Vollständige Genesung anstreben

Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

@SophsFirebird- herzlichen Dank für deine Worte und empathischen Beiträge! Ich glaube, mich "überfordert" die Monotonie meiner Tätigkeit in Kombination mit den äußeren Bedingungen meines Arbeitsplatzes. Ich ziehe 8 Stunden lang Spritzen auf oder bin zum rumsitzen und aufpassen verdammt, obwohl bisher nichts passiert ist. Ich darf meine Ausrüstung nicht checken, was mich extrem ärgert und ich nicht nachvollziehen kann. Die Organisation ist absolut chaotisch und die Vorgesetzten sind Wichtigtuer, die einen unmöglichen Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegen. Schulungen werden nur zu absolut unwichtigen Themen angeboten und die wichtigsten Arbeitsschritte müssen wir uns untereinander selbst beibringen.

LG Philosophin
malu60
Beiträge: 4141
Registriert: 28. Dez 2014, 11:31

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von malu60 »

Hallo Zusammen,
liebe Sul,ich bin sehr dankbar für Deinen Text.Wie auch Philosophin schreibt,hat mich besonders
der Absatz über die Freundschaften berührt.Da kann ich Einiges für mich verwenden.
Bei meiner letzten VT haben wir auch ausführlich über die Gehirnstruktur gesprochen.Dieses Wissen
finde ich auch wichtig.Hab grad viel Nachzudenken,nach einer intensiven Ergostunde,bin ich froh,hier auch noch etwas hilfreiches an die Hand zu bekommen.
Wünsche einen guten Tag und bedanke mich,für die Ausführungen zur Gesundung,L.G.malu
Leben ist mehr
Mooseba
Beiträge: 385
Registriert: 17. Dez 2010, 14:12

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Mooseba »

Für mich ist es auch erst eine wirkliche Genesung, wenn ich wieder mindestens 40h pro Woche arbeiten kann, ohne dass es eine Quälerei ist, und nach Feierabend noch genügend Energie für schöne Dinge übrig ist, anstatt sich komplett zurückziehen zu wollen. Auch wenn ich davon im Moment meilenweit entfernt bin und wirklich Zweifel habe, ob das für mich überhaupt möglich ist, bleibt dieser Anspruch bestehen. Für mich ist es kein Erfolg, es morgens aus dem Bett geschafft oder mein Bad geputzt zu haben. Das sind für mich selbstverständliche Dinge, über die ich mich nie besonders freuen werde. Mir reicht schon das Wissen, dass es viele Menschen gibt, die diese Probleme nicht mal im Ansatz haben, sondern ein aus ihrer Sicht gelungenes Leben hinbekommen mit einem Job, der ihnen gefällt, mit Freundschaft, Partnerschaft, sogar Familie, Hobbys etc. Selbstverständlich haben diese Menschen auch Probleme, ich behaupte nicht das Gegenteil, obwohl mir schon fälschlicherweise von einem Belehrer, also Therapeuten, vorgeworfen wurde, ich würde mir ein Leben ohne Probleme wünschen. Eine Genesung ist es für mich erst, wenn ein normales Leben möglich ist, ohne sich zu diesem ständig zwingen zu müssen, wie es aber leider für mich normal ist. Mir ist auch bewusst, dass dies viele hier anders sehen, auch weil sie mittlerweile so viel Erfahrung mit ihrer Krankheit haben, dass sie wissen, solch ein Leben ist für sie nicht mehr möglich. Aber ich habe mit 38 noch diesen Anspruch. Anders möchte ich auch gar nicht alt werden. Ein Leben ohne Freundschaften, ohne Liebesbeziehung, ohne Sexualität, aber mit Geldproblemen wegen Arbeitslosigkeit bzw. Teilzeitarbeit und Selbsthass, das will ich nicht auf Dauer. Da wäre ich stets schlecht gelaunt und zurückgezogen.
_________________________

"Wenn man aus einem protestantischen Land kommt, ist man immer etwas beschämt, wenn man bei der Arbeit nicht gelitten hat."

