Spirale aus Hoffnung, Angst, Verzweiflung

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sunnyflower1
Beiträge: 6
Registriert: 7. Jun 2020, 18:59

Spirale aus Hoffnung, Angst, Verzweiflung

Beitrag von sunnyflower1 »

Liebe Gemeinschaft,

ich habe bereits einmal einen Post veröffentlicht, wie meine geliebte Angehörige Person nach dem ersten Suizid noch im Krankenhaus war. Seit dem hat sich einiges getan/nicht getan.

Kurz zur Situation:

Vor dem Suizidversuch wurde eine schwere Depression diagnostiziert (inkl. Klinikaufenthalt). Danach kam die Entlassung aus dem Krankenhaus, ein paar Monate später dann trotz täglichen Gesprächen und Treffen der Suizid. Danach wieder Klinikaufenthalt und Reha plus Wiedereingliederung in die Arbeit. DIE PERSON ÜBRE DIE ICH SCHREIBE WILL GESUND WERDEN UND KÄMPFT! Es dauert jetzt aber schon über 1 Jahr und nur minimal Besserung in Sicht trotz Medikamente/Psychotherapie

Aber....Nun das große Aber: Sie lebt in einem giftigen Umfeld zu Hause (Partner) und will nicht ausziehen/den Partner verlassen wg. dem gemeinsamen Kind. Sie sagt immer, der Grund für die Depression ist 1. der Partner mit vielen Anfeindungen/psychischen Attacken aber auch 2. sie selbst, da kein Selbstwert! Sie meint am liebsten würde sie die Zeit zurückdrehen und schon früher erkannt haben dass kein Selbstwert vorhanden ist, dann wäre sie nicht mit dem Partner zusammen und hätte auch kein Kind usw. (obwohl sie das Kind über alles liebt) ....Momentan ist es angeblich Zuhause ruhig/Keine Streitereien, dennoch merkt man einfach dass es ihr nicht gut geht. Immer wenn sie mit uns als Familie etwas macht scheint es als würde sie aufblühen, kaum ist sie wieder retour in IHREM ALLTAG dann ist es wieder dunkler.

Nun aber zu meiner Frage/Dilemma:

Sie möchte eigenständig werden, sagt sie war ihr Leben lang in einer Traumblase und erst jetzt mit der Depression ist sie aufgewacht und erkennt, dass sie soviel versäumt hat, nichts richtig gelernt hat (Bildung, Talente, Hobbys) und eigentlich nicht wirklich was kann. Sie kann dem Kind keine Werte mitgeben und nichts lernen, das ist einer der größten Punkte des Grübelns. Der Partner kann laut ihrem Bild alles und ist ihr weitüberlegen. Damit sie selbstständiger wird, versucht sie so wenig Kontakt wie möglich mit uns (Familie) zu haben. Wir hatten davor normalen Kontakt, erst seit der beginnenden Depression täglich. Wir respektieren das, melden uns nicht und warten bis sie sich meldet. Ich muss nicht erwähnen, dass ihr Bild nicht wirklich unserer wahrgenommen Realität entspricht. Denke also die Depression ist noch dominant. Wir haben auch täglich mit ihr geredet und versucht sie positiv zustimmen (mit zu vielen Ratschlägen im nachhinein). Mit dem Partner ist aufgrund von Konflikten Funkstille/Kein Kontakt.

Ich finde es gut dass sie probiert eigenständig zu sein und ihren Weg zu gehen, aber mir tut es auch so weh mit anzusehen wie sie dabei leidet und unglücklich ist. Sie sagt sie will es unbedingt, aber im nächsten Atemzug sagt sie vermisst das tägliche Spazieren gehen und reden. Natürlich kann man das nicht immer in diesen Ausmaß machen, das war ja auch für uns belastend. Wenn sie anruft, dann immer nur wenn es ihr ganz schlecht geht und sie doch das sichere Familiennetz sucht. Ich hebe dann schon mit Bauchweh ab und leide danach Tagelang und denke immer an sie, was sie macht, wie es ihr geht (was früher nicht so war, sie ist immerhin älter wie ich) aber diese verdammte Depression nebelt sie so ein. Sie sieht manchmal ganz klar (kurze Momente) und dann alles wieder durch die Depressionsbrille...

