über, meinen Freunden nicht mehr groß etwas davon zu erzählen. Da fühle ich mich absolut nicht ernst genommen.

@FrequentFlyer: Da hast Du wohl recht. das ist schmerzlich zu lesen, aber ja, es wird immer einfach die Beziehung zwischen einer depressiven und einer nicht depressiven Person sein. Aber es kann doch auch besser werden, oder nicht? Und es müssen ja doch nicht immer wieder neue Schübe kommen, oder?
Ich will für mich auch einfach die Option der Trennung in Betracht ziehen. Aber ab wann muss man das? Ich frage mich langsam, ob mein Freund mir das einreden möchte, weil er es selber nun wirklich nicht mehr möchte.

@Mandelbrot: Wie schaffst Du es denn, Dich in solchen Phasen dann auch wirklich voll und ganz auf Deine Freunde oder Hobbies einzulassen, mit all den Sachen im Hintergrund? Familiär bin ich recht allein, sozusagen. Und ich kann nicht einfach mein "Zeug" machen, ohne an all das zu denken. Und ohne im Kopf zu haben, dass mein Partner grad total leidet oder sich echt bescheiden fühlt.
FrequentFlyer
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Re: Angst

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

Ja Jupiter19, es tut gut sich hier auszutauschen und schreiben zu können. Das hat durchaus für uns Angehörige „therapeutische“ Effekte. Man reflektiert beim schreiben sich schon sehr – vielleicht mehr wie in einem Gespräch. Von daher kann ich nur jedem dazu raten nicht nur passiv zu lesen, sondern selbst zu schreiben. Mir hat dies immer gut getan, hat es doch meine Gedanken geordnet.

@Gloeckchen: Du hast gefragt ob es nicht auch besser werden kann.
Ich denke mir das ist sehr individuell – wie halt diese Krankheit insgesamt ist. Bei meiner Freundin bin ich ziemlich sicher, dass dies nie ganz weg gehen wird. Das hat mehrerlei Gründe aber ein ganz wichtiger ist: Es ist in ihrer Familie eine verbreitet Krankheit. Es gibt da einfach eine genetische Prädisposition. Auch sieht sie sich sozusagen als geheilt an. Nach einem Suizidversuch mit anschließender Therapie ist für sie dieses Kapitel abgeschlossen. Dieses sich zurück ziehen ist für sie eine normale Vorgehensweise und das kennt sie auch schon aus ihrem Elternhaus. Jeder Außenstehende würde es eher als ein ignorieren der Krankheit sehen. Von daher erwarte ich in dem Fall meiner Freundin keine Besserung, außer wenn sich etwas fundamentales ändern sollte.
Was aber auch ein Kennzeichen der Krankheit bei meiner Freundin ist, ist die klare Abgrenzung der Episoden. Wenn sie aus der Episode demnächst raus kommt, dann wird sie völlig „normal“ sein. Nur ein paar Dinge werden „komisch“ sein, wie etwa das sie keine Pläne macht die weit in der Zukunft liegen – wohl aus dem Wissen heraus, dass sie dann vielleicht wieder in einer Episode steckt. Und so eine Episode wird kommen. Die kommen schon ihr ganzes Leben lang. Letztlich ist es bei ihr halt eine chronische Erkrankung, die allerdings in sehr hart abgegrenzten Episoden verläuft. Und warum sie sich nicht bei so einem Verlauf Hilfe nimmt, werde ich nie verstehen. Aus meiner Laiensicht wären hier Antidepressiva eine gute Wahl, da sie nur kurzfristig genommen werden müssten.
Bei mir hat dies zu dem Bild geführt mit der Braut die zur See fährt. Sie ist halt zwischendurch immer mal weg. Ich zweifle auch nicht, da ich einfach weiß das unsere Beziehung sehr innig ist und da außerhalb ihrer Episoden sehr viel von ihr kommt. Aber halt einfach derzeit nicht.

@Gloeckchen: Du fragst auch ab wann man eine Trennung in Betracht ziehen muss. Bei meiner Freundin verhält sich dies so: Sie macht innerhalb einer Episode alles damit sie sich zurück ziehen kann. Und ich meine wirklich alles. So hat sie ja auch bestimmt schon drei mal die Beziehung beendet. Und da fand sich auch immer sehr schnell ein Grund. Um mich zu schützen war beim ersten mal der Grund, ein provozierter Streit dann die nächsten beide male. Eine Lappalie halt aufgebauscht. Achten tue ich mittlerweile vor allem auf die Zwischentöne. Das Argument, du bist es nicht, ich lieb dich nicht mehr, ich suche mir jemand anders, ich ertrage dich nicht mehr... solch ein Argument war nie dabei. Und bei so einem Argument wäre für mich das Fundament betroffen. Das war es aber noch nie und so bin ich eigentlich ziemlich zuversichtlich was die Zukunft angeht. Aber es kann gut sein, dass dir dein Freund eine Trennung einreden möchte. Ich kann da wiederum nur aus meiner Erfahrung mit meiner Freundin sprechen – für sie bedeutet Beziehung halt einfach nur Stress in einer Episode und die Strategie ist, durch sich zurück ziehen dies zu vermeiden.
Einen Schuh den ich mir nie anziehen würde, wäre mir sagen zu lassen, ich würde mich nicht genug reinhängen oder mir auf irgendeine Weise Vorwürfe machen lassen. Da würde ich sofort dagegen halten. Hätte dein Freund seit Monaten Zahnschmerzen wäre dein Rat ja auch: Geh zum Zahnarzt und jammer mich hier nicht voll. Warum sollte dies jetzt bei Depressionen anders sein? Okay, schlechter Vergleich aber vom Grundsatz schon irgendwie passend. Meiner Ansicht nach hat dies mit Depressionen nichts mehr zu tun, sondern ist eine Frage der Haltung. Den Nächstbesten den man erwischen kann, für seinen Zustand verantwortlich zu machen, ist einfach kein netter Zug.