(Lars von Trier)
Secret
Beiträge: 1395
Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Secret »

@sul: ich glaube du hast das mit den 5 Menschen geschrieben? Also Freunde habe ich nicht, nur Bekannte. Aber ich bin bis Oktober noch auf 5 gekommen: Mann, 2 Söhne und Schwiegereltern die ich schon lange kenne und in der Jugendzeit für mich da waren: Mein Schwiegervater ist im letzen Jahr verstorben, aber nicht an Corona. Ich möchte mir da aber auch nicht so einen Druck mit der Anzahl machen und ob ich viele Kontakte nun habe. Auf meinem 30 Geburtstag hatte ich nur Kaffe und Kuchen mit Familie gemacht, das war meiner 16 Jahre älteren Schwester zu uncoo. Sie erzählte mir von Ihrer tollen Fete als sie 30 wurde und ich hatte das damals so runtergeschluckt und mich wertloser als die Partymenschen gefühlt. Heute bin ich 53 J. und würde mir so etwas nicht meh erzählen lassen.
@mooseba: So alltägliche Dinge wie Bad putzen und pünktlich aufstehen verbuche ich für mich auch nicht als Erfolg, sondern für selbstverständlich. Ob ich gesundet bin weiss ich gar nicht. Manchmal geht es mir gut, manchmal eben nicht. Den Anspruch 40std. die Woche zu arbeiten habe ich nicht an mich, ich arbeite 25 std. / Woche und komme mit dem Einkommen aus. Das ist aber kein Maßstab, ich arbeite seit ich Kinder habe weniger und habe das wegen der Depression beibehalten. Wenn ich alleine wohnen würde, ein Mann wäre und ohne Kinder und weniger im Haushalt zu tun hätte (ist ja auch noch Arbeitszeit) würde ich das vielleicht auch so sehen wie du.
Zum Sport "zwinge" ich mich manchmal auch, aber mir ist es dann auch nicht gänzlich unangenehm wenn ich einmal dabei bin...
LG

Secret
Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo Secret, Hallo Mooseba,

aufstehen, Haushalt, Ablage etc. das sind für mich ebenfalls selbstverständlich Dinge, die ich auch in der schwersten Depression erledige- dann nur etwas langsamer und mit Pausen dazwischen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man solche Dinge als Erfolg verbuchen kann und habe mich immer über die Therapeuten geärgert, die von mir verlangt haben, dass ich das so sehen soll. Ganz davon abgesehen, dass ich denke, dass die wenigsten Menschen mit einem Leben auf so niedrigem Niveau glücklich sind. Es ist bloß der Grundrahmen meines Lebens. Ich würde noch mehr verzweifeln, würde ich im Chaos versinken.

Und ich verzweifle auch jetzt manchmal, wenn ich merke, dass ich mich schon mit einer 20 Stunden Woche ausgelaugt und erschöpft fühle. Trotzdem gebe ich nicht auf. Ich verdiene mein eigenes Geld, kann mich selbst finanzieren und das fühlt sich gut an. Alles andere wäre ein großer Rückschritt für mich und würde meine Depression verstärken. So lange ich meinen Kopf nicht unter dem Arm trage, wird weiter gekämpft: Tag für Tag, mal mehr mal weniger erfolgreich.

Es fühlt sich wie eine Aufwärtsspirale im Schneckentempo an, aber bisher hat es sich gelohnt. In mir ist der große Wunsch, mehr zu lernen und die Ausbildung im September zu schaffen. Ob das realistisch ist, kann ich nicht einschätzen. Die Depression sagt "Nein!", aber die Depression ist immer gegen das Leben.

Ich gönne mir noch viele Ruhepausen und mache Therapie. Damit erkenne ich meine Erkrankung an und gewähre ihr einen Raum. Sie bekommt aber nicht das ganze Haus.

Liebe Grüße
Philosophin
Sul
Beiträge: 438
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Sul »

@secret
Ja, ich habe das mit den Freundschaften zitiert. Ist nicht von mir selber.

Ich habe im Verlauf meines Weges gemerkt, wie sich meine Beziehungen verändert haben, wie sie (und ich) offener und vertrauensvoller wurden. Und ich habe mir zunehmend Menschen gesucht, die mir gut tun, die mich inspirieren, die mich nicht runterziehen, niedermachen, klein halten. So gesehen sind meine näheren Beziehungen auch ein Spiegel von meinem Innenleben.

Nun hoffe ich, dass ich nicht zu sehr vom Thema abkomme. Aber in Beziehung sein ist für mich untrennbar mit psychischer Gesundheit verbunden.