Uns als Familie - sprich die Angehörigen, geht es momentan allen schlecht, ausgebrannt, traurig. Meine Psychologin sagt, ich/wir müssen Vertrauen haben damit sie gestärkt wird. Natürlich ist es Schwer mit einem vergangenen Suizidversuch und der Angst dass wir es übersehen und sie es wieder probiert. Ich bin im Dilemma der Gefühle, irgendwie habe ich das Gefühl sie ist auf einen guten Weg und probiert/kämpft...andererseits sehe ich die Depression ist noch sehr dominant und ihr Umfeld zuhaue (Pflichten usw) machen sie fertig. Das sagt sie auch, der ALLTAG überfordert sie und macht sie fertig, vor allem mit Kind. Eine Trennung würde nie infrage kommen wg. dem Kind.

Geht es anderen Angehörigen auch so? Es ist so Energieraubend und anstrengend. Wenn man gemeinsam zusammen ist, ist es auch so schwer aus diesen typischen Gesprächen auszubrechen. Ich vermisse die unbeschwerte Zeit und den Spaß so sehr. Das ist ganz weit weg. Ich weiß nicht wie ich noch helfen kann. Mein reden hat sich verändert durch meine eigene Psychotherapie (wg dem Suizid) und ich frage immer: Was glaubst du, was willst du, wie geht es dir dabei? usw.


Wie geht ihr anderen Angehörigen damit um? Habt ihr Tipps? Ratschläge? Erfahrungen? Ich möchte dass wir es schaffen und meine geliebte angehörige Person wieder so lebensfroh und lustig wie früher wird. Ich vermisse sie so sehr!
ßßßß

Re: Spirale aus Hoffnung, Angst, Verzweiflung

Beitrag von ßßßß »

das stichwort was hier fehlt ist narzismus.
genauer komplementär bzw weiblicher narzismus.
einige leute kommen damit ihr lebenlang gut klar. bei dem was du beschreibst offenbar nicht, damit ist es eine narzistische persönlichkeitsstörung. und die depressive symptomatik 'nur' folge.
ich hoffe mal das sowohl die weißkittel als auch psychotherapeut/in das erkannt haben und behandeln. ohne hat sie faktisch keine chance.
dieses eigenständiger werden und damit selbstwert aufbauen/gewinnen, deutet da schon in die richtige richtung. nur solange sie mit einem vergötterten partner(ist der eigentlich ein grandioser narzist?) eng zu tun hat, sehe ich das als sehr schwierig bis unmöglich an. die alten muster werden einfach zu leicht bedient.
was die ursprungsfamilie angeht sehe ich hier ein überbehütendes, gluckenhaftes, einengendes verhältnis. kann eine fehlinterpretation sein, ist hier ja nur einseitig und ausschnittsweise dargestellt. würde aber auch zur ausprägung eines minderwertigkeitsgefühls passen. als alleinige oder plus externe traumatisierung. wenn dem so ist, wäre abstand gewinnen richtig und wichtig. falls nicht könnte das probleme geben.

was du als folge für angehörige schreibst ist genau so fast immer. nur selten für sehr starke, gefestigte, bestens integrierte persönlichkeiten ist es etwas leichter.


"so lebensfroh und lustig wie früher wird"
+bist du dir sicher das sie es war? oder musste sie es sein, weil sie ihren selbstwert darauszog so zu sein wie es erwartet wurde?
Jaqui
Beiträge: 8
Registriert: 14. Nov 2020, 06:07

Re: Spirale aus Hoffnung, Angst, Verzweiflung

Beitrag von Jaqui »

