Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem...

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Salvatore
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Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem...

Beitrag von Salvatore »

Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden - Eine Therapeutin, ihr eigener Therapeut und unsere innersten Geheimnisse
Verlag Carl Hanser (hanserblau)

Auch wenn mich viele Bücher begeistern, passiert es doch selten, dass es ein:e Autor:in schafft, mich vom ersten Moment an derartig zu fesseln, dass ich das Buch in einem Atemzug wegsuchte und mich dann ärgere, mir nicht mehr Zeit genommen zu haben. Dies ist so eines.

Lori Gottlieb ist Psychotherapeutin und schildert in Episoden die Arbeit mit vier ihrer Patient:innen. Wir lernen sie (alle fünf) nach und nach immer besser kennen, weil wir an den Therapiesitzungen als stummer Zuschauer teilnehmen dürfen. Es ist sehr privat. Sehr intim. Peinlich, lustig, traurig.
Ich habe mich gefühlt wie eine Schülerin, die hier lernt, was Therapie ist und wie Therapie geht. Ich kenne sonst nur die Seite als Patientin. Lori Gottlieb nimmt ihre Leser:innen aber mit auf Innenschau und verrät, was in den Sitzungen aus ihrer Sicht passiert, was sie denkt und fühlt und wie sie handelt.

Gleichzeitig durchlebt sie aber auch eine eigene Krise nach einer schwierigen Trennung, so dass sie selbst eine Therapie beginnt. Erstmal merkwürdig, denn sie ist doch vom Fach und kann sie sich denn mit all ihrem Wissen nicht ganz einfach selber helfen? Oder wie ist es möglich, dass sie Patienten therapiert, aber an sich selbst scheitert?
Doch so ist das mit der Psyche nun mal. Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht, erkennen nicht das Naheliegenste und verstricken uns in unserer Version der Weltformel. Ein:e Therapeut:in hat den nötigen Abstand, einen anderen Blickwinkel – er kann uns helfen, die Dinge neu zu sortieren und die blinden Flecken sichtbar zu machen.

Ich liebe dieses Buch, weil die Autorin unglaublich nahbar ist und sehr viel von sich preisgibt. Einige Fragen stellen sich Patient:innen immer wieder und viele haben ähnliche Zweifel und Bedenken: warum muss ich mit einem:r Therapeut:in reden, reicht nicht auch das Gespräch mit einem:r guten Freund:in? Wie soll ich eine Beziehung zu jemandem aufbauen, der mir nur zuhört, weil es sein:ihr Beruf ist und er:sie dafür Geld bekommt? Wie empfindet ein:e Therapeut:in mir gegenüber? Werde ich gemocht? Bin ich ihm:ihr egal? Und was soll das eigentlich bringen, wenn man nur redet – das löst meine Probleme doch auch nicht? Warum sagt mein:e Therapeut:in mir nicht einfach, was ich tun soll?
Das wird hier alles angesprochen und immer stellt Lori Gottlieb den Bezug her zu sich selbst, ihren Patient:innen und den Leser:innen.

Bei aller Lobhudelei muss ich allerdings noch auf ein paar Punkte hinweisen:
1. Es ist ein sehr amerikanisches Buch. Das ist nicht unbedingt negativ gemeint, aber man sollte es wissen, denn nicht jedem:r liegt das. Norddeutsche Zurückhaltung findet man hier nicht, alle Bilder haben ein ganz kleines bisschen zu viel Sättigung, sind ein ganz kleines bisschen zu schillernd, ein ganz kleines bisschen drüber und hier und da hart an der Grenze zum Kitsch. Es ist Geschmackssache – mir gefällt es, es muss aber nicht jedem so gehen.

2. Nicht nur der Stil ist amerikanisch, auch die geschilderte Form der Psychotherapie ist es. Das amerikanische System ist anders als unseres und deshalb kann man es auch nur begrenzt vergleichen. So sind Therapeuten in Deutschland durch das System der Richtlinienverfahren und Kassenzulassung weniger frei in ihrer Arbeitsweise (dafür müssen Patienten in den USA die Kosten fast immer selbst aufbringen). Lori Gottlieb arbeitet vorwiegend tiefenpsychologisch fundiert, nutzt aber auch Techniken aus der Kognitiven Verhaltenstherapie.

3. Das Buch ist mit ca. 500 Seiten sehr dick. Für mich ein absoluter Pluspunkt, meinetwegen hätte es auch doppelt so lang sein können und wäre immer noch zu kurz gewesen. Ich weiß aber auch, dass anderen das Lesen schwerer fällt und dann ist es ein ziemliches Brett zu bohren.