Viele Grüße, Sul
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Phikosophin, du hast geschrieben

„aufstehen, Haushalt, Ablage etc. das sind für mich ebenfalls selbstverständlich Dinge, die ich auch in der schwersten Depression erledige- dann nur etwas langsamer und mit Pausen dazwischen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man solche Dinge als Erfolg verbuchen kann und habe mich immer über die Therapeuten geärgert, die von mir verlangt haben, dass ich das so sehen soll. Ganz davon abgesehen, dass ich denke, dass die wenigsten Menschen mit einem Leben auf so niedrigem Niveau glücklich sind. Es ist bloß der Grundrahmen meines Lebens. Ich würde noch mehr verzweifeln, würde ich im Chaos versinken.“

Hast du schon mal erlebt, das du drei Wochen nur zwischen Bett und Bad gependelt bist, weil du zu keiner weiteren Bewegung mehr fähig warst ? Ich war damals noch nicht einmal in der Lage, meinen Arzt oder den Notruf zu wählen.
Später, in der Klinik, hat sich mein Psychiater sich fast ein Loch in den Bauch gefreut, als er mich zum ersten mal lächeln sah. Dahin bin ich nur gekommen, weil ich auf meine Thera gehört habe, mich auch für ganz kleine Erfolge zu loben, und stolz auf mich zu sein.
Depressionen wirken sich auf jeden Menschen anders aus. Man kann nicht sagen, „wenn ich es geschafft habe, dann müssen die Anderen sich eben ein bisschen mehr anstrengen, dann schaffen sie das auch.“

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Tara84
Beiträge: 53
Registriert: 22. Dez 2019, 17:15

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Tara84 »

Guten Abend an euch

ich kann jede Sichtweise nachvollziehen. Meiner Meinung kommt es auch auf die exakte Diagnose an. Nicht umsonst werden Depression in leicht, mittelgradig und schwer unterteilt. Bei einigen kommen eventuell noch andere psychiatrische Diagnosen hinzu, die die Heilung erschweren.

Durch jahrelange Therapie, mit immer wieder auftretenden depressiven Phasen, konnte ich mir mein Leben zurück erkämpfen.

Mein Glück war, dass meine Depressionen "nur" mittelgradig waren und ich frühzeitig in Behandlung war.

Je früher eine Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird, umso besser die Chancen auf Heilung. Wie bereits gesagt, hängt dies auch von der Schwere der Erkrankung ab.

Liebe Grüße
Tara
Katerle
Beiträge: 11238
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Katerle »

Peter kann ich mich da nur anschließen, was er geschrieben hat. Auch ich sehe gewisse Dinge als Erfolg an, die mir seit meiner Erkrankung schwerer gefallen sind. Ich mache heute auch Pausen, um meinen Alltag zu bewältigen. Und ich habe auch noch Träume von neuen Herausforderungen, wo ich aber für mich abwägen muss, was für mich umsetzbar ist, damit ich nicht erneut abstürze...
Ich hatte auch mal mein eigenes Geld verdient, worauf ich sehr stolz war. Aber als es dann anders kam, war ich auch sehr dankbar, dass mir andersweitig weiter geholfen wurde von kompetenten Leuten in Kliniken und auch ambulant. LG Katerle
Sul
Beiträge: 438
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Sul »

Ich würde die Alltagsbewältigung nicht als "niedriges Niveau" bezeichnen. Für mich kommt es nicht darauf an, WAS ich mache, sondern WIE ich es mache. Mache ich die Dinge nur gzwungenermaßen, mit Widerwillen, robotermäßig, unachtsam oder bin ich mit allen Sinnen dabei, fühle ich mich lebendig, bin ich präsent...?
Ich habe schon sehr erfüllte Tage erlebt, wo ich "nur" Alltagsdinge gemacht habe wie Einkaufen, Putzen, Aufräumen. Das Leben findet JETZT statt und nicht irgendwann, wenn ich meinen "Traumjob" oder "Traummann" oder "Traumhaus" gefunden habe. Ich muss mich da immer wieder in die Realität und Gegenwart zurückholen.
Viele Grüße, Sul
Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Guten Morgen zusammen ;)

ich bin gerade aufgestanden, da gleich meine Nachtschicht ansteht. Was du schreibst, Sul, dass das Leben JETZT stattfindet und nicht erst, wenn der Traummann, der Traumjob, das Traumhaus oder was auch immer erreicht und gefunden ist, finde ich ganz wichtig! Ich muss mich da selbst ab und an daran erinnern, keinem antizipierten Idealzustand hinterherzurennen.
Oft fühle ich mich mit meiner gegenwärtigen Situation unzufrieden, obwohl ich gar nicht so schlecht dastehe. Ich weiß nicht, ob mich die Ausbildung und ein Studium wirklich glücklicher machen werden, aber mein Leben fühlt sich noch so unvollständig an. Wichtig finde ich, in Bewegung zu bleiben und ein Ziel zu haben.