@Jupiter19: Ich glaube es ist schon ganz wichtig, so wie du es ja auch siehst, sich nicht zum „Therapeuten“ oder „Krankheitsmanager“ seines Partners zu machen. Depressionen sind nun mal das Schicksal unserer Partner, nicht unsere eignen. Unser Schicksal ist so einen Partner zu lieben und zu wissen das dieser uns auch liebt. Auch wenn ich mich wiederhole: Diese Krankheit ist so wahnsinnig individuell. Meiner Freundin meine Zuversicht zu kommunizieren, würde sie nur unter Druck setzen, denn als aller erstes würde sie ihre Rolle mit meinen Erwartungen sehen. Im Moment wird bei ihr alles, was auf die Zukunft ausgerichtet ist, negativ gesehen. Und das betrifft wirklich alles. So ein typisches Beispiel. Solche Beispiele finde ich immer ganz interessant, da man hier auch immer wieder die Rückmeldung bekommt, das dies genau so bei ihnen auch der Fall ist. Also das Beispiel: Marokkanische Wüste früh morgens kurz nach dem Sonnenaufgang. Mein Kommentar: Heute wird wieder ein sonniger Tag. Antwort meiner Freundin: Nein, das könnte ich nicht wissen und deutet auf eine einzelne kleine Wolke. Ich lache und meine, daraus wir niemals ein Gewitter. Meine Freundin ist entsetzt über meine naive Sicht der Dinge. Ich solle doch endlich mal die Dinge realistisch sehen. Das war das erste und einzige mal das ich miterleben durfte, wie sie in eine Episode rutscht. In dem Moment wurde mir klar, dass diese Krankheit eng mit dem Ich meiner Freundin verbunden ist. Wir werden als Angehörige, so sehr wir es auch versuchen, niemals wissen können wie es ist, wenn alles auf die Zukunft gerichtete negativ gesehen wird. Im Falle meiner Freundin ist dies nichts abstraktes, sondern wird tatsächlich so erlebt. Beziehung, Wolke, Corona, Bienensterben... alles wird in einer Episode den schlimmste anzunehmenden Ausgang nehmen. Und da kann ich dagegenhalten wie ich will – nein, es ist einfach Teil ihres Ichs und wird tatsächlich so erlebt.

So, jetzt habe ich wieder mehr geschrieben als ich eigentlich wollte... aber mir war langweilig.
Danke das ihr das lest.

LG
Mandelbrot
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Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo ihr Lieben,

Vielen Dank für eure vielen Texte. Ich hab sie interessiert gelesen.

@Remu: Tut mir leid, dass du gerade so viele Zweifel hast. Ich wünsche dir, dass die Zweifel wieder weniger werden und du bald mehr Klarheit und Ruhe für dich findest.

@Jupiter: Danke für deine guten Wünsche. Als du an FrequentFlyer schriebst, dass du eine etwas andere Sichtweise hast in Bezug auf den Satz "Sie ist noch immer das geblieben, was sie schon immer war und immer sein wird: Eine Beziehung zwischen jemand mit Depressionen und jemand ohne Depressionen." habe ich gedacht, dass es vielleicht einfach OK ist unterschiedliche Sichweisen zu haben. Z.B. habe ich mal ein Buch gelesen in dem steht, dass Depressionen aus der Sicht des Autors keine Krankheit sind, sondern eine Überanpassungsleistung die sich in frühen Lebensjahren entwickelt hat und dann eben später zu depressiven Symptomen führt. Mir selbst hilft es aber meistens sehr, die Depression meines Partners als eine Erkrankung zu sehen und ich glaube ihm hilft das auch (schließt ja außerdem nicht aus, dass sie u.A. aus einer Überanpassungsleistung resultierte). Was ich eigentlich sagen will: Für manche Menschen ist es eine enorme Erleichtung einen Namen für ihren Zustand zu haben, nämlich z.B. die Erkranung Depression. Von anderen wird dies eher negativ empfunden. Genauso denke ich, können FrequentFlyer und du unterschiedliche Weisen haben über Krankheit und Gesundheit nachzudenken. Und darüber, ob diese Krankheit einfach "zugehörig" zu euren Partner*innen ist, oder quasi nur einen kleinen Teil ausmacht. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei manchen Menschen so wirkt, dass die Depression quasi nie ganz "weg" ist und selbst in guten Phasen irgendwie da ist. Vielleicht liegt es daran, dass die Depressionen sich so sehr unterschiedlich zeigen, dass man sie auch unterschiedlich einordnet. Aber das waren nur meine Gedanken dazu.

@Glöckchen: Schön, dass du hier von deinen Erfahrungen berichtest! Die Reaktionen von deinem Umfeld finde ich ganz schön krass, obwohl ich schon häufiger Kommentare in diese Richtung gehört habe. Es klingt so, als würde dein Partner aufgrund der Depression viel Zuwendung (und Bestätigung?) von dir fordern. Es klingt so, als ob diese dann aber häufig nicht ausreicht, und quasi verpufft und das was du tust nie zu reichen scheint. Das stelle ich mir schwer vor. Bei mir ist es ja ganz anders, nämlich fordert mein Partner in depressiven Episoden eigentlich gar nichts von mir, sondern zieht sich im Gegenteil sehr von mir zurück. Es wirkt, als wolle er mich so wenig wie möglich mit sich belasten. Vielleicht ja, um mich vor seiner "Negativität" zu schützen? Ich denke wie FrequentFlyer, dass ich froh bin in depressiven Phasen nicht die volle Ladung mitzubekommen. Letztendlich denke ich, dass die Distanz dann auch etwas Gutes für mich hat. Wie wäre es wohl, wenn wir zusammen wohnen würden? Ich schließe das nicht aus, sondern würde mich darauf unter bestimmten Bedinungen gerne einlassen. Ich habe auch manchmal den Wunsch danach. Ich würde mir manchmal wünschen, dass mein Freund in schlimmen phasen mal um etwas bittet oder Zuwendung sucht. Das geht bei ihm dann aber eigentlich nicht. Aber das zeigt wieder, wie unterschiedlich Depressionen sich äußern können.. Bei dir klingt es so, als wäre es für dich die Herausforderung deine Grenzen zu kennen und zu ziehen. Das stelle ich mir schwierig vor, da hilft vielleicht nur ganz offen sprechen? Ich weiß es nicht. Nun zu deinen Fragen: Ich schaffe es gut, mich mit Freunden und Familie zu treffen, wenn es meinem Freund gerade sehr schlecht geht. Das liegt daran, dass ich glücklicherweise ein paar Freunde habe, mit denen ich mich sehr wohl fühle. In meiner Stadt wohnen zwei gute Freundinnen plus weitere weniger nahe Freunde. Ich habe auch noch zwei nahe Freundinnen die nicht in meiner Stadt wohnen mit denen ich telefoniere. Meine Freundinnen in meiner Stadt wissen grob Bescheid über meine Situation mit meinem Freund. Der einen erzähle ich manchmal auch mehr und es fühlt sich gut an mit ihr zu sprechen. Die andere weiß grob Bescheid, und geht behutsam mit dem Thema um (das heißt ich kann davon erzählen wenn ich möchte, wenn nicht sprechen wir über anderes. Sie hat da irgendwie ein gutes Gespür für). Bei mir ist es so, dass ich mich wohl mit den Menschen fühle, wenn ich das Gefühl habe, die wissen grob Bescheid darüber wie meine Situation gerade ist. Ich kann mich dann auch gut fallen lassen, vor allem wenn ich das Gefühl habe die wissen Bescheid und es ist aber klar, dass wir/ich keine Lust haben das Thema auseinander zu nehmen weil wir die gemeinsame unbeschwerte Zeit genießen wollen. Belastend ist für mich, wenn ich Freunde (die mir nicht so nah sind) treffe die Fragen stellen die ich dann eigentlich nicht beantworten möchte, oder bei denen es auch schwer ist diese zu "umschiffen". Aus diesem Grund bin ich lieber mit Menschen zusammen, die grob Bescheid wissen. Mit den anderen Menschen geht es auch gut Zeit zu verbringen, nur eben nicht immer. Ich glaube bei mir liegt es daran, dass ich so ein bisschen wie "ein offenes Buch" bin und mich auch grundsätzlich so fühle. Das wurde mir auch schon oft zurück gemeldet. Wenn ich traurig bin merkt man dies von außen und ich kann das auch überhaupt nicht gut verbergen. Auch andere Stimmungen merkt man mir direkt an. Wenn ich versuche es zu verbergen ist dies sehr anstrengend. Deshalb mag ich es das Gefühl zu haben "ein offenes Buch" sein zu können. Wenn ich das Gefühl hab das sein zu können wird meistens währenddessen meine Laune besser bzw. kann ich mich gut entpannen wähend der Treffen. Ist das irgendwie verständlich wie ich das meine? Meine Familie treffen geht nicht immer gut. Meine Mutter z.B. gibt sich zwar Mühe mich zu verstehen, aber es gelingt ihr nicht immer so gut. Sie macht sich halt Sorgen um mich, weil sie mitbekommt dass ich manchmal traurig bin und Sorgen habe um meinen Freund. Ich bin ihr nicht böse, weil ich weiß dass sie sich eben einfach nur Sorgen macht. Gleichzeitig ist es dann manchmal schwierig ein offenes, ehrliches Gespräch zu führen. Sie wünscht sich das, ich weiß aber dass das was ich erzählen würde bei ihr zu noch mehr Sorgen führen würde. Deshalb ist es auch in der Familie mal einfacher, mal schwieriger mit dem "sich öffnen" und "sich zeigen". Deshalb schaue ich immer was wie und wann für mich geht und gut tut.