Fazit: Dieses Buch schafft es wahrscheinlich nicht in meine Top Five Favorites of all Times. Aber in der Liste der Top Five 2020 steht es derzeit bei mir auf Platz 1. Obwohl ich selber bereits Psychotherapien gemacht und viele, viele Bücher zu dem Thema gelesen habe, habe ich hier noch mal reichlich neue Erkenntnisse gewonnen und es hat mich emotional richtig gepackt.

So sehr, dass ich sofort mehr wollte. Für alle, die des Englischen mächtig sind, empfehle ich unbedingt ganz doll ihren TED Talk “How changing your story can change your life” (https://www.youtube.com/watch?v=O_MQr4lHm0c) und ihren Podcast “Dear Therapists”, den sie gemeinsam mit Guy Winch macht, in den ich mich auch sofort schockverliebt habe (TED Talk “How to practice emotional first aid” https://www.youtube.com/watch?v=F2hc2FLOdhI (er braucht ein paar Minuten, um warmzuwerden)).
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Clown
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Clown »

Danke Salvatore für die tolle Buchbesprechung, ich habe es mir bestellt, seit langer Zeit mal wieder ein Buch zum Thema Therapie. Ich bin gespannt und freue mich drauf.

Liebe Grüße vom Deich,

Clown
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Salvatore
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Salvatore »

Ich würde mich sehr über eure Meinungen zu dem Buch freuen. Als Tipp noch: ich hab's aus der Stadtbücherei ausgeliehen. Mindert halt das finanzielle Risiko und wenn man es blöd findet oder zu lang oder das depressive Hirn das Lesen nicht mitmacht, ist nichts verloren. Und mit diesem Hinweis kann ich nur sagen: lest es! ALLE! Weil es soooo gut ist. Versprochen. ;)

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Liebe Clown, ich grüße zurück!
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Tagträume
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Tagträume »

Huhu Salvatore,

Ich danke Dir auch für den Buchtipp, ist übrigens auch als Hörbuch erhältlich, irgendwo bei einem Onlinehändler konnte ich eine Kostprobe aus dem Buch hören. Das hat mich endgültig überzeugt und ich hab’s bestellt. Rückmeldung mache ich gerne, wenn’s soweit ist.

Liebe Grüße


Tagträume
Clown
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Clown »

Liebe Salvatore,

innerhalb einer Woche habe ich das Buch jetzt ausgelesen, ich finde es so toll, wie du beschrieben hast.
Spannend wie ein Krimi, mit sehr viel positiven Botschaften, aber absolut authentisch und lebensnah. Ein amerikanischer Schreibstil fiel mir gar nicht auf, und eigentlich kann ich den auch nicht ab.

Jeder Person, die sich mit sich selbst abquält und denkt Therapie würde nichts bringen, würde ich dieses Buch ans Herz legen.

Liebe Grüße in die Runde,
Clown
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Salvatore
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Salvatore »

Hallo Clown,

ich freue mich sehr, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat. Ich finde auch, dass die Nahbarkeit der Autorin sehr besonders ist. Ihre Empathie im Umgang mit ihren Patienten und ihre Fähigkeit, dies in Worte zu fassen und dem:der Leser:in das Wesen von Psychotherapie inklusive der Grenzen zugänglich zu machen ist die große Stärke. Vor allem finde ich, dass sie dem:der Leser:in diverse Befürchtungen nimmt, die glaube ich automatisch fast jeder hat: werde ich gemocht, bin ich doof, was denkt die Person von mir, habe ich mich blöd verhalten, mache ich es richtig. Und ich denke, die meisten von uns haben sich schon mal Gedanken gemacht, wie unser:e Psychotherapeut:in wohl privat ist, wie er:sie die eigenen Probleme angeht, ist er:sie nicht selber ein bisschen bekloppt? etc. Weil sie sich in ihrem Buch so sehr selbst offenbart hat, habe ich darüber ein sehr fühlbares Bild bekommen, auch wenn es hier natürlich nur exemplarisch sein kann.

Wie sich Lori Gottlieb selbst beschrieben hat, fand ich teilweise aber wirklich sehr amerikanisch: "Ja, dann war ich Journalistin, aber das war irgendwie nicht das Richtige und dann bin ich nach Hollywood gegangen und das war ein harter Weg, aber dann war ich supererfolgreich mit den beiden erfolgreichsten TV-Shows von NBC. Aber das war irgendwie nicht das Richtige und dann habe ich kurzerhand Medizin studiert und das war ein harter Weg, aber dann war ich war supererfolgreich, leider war es dann nicht mehr das Richtige wegen des neuen Gesundheitssystems und dann wollte ich lieber erstmal ein Kind bekommen und bin zur Samenbank gegangen und das war ein harter Weg, aber dann ist das perfekte Kind rausgekommen. Aber dann wollte ich auch