Wie andere Depressionen/Depressive sehen

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Greta1962
Beiträge: 281
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Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Greta1962 »

Hallo!

Ich muss mir mal kurz was von der Seele schreiben.

Gerade habe ich mit einer Freundin telefoniert - einer ganz lieben, zugewandten, empathischen, verständnisvollen.

Sie weiß, dass ich seit fast einem halben Jahr wegen Depressionen/Angst/Erschöpfung krank geschrieben bin. Wir unterhalten uns darüber - auch, wie schwer es gerade jetzt in Corona-Zeiten ist, man hat weniger Kontakte, igelt sich ein - noch dazu habe ich keine Chance auf einen Therapieplatz. Es ist alles alles etwas trostloser als eh schon - wenn man sich mehr mit Freundinnen treffen könnte, oder die Familie mit Kindern und Enkeln usw. - das würde alles etwas heller machen. Aber es ist, wie es ist.

Dann sagt meine Freundin zu mir ... "ja, das ist ja wirklich alles schlimm ... und vor allem musst du aufpassen, dass du nicht in eine Depression rutschst!"

Ähm. Ja. Wie jetzt!?

Stille erst mal von mir, was soll ich jetzt dazu sagen!? Dann ein zaghaftes "Martina, ich BIN schon in der DEPRESSION !" von mir! Ein halbes Jahr krank geschrieben, hallo!? Zig mal haben wir in der Zeit schon telefoniert ... was hat sie da nicht verstanden!?

Stille dann von ihrer Seite ... "öhm, ach, so habe ich das ja nicht gemeint!" ... hin und her und kreuz und quer ... letztendlich versuchte sie noch so die Kurve zu bekommen, dass ich ja im Gespräch immer so "normal" wirke, gar nicht traurig oder depressiv oder so.

Ja, aber muss man immer weinen, wenn man depressiv ist!? Also gerade dann, wenn man mit anderen zusammen ist!?

Die drei schwersten Fälle von Depressionen in meinem engsten Umfeld - das sind freundliche und lustige Menschen. Denen würde man das nie anmerken, wenn man es nicht wüsste - und auch weiß, wie sehr sie sich anstrengen, dieses lebendige Bild nach außen zu vermitteln.

Natürlich gibt es auch die mit dem leeren Blick, die tatsächlich "lebensmüde" wirken (nicht, dass sie sich das Leben nehmen wollen, sondern dass sie müde vom und fürs Leben sind). Aber verallgemeinern kann man das nicht.

Ich bin beides - ich fühle mich auch müde vom Leben, müde von allem, trost- und hoffnungslos ... aber wenn ich telefoniere oder mich mit anderen treffe, dann kann ich das kurzzeitig verdrängen und mich "normal" verhalten. Ich habe lange geübt dafür, weil ich Familie habe und denen nicht ständig Sorgen machen will. Andererseits tut es natürlich auch manchmal gut, sich von lustigen Menschen mitreißen zu lassen (im Moment ist nur leider keiner von denen da).

Wie geht es euch so - wie werdet ihr wahrgenommen?
Ich habe ja vor allem Angst, dass man mir meine Depressionen nicht glaubt - weil ich sie zu gut vertusche - dass man dann denkt "warum ist die jetzt schon so lange krank, die wirkt doch ganz gut drauf!"
Liebe Grüße von ..... Greta
Hörnchen2020
Beiträge: 34
Registriert: 29. Nov 2020, 21:03

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Hörnchen2020 »

Ich habe den meisten gar nicht erzählt, dass ich unter Depressionen leide, sondern habe immer von Burnout gesprochen, was auch meine allererste Diagnose war. Ich war im vergangenen Jahr auch ein halbes Jahr krank geschrieben und war auch 11 Wochen in einer Klinik. Ich konnte mir vorher auch nicht vorstellen, wie sich Depressionen anfühlen, auch als eine Kollegin betroffen war. In der Klinik waren eigentlich alle Patienten depressiv und es war eine gute Stimmung dort, es wurde viel gelacht (aber auch geweint).Wenn man in der Stadt mal mit jemandem gesprochen hat, der kein Patient war, hieß es meist: "Wie? Sie sind in der Psycho-Klinik? Sie sind doch ganz normal!"
Ich habe seitdem die besten Kontakte zu Menschen, die selbst Erfahrung mit Depressionen haben. Seit die Kollegen wissen, dass ich in einer psychosomatischen Klinik war, haben mich mehrere angesprochen und mir erzählt, dass sie selbst depressiv waren. Bei anderen bin ich eher zurückhaltend, weil ich nicht einschätzen kann, wie sie damit umgehen. Die meisten sind sehr unsicher und halten sich zurück, was es mir natürlich auch nicht einfacher macht, wieder richtig in den Job zurückzukehren. Zur Zeit bin ich noch in der Wiedereingliederung und die Kollegen merken schon, dass ich noch eingeschränkt bin.
Chinchine
Beiträge: 65
Registriert: 26. Mär 2015, 10:41

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Chinchine »

Liebe Greta,
ich habe gerade im Bezug auf mich selbst ähnliche Gedanken.
Meine Belastbarkeit ist gerade sehr eingeschränkt, was auch vom Betriebspsychologen bestätigt wurde. Ich habe wg. Depression einen GDB von 50. Ich habe schon länger trotz Therapie und Dauermedikation wieder eine schlechtere Phase, befürchte aber durch eine Krankschreibung die Struktur zu verlieren und weiter abzurutschen.
Ich habe deshalb zwei anspruchsvolle, dringende Fälle abgegeben, weil ich diesem Druck gerade nicht standhalte.
Einer lieben Kollegin, die das alles weiß, habe ich erzählt, dass ich die Fälle nicht mehr machen kann. Ihre Reaktion: "Warum nich?"

Für mich ein Schlag ins Gesicht. Ähnliches Erlebnis heute in einem Telefonat mit meinem Chef...

Muss meine Gefühle diesbezüglich noch sortieren. Vielleicht vermittle ich auch ein völlig falsches Bild von mir nach Außen hin.
DieNeue
Beiträge: 5376
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von DieNeue »

Hallo Greta,

das ist ja krass... hm, kann natürlich schon sein, dass sie das nicht so präsent hat, wenn man dir das nicht so anmerkt und du auch nicht ständig drüber redest. Kann auch sein, dass ihr das präsenter wäre, wenn man sich zur Zeit auch treffen und sich mehr sehen könnte. Da würde dann vielleicht auch mal auffallen, dass man manchmal nicht kommen kann, weil es einem nicht so gut geht oder man doch nicht so wirkt wie sonst.
Meine Mutter hört auf einem Ohr nichts, das weiß ich schon immer, aber ich habe sie trotzdem oft von der falschen Seite her angesprochen, mir nicht gemerkt, auf welcher Seite sie noch was hört. Erst jetzt so langsam, wo ich selber Einschränkungen habe, wird mir das bewusster. Man merkt es ihr auch nicht an.

Könnte auch sein, dass man es auch echt nicht so ernst nimmt, wenn der Depressive alles überspielt. Ich finde das Masken aufsetzen viel zu anstrengend und ich mag das auch einfach nicht, so zu tun als ob.
Es ist halt immer eine Gratwanderung, wie viel man von sich zeigt, um auf der einen Seite authentisch zu bleiben, das Mitgefühl und Interesse zu bekommen, das man braucht, aber auf der anderen Seite den anderen nicht nur vollzujammern und zu sehr zu belasten oder im anderen Fall auch mal Grenzen zu setzen. Es ist auch völlig legitim, die Depression mal "auszublenden", wenn man das kann und man gerade unter lustigen Menschen ist. Wie sonst sollte man gesund werden können, wenn man nicht mal mehr lachen dürfte.

Aber ich finde ihre Aussage trotzdem total unpassend und ich wäre auch vor den Kopf gestoßen gewesen.
Ich habe zur Zeit den Eindruck, dass das Thema "Depression" in den Medien und bei den Menschen viel präsenter ist als vor Corona. Überall heißt es, die psychischen Krankheiten, allen voran Depressionen, nehmen zu und man muss aufpassen, dass man durch Corona nicht depressiv wird. Als ich vor 12 Jahren krank wurde, hat das niemanden wirklich interessiert. Aber ich glaube, viele Leute wissen gar nicht, von was da genau geredet wird und vielleicht "plappern" manche einfach das nach, was sie hören. Überreissen nicht, dass man das auch ohne Corona haben kann ;) und dass das, von was da geredet wird, die Freundin sogar schon hat.
Greta1962 hat geschrieben: Ja, aber muss man immer weinen, wenn man depressiv ist!?
Gegenfrage: Muss man immer so tun, als würde es einem gut gehen, wenn man depressiv ist?

Wenn es mir schlecht geht, dann sage ich das auch, oder ziehe mich zurück (wohne aber auch alleine) und gehe erst dann wieder unter Leute, wenn es mir besser geht. Meine Familie kann damit mittlerweile ganz gut umgehen. Ich erzähle nicht jedem alles und manchmal sage ich auch "Passt schon", wenn mich irgendwer fragt, wie es mir geht und ich nichts erzählen will. Aber meiner Familie mache ich nichts vor und wir haben auch schon oft über die Krankheit geredet und ich erkläre auch immer wieder was. Mit meiner engsten Freundin tausche ich mich da auch öfter aus, wie Sachen für mich sind und wie für sie als Gesunde. Ich weiß nicht, wie ich auf andere wirke, aber ich denke, dadurch dass ich halt so offen bin, können die Leute mich ganz gut einschätzen. Ich fände es auch seltsam, wenn eine Freundin vor mir so tun würde, als würde es ihr gut gehen, obwohl das nicht so ist.
Ich denke, es ist auch ein Unterschied, ob man von seiner Depression erzählt und wie es einem dabei geht oder ob die Leute die Depression live mitkriegen. Ich kann Leuten schon erzählen, dass ich geheult habe, aber mich hinsetzen und vor anderen heulen ist dann nochmal was anderes. Das mache ich dann eher unfreiwillig ;)
Greta1962 hat geschrieben: Ich bin beides - ich fühle mich auch müde vom Leben, müde von allem, trost- und hoffnungslos ... aber wenn ich telefoniere oder mich mit anderen treffe, dann kann ich das kurzzeitig verdrängen und mich "normal" verhalten. Ich habe lange geübt dafür, weil ich Familie habe und denen nicht ständig Sorgen machen will. Andererseits tut es natürlich auch manchmal gut, sich von lustigen Menschen mitreißen zu lassen (im Moment ist nur leider keiner von denen da).
Hast du deiner Freundin das auch so erzählt?

Was mir bei fremden Leuten eher mal passiert ist, dass ich ungefragt Tipps kriege, sobald ich das Wort "Depression" ausspreche. Erst gestern hatte ich wieder so ein Erlebnis mit der Zahnarzthelferin beim Zahnarzt. Da habe ich das Gespräch dann abgeblockt. Auf sowas habe ich keine Lust mehr.

Liebe Grüße,
DieNeue
Remu
Beiträge: 55
Registriert: 26. Nov 2020, 21:37

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Remu »

Hallo Greta,

das macht mich wirklich sprachlos, dass deine Freundin das so gesagt hat. Ich stimme dir, dieNeue, zu, dass es wohl nachgeplappert ist. So kommt es rüber. Verstanden hat deine Freundin es aber nicht, Greta. Sie war demnach noch nie selbst in der Lage, wie soll sie es da nachvollziehen können. Vielleicht tut es ihr inzwischen auch leid, dass sie dir das gesagt hat. Eine Ohrfeige war es trotzdem.

Liebe Grüsse, Remu
Katerle
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Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Katerle »

Ja Greta, deine Angst kann ich auch nachvollziehen.
Als ich damals krank wurde, sah ich echt schlecht aus. Und trotzdem wurde es nicht gesehen von meiner Umgebung, ausser von den Ärzten und meinen G...
Richtig verstanden fühlte ich mich aber nur von Ärzten und Psychologen.

Es ist wahrscheinlich noch in vielen Fällen so, dass manche garnicht wissen, wie es einen damit geht, weil sie dich nur nach ihrem Äusseren beurteilen und du schnell einen Stempel drauf kriegst.
Habe aber Leute, mit denen ich ganz normal darüber reden kann, ansonsten bin ich da etwas vorsichtiger.

LG Katerle
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Greta1962 »

Danke für eure Antworten!

In gewisser Hinsicht bin ich es sowieso schon gewohnt, dass man mir meine Krankheiten nicht ansieht - bzw. blöd drauf reagiert. Ich habe seit 10 Jahren Rheuma und auch Fibromyalgie - ich habe ständige Schmerzen, die schon fast normal für mich geworden sind. Keine Schmerzen wie ein Hexenschuss oder Gallenstein ... eher Dauerschmerzen, immer mal woanders, die einen langfristig auch mürbe machen und die Lebensfreude rauben. Gute Grundlage für Depressionen.

Aber diese Schmerzen sieht man mir auch nicht an - und die ganze Krankheit wird von allen vergessen, selbst von meiner Familie. Manchmal muss ich "hallo" rufen ... nee, das geht gerade nicht, dazu bin ich nicht in der Lage, weil .... ! Da komme ich mir auch langsam albern vor. Manchmal beneide ich diejenigen, die eine "richtige" Krankheit haben, wo sich jeder konkret was drunter vorstellen kann.
Oder es kommen halt gute Ratschläge "Rheuma!? Ach, da habe ich gerade in der Trina was gelesen - da musst du dies und das essen und dann ist alles wieder gut!" oder, der Klassiker: "ja, bei diesem Wetterumschwung tun mir auch immer die Knochen weh!"

Was mich bei meiner Freundin so geschockt hat, ist, dass sie eigentlich weder gedankenlos noch lieblos ist. Im Gegenteil, sie ist einer der nettesten Menschen, die ich kenne. Und wenn sie schon so denkt - wie denken dann andere!? Im Grunde ist mir das natürlich auch egal - aber immer kann es einem ja nicht egal sein, bei Familie, Ärzten, Chefs, Kollegen ... ! Da möchte man mit seinen Problemen schon ernsthaft wahrgenommen werden.

Ich bin auch kein Typ, der alles hinter einer Fassade zu verbergen sucht. Ich rede eigentlich auch eher von meinen Problemen, weil ich denke, dass das einfacher ist - irgendwas zu verheimlichen kostet nur noch mehr Energie, die man nicht hat. Bislang bin ich damit auch gut gefahren. Natürlich bindet man nicht jedem alles auf die Nase, das muss man schon abwägen. Aber es ist nicht so, dass ich generell ein Geheimnis daraus mache. Denn wenn alle offen darüber reden würden, dann wären Depressionen auch nicht so nebulös.
Liebe Grüße von ..... Greta
Suchende2
Beiträge: 1219
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Greta,

Ja ich verstehe, daß die Reaktion Deiner Freundin, vor allem weil sie unerwartet war, verletzend war!

Ich persönlich finde sie nicht ganz so schlimm (ich hatte die Reaktion aber auch nicht).
Ich freue mich, wenn meine Freundinnen bei mir nicht an erster Stelle an meine derzeitige Erkrankung denken und mich daher "normal" behandeln und sie im Gespräch mit mir es auch vergessen. Ich bin hoffentlich mehr als meine Depression.
Zum anderen war Deine Freundin vielleicht durch andere Umstände belastet, die sie es haben vergessen lassen?

Ich habe eher das Problem, daß 2 - 3 Freunde sich von mir zurückgezogen haben, seitdem ich ihnen davon erzählt habe. Sie verstehen nicht, daß es mir gut tun würde, wenn sie sich melden. Sie möchten mich nicht mit Kontakt "belasten". Es könnte mir ja schlecht gehen, wenn sie sich melden. Und das wollen sie nicht.

Alles Gute,
Suchende
belladonna_
Beiträge: 352
Registriert: 29. Okt 2020, 13:49

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von belladonna_ »

Hallo Greta,

es kommt wohl auch darauf an, welchen "Grad" an Depressionen man hat - leicht, mittel, schwer.

Jemand, der schwer depressiv ist, ist auch nicht mehr schwingungsfähig und kann sich auch nicht mehr "normal" verstellen, das geht dann einfach nicht. Solche Menschen, wie du ja auch beschrieben hast, sind schwer krank und findet man dann mehr in den Akutkrankenhäusern.

Wenn ich wirklich eine schwere Episode habe (hab noch mehr als Depressionen), merkt man mir das an, auch Fachleute sehen die Unterschiede. Bin ich nur leicht oder mittel betroffen, bekomme ich, gerade auch von Fachleuten, das wiedergespiegelt, dass es "noch" nicht so schlimm ist - was manchmal auch verletztend sein kann (die wollen halt, dass man mehr an das Positive denkt und nicht ständig um die Erkrankung kreist, ein ständiges Gedankenkreisen ist auch ein Krankheitsanzeichen, wenn das nachlässt, geht es dir auch besser).

"Normale" Menschen denken bei Depressionen oft an die schweren Fälle, die, die auf die Geschlossene müssen, Suizidgedanken haben etc. Wenn es dir wichtig ist, auch über "leichte" oder "mittlere" Depressionen aufzuklären und Verständnis zu bekommen, dann sprich darüber, zumindest mit denen, die dir nahestehen.
Lucien
Beiträge: 50
Registriert: 5. Dez 2019, 10:43

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Lucien »

Hallo Greta,

ich kann dir nur von der anderen Seite erzählen, also wie mein Ex-Freund auf mich wirkt. Auch wenn wir letzten Endes nur knapp ein Jahr zusammen waren, kennen wir uns inzwischen schon sieben oder acht Jahre.

Die letzten 1,5 Jahre konnte ich mit ansehen, wie es langsam aber sicher immer weiter bergab ging, da er immer mehr Stress in der Firma hatte. Mehrere Versuche, mit ihm darüber zu reden sind gescheitert. In einem ist er mir gegenüber konsequent: er tut immer so, wie wenn alles soweit gut wäre, aber er ist wirklich so ein schlechter Schauspieler…

Jetzt kann ich natürlich nicht sagen, wie er sich anderen gegenüber verhält, aber ich könnte mir vorstellen, dass entfernteren Bekannten gar nicht so viel auffallen würde, wenn er so ähnlich ist wie mit mir.

Merken tue ich es an seiner Art mit mir zu kommunizieren oder besser gesagt „nicht mit mir zu kommunizieren“ obwohl er mit mir kommuniziert, wenn man so will. Manchmal frage ich mich ehrlich gesagt aber schon, warum er mich überhaupt nach der Trennung wieder kontaktiert hat. Über das trennungsauslösende Ereignis möchte er nicht nachdenken, über andere ursprünglich gemeinsame, vermeintlich neutrale Themen kommt allerdings auch kein Gespräch zustande. Warum also wollte er wieder Kontakt mit mir. War ja eigentlich, so dachte ich, alles von beiden Seiten aus gesagt, was es zu sagen gab und ich habe ihn nicht weiter gestört.

Mit Gespräch meine ich übrigens whatsapp… Telefonieren oder Treffen: Fehlanzeige, ich frage ehrlich gesagt auch gar nicht danach, das ging schon zu besseren Zeiten nicht mehr. Manchmal schreiben wir über den ganzen Tag verteilt ein paar Mal hin und her. Ein Satz hat drei oder vier Worte. Manchmal kommt auch nur ein ja oder ein smiley. Da weiß ich: das war es dann für den Tag. Bis ich ihn dann wieder nach ein paar Tagen anschreibe. Manchmal antwortet er sofort, manchmal am Tag später, manchmal gar nicht. Wie soll da ein Treffen möglich sein? Wenn ich ihn nur flüchtig kennen würde, würde mir wahrscheinlich gar nicht so viel auffallen, er ist nicht unhöflich oder so, er ist nicht negativ, schickt lachende smileys, lacht über lustige Fotos, etc.. Er ist allerdings ein Abklatsch von dem, was er mal war, selbst zu den Zeiten, als wir „nur Freunde“ waren und eine Beziehung noch lange gar kein Thema war. Daran merke ich es eigentlich am meisten.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich kann die Reaktion deiner Freundin nicht so wirklich nachvollziehen. Wenn man den anderen wirklich gut kennt, dann merkt man doch irgendwie an der Art und Weise der Kommunikation, wie es bei dem anderen aussieht, auch wenn die Person vermeintlich „gut drauf ist“. Oder nicht?

LG
wohin geht die reise
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Registriert: 16. Sep 2016, 11:44

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von wohin geht die reise »

Hallo Greta,
es trifft einen schon ganz schön hart, wenn ich solche Äußerung von einer Freundin höre, obwohl sie dich gut kennt.
Mir ist, gerade in meiner Familie, aufgefallen, dass sie es auch nicht hören wollen. Bei meinem ersten Klinikaufenthalt war der Schock meiner Geschwister schon groß, und auch ihre Unsicherheit mit mir umzugehen. Ich war damals dann bei einem meiner Brüder über Weihnachten bei ihm in der Familie, wurde aber danach nie wieder eingeladen. Sie hatten zu viel Angst, dass ich mir evtl. was antue, obwohl da überhaupt keine Gefahr bestand. Ich bin dann aber auch eher zurück in die Klinik gefahren, weil ich mich einfach nicht mehr willkommen dort fühlte.
Ein paar Episoden später: war die Reaktion nur noch - wie schon wieder - Ich spreche mit meinen Geschwistern nicht mehr darüber, obwohl ich ja eigentlich gehofft hatte, dass diese vielleicht ein Ort sind, wo ich was los werden kann.
Im Moment fühle ich mich auch sehr schlecht, meine Psychiaterin wollte mich auch krank schreiben, das habe ich aber abgelehnt, weil mir die Tagesstruktur dann auch fehlten würde.
Aber, ich mache auch Fehler und bin sehr langsam geworden. Mit einigen Kollegen habe ich heute darüber gesprochen, sie meinten, dass es vielleicht doch gut wäre eine kurze Auszeit zu nehmen, aber, da kenne ich mich eine Woche wird nicht reichen.
Wenigstens tut es gut, Verständnis zu bekommen.
Lore
anna54
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Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von anna54 »

Liebe Lore
die Erfahrung mit Geschwistern habe ich auch so gemacht,ich störte irgendwann ihre "gute Stimmung",ich wurde gebeten zu gehen,mitten beim gemeinsamen Frühstück an Weihnachten.
Später wurde dann eine Bitte von mir um Verständis einfach abgeschlagen.
Tür zu und schweigen,vor allem sollte ich schweigen.
Da gerade der Todestag meines Vaters anstand,mit Gottesdienst und Mittagessen in einem Lokal ergab sich dann die Forderung an mich,nicht zu kommen und Punkt.
Corona hat dann alles platzen lassen.
Die Schwester,die mich rausgeworfen hat,da gibt es null Verständigung,die anderen sind zur Tagesordnung übergegangen.
Ich halte sie mir alle auf Abstand,nur meine kranke Schwester ist mir noch nah.
Liebe Greta
Das Wort Depression,das ist in Coronazeiten plötzlich für die anderen besetzt,sie fürchten sich und wollen beschützt sein.
Die wirkliche Depression ist eine schwere Krankheit,die die anderen selten begreifen,begreifen wollen,das ist auch Selbstschutz.
Gerade der "lustige Depressive" wird übersehen,obwohl er meist einen schweren Verlauf hat und mit letzter Kraft am Leben festhält.
Freundinnen sind wertvoll und sehr wichtig,dass ihnen passsiert,den anderen völlig zu übersehen,das tut sehr weh.
Ich habe erlebt,dass eine Familie eine Tochter "abgesondert" hat,weil ihre Depression nicht mehr zu verstecken war.Die schöne Fassade gab mehr nicht her.
Die Tochter lebt nicht mehr,da mussten plötzlich alle in Therapie,wollten fachliche Hilfe und vor allem Verständnis.
Mir ist heute noch eiskalt,wenn ich an diese junge Frau denke,weil ich erahnen kann,wie verlassen sie war.
Gerade depressive Menschen haben eine hohe Empathie für andere,werden aber selbst haltlos enttäuscht.
Der Austausch um solche schwersten Enttäuschungen geht oft nur mit Menschen,die die gleichen Wunden haben,die gleichen Narben,das ist auch das Forum.
Corona zwingt alle in die Insolation,später werden wir wieder neu lernen,das Miteinander,das Verstehen um Verluste um Verletzungen.
Es wäre an der Zeit,alle,die schon viel viel länger in der Isolation leben,einen Augenblick zu geben.
anna54
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo,
ich mache leider ähnliche Erfahrungen in meiner Familie, wobei das Leugnen und Verdrängen meiner Depression sicherlich auch mit dem dem Leugnen und Verdrängen eigener Schuld zu tun hat. Ich überlege mir mittlerweile genau, wieviel ich von mir preisgebe, das tue ich eher sehr guten Freunden gegenüber. Meiner Tante habe ich viel anvertraut und nun behandelt sie mich immer wieder respektlos und Bevormundung. Sie achtet meine Gefühle und meine Meinung nicht, belächelt mich und ich fühle mich dann als erwachsene Frau wie ein Kind. Ist aber bei ihr vielleicht auch altersbedingt. Ich bin jedenfalls froh, dass mir dieses Verhalten mittlerweile bewusst ist - das ist der erste Schritt.
Viele Grüße an alle!
DasPhantastikS
Beiträge: 280
Registriert: 27. Dez 2019, 00:16

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von DasPhantastikS »

In meinen Augen glauben immer noch die Menschen, an den einen Archetypen. Es ist halt so, bei Schäden ist das anders, weil jeder eine andere Geschichte hat und ein anderes Umfeld. Viele tun sich am Anfang schwer das zu verstehen.
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Greta1962 »

Hallo - und danke für eure Antworten.

Das Problem ist, dass man unsere Krankheit nicht sieht - Kopf unterm Arm oder so, das wäre hilfreich.
Oder dass man eine Diagnose hat, mit der die anderen was anfangen können ... Krebs oder so. Das will ich natürlich nicht haben, aber das ist so was, das weiß jeder "oh, schlimm!"
Ich kenne das Spielchen ja schon länger - ich habe Rheuma und das sieht man mir auch nicht an. Die Schmerzen sieht keiner - und man will darüber auch nicht sprechen, gerade wenn man merkt, dass es eh keinen interessiert.

Den nächsten Knaller hatte ich vorgestern mit einer anderen Freundin.
Wir tauschen manchmal TV-Tipps aus, weil wir einen ähnlichen Geschmack haben - vor allem in leichten, lustigen Dingen. Da rief sie mich an und meinte, sie hätte mal wieder einen Tipp für mich und ich habe mich schon gefreut ... "In Therapie" ... Mediathek Arte. Da geht es um einige Leute, die schwer traumatisiert von den Anschlägen 2015 in Paris in Therapie sind. Das ist natürlich überhaupt nicht lustig und ich konnte keine Minute schauen, bevor ich - in Tränen aufgelöst - den Fernseher ausmachte. Ich meine - GEHT ES NOCH ???? Die weiß doch, dass ich ein halbes Jahr wegen einer Depression krank geschrieben bin ... wie kann man da so einen Film (bzw. Serie) empfehlen .... ???? Das ist doch ein Trigger hoch drei!? Wie wenig Feingefühl kann man eigentlich haben!?

Ich glaube, ich muss mir neue Freunde suchen.
Leider klingeln die nicht an meiner Tür - und zu Coronazeiten sowieso nicht (glücklicherweise, ich würde eh keinen reinlassen!)
Liebe Grüße von ..... Greta
Katerle
Beiträge: 11261
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Katerle »

So ist es Greta. Schmerzen sieht einen auch keiner an... Und auch ich habe schon ganz lange mit Schmerzen zu kämpfen und bin ganz froh, es bis hierhin geschafft zu haben. Stimmt, interessieren tut es auch keinen. Es ist ja auch nicht so, das ich ständig darüber rede oder jammere. Sagen wir mal so, ich habe schon ne Menge erreicht (und das mit meinen Schmerzen). Hatte meine Schmerzen auch viele Jahre verdrängt... Meine Ärzte verstehen mich und meine S. versteht mich auch und ich verstehe auch sie... und ich habe auch eine neue Freundin, die das auch nachvollziehen kann, da sie selbst unter chronischen Schmerzen leidet. Ja manchmal ist es ganz angebracht, sich neue Freunde zu suchen.
Was solche Sendungen angeht, in denen Leute schwer traumatisiert sind, finde ich wichtig und schaue ich mir auch an, nur wenn es mir zuviel wird, dann schalte ich auch weg...

Neue Freunde zu finden ist auch nicht einfach. Manchmal trifft man aber einen netten Nachbarn und vielleicht kann sich daraus später eine Freundschaft entwickeln. Ich selbst bin aber eher vorsichtig, auch aufgrund von Erfahrungen...

Weiterhin alles Gute für dich,
LG Katerle
Suchende2
Beiträge: 1219
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Greta,

Ja, in schweren Zeiten erfährt man, wer echte Freunde sind.
Diese Erfahrung mache ich jetzt zum 2. Mal.

Meine Erfahrung ist, die Menschen ansprechen und erzählen, wie es sich für Dich angefühlt hat. Deren Seite der Sache anhören (meistens war es nicht böse gemeint) und dann sehen, wie sich der weitere Kontakt gestaltet.

Ich finde es zur Zeit schwer, mich bei anderen zu melden und habe das auch offen kommuniziert. Nun gibt es 2 Menschen, die sich seitdem nicht mehr bei mir melden.
Mit denen werde ich an einem guten Tag nochmals in Kontakt gehen und dann sehe ich, ob ich Abschied nehmen muß oder wir uns wieder annähern können.
Ich weiß aber auch, daß sämtliche Freundinnen durch die aktuelle Situation auch stark belastet sind und daher auch gut auf sich aufpassen müssen und manchmal dann eventuell weniger emphatisch sind, als sie es normalerweise sind.

Das Problem mit nicht sichtbaren Krankheiten kenne ich. Auch ich habe eine. Meine Schwiegerfamilie ist der Meinung, wenn ich nicht an diese denken würde, hätte ich sie auch nicht. ;-)
Abgesehen davon, mag ich meine Schwiegerfamilie sehr.

Alles Gute,
Suchende
momadome
Beiträge: 610
Registriert: 2. Aug 2009, 15:03

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von momadome »

Hallo Greta,

Ich kann verstehen, dass du den Tipp deiner Freundin mit der Serie "In Therapie " für nicht feinfühlig hältst. Du steckst noch tief im depressiven Prozess, das Thema fasst dich sofort an.

Wenn du aber versuchst, die Sache von einem anderen Standpunkt aus zu beurteilen könnte sie so aussehen: deine Freundin weiß, dass du depressiv bist. Sie hat etwas von dieser Serie gesehen, wie Therapie funktioniert und was tiefere Ursachen einer psychischen Erkrankung sein können. Sie denkt sich, dass könnte doch Greta interessieren, sie ist doch an einer Depression erkrankt , vielleicht kann ihr etwas davon helfen....Ich sag ihr das mal, auch wenn es diesmal nichts lustiges ist, dafür womöglich hilfreich.l

Ob es für dich hilfreich ist, kannst nur du entscheiden. Ob du deine Freundin deswegen direkt aussortiert kannst auch nur du entscheiden.
Doch wenn du schon nach einer Minute gucken in Tränen aufgelöst bist, ist die depressive Brille noch sehr schwarz, durch die du guckst und damit vielleicht auch deine Beurteilung der Feinfühligkeit deiner Freundin.

Tief in der Depression hätte ich diese Serie nicht sehen können.....Heute finde ich sie super interessant. Sie zeigt sehr gut, welche Verletzungen und Traumata in bestimmten Lebensphasen unser Leben in viel späteren Zeiten noch beeinflussen können.

Liebe Grüße, jojoma
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Greta,

ich habe mir die Serie noch nicht komplett angesehen, aber meiner Meinung nach schaut sich niemand diese Serie an, wenn sie/er nicht an dieser Thematik interessiert ist. Daher denke ich, dass deine Freundin vielleicht auch, auf Ihre Art kommunizieren wollte, dass Ihr deine Erkrankung nicht egal ist. Oberflächliche Menschen, denke ich, würden diese Serie jedenfalls nicht empfehlen. Und ja, in einer sehr schweren Episode, würde ich mir die Serie auch nicht antun. Fand aber das was ich mir angesehen habe sehr interessant und erkenne bisweilen auch einige Verhaltensweisen der Protagonisten bei mir selbst wieder, was mir auch ein wenig hilft mich zu reflektieren.

Viele Grüße
R.
DieNeue
Beiträge: 5376
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von DieNeue »

Hallo Greta,

ich kann dich sooo gut verstehen wegen der Serie. Mir hat auch mal eine Freundin ein Video geschickt von einem Poetry Slam mit einem Gedicht über Depressionen. Das Gedicht war an sich nicht schlecht, künstlerisch gut gemacht, in manchen Dingen hab ich mich gar nicht wiedergefunden, hab mir gedacht, wenn die Frau wirklich schwer depressiv ist, wie sie sagt, könnte sie doch gar nicht auf der Bühne stehen usw. Mir gings da ähnlich wie dir. Ich saß heulend da, es kam so viel hoch und ich war stinkwütend auf meine Freundin, dass sie mir das geschickt hatte.
Das krasse war, sie hat mir das hauptsächlich geschickt, weil es ihr künstlerisch so gut gefallen hat. Hat sich halt gedacht, ich kann mit dem Thema was anfangen im Gegensatz zu vielleicht anderen Leuten, das Video ist so toll, schickt sie es mir halt...
Als Betroffene sehe ich sowas aber aus einem ganz anderen Blickwinkel. Ich kann das nicht nur künstlerisch oder neutral betrachten (zumindest nicht in der Phase). Das Thema hat ja immer auch was mit mir selbst zu tun. Ich gleiche das meistens dann mit mir selbst ab, finde mich in manchen Dingen etwas wieder, in manchen Dingen wiederum gar nicht, wo ich mir dann denke "Wenn die Leute sowas anschauen und dann davon ausgehen, dass ich auch so bin, nur weil die Personen in dem Video so sind... oh nein!"...
Ich habe mittlerweile beschlossen, dass ich mir solche Filme grundsätzlich nicht mehr anschaue. Das Thema Depression ist so vielschichtig und individuell. Für Außenstehende ist es vielleicht interessant überhaupt mal einen Einblick zu bekommen und vielleicht ist es auch für sie gar nicht so schlimm, wenn nicht alles auf mich zutrifft, es bleibt ja eh nicht alles hängen. (Ich selber schaue mir auch ganz gerne Reportagen über Menschen und ihre verschiedenen Lebenslagen an und finde das interessant, ein Betroffener würde sich manches davon vielleicht auch nicht anschauen wollen.)
Ich denke, manchen Betroffenen kann es schon helfen, wenn sie solche Filme schauen. Meins ist es nicht so und es muss sich auch nicht jeder sowas anschauen. Hab auch kurz den Anfang der 1. Folge gesehen, aber der Film fängt ja schon so traurig mit Heulen und Schniefen an, das ist echt nicht meins. Ich persönlich würde mich auch nicht in einer Therapiesitzung filmen lassen wollen...

Ich glaube, ich würde deine Freundin einfach mal fragen, warum sie dir den Tipp gegeben hat. Das wäre schon mal ein Einstieg in ein Gespräch und dann könntest du, je nachdem was sie antwortet, ihr auch sagen, wie die Serie bei dir angekommen ist. Meine Freundin hat sich damals entschuldigt, aber so ganz verstanden hat sie das Thema Depression nicht. Ist auch (aber nicht nur!) ein Grund, warum wir keinen Kontakt mehr haben. Das muss bei dir aber nicht so sein. Kann aber gut verstehen, wenn du am liebsten den Kontakt abbrechen würdest. Ich reagiere auch manchmal so, wenn man mich sehr verletzt oder ich diesen Unterschied zwischen mir und anderen extrem wahrnehme, weil das manchmal unerträglich ist. Es ist halt die einfachste Lösung das Problem zu lösen. Aber ich denke mir da auch immer, ich muss irgendwie in dieser Welt klarkommen, ich kann mich nicht komplett abschotten und sollte/möchte auch lernen damit besser klarzukommen. Also muss ich da irgendwie durch...
Von daher würde ich deiner Freundin mal nochmal ne Chance geben. Vielleicht entwickelt sich ja auch ein gutes Gespräch.

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen.

Liebe Grüße,
DieNeue
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von anna54 »

Hallo zusammen
liebe Greta
ich war überrascht,dass mich neugierig gemacht hat,die Serie In Therapie,anzusehen.
Aber ich konnte mich gut abgrenzen,habe eher eine neutrale Zuschauersicht eingenommen.
Das ist völlig anders,wenn ich z.B. eine Talkrunde erlebe und plötzlich redet ein Promi über seine Depression:natürlich haben die Medikamente sofort geholfen,die Therapie ebenfalls und alles ist wieder gut.
Da spüre ich Ärger und auch Wut über die Oberflächlichkeit und einseite Darstellung.
Eine früher eher kritische Nachbarin kam zu mir,als sie eine Sendung über Depressionen gesehen hat,hat ehrlich gesagt,dass sie das völlig unterschätzt hat und erschrocken war über die Schwere der Erkrankung.
Das hat mir viel bedeutet,weil ich in den Nachbarschaft vorher "unangenehm auffiel".
Information ist wichtig,Wissen kommt vor dem Verstehen,wenn es dann möglich ist.
In Coronazeiten sind die Nachrichten voller Schrecken,es gibt Zeiten,da blende ich das auch aus.
So viel wie nötig,weil ich durch Wissen meine Angst dosieren kann,aber es gibt auch noch andere Themen.
Sich selbst schützen,wenn es nötig ist,und alles zu einer Zeit,wo keine Wunden aufgerissen werden.
anna54
Greta1962
Beiträge: 281
Registriert: 21. Sep 2020, 20:13

Re: Wie andere Depressionen/Depressive sehen

Beitrag von Greta1962 »

Hallo!

Danke für eure Antworten.
Nee, ich glaube nicht, dass meine Freundin mit dem Tipp über die Therapie-Serie mit mir ins Gespräch kommen wollte, ich denke, das war eher gedankenlos. Wenn sie mit mir ins Gespräch kommen wollte, dann würde sie fragen. Aber sie ist sowieso eher so ein "rustikaler" Typ - wenig empathisch. Da wundert man sich nicht mehr.

Allerdings könnte sie davon wissen (wenn es sie interessieren würde), weil ich ihr schon mal bewusst davon erzählt habe, dass ich im Moment nur leichtes oder lustiges sehen kann.

Das ist für mich allerdings auch bemerkenswert. Ich konnte noch nie blutige Krimis, Thriller oder ähnliches sehen ... aber im Moment kann ich nur etwas sehen, was ich schon kenne und wo ich mir sicher sein kann, dass darin keine verstörende Überaschung kommen kann. Ich sehe praktisch nur Wiederholungen - oder ab und zu ein Herzkino-Film o.ä. wo man auch halbwegs (wenn auch nicht immer) sicher ist vor Gewalt o.ä.

Nachrichten kann ich auch nicht mehr sehen. Im Moment kommt zwar viel mit Corona und Impfen usw. - das geht noch. Aber Berichte aus Krisengebieten, Hunger, Ungerechtigkeiten, Gewalt, Krieg .. das geht gar nicht. Das vereinnahme ich dermaßen, dass ich diese Bilder nicht mehr loslassen kann und dass sie mich ggf. tagelang quälen.

Mir ist allerdings bewusst geworden, woran das vermutlich liegt. Ich bin ein "Kriegsenkel" und meine Mutter, Vertriebene aus Schlesien, hat mir die ganze Tragik ihres Schicksals (Krieg, Verlust der Heimat) nicht nur mit der Muttermilch gegeben - sondern mir seit dich denken kann diese ganzen Geschichten eingetrichtert, so dass sie irgendwann zu meinem eigenen Schicksal wurden. Für sie war das der Kampf gegen das Vergessen und die Bewältigung ihrer Traumata - in dem sie das in mich "pflanzt" und es damit weiterlebt. Für mich war es aber schon fast eine Misshandlung - und das wurde mir erst im hohen Erwachsenenalter klar. Ich denke, dass ich deshalb so empfindlich reagiere - und dass es auch einen Großteil meiner jetzigen Gesamtproblematik betrifft.
Liebe Grüße von ..... Greta
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