@FrequentFlyer: Danke für deine Worte. Darf ich fragen, warum du manchmal mitten in der Nacht schreibst? Was machst du denn beruflich? Oder bist du freiwillig eine Nachteule? Nur aus Interesse :) Ich habe ja gerade schon etwas geschrieben dazu, wie ich das mit meinem Umfeld so mache. Bezüglich unserer Absprachen: Wir haben unsere Absprache was das melden betrifft nun gestern wieder aufgehoben und ich bin erleichtert darüber. In dem Zusammenhang habe ich an das Thema "Zeit" nochmal gedacht. Du schriebst mal, dass deine Freundin in depressiven Episoden eine veränderte Wahrnehmung von Zeit zu haben scheint. Ich habe bei meinem Freund auch solch einen Eindruck. Wenn ich schriftlich eine Frage stelle kommt eine Antwort manchmal nach einem, manchmal nach zwei Tagen oder auch mal noch später. Mir fällt es manchmal schwer bei wichtigen Dingen zu warten und ich habe auch manchmal Angst, dass gar keine Antwort kommt. So kam es in der Vergangenheit manchmal vor, dass ich ein zweites mal nachgefragt habe. Ich denke nun, dass das natürlich aus meiner Perspektive Sinn macht nochmal nachzufragen, wenn ich etwas zeitnah wissen möchte. Und ich möchte das auch in bestimmten Situationen so machen. Gleichzeitig denke ich, dass ich in Zukunft versuchen möchte (natürlich nur bei Dingen bei denen das möglich ist) mich auf die Langsamkeit der Depression einzulassen. Denn eigentlich kommt die Antwort beim nochmal nachfragen nicht immer schneller denke ich, weil mehr Druck da ist. Naja, das fiel mir eben einfach nur zum Zeit Thema ein. Ich bin (bezogen auf deine Worte) sehr froh im 21. Jahrhundert zu leben und Beziehungen so gestalten zu können wie ich oder wir gemeinsam möchten. Gleichzeitig ist es für mich herausfordernd diese Freiheit auch wirklich zu leben. Das liegt aber nicht an einem Mangel der "äußeren" Freiheit denke ich, sondern an meiner "eigenen inneren" Freiheit ;) Ich glaube wirklich Freiheit entsteht auch zu einem ganz großen Teil in unseren Köpfen und Gedanken. Das Schöne daran ist, dass wir daran arbeiten können dass sie wachsen und sich verändern kann. Ich schweife ab und hoffe, dass man noch nachvollziehen kann was ich meine :)

Ich wünsche euch allen einen guten Sonntag

Mandelbrot
Remu
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Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Angst

Beitrag von Remu »

Hallo Mandelbrot,

ja, inzwischen konnte ich meine Zweifel ausräumen, indem ich eine ganz klare Frage gestellt habe und eine sehr klare Antwort bekommen habe. Mein Mann war ziemlich geschockt und es war ihm erneut nicht bewußt, wie er sich mir gegenüber verhalten hat. Für ihn gibt es definitiv einen gemeinsamen Weg und der geht nach vorn. Das ist für mich eine riesen Erleichterung gewesen. Ich bin so froh, dass es nur meine üblen Gedanken waren, nicht die Realität. So etwas funktioniert einfach nur, indem man darüber redet.

Viele Grüße, Remu
FrequentFlyer
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Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Angst

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

@Mandelbrot und @Jupiter19: Ja, ich bin manchmal eine Nachteule – allerdings berufsbedingt. Ich bin Pilot auf Langstrecke – Gott sei Dank nicht ausschließlich, aber es ist die Grundlage meines Berufes. Und so kann es sein, dass wenn ich hier etwas mitten in der Nacht schreibe, ich halt irgendwo einfach nur warte, denn warten ist ein großer Bestandteil meines Berufes. Über dem Atlantik kann es einfach nur langweilig sein und in Hotels, die man nicht verlassen darf sowieso. Heute Nacht allerdings, könnte ich mich einfach nur in mein eigenes Bett legen... nur bin ich nicht müde, denn ich bin erst vor ein paar Stunden aufgestanden. Man gewöhnt sich nach ein paar Jahren daran und solange ich im Schnitt meine sieben Stunden Schlaf bekomme, ist alles okay.

@Mandelbrot: Du fragst nach dem Faktor Zeit: Ich finde das alleine schon wieder der Hammer, das du ähnliches beobachtest. Es braucht alles einfach seine Zeit innerhalb einer Episode. Unsere normale Vorgehensweise ist relativ einfach: Es gibt ein Problem – also löse es. Das ist einfach alles nicht wirklich ein Problem – einfach lösen ist die Antwort. Oder um es mit den Worten des Philosophen Karl Popper auszudrücken: Alles Leben ist Problemlösen.
Popper hatte wahrscheinlich nie eine Beziehung zu einer depressiven Person – er hätte mal lieber Nadolny lesen sollen: Die Entdeckung der Langsamkeit. Und genau da befinde ich mich derzeit ;-) …: Ich selber befinde mich in einer rasend schnellen und intensiven Liebesgeschichte – nicht so meine Freundin – da wird jeder Schritt zehn mal bedacht, von der Langsamkeit bestimmt. Und damit musst du leben – das ist ja so schwer auch nicht wirklich. Aber halt einfach ab vom Mainstream.
Mandelbrot
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Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo ihr Lieben,

Schön, eure Beiträge lesen zu können @ Remu, Jupiter und FrequentFlyer.