Hallo Synnoyflower1,

der letzte Beitrag war ja reichlich aburteilend! Ich lese aus deinem Beitrag, dass ihr euch als Familie sorgen macht. Das ist nicht gluckenhaft, das ist menschlich!
Das Problem ist, dass man sich als Angehöriger immer nur ein Stück weit in die Situation reinversetzen kann und die inneren Vorgänge nicht beurteilen kann. In deinem Fall, da ihr nur sporadisch Kontakt habt auf Wunsch von KATI (ich nenne sie jetzt mal so!), ist es noch schwieriger zu beurteilen, wie sie sich in den Zeiten fühlt und verhält, wenn ihr nicht telefoniert.
Meine Gedanken dazu...
1. Du schreibst, dass du die Zeiten der Freude und des Unbeschwertseins mit Kati vermisst. Daraus schließe ich, dass es früher ander war. Die Frage ist, wann es angefangen hat, dass sie sich verändert hat. Erst in der Beziehung? In der Schwangerschaft? Durch eine andere Situation? Allmählich?
2. Ich kann den Gedankengang meines Vorredners nachvollziehen, wenn er über weiblichen Narzissmus schreibt. Ich würde aber nicht soweit gehen eine Fern-Fern-Diagnose in den Raum zu werfen. Mir stellte sich ledeglich die Frage, wie es Kati in anderen Situationen geht. Nehmen wir an, sie hat einen relativ normalen und als Mutter sicher stressigen Alltag und hat Tage, da kommt sie gut damit zurecht und Tage da fällt es ihr schwerer. Dann gibt es Zeiten, da wächst ihr alles über den Kopf, sie hat eine "graue Brille" auf und ruft dich dann an. Mit der verdunkelden "Wahrnehmbungs-Briille" auf der Nase sieht dann alles total übel aus. Ihr verscht Kati aufzubauen. Sie hört, ihr macht euch Sorgen, das fühlt sich gut an. Sie hört, ihr schätzt sie wert.
Ich sage nicht, dass dies bei Kati so ist. Es gibt jedoch solche Fälle. Horch mal in dich hinein, ob du solche Strukturen erkennen kannst.
3. Ich bin ein absoluten Beführworter von festen Bindungen und denke, man sollte nicht leichtsinnig die Flinte ins Korn werfen. Doch ich bin auch ein Verfechter von gesunden Beziehungen und mir ist das Kindeswohl sehr wichtig. Was oft hinten über fällt ist, dass ein Kind zwar ein Anrecht auf Vater und Mutter hat, dass es aber auch ein Anrecht auf gesunde Eltern, auf gesunde Strukturen hat und erleben sollte, wie eine liebevolle Beziehung unter Erwachsenen aussieht. Was bringt es dem Kind Gutes in einer solchen Umgebung groß zu werden? Wenn du ähnlich empfindest, solltest du dies Kati klar machen. In einer Beziehung zu bleiben, die so ist, wie du sie beschreibst, tut sie dann nur für sich und ihrer Angst vor dem Alleinsein und vor der Veränderung, aber niemals für ihr Kind.
4. Ich bin selbst Mutter und habe eine depressiven Mann. Wie gehe ich damit um?
- Als erstes musste ich lernen, dass ich wütend sein muss! Ich darf nicht alles in mich hineinfressen. Diese Erkrankung macht viel kaputt und wütet wie ein Ungeheuer in unser Leben. Ich muss wütend sein. Nicht auf meinen Mann! Auf die Situation und auf die Krankheit. Im besten Fall teile ich das mit ihm. Lass uns gemeinsam wütend sein!
- Ich muss mich abgrenzen. In guten Phasen habe ich mit ihm Verhaltensregeln aufgestellt die greifen, wenn es ihm schlecht geht und ich vor Überforderung und seiner Erkrankung geschützt werden muss. Jetzt muss man natürlich berücksichtigen, dass bei uns Kinder im Spiel sind. Ich muss gesund bleiben, um mich kümmern zu können. Das hat auch für meinen Mann Priorität. Er würde es mir nach einer schweren depressiven Phase übel nehmen, wenn ich mich nicht genug um mich gesorgt habe. Das ist meine oberste Pflicht. Nicht das sorgen um ihn und seine Dinge. Natürlich gehe ich nicht unbeschadet aus solchen Phasen heraus, aber ich muss mir täglich vor Augen halten, dass meine Priorität auf der Familie liegen muss. Weil ich meinen Mann liebe! Weil er uns liebt! Das ist schwer. Sehr schwer. Und absolut notwendig!
- Depressionen haben die Eigenschaft um sich zu greifen. Wie eine Nebel, der nach und nach alles einhüllt. Zum schutz des anderen, versucht man die Welt aus seinen Augen zu sehen. Nein! Ich darf Freude empfinden, ich darf glückliche momente haben und ich darf der Depression einhalt gebieten. Stopp, mich ziehst du nicht in deine dunkle Welt! (Beispiel: Ich habe leckeren Schokokuchen besorgt. Ich bat meinen Mann an den Tisch. "Ich möchte jetzt diesen Kuchen essen. Du isst mit. Dazu möchte ich einen Lächeln sehen, ob es schmeckt oder nicht!" Die 10 Minuten galten einfach nur dem leckeren Kuchen und alles andere hatte Pause. :D )
- Räumliche Grenzen setzten. Wenn es uns als Familie zu viel wurde, bat ich meinen Mann ein paar Tage zu Verwandten zu gehen. Wenn du also Zeiten hast, wo deine Familie zu erst kommen muss, dann ist dies so! Dafür solltest du dich nicht schlecht fühlen...

Soweit von mir.
Ich hoffe, du gibst die Hoffnung nicht auf.

LG,
Jaqui
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