@Peter, nein, ich kann mir nicht vorstellen, drei Wochen lang nur vom Bett zum Badezimmer und wieder zurück zu pendeln. Die Schwere der Depression dahinter kann ich nachempfinden, aber ich hätte niemanden, der für mich einkaufen geht, die Post öffnet, meine Haustiere versorgt, den Haushalt macht. Das Bedürfnis, nicht im Chaos zu versinken, hat mir bisher den nötigen Antrieb verliehen, doch wenigstens die wichtigsten Dinge zu erledigen. Ich habe aber auch nicht annähernd so einen schweren Verlust wie du erlitten und kann mir auch das nicht vorstellen. Und ich bin froh, dass du deinen Weg gefunden hast und der schweren Depression entkommen konntest.

Liebe Grüße
Philosophin
Lavendel64
Beiträge: 542
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Lavendel64 »

Liebe Philosophin,

ich finde es aber wichtig, Peter zu verstehen - ich glaube, wir alle können uns gut vorstellen, dass es eine Schwere der Depression gibt, in der man zu nichts mehr fähig ist. Und diejenigen, de das nicht erleben mussten, sind glücklich darüber und zollen Menschen wie Peter Respekt. Die Umwelt, die nie etwas mit Depressionen zu tun hatte, kann es sich nämlich nicht vorstellen.

Auch bei mir war der Verlauf so, dass ich immer auf geringem Niveau funktioniert habe. Anrufe gingen immer, ebenso wie organisatorische Dinge. Meine Ängste, allein zu sein (absoluter Horror!) hinderten mich daran, den ganzen Tag im Bett zu liegen, denn mein Mann musste ja irgendwann einkaufen fahren. Für mich bedeutete dies: entweder aufraffen und mitfahren oder alleinsein. Kleine Aufgaben blieben immer für mich - gut war, dass nie Druck bestand, hätte ich es nicht getan, wäre die Familie eingesprungen. So blieb immer die Wahl.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Phoenix2019
Beiträge: 256
Registriert: 8. Jan 2020, 23:45

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Phoenix2019 »

Hallo zusammen,
ich denke auch, es ist eine Frage der eigenen Erfahrungen und damit der eigenen Perspektive, was man als Erfolg verbucht und was nicht: Ich z.B. will seit Wochen die Böden von Bad und Küche putzen (Den Rest putzen ich regelmäßig) und die Steuererklärung für 2019 (!) machen. Wieder ist ein Tag des Wochenendes rum und ich habe wieder nicht geputzt und die Steuererklärung existiert auch noch nicht;) Für mich wäre es ein WAHNSINNSerfolg, wenn ich eins von diesen unerledigten Aufgaben schaffen würde. Ich bin immer wieder überrascht, was gesunde Menschen an einem Tag so schaffen, aber die kommen wohl auch früher aus dem Bett und haben deutlich mehr Energie. Viele Grüße!
Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo Lavendel,

ich kann in meinem Gegenüber nur das verstehen, was ich von mir selber kenne, und muss berücksichtigen, dass ich den anderen dann vielleicht immer noch nicht vollständig verstehen kann. Ich habe jahrelang unter sehr schweren Depressionen gelitten; die Erkrankung bleibt für mich ein Stück weit eine Entscheidungssache. So habe ich es selbst erfahren. Ich kann liegen bleiben oder aufstehen, auch wenn es verdammt schwer ist und mir alle Kraft abverlangt. Ich denke, dass das auch anderen mit Depressionen möglich ist, wenn sie sich genau so entscheiden- aber es bleibt dieser dunkle Fleck, der Bereich, den ich in meinem Gegenüber vielleicht nicht kenne und nie erschließen kann, weil ich nicht der andere bin.