Ich habe gerade bzw. seit einigen Tagen ein anderes Thema im Sinn über welches ich mir Gedanken mache. Ich frage mich manchmal, ob ich häufig ein Auslöser bin durch den es meinem Freund schlechter geht. Ich weiß, dass es nicht gut ist die Schuld bei sich zu suchen. Dennoch stelle ich mir diese Frage manchmal. Ich denke dann: Durch mich wird womöglich viel häufiger schmerzhaft sichtbar, wie viele Dinge für meinen Freund nicht möglich sind. Weil ich eben als Partnerin - auch wenn ich mich phasenweise extrem zurück halte - Fragen habe, manchmal natürlich auch Dinge fordere oder um Dinge bitte, Wünsche äußere. Wenn es mich nicht geben würde, so wäre dieser Druck und dieses Sichtbarmachen der Unmöglichkeiten nicht so stark da. Denke ich. Dann würde mein Freund sich viel zurückziehen und die lockereren Bekanntschaften von ihm würden ihn wahrscheinlich auch nicht regelmäßig wirklich um Rückmeldungen bitten etc. und ihn weitestgehend in Ruhe lassen.

Ich habe schon sehr häufig gelesen wie wichtig Angehörige für Betroffene sind, obwohl es phasenweise für die nächsten Angehörigen nicht spürbar ist (wenn man genauer hinschaut finde ich schon das man es merkt, jedoch manchmal auch nicht). Dennoch wollte ich euch fragen: Habt ihr auch manchmal diese Gedanken bzw. Fragen im Kopf, dass/ob es euren Parnter*innen ohne euch besser gehen würde? Weil sie dann viel weniger Anforderungen von außen hätten, alles mehr in ihrem Tempo machen könnten, ohne Druck von außen? Ich habe auch noch die Worte einer Frau im Kopf die sagte in etwa so etwas wie: Wenn man Menschen mit Depressionen mit viel Engagement/AKtivität/Aktivierung begegnet, so kann des jeglichen Rest der Motivation/Aktivität der noch übrig ist bei den Betroffenen verschwinden lassen. In etwa so waren die Worte. Ich frage mich dann manchmal, ob ich - obwohl ich mich so sehr zurück halte und wir uns derzeit so selten sehen - immernoch viel zu viel "bin" und tue.

Abseits davon gibts eben auch noch mich. Seit wir nun erstmals nur einmal die Woche etwa Kontakt haben und uns sehen merke ich bei mir, dass ich innerlich emotional distanzierter bin. Ich denke weniger an meinen Freund, verplane meine Zeit viel mehr ohne dabei an ihn zu denken (also z.B. ohne zu denken wie könnte ich planen damit er noch dazu kommen kann etc.). Mir macht das etwas Angst. Ich habe gerade große Sorge dass ich irgendwie quasi "spiegelbildlich" die Verbundenheit zu meinem Freund verliere. Er selbst hatte mir vor ein paar berichtet, dass er seit es ihm schlecht geht keine Verbundenheit mehr zu mir spürt. Bisher war es bei mir nicht so, dass meine eigene Verbundenheit zu meinem Freund weniger spürbar war. An manchen Stellen spüre ich das jetzt. Das beunruhigt mich sehr, weil ich objektiv betrachtet es in der Depression begründet sehe dass mein Freund keine Verbundenheit zu mir und anderen Menschen mehr spürt.

Ich würde mich freuen von euch zu hören was ihr zu meinen Gedanken und Fragen denkt.

Alles Liebe

Mandelbrot
Remu
Beiträge: 55
Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Angst

Beitrag von Remu »

Hallo Mandelbrot,

deine Worte haben mich den ganzen Tag schon beschäftigt, weil ich sehr viel darin wiedererkenne. Ich glaube, bei fast allen von dir angesprochenen Dingen/Gedanken handelt es sich hauptsächlich um Phasen, die eben auch die Angehörigen durchmachen. Dabei fällt mir immer wieder dieses super Buch von Jeannette Bischkopf ein: "So nah und doch so fern". Genau darin sind diese Phasen beschrieben.

Ich habe mich auch sehr oft gefragt, bin ich vielleicht der Auslöser, geht es meinem Mann schlechter mit mir? Inzwischen beantworte ich das ganz klar mit Nein! Er hat mal gesagt, dass er in mir seinen Halt sieht, auch wenn er es nicht offen ausspricht. Er braucht mich als Anker, weil er sich hier sicher aufgehoben fühlt und er weiß, dass ich ihn nicht im Stich lasse. Das hatte ich ihm versprochen, und daran halte ich mich auch. Finde ich ganz ganz wichtig, um meinem Mann eben dieses Sicherheitsgefühl vermitteln zu können. Er sagte vor längerem auch mal, er sei froh, dass er zu Hause Ruhe findet und nicht auch noch eine Baustelle hat.

Für mich ist es vor seiner Reha schwieriger gewesen, auf emotionale Distanz zu gehen. Ich hatte sehr oft das Gefühl, keine Verbindung mehr zu meinem Mann zu haben, was aber nicht stimmte. Wenn es für mich zu schlimm wurde, habe ich es immer gesagt, und schon war die Verbindung/Verbundenheit wieder sichtbar. Meine vielen Fragen waren manches Mal zuviel, was ich aber selbst gemerkt habe. Das habe ich auch schon offen angesprochen, mein Mann bat mich, meine Fragen zurückzustellen. Das war aber alles wie gesagt vor der Reha. Ich habe die 6 Wochen Reha für mich gut nutzen können, es gab gewisse Anfangsschwierigkeiten, doch ich konnte feststellen, dass ich mit der Zeit eine eigene Entwicklung durchmachte und wieder mehr zu mir selbst fand, wieder mehr lachen konnte. Da ich eh kaum Antworten von meinem Mann bekommen habe, habe ich mir gesagt, ok, dann kümmere ich mich jetzt endlich mal um meine Bedürfnisse. Es heißt ja nicht, dass wir auseinanderdriften, sondern mein Mann ist nun mal aktuell zu 90% mit sich selbst beschäftigt. Aus seiner Sicht sind es 90%, aus meiner Sicht 95-98%. Was soll ich jetzt tun? Mich still danebensetzen und schweigen, damit ich ihm nicht zuviel zumute? Nein! Ich mache dann eben eine Weile meinen Kram, der mir guttut. Wenn mein Mann z. B. mit spazieren gehen möchte, kann er immer gern mitkommen. Wenn nicht, gehe ich eben alleine, weil ich das in dem Moment einfach für mich brauche. Der Vorteil ist dann auch, dass wir uns nicht sehr oft sehen. So kann ich in "meiner" Zeit, die ich ohne meinen Mann verbringe, soviel Aktivität an den Tag legen, wie mir der Sinn danach steht. Ich weiß, dass ich meinen Mann mit zuviel Energie oder Ideen sonst zu sehr in die Ecke treibe, und das möchte ich nicht. Er kann eben einfach nicht, es geht ihm absolut nicht gut, er ist nicht sorgenfrei oder voller Tatendrang. Ich denke, wir haben einen guten Mittelweg gefunden, indem ich 1 bis 2 Dinge vorschlage, und er sucht sich eins davon aus, was wir dann gemeinsam machen, oder ich muss eben eine komplette Absage akzeptieren. Viel mehr bleibt nicht übrig. Eine sehr kluge Frau hier im Forum beschrieb es mal so: er geht seinen Weg, ich meinen und dadurch kann ein gemeinsamer Weg entstehen. Das braucht nur seine Zeit.

