Fragen einer Angehörigen: Liebesbeziehung/Freunde/Bekannte

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Mandelbrot
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Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Fragen einer Angehörigen: Liebesbeziehung/Freunde/Bekannte

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo!

Ich bin Angehörige und schreibe aber nicht in die Rubrik für Angehörige, weil mich sehr die Erfahrungen und Antworten der Betroffenen interessieren.

Ich bin mit einem Mann zusammen seit etwa zwei Jahren der an wiederkehrenden depressiven Episoden leidet. Wir sind beide um die 30 Jahre alt. Die erste Phase kam etwa 5 Monate nach unserem Kennenlernen. Es war so, dass ich ihn plötzlich über Weihnachten nicht mehr erreichen konnte obwohl wir eigentlich für ein Telefonat verabredet waren. Ich war zu Besuch bei meiner Familie in einer anderen Stadt und wir waren also nicht an einem Ort. Wir waren für Silvester verabredet und es gab davor also etwa zwei bis drei Tage keinen Kontakt. Da dies aber zum ersten mal passiert war, war ich sehr verunsichert darüber und fragte mich was es zu bedeuten hat und konnte es überhaupt nicht einordnen. Als wir uns wieder sahen erzählte ich ihm, dass ich verunsichert war. Ich bat ihn darum mir in Zukunft Bescheid zu geben, wenn eine Verabredung die wir planen doch nicht statt finden kann. Er sagte dass er dies versuchen möchte und entschuldigte sich und suchte erklärende Worte. Ich war damals verunsichert und hatte aber ganz deutlich das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte abseits meiner Angst mein Freund würde keine Interesse mehr an mir haben. Soviel zu einer meiner frühen Begegnungen mit solchen Phasen.

Es gab dann immer wieder solche Phasen, kurze oder längere. Das ganze hing glaube ich auch stark mit dem Corona bedingten Lockdown zusammen. Inzwischen fällt es mir deutlich leichter in solchen Phasen gelassener zu reagieren, z.B. weil ich diese Phasen besser einordnen kann. Das liegt daran, dass wir viel miteinander gesprochen haben und er mir sehr viele Fragen sehr ehrlich beantwortet hat und sich sehr darauf einlässt mit mir schwierige Themen zu besprechen (was natürlich oft außerhalb dieser Phasen nur möglich ist). Zudem habe ich viel gelesen um mich selbst aufzuklären was unglaublich viel geholfen hat und ich habe viel hier im Forum gelesen. Wir haben uns miteinander entwickelt in dem Sinne dass mein Freund weiß, dass ich bestimmte Dinge auf jeden Fall brauche im Umgang miteinander (z.B. Verbindlichkeit, also wenn etwas geplant ist und es doch nicht geht abzusagen). Oder wenn ich einen Rückzug mal sehr schwer aushalten kann und um ein Lebenszeichen bitte, er sich bemüht mir irgenwie so eins zu senden (was nicht immer funktioniert, aber immer öfter und ich bemerke seine Bemühungen diesbezüglich). Gleichzeitig habe ich versucht mich darauf einzustellen, dass es immer sein kann das geplante Dinge doch nicht gehen. Also ich denke ich habe meine Erwartungshaltung verändert und das klappt natürlich auch oft nicht, aber insgesamt schon ganz gut.

Wie auch immer. In vielen Bereichen fühle ich mich wohl in unserer Beziehung zueinander, in anderen habe ich Schwierigkeiten und es fällt mir sehr schwer meinen Freund in seinem Verhalten nachvollziehen zu können. Gerade geht es da um das Thema Freunde und Bekannte. Mein Freund hat eigentlich keine wirklich nahen freundschaftlichen Beziehungen neben unserer (ich empfinde unsere Liebesbeziehung zu einem großen Teil auch als eine tiefe Freundschaft). Es gibt einen Freund den er alle paar Monate trifft oder Kontakt zu ihm hat. Zu seiner Familie besteht so gut wie kein Kontakt. Er hat aber sehr viele oberflächlichere (nicht negativ gemeint) freundschaftliche Bekanntschaften durch seine Leidenschaft dem Tanzen (wir tanzen beide und haben uns über das Tanzen kennengelernt). In depressiven Phasen zieht er sich sehr zurück. Wir sehen uns dann in schlechten Phasen vielleicht maximal einmal die Woche nach der Arbeit zum Abendessen bei mir für etwa zwei Stunden. Mehr geht oft nicht und er möchte dann oft schnell zu sich nach Hause fahren. Ich komme damit zurecht, auch weil ich merke wie schlecht es ihm geht (weil er mir dies erzählt, oder ich merke es an seiner Körperhaltung seiner Mimik etc.). In diesen schlechten Phasen ist es manchmal so, dass wir uns am Wochenende nicht sehen. Meistens ist er dann das ganze Wochenende bei sich zu Hause viel im Bett. In letzter Zeit wird er manchmal eingeladen und fährt von Samstag auf Sonntag in die Stadt (etwa eine Stunde von unserer Stadt entfernt) wo er Freundinnen vom Tanzen kennt. Er ist dann von Samstag auf Sonntag dort und übernachtet dort bei den Freundinnen und verbringt da quasi das halbe Wochenende. Dort wird dann getanzt oder man schaut Filme zusammen. Er erzählt mir danach oft, dass ihm das gut tut dort hinzufahren und ich merke das auch. Diese Freundinnen oder eher Bekannten sind Frauen die ich noch niemals gesehen habe seit den zwei Jahren die wir uns kennen. Also es sind glaube ich sehr lockere Bekanntschaften. Ich finde es gut, dass mein Freund dort hinfährt und etwas für sich macht und sich mit diesenMenschen trifft. In unserer Beziehung ist es so, dass es recht normal ist, dass er sich manchmal mit anderen Frauen zum Tanzen trifft und ich mich mit anderen Männern, weil das eben im Paartanz und in unserer Tanzszene quasi so ist. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass das möglich ist und wir uns damit im Grunde genommen weitestgehend wohl damit fühlen. Ich bin zum Glück sehr wenig eifersüchtig insgesamt. Ich spüre auch, dass mein Partner mich mag und mit mir zusammen sein möchte. Dennoch verletzt es mich manchmal, meinen Freund in diesen schwierigen Phase so wenig sehen und treffen zu können. Und ich bin auch ein kleines bisschen eifersüchtig. Nicht im Sinne davon, dass ich denke er könnte eine Beziehung mit einer anderen Frau anfangen glaube ich. Ich glaube eher eifersüchtig auf die Zeit die er mit den Menschen verbringt, während so viel Zeit mit mir verbringen nicht geht. Und auch die Tatsache dass dort Übernachten für ihn geht. Übernachtungen bei mir sind in schlechten Phasen nicht drin. Kuscheln geht. Küssen geht phasenweise gar nicht. Darüber können wir zum Glück auch sprechen. Ich selbst habe ein paar sehr tiefe Freundschaften und auch viele Bekannte. Ich bin sehr glücklich darüber so gute Freunde zu haben. Ich habe viele Möglichkeiten meine Zeit mit Freunden zu verbringen und mache das auch. Dennoch vermisse ich mehr Zeit mit meinem Freund.

Nun zu meinen Gedanken und Fragen: Auf der rationalen Ebene kann ich begreifen, dass für Menschen mit Depressionen der Kontakt zu lockereren Bekanntschaften manchmal leichter fällt, weil es vielleicht weniger Tiefe und Nähe ist die dann vorhanden ist. Ich habe es so verstanden, dass das Treffen dieser Menschen dann eher eine Art Ablenkung oder Pause ist von den negativen Gedanken in der Depression. Dass der Mensch sich mit diesen lockereren Freundschaften mal eine Weile anders zeigen kann, also eine nicht-depressive Fassade zeigen kann? Ich dachte mal, dass es bestimmt sehr anstrengend sein kann so eine Fassade zu zeigen, jedoch verstehe ich es so, dass es für einen Menschen mit Depressionen auch sehr wohltuend sein kann, so eine andere Fassade zu zeigen, also sich in eine andere Rolle zu begeben für eine Zeit lang. Außerdem vermute ich, dass es gut tut, dass diese lockeren Bekannten weniger tiefgehende Fragen stellen oder eben einfach nicht so viel wissen, den anderen nicht so gut kennen, und dadurch nicht hinter die Fassade schauen können? Vielleicht ist es mit mir als Partnerin viel schwieirger so etwas "zu bekommen"? Also so eine Art Leichtigkeits-Pause in eigentlich depressiven Phasen? Ich habe mit meinem Freund schonmal ein bisschen über dieses Thema gesprochen und möchte das auch bald nochmal tun. Gerade geht es leider nicht gut. Er sagte mir mal, dass er in Phasen in denen es ihm schlecht geht Nähe schlecht aushalten kann. Z.B. beim Tanzen sei es dann manchmal sehr viel einfacher mit einer Person zu tanzen, die er nicht gut kennt. Ich finde das sehr einleuchtend und gleichzeitig tut es immer wieder sehr weh.

Wie ihr seht habe ich mir selbst einige Gedanken gemacht zu diesem Thema. Ich frage mich dennoch manchmal: Warum sind diese lockereren Beziehungen scheinbar für meinen Freund/Menschen mit Depressionen phasenweise einfacher auszuhalten? Und warum ist es möglich, mit diesen oberflächlicheren Kontakten viel mehr Zeit am Stück zu verbringen? Warum ist es vergleichsweise mit mir als Partnerin in den selben Phasen nur so gering dosiert möglich? Gibt es hier Betroffene, die mir dies nochmal aus ihrer Perspektive erklären können, wie es sich für sie anfühlt? Oder kennt ihr zufällig schon Beiträge hier im Forum, die auf dieses Thema eingehen? Könntet ihr mir dazu Links senden? (Ich weiß, ich sollte all diese Sachen meinen Freund selbst fragen. Dennoch interessieren mich auch eure Gedanken zu diesem Thema. Ich weiß auch eigentlich, dass man nicht alle Menschen mit Depressionen über einen Kamm scheren sollte).

Ich wäre dafür sehr dankbar :o)

Herzliche Grüße

Mandelbrot
Monchen12345
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Re: Fragen einer Angehörigen: Liebesbeziehung/Freunde/Bekann

Beitrag von Monchen12345 »

Hallo Mandelbrot,

Depressive können sich oft nicht gut konzentrieren.
Ich neige auch dazu längere Texte zu schreiben und bin aktuell relativ fit. Aber dein Text ist auch mir zu lang und zuviel auf einmal.
Bekommst du eine Kurzfassung hin?
Ich meine das überhaupt nicht böse und würde dir auch gerne eine Antwort geben, sofern möglich, aber ich komme gar nicht bis zur Frage.
Hiier im Forum ist man eigentlich imner sehr hilfsbereit, dass bisher niemand reagiert liegt evtl. auch einfach daran, dass es anderen genauso geht wir mir.

Habe einen guten Start in die Woche.
LG, Monchen
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Fragen einer Angehörigen: Liebesbeziehung/Freunde/Bekann

Beitrag von DieNeue »

doppelt
Zuletzt geändert von DieNeue am 22. Feb 2021, 00:34, insgesamt 1-mal geändert.
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Fragen einer Angehörigen: Liebesbeziehung/Freunde/Bekann

Beitrag von DieNeue »

Hallo Mandelbrot,

mir ist spontan dieser alte Thread hier eingefallen:
https://www.diskussionsforum-depression ... 66&t=35572" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Vielleicht hilft dir der ein bisschen weiter? Ich habe im Angehörigen-Forum auch schon öfters mit Angehörigen darüber geschrieben und es gibt mit Sicherheit noch einige ältere Threads dazu, aber die fallen mir grade leider nicht mehr ein.

Liebe Grüße,
DieNeue
Mandelbrot
Beiträge: 16
Registriert: 17. Dez 2020, 23:02

Re: Fragen einer Angehörigen: Liebesbeziehung/Freunde/Bekann

Beitrag von Mandelbrot »

Hallo Monchen und DieNeue,

Vielen lieben Dank für eure Antworten. Ich werde mal versuchen meine Frage nochmal kürzer zu formulieren:

Ich habe mit meinem Freund die Erfahrung gemacht, dass er scheinbar mit Menschen die er nicht gut kennt sondern eher Bekannte von ihm sind, in Phasen in denen es ihm schlecht geht mehr/einfacher Zeit verbringen kann als mit mir als seine Partnerin. Mein Freund sagte mir mal, dass es daran liegt dass Nähe aushalten in solchen Phasen sehr schwer/unangenehm ist. Ich habe auch schon gelesen, dass es daran liegen kann, dass "fremdere" Menschen als die Partner*innen weniger Erwartungen mitbringen, weniger hinter die Fassade schauen können. Dass es quasi für Betroffene eine Art Pause sein kann, für eine Weile eine andere/"nicht depressive" Fassade zeigen zu können während einer eigentlichen depressiven Phase. Dies geht anscheinend mit den Partnerinnen vielleicht nicht?

Rational kann ich diese Dinge zwischendurch irgendwie ein Stück weit begreifen, emotional merke ich immer wieder dass es mich traurig macht, wie kleine Stiche.

Ich würde gerne wissen, ob Betroffene Erfahrungen zu diesem Thema gemacht haben die ihr mir erzählen würdet? Wie fühlte es sich für euch an?

Viele liebe Grüße

Mandelbrot
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