Liebe Grüße
Philosophin
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Peter1 »

Hallo Philosophin
Wie solltest du mich verstehen, wenn ich es selbst nicht kann ? Du kannst die Symptome verstehen, aber nie die Intensität der Gefühle oder Emotionen. In meinen Gedanken haben sich zwei Leute gestritten. Der Eine, der gestörte Peter, hat immer wieder gesagt, nimm Tabletten, oder nimm einen Strick. Der Andere, der gesunde Peter hat zum Schluss immer wieder NEIN geschrien.
Ich bin meinen Betreuerinnen bis ans Ende aller Tage dankbar, das sie mich zum Psychiater und in die Klinik geschleppt haben. An dem Tag, als ich aus der Klinik entlassen wurde, begann mein Leben neu. Die drei Monate in der Klinik möchte ich auch nicht noch einmal erleben. Die Psychotherapie, zu der ich hin und zurück einen Pfleger als Begleitung hatte, hätte ich ambulant gar nicht machen können. Die Verantwortung hätte kein Therapeut übernommen. Auch auf der Station, eigentlich eine offene Station war ich die ersten acht Wochen ständig unter Aufsicht. Suizid ist in unserer Familie eine gängige Todesart. 4 Personen in 2 Generationen.Trotz Allem habe ich die Hoffnung auf eine Gesundung noch nicht aufgegeben.Ich glaube, das reicht erst mal.

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Leni2 »

Hallo Philosophin und alle anderen,

ich habe auch seit meiner Jugend Depressionen. Ich habe ein Studium abgeschlossen, aber arbeite jetzt seit 10 Jahren nicht mehr, weil ich das neben meinen drei Kindern bisher nicht geschafft habe. Es war aber immer mein festes Ziel, irgendwann wieder einzusteigen. Ich habe die ganzen Jahre hart an mir gearbeitet, im Sommer sagte meine Thera, dass ich schon sehr viel geschafft habe und ob ich sie überhaupt noch bräuchte. Im Oktober habe ich eine Stelle angefangen, einen halben Tag in der Woche und im November habe ich eine sehr schwere Episode bekommen, die immer noch anhält. Obwohl ich das vorher noch nie hatte, war ich diesmal 4 Wochen lang nah dran am nicht mehr aus dem Bett kommen, so heftig hatte ich es überhaupt noch nie.
Bei mir hat diese Zeit alles wieder durcheinander geworfen und ich beschäftige mich wieder mehr mit der Krankheit. Vielleicht habe ich sie bisher nicht ernst genug genommen? Stimmt es denn nicht, dass ich nur hart arbeiten muss und dann wird es besser? Ich kann mich jedenfalls auch nicht damit abfinden, dass ich auf dieser Stelle stehen bleiben soll und ich habe noch Wünsche und Vorstellungen für mein weiteres Leben.
Deshalb interessiert mich dieser Thread, auch wenn es bei mir nicht in erster Linie um Berufstätigkeit geht, da meine Kinder meine Vollzeitstelle sind. Aber langfristig möchte ich schon gerne nochmal wieder einsteigen.
Liebe Grüße
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo Leni2,

drei Kinder klingt auch nach einem Vollzeitjob- Hut ab, dass du das mit Depressionen schaffst! Ich stelle immer wieder fest, dass es nicht funktioniert nur "gegen die Depression anzukämpfen" und empfinde es mehr als ein schwieriges ausbalancieren zwischen kämpfen und ausruhen. Nur kämpfen führt irgendwann zum Zusammenbruch und ist nicht gerade förderlich für den Heilungsprozess. Nur ausruhen führt hingegen zum Stillstand.

Das Arbeitspensum zu steigern, ist für mich ein Kampf. Das Ausruhen versuche ich momentan durch eine Verbesserung meiner verkörperten Selbstwahrnehmung zu steigern. Die Kraftreserven sind noch zu schnell aufgebraucht.

Meine Nachtschicht habe ich ganz gut überstanden. Die Stimmung ist erstaunlich gut. Ich konnte direkt nach der Arbeit einschlafen, was mir nach den Spätschichten sonst nicht gelingt. Die Ruhe nachts war sehr angenehm und ich fühle mich diesmal nicht reizüberflutet. Meine Therapeutin hat Bedenken geäußert wegen der Nachtschicht, aber es hat mich weitaus weniger Kraft gekostet, als die Arbeit am Tag. Ein bisschen müde bin ich noch und viel machen werde ich heute nicht mehr, was so in Ordnung für mich ist.