Dieses Gefühl, immer noch zuviel zu sein oder zu tun, ist schlimm. Man kommt sich als Partnerin irgendwie fehl am Platz vor, als wäre man nur Statist. Das kommt immer mal wieder vor, inzwischen spreche ich es relativ schnell an, gerade wenn ich das Gefühl habe, wieder auf der Strecke zu bleiben. Genau das will ich nicht mehr, das habe ich in den 6 Wochen gelernt. Trotzdem fühle ich mich außen vor, gerade wenn mein Mann nicht reden möchte. Was seine Vergangenheit betrifft, meinte er neulich immerhin, er wird mir schon irgendwann davon erzählen, wenn er soweit ist. Ok :)

Meine Gedanken im Moment machen mir eher Sorge, und ich bemühe mich, mich abzulenken, um nicht zuviel darüber zu grübeln. Ich sehe, dass es meinem Mann nicht gut geht, er wird einige Ängste zur Zeit haben, die seine Gesundheit zusätzlich betreffen. Mehr als anbieten, dass wir das zusammen angehen, kann ich nicht. Da er aber eben hauptsächlich die Erfahrungen aus der Reha noch mit sich ausmacht und abarbeitet, komme ich kaum an ihn heran. Es ist sehr schwer, ihn wenigstens zum Lächeln zu bringen. Ich hoffe, er rutscht nicht noch weiter ins schwarze Loch. Auf der anderen Seite bin ich aber auch froh, wenn er in der Kaserne bleibt, denn sollte da was sein, sind gleich die richtigen Leute zur Stelle und kümmern sich. Und wenn er nur verschlafen sollte.... es fällt dann eben auf und jemand kommt dann zu seiner Stube. Insofern brauche ich mir da keine großen Gedanken zu machen.

Ich hoffe, ich konnte ein bißchen weiterhelfen. Emotionale Distanz finde ich schon wichtig, das wird mir auch noch besser gelingen mit der Zeit. Denn nur so kann ich Kraft für mich aufbringen und damit wiederum stark für meinen Mann sein. Irgendwie ein kleiner Kreislauf....

Sei herzlich gegrüßt, Remu
Mandelbrot
Beiträge: 16
Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo ihr Lieben,

Es war wieder interessant eure Antworten zu lesen.

Ich bin gerade sehr traurig. Ich bin gerade bei meiner Mutter zu Besuch. Sie hat mitbekommen dass mein Freund an depressiven Episoden leidet und wir derzeit selten bzw. wenn es hoch kommt 1x/Woche Kontakt haben. Sie sagte heute in etwa etwas zu mir wie ob ich denn das was wir haben überhaupt noch "als eine Beziehung bezeichnen würde". Ich bejahte das und sagte dass wir miteinander zusammen/ein Paar sein wollen. Sie brachte sehr deutlich zum Ausdruck, dass es für sie keine Beziehung wäre/sei. Ich habe dann meinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck gebracht. Dennoch tat dieser Kommentar sehr weh. Vielleicht auch eher die Tatsache zu erkennen dass ich mit ihr nicht sprechen kann.

Es ist für mich sehr schwierig mit meiner Mutter über meine Beziehung zu sprechen. Obwohl sie sich bemüht schwingt ihre Haltung mit ich solle mich doch besser trennen, das sei doch keine Beziehung, das wird ja nicht besser werden. Und vielleicht denkt sie auch mein Freund würde mich einfach nicht lieben.

Ich bin gerade sehr traurig. Wie ich schonmal geschrieben habe leide ich manchmal sehr unter dem "gesellschaftlichen Unverständnis" in Bezug auf psychische Erkrankungen. Mir scheint es dann so, viele Menschen hätten den Anspruch an Funktionalität in ihren Beziehungen. Wenn die nicht gegeben ist soll man sich halt trennen. Natürlich habe ich selbst auch Zweifel und frage mich manchmal ob oder wie lange ich noch kann oder möchte. Gerade dann tun mir solche Kommentare sehr weh, treffen irgendwie die sensiblen Punkte.

Ich weiß nicht. Ich wollte diese Gedanken irgendwie gern mit euch teilen. Ich würde mich freuen wenn ihr mir von Erfahrungen zu diesem Bereich schreiben würdet.

Alles Liebe

Mandelbrot
Herr Rossi
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Registriert: 2. Sep 2018, 08:19

Re: Angst

Beitrag von Herr Rossi »

Hi, zusammen.

@Mandelbrot: das mit der Trennung hatte ich auch schon zu hören bekommen. Bei uns ist es aber so, dass wir seit über 30 Jahre zusammen sind :o (ich darf gar nicht darüber nachdenken), und ich in dieser Beziehung sehr hartnäckig bin.
Ich habe gelernt, nur auf mich selber zu hören. Andere können hier bestenfalls einen Tipp geben, aber mehr auch nicht. Von meinem Vater kam z.B. einmal: "Früher gab es keine Depressionen, die Frau war Zuhause am Herd und bei der Familie, da hatte sie genug zu tun." :mrgreen:
Frau Rossi war damals noch bei meinem Vater dabei, und ich bin ihr bis heute sehr dankbar, dass sie die Klappe gehalten hat. Dieses Streit wäre legendär geworden. Mittlerweile sprechen sie nicht mehr miteinander. :lol:
Jede Beziehung ist ganz individuell, und von Außenstehenden nicht bewertbar.

Meine Frau hat schon öfter gesagt, dass sie auszieht, dass wir uns trennen sollen, usw. Aber einen Tag später, dass sie sich etwas antun würde, wenn ich weg wäre.
Mittlerweile kann ich diese Episoden besser einschätzen und auch abwägen, aber toll ist es dennoch nicht.

Und zum Thema gesellschaftliche Unverständnis: Wir leben schon immer in einer Gesellschaft, in der man keine Schwäche zu zeigen hat, sonst geht man wahrscheinlich unter. Das gilt im Beruf genauso, wie in der Schlange im Supermarkt. Wenn du Schwach oder hilflos bist, wirst du ausgenutzt. Das muss nicht einmal mit Absicht passieren, aber es passiert dennoch.
Und eine psychische Krankheit ist halt für viele ein Schwachpunkt. Dass diese Menschen (ich spreche jetzt von Frau Rossi), teilweise hypersensibel gegenüber z.B. Krankheiten bei anderen oder bei Tieren sind, spielt offenbar keine Rolle. Diese Krankheit, so schlimm sie auch ist, kann auch gute Seite haben. Wie gesagt hat meine Frau unseren Hunden in all den Jahren schon 4 oder 5 x das Leben gerettet, weil sie weit sensibler auf Zeichen anspricht, als ich es je könnte. Einige der besten Musiker oder Schauspieler (denn das muss man bei dieser Krankheit auch sein), waren und sind depressiv.

Kurz gefasst: keiner, weder die Gesellschaft noch Freunde oder Angehörige haben das Recht, eine Beziehung zu bewerten. Wenn du diese Beziehung so haben willst, lass dir von niemanden reinreden. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nie Zweifel hatte. Ab und zu kommen solche Gedanken: "was wäre wenn ich damals nicht...". Aber dann wäre ich nicht da und derjenige, der ich heute bin. Und schlussendlich würde ich es wieder so machen. Wahrscheinlich :lol: 8-)
ABER: versuche dabei so viel wie nur möglich das zu tun, was dir gut tut um Kraft zu sammeln. Du wirst sie brauchen.

Viele Grüße aus Schweden

Herr Rossi
Remu
Beiträge: 55
Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Angst

Beitrag von Remu »

Hallo Mandelbrot,

lass dich erst mal fest drücken!

Wenn ich die Reaktion deiner Mutter lese, scheint sie (also die Reaktion) recht oberflächlich zu sein.Wie ist denn sonst deine Verbindung zu deiner Mutter, versteht ihr euch gut? Kennt sie deinen Freund näher? Denn das sind schon recht harte Worte der eigenen Tochter gegenüber.

Ich bin die ganze Zeit am Überlegen, wie meine Mum reagieren würde. Leider lebt sie nicht mehr, daher kann ich sie nichts mehr fragen. Ich kann mich nur daran erinnern, dass sie meinen Mann von Anfang an akzeptiert und ihn so genommen hat, wie er ist. Auch wenn er ihr nie viel von sich erzählt hat. Wie sie jetzt allerdings zu seinen Depressionen stehen würde, kann ich nicht richtig beantworten, aber ich glaube schon, sie hätte uns beide unterstützt. Ein offenes Ohr hätte sie auf jeden Fall gehabt. Liebe Mandelbrot, du siehst, es ist also auch schwer, wenn man keinen mehr hat, der einen beschützen möchte, wie es eine Mutter eben tun sollte. Hier ist keine Mama mehr, die der Tochter auch mal klipp und klar die Meinung sagt. Kannst du denn über andere Themen mit deiner Mutter reden? Ist sie dann für dich da?

Funktionieren ist wohl leider das richtige Wort. Bei mir ist eine langjährige Bekanntschaft zerbrochen, ich dachte eigentlich, es wäre meine Freundin. Ihr Verständnis für meinen Mann und/oder für meine Probleme und Sorgen hat nur so weit gereicht, wie man sich "normal" benahm. Das heißt in ihrer Welt, sie darf ihre Meinung sagen, sie darf kritisieren, aber ich darf das nicht. Jedem Kommunikationsproblem ist sie aus dem Weg gegangen und hat das ganze regelrecht ausgesessen, bis sie meinte, ich hätte das Gesagte oder die Mißverständnisse vergessen. Mein Mann hat sich in ihren Augen zum Schluß unseres Kontakts nicht so verhalten, "wie es sich gehört". Mh, wie gehört es sich denn? Darf man keine Schwäche zeigen, keinen Unmut, keine Tiefphasen? Es ist nun mal nicht Friede Freude Eierkuchen, absolut nicht. Wie gesagt, das Verständnis meiner Bekannten reichte nur so weit, wie mein Mann "funktionierte". War das nicht der Fall, kippte ihre Ansicht sofort. Das macht mich nach wie vor echt wütend.

Eine andere Vertrauensperson machte auch schon die ein oder andere Bemerkung, mein Mann wäre so oder verhielte sich so. Tja, was soll ich da sagen? Es guckt halt keiner hinter die Fassade. Es macht sich einfach keiner die Mühe. Andererseits sagte genau diese Person, er selbst möchte nicht an Stelle meines Mannes sein, er selbst hätte wohl nicht den Mut, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ganz genau!

Mir wurde auch vor einiger Zeit gesagt, ich solle mich trennen. Warum? Wenn ich meine, unsere Ehe hat eine starke Basis und wir schaffen diesen wirklich schwierigen Weg gemeinsam, dann ist das meine (!) Ansicht, nicht die eines anderen Menschen. Die Person, die mir das an den Kopf geworfen hat, sagte, ihr wäre das zu anstrengend. Na gut, dann soll sie sich freuen, dass sie eben nicht in meiner Situation steckt. Wo ist das Problem?

Ich finde es ganz schlimm, dass man schräg angeguckt wird, sobald irgendein Tabuthema zur Sprache kommt. Ich achte sehr darauf, wem ich was über meinen Mann sage, weil ich eben genau diese Nichtakzeptanz nicht brauche, dieses sofortige Abstempeln, ohne das irgendwer meinen Mann näher kennt. Ich treffe in meinem Job viele alte Ehepaare, die Ewigkeiten verheiratet sind und zu denen ich immer sage, dass beide einen Orden verdient haben. Alle Paare haben gesagt, dass heutzutage viel zu schnell alles hingeworfen wird, gleich beim ersten Problem. Da habe ich dann wohl eine eher altmodische Ansicht: ich habe meinen Mann geheiratet, und wir werden dies alles zusammen schaffen. Ja, es kostet unglaublich Kraft, allerdings bin ich inzwischen auch soweit, dass ich mich auf ganz ganz wenige, mir wichtige Dinge konzentriere und keine weiteren Probleme von anderen anhöre. Dadurch geht es mir aktuell besser, und ich merke, wie überflüssige Kommentare eher an mir abprallen.

Darum, liebe Mandelbrot, sei nicht traurig. Keiner steckt in deiner Haut. Es ist dein Leben, deine Entscheidung, deine Beziehung. Wenn es dir hilft: eine gute Bekannte sagte neulich: wer nie Zweifel an seiner Beziehung hat oder auch mal mit dem Gedanken gespielt hat, einfach die Sachen zu packen und abzuhauen, dem glaubt sie kein Wort. Ich hatte ja schon mal geschrieben, dass ich eine zwischendurch wieder starke Zweifel verspürte, das gehört wohl einfach dazu. Vielleicht hilft es dann, nicht an die Zukunft zu denken (da bekomme ich eher Angst, weil ich nicht weiß, wie es noch wird), sondern jetzt in diesem Augenblick zu schauen, wie es ist. Wie ist dein Gefühl in diesem Moment, nicht morgen oder in einer Woche. Sondern jetzt. Daran kannst du dich festhalten und sofort sehen, wie du deinen Weg weitergehst.