Das schöne am Arbeiten ist, dass ich wieder Freizeit habe. Als ich krankgeschrieben war, hat mir meine Familie zum Teil ein "Luxusleben" unterstellt, aber es gab in dieser Zeit keine Zeit, die sich nach Freizeit angefühlt hat, auch wenn mir jeder Tag zur freien Verfügung gestanden hat.

Liebe Grüße
Philosophin
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Leni2 »

Hallo Philosophin,

das hast du gut beschrieben mit der Balance zwischen Kämpfen und Ausruhen. Mein Mann meinte auch, vielleicht habe ich eher ein Burnout, weil ich immer so erschöpft bin. Es fällt mir sehr schwer, aus dem Kampf in die Ruhe zu kommen, im Moment kann ich noch nicht mal fernsehen oder ein Buch lesen. Und dann habe ich immer das schlechte Gewissen, weil andere Mütter zusätzlich zu ihren Kindern ja noch arbeiten und ich bin so schon so oft am Limit. Es fällt mir trotz all der Jahre immer noch schwer, die Krankheit zu akzeptieren und nicht zu viel von mir zu verlangen.

Kannst du denn die Freizeit für dich gut nutzen? Ich habe als Mutter leider gar keine abgegrenzte Freizeit und ich habe auch gar nicht so richtig Sachen, die ich in der Freizeit machen könnte, das erarbeite ich mir erst langsam.

LG
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Secret
Beiträge: 1395
Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Secret »

Hallo Foris,

jede Depression ist anders. Ich hatte damals eine agitierte Depression. Die verläuft anders und ich war in Bewegung, daher weiss ich auch nicht wie es ist im Bett zu bleiben. Aber ich fand es von den gesunden schon unfair wie manche darüber geredet haben, als wenn man etwas dafür könne...
Und ich fühlte mich dafür unverstanden wenn man meinte ich hätte nichts weil man es mir auf dem ersten Blick bei meiner Unruhe nicht so anmerkte,.. Ich hatte aber zum Glück einen Hausartzt der mir eine berufliche Auszeit ermöglicht hat.. Hätte man mich zum Arbeiten gezungen wäre ich nicht aus dem damaligen Loch herausgekommen..
LG

Secret
DieNeue
Beiträge: 5349
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von DieNeue »

.
Zuletzt geändert von DieNeue am 11. Sep 2023, 00:02, insgesamt 1-mal geändert.
Sepp1212
Beiträge: 2
Registriert: 2. Feb 2021, 18:04

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Sepp1212 »

Hallo Leute ich bin neu hier
Erzähle hab immer wieder mit Depressionen so kämpfen im Moment geht's mir gar nicht so toll war 3 Monate in der akutklinik bin jetzt schon 3 Monate zu Hause und irgendwie geht einfach nichts vorwärts
kann mir jemand Tipps geben was ich machen kann um irgendwie vorwärts zu kommen.Nin für jeden Tipp dankbar
Gruß
Juergen
Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo dieNeue,

danke für deinen langen Text. Mir ist nicht bewusst, dass ich mich "abschätzig" geäußert habe. Für mich ist es kein Erfolg, den Haushalt zu erledigen, aber das sagt ja nicht automatisch etwas darüber aus, dass ich das bei einer anderen Person nicht anerkennen würde. Meine Ausgangslage ist eine andere. Wenn ich mir vornehme, einen Marathon zu laufen, werde ich es nicht als Erfolg anerkennen, 5 Kilometer gelaufen zu sein. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass ich eine 5 Kilometer Distanz einer anderen Person, die sich ein ganz anderes Ziel gesteckt hat, abwerte.

Wie du schon schreibst, gibt es Menschen, die ein großes Ziel brauchen und von einem kleinen demotiviert werden und Menschen, bei denen es genau anders herum ist.

Das Ziel: "Heute möchte ich die Wäsche waschen und staubsaugen", würde mich persönlich verzweifeln. Das ist so schlimm für mich, dass mir die Vorstellung schwer fällt, dass eine andere Person das für sich akzeptieren kann.

Und ich denke, dass das auch etwas mit dem Krankheitsverständnis zu tun hat. Für mich ist es wichtig, zu wissen, warum es mir plötzlich schlechter geht und die Depression zugenommen hat. Ich sage nie, "das ist größtenteils genetisch bedingt, da kann ich nichts für" oder "das ist halt chronisch, ich muss mich damit abfinden." Ich sehe dann eher, dass ich in der letzten Zeit zu vielen Belastung ausgesetzt war, zu wenig für mich gesorgt habe, dass noch traumatische Erfahrungen aus der Vergangenheit nachwirken, mich etwas getriggert hat, eine Umbruchsphase ansteht... das sind Faktoren, die belastend sind, aber die sich mit etwas Zeit wieder in den Griff bekommen lassen, wenn ich mich ausruhe, das nach vorne streben aber nicht aufgebe.