Lass bald wieder von dir lesen, viele Grüße

Remu
Mandelbrot
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Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo ihr Lieben,

Danke für das Schreiben eurer Texte @ Herr Rossi, Remu und Jupiter. Es tat mir wieder gut sie zu lesen.

@Remu: Das Verhältnis zu meiner Mutter ist insgesamt ok. Es war mir oft in meiner Jugend zu nah und auch heute noch manchmal. Also ein nahes Verhältnis hat auch positive Seiten. Ich empfinde es manchmal als problematisch. Sie beschwert sich heute immer mal wieder darüber, dass ich ihr von bestimmten Dingen nicht erzähle. Das sind aber Dinge wo ich mir sehr klar bin, dass ich diese nicht mit ihr teilen möchte. Sie ist dann manchmal enttäuscht o.ä. und möchte mir vermitteln dass ich "komisch" bin dass ich diese Dinge nicht teilen möchte (meine Schwester erzählt ihr mehr intimere Sachen). Das nimmt sie dann manchmal als Vergleich. Ich bin ich in unserem Verhältnis immer wieder damit beschäftigt meine Grenzen zu erkennen und zu ziehen. Es war auch schon häufig so, dass wenn ich früher etwas mehr erzählt habe, ich mich nicht ausreichend verstanden gefühlt habe weshalb ich dann denke ich weniger erzählt habe. Dennoch merke ich dass meine Mutter sich sehr Mühe gibt. Ich habe ihr mal erklärt, dass ich merke dass sie sich Mühe gibt ich jedoch merke dass es trotzdem manchmal nicht gut ist/tut mich über bestimmte Dinge mit ihr auszutauschen. Danke Remu für den Tipp oder Rat, immer im jeweiligen Moment zu schauen was dann ist, wie das Gefühl dann ist. Diesen Rat nahm ich mir zu Herzen und möchte das auch weiterhin tun.

@ Jupiter: Ja, ich denke auch dass unsere Mütter eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen. Ich denke es fällt ihnen schwer ihre Kinder traurig zu erleben. Ich sagte meiner Mutter letztens, dass ich mir wünsche traurig sein zu dürfen weil ich finde dass das zum Leben dazu gehören dürfen sollte. Ich sagte ihr, dass ich möchte dass es OK ist manchmal und auch manchmal längere Phasen lang traurig zu sein. Ohne dass direkt irgendetwas dagegen unternommen werden muss (oder einem von außen dazu geraten wird). Ich sagte ihr dass ich selbst wissen werde wenn ich was Grundlegendes verändern oder entscheiden möchte. Naja, so ähnlich war das. Sie war dann etwas nachdenklich. Dennoch empfinde ich Gespräche wie solche als sehr anstrengend. Es war dann aber erstmal Ruhe :)

Ich bin derzeit innerlich sehr ruhig. Und irgendwie fühlt sich alles stimmig an. Meinem Freund geht es schlecht. Nur meine innere Einstellung ist gerade anders und ich kann seit einigen Tagen etwas besser "loslassen".

Erzählt gerne von euch, wenn ihr möchtet. Ich wünsche euch einen gute Woche.

Alles Liebe

Mandelbrot
Mandelbrot
Beiträge: 16
Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo ihr Lieben,

Mein Freund hat sich gestern von mir getrennt. Ich bin tief traurig. Er befindet sich gerade in einer schweren schon sehr langen depressiven Episode. Ich habe ihm ganz klar und deutlich gesagt dass ich mit ihm zusammen bleiben möchte. Und dass ich finde dass er so eine Entscheidung jetzt nicht treffen sollte in seiner Situation. Wir haben ewig gesprochen. Ich frage mich ob ich noch vehementer hätte versuchen sollen ihn von dieser Trennung abzubringen. Andererseits möchte ich ihn ernst nehmen. Ich habe ihn gebeten zu überlegen die Entscheidung rückgängig zu machen und noch weiter durch zu halten bis es ihm wieder besser geht. Ich habe Angst dass er es nicht tun wird und dabei bleibt.

Was kann man denn da noch machen? Ich bin so traurig und ratlos. Ich sehe alles so sehr in der Depression begründet. Er selbst auch, aber er weiß es nicht genau.Er kann es nicht mehr trennen. Ich kann mir doch nicht das Recht heraus nehmen das alles zu beurteilen.

Ich würde mich über Zeilen von euch freuen.

Liebe Grüße

Mandelbrot
Suchende2
Beiträge: 1402
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Angst

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Mandelbrot,

Deine Frage kann ich Dir nicht beantworten. Ich nehme Dich aber virtuell in den Arm und wünsche Dir viel Kraft für die kommende Zeit.

Alles Gute,
Suchende
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Angst

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo liebe Mandelbrot!

Es tut mir leid wie es gelaufen ist und fühl dich virtuell gedrückt. In real dürften wir das ja derzeit nicht ;-)

Wirklich hilfreiche Tipps kann ich dir in dieser Situation nicht geben und immer wieder kommt von mir der Hinweis, dass jede Paarsituation, jede Erkrankung einfach anders ist. Ich kann dir nur sagen, dass meine Freundin schon mehrmals die Beziehung mit mir beendet hat. Und bevor sie dieses mal die Beziehung beendet hat, habe ich erlebt wie sie dagegen angekämpft hat. Nicht nur gegen die Episode angekämpft hat, sondern auch versucht hat die Beziehung aufrecht zu erhalten. Wenn da aber nichts ist, dann ist da nichts. Und wenn da nichts ist, glaube ich mittlerweile wirklich das sich dies alles für sie falsch anfühlt. Und ich meine wirklich falsch. Du sprachst weiter oben von einer Vogelperspektive. Ich bin mir bei meiner Freundin ziemlich sicher das sie diese nicht hat. Das ist ja gerade die Crux mit dieser Krankheit, dass das innere Koordinatensystem aus den Fugen geraten ist – und das ganze auch noch in einer Art, die meiner Freundin glauben und fühlen lässt, das wirklich alles auf die Zukunft gerichtete keinen Sinn hat. Diese Krankheit ist unzertrennlich mit ihrem ICH verbunden – unzertrennlich! Wenn sie eine Beziehung während einer Episode aufrecht erhält, dann nur aus Konvention. So bitter das klingt, bei meiner Freundin ist da derzeit einfach nichts. Okay, da ist schon was. Sie weiß das sie mich irgendwie mal gemocht hat und mich vielleicht irgendwie mag, sie weiß das ich sie mag.... aber es fühlt sich für sie einfach falsch an. Das Koordinatensystem ist aus den Fugen. Das ist einfach das was ich in all den Jahren mitbekommen habe.
Ich weiß nur zu gut, wie wir uns als Angehörige wünschen, dass wir unsere Liebsten durch die Krankheit begleiten können – unterstützend, hilfreich und so wie wir instinktiv handeln: Wenn jemand Hilfe braucht, dann hilf ihm. Bei meiner Freundin klappt das aber nicht. Das wird sofort als unter Druck setzen interpretiert. Sie haben als Partner auch eine Rolle, eine Rolle die sie während ihrer Episoden nicht nachkommen können. Alleine schon diese Tatsache Partner zu sein, bedeutet Druck. Und, so glaube ich bei meiner Freundin, ist der einzige Weg der diesen Druck entfernt, das Beenden der Beziehung. Mit einem Schlag kann sie während einer Episode dem nachgehen was ihr am wichtigsten ist: Sich um sich selbst kümmern und durch diese (durchaus lebensbedrohende) Situation zu kommen.
Du hast weiter oben dir selbst die Frage gestellt, das du Angst hast Auslöser dafür zu sein das es deinem Freund schlechter geht. Bei meiner Freundin kann ich dies mit einem klaren Ja beantworten. Alleine die Tatsache das ich existiere, sie mir nicht so gerecht werden kann wie sie glaubt mir gerecht werden zu müssen, reicht dafür aus. Meine pure Existenz, die Tatsache das ich sie liebe, die Tatsache das sie während ihrer Episoden diese Liebe nicht erwidern kann, reicht aus Auslöser, bzw. für sie zu glauben das ich Auslöser bin, aus. Und wenn du es unter diesem Aspekt siehst, was löst dann aus Sicht unserer Liebsten alle Probleme: Klar, das Beenden der Beziehung.
Jetzt habe ich den Vorteil und das Wissen, das bei meiner Freundin diese Krankheit in klar abgegrenzten Episoden verläuft. Ich weiß mittlerweile, dass sie alles unternehmen würde um ihre „Ruhe“ vor mir zu haben während ihrer Episoden – inklusive dem provozieren eines Streits um die Beziehung zu beenden. Mittlerweile kann ich damit leben, kann warten und gestalte mir mein Leben selbst komfortabel während ihrer Episoden. Was für mich wirklich zählt, ist ihre Haltung mir gegenüber außerhalb ihrer Episoden. Okay, sie ist mittlerweile schon so ein bisschen „überfällig“ - aber ich habe noch keine Signale empfangen das die Episode beendet ist. Und für mich zählt es erst dann.

Mag sein das ich dir mit meinen Worten nicht viel geholfen habe. Du selbst wirst einen Standpunkt suchen, wie du dich gegenüber deinen Freund positionierst. Ich selbst glaube nicht das deine Chancen schlecht stehen. Die Frage ist nur was du selbst willst. Bist du bereit dieses auf und ab Spiel eventuell ein Leben lang mitzumachen? Ist es das wert? Diese Fragen musst du dir beantworten. Niemand hat je gesagt das es einfach wird. Und egal wie du dich positionierst, es wird richtig sein. Denn es ist deine Entscheidung. Fühl dich gedrückt.
Mandelbrot
Beiträge: 16
Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Angst

Beitrag von Mandelbrot »

Danke für eure Texte.

Lieber FrequentFlyer, wie reagierst du denn wenn deine Freundin die Beziehung beendet? Sagst du dann, dass die Trennung für dich erst zählt wenn die Episode vorbei ist? Bzw. wie kommunizierst du deine Haltung, wenn deine Freundin sich trennt? Das würde mich interessieren.

Mein Freund hat viele Andeutungen gemacht dazu dass er hofft dass wir weiter im Leben voneinander sein werden. Er sagte irgendwie in etwa etwas das zum Ausdruck brachte wer weiß was die Zukunft bringt. Vielleicht kann es ja wieder nah werden zwischen uns wenn es ihm besser geht und wir beide das wollen. Er war aber sehr vorsichtig in diesen Formulierungen.

Liebe Grüße und Danke!

Mandelbrot
Herr Rossi
Beiträge: 166
Registriert: 2. Sep 2018, 08:19

Re: Angst

Beitrag von Herr Rossi »

Hallo Mandelbrot.

Den einzigen Rat den ich dir geben könnte wäre, erst mal abzuwarten, zumal dir eh nichts anderes übrig bleibt.
Wenn er momentan in einer tiefen Krise steckt, so ist sein Handeln vielleicht nicht einmal für ihn selber nachvollziehbar.
Ich habe es bei meiner Frau immer noch nicht herausgefunden, ob der Wunsch nach einer Trennung eher ein Selbstschutz ist, oder der Versuch mich zu schützen. So wie ich sie kenne würde ich auf den zweiten Punkt setzen.
Ich würde versuchen lockeren Kontakt zu halten und ihn vor allem zu nichts drängen. Versuche da zu sein, wenn er reden will. Reden hilft (fast) immer.

Grüße

Herr Rossi
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Angst

Beitrag von FrequentFlyer »

@ Mandelbrot:
Wie ich reagiere? Nein, ich sage nicht das die Trennung für mich nicht zählt. Sie ist ja keine unselbständige Person, sie ist ja noch zurechnungsfähig – obwohl, man könnte manchmal daran zweifeln ;-) Ich glaube - wissen kann ich es nicht: da ist bei ihr im Moment wirklich nichts. Das ist auch nicht negativ gemeint, sondern nur eine Zustandsbeschreibung. In Sachen Beziehung ist da einfach nichts. Aber nach der Episode, oder auch durchaus in kurzen Phasen während der Episode, kommt das wieder. Also kein Grund zu Panik.
Was ich ihr sage ist, dass ich weiterhin für sie da bin. Das wir dies ja schon mehrmals hinter uns haben und sie locker bleiben soll. Diesmal habe ich ihr auch gesagt, dass ich am Ende des Tunnels auf sie warte und dann können wir weiter sehen. Durch den Tunnel begleiten kann ich sie nicht, weil sie dies zum einen nicht will (und dies gestehe ich ihr auch zu) und ich zum anderen daran zerbrechen würde, bzw unsere Beziehung. Ob meine Worte allerdings ankommen bezweifle ich - noch nie hat sie außerhalb ihrer Episoden bezug auf das genommen was ich ihr während der Episoden gesagt oder geschrieben habe. Eigentlich will ich ihr nur so ein Grundgefühl vermitteln - alles gut, mach dir keine Sorgen um mich, ich kann damit leben und kann auch warten.
Ich bin einfach nicht ihr Therapeut, Lebensberater. Wir beide wollen eine Beziehung auf Augenhöhe und dies geht nicht, wenn ein Part den anderen wie ein Kind an die Hand nimmt. Sie muss da alleine durch oder halt mit Hilfe von Profis und nicht von so einem emotional Beteiligtem wie ich.

Wie ist denn die Krankheit bei deinem Freund in der Vergangenheit verlaufen? Auch mit klar abgegrenzten Episoden? Wie sind denn seine bisherigen Beziehungserfahrungen? Auch immer nur eher kurze Beziehungen zwischen den Episoden?

Ganz liebe Grüße
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