Für mich ist die Depression etwas total regressives. Ein Stück weit wird man in dieser Erkrankung wieder zum Kleinkind. Ich weiß nicht, warum so eine Erkrankung/so ein Verhalten notwendig ist, vielleicht weil es in der Kindheit zu wenig Liebe, Wärme, Vertrauen, Verlässlichkeit etc. gab. Ich versuche das mittlerweile bewusst auszugleichen. Gönne mir Pausen, achte darauf, dass mir warm ist, dass ich genug schlafe, suche manchmal nach körperlichem Halt. Aber dann muss ich eben auch wieder nach vorne gehen und die progressive Richtung anstreben, auch wenn das immer anstrengender ist und der Depression nicht gefällt.

Und das ist, was ich z.B. bei dir nicht verstehen kann, ohne dass das böse gemeint ist. Aber warum ist es dir z.B. nicht möglich, ein Ehrenamt aufzunehmen oder 10 Std. in der Woche zu arbeiten? Wie kannst du dich als junger Mensch damit abfinden, dein Leben von der Erkrankung bestimmen zu lassen und die meiste Zeit Zuhause verbringen? Geht es dir damit wirklich besser, als wenn du für ein paar Stunden am Tag einer leichten Arbeit nachgehen würdest?
Ich habe damals mit nur 2 Stunden am Tag angefangen und war extrem erschöpft. Die Arbeit hat mir aber auch viel zurückgegeben: ich habe mich nicht mehr so "funktionsgestört" gefühlt, habe anderen Menschen eine Freude machen können und habe mich als selbstwirksam erleben können. Solche Ziele aufzugeben, ist für mich ein ein vorgezogener Tod.

Liebe Grüße
Philosophin
Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo Jürgen,

herzlich Willkommen im Forum!
So ganz ins Blaue hinein zu schreiben, finde ich schwierig. Was geht denn konkret nicht voran bei dir? Was hast du dir vorgenommen, das gerade Zuhause nicht so gut funktioniert?

Liebe Grüße
Philosophin
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Philosophin,
ich möchte keinen langen Text hier hinterlassen.
ich freue mich sehr, dass dein Leben eine solche gute Wendung nimmt. Ich habe es dir total gerne gewünscht.
Ich lese gerne mit und freue mich, wie du das machst.
Es klingt für dich so stimmig.
Übrigens habe ich mir mal die beiden Bücher besorgt, die du mal genannt hast. Mit dem einen konnte ich etwas anfangen, besonders mit dem Nachwort über die Fehlerkultur.
Was aus meinem Restleben noch werden wird, kann niemand wissen.
Als ich jung war und nach Großem strebte, war das auch für mich total wichtig. Ansonsten, also hätte ich das nicht getan, wäre es mir auch total schlecht gegangen.
Gruß Gertrud
Philosophin
Beiträge: 375
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Liebe Gertrud,

ich freue mich sehr von dir hier zu lesen. Herzlichen Dank für deine Worte und dein Verständnis!
Es heißt ja so schön, dass der Weg das Ziel ist. Ich weiß auch nicht, ob mir das gelingen wird, meine hochgesteckten Ziele zu erreichen, aber sie führen auf jeden Fall dazu, dass ich weiter voran gehe und motiviert bleibe.
Die letzten zwei Tage war meine Stimmung sehr schlecht- so was macht mir direkt Angst, ich könnte wieder auf das Anfangslevel zurückfallen und nun monatelang in einer schweren Depression stecken. Das Paradoxe ist, dass der Monat Februar eigentlich viel angenehmer wird, als der Dezember und Januar. Die schwersten Wochen rund um Weihnachten und Silvester sind vorbei. Aber manchmal kommt die Depression gerade dann, wenn das Schlimmste eigentlich überstanden ist.

Morgen fahre ich endlich zu meiner Familie (habe mich extra vorher auf Covid testen lassen). Hoffentlich wird das etwas helfen...

Liebe Grüße
Philosophin
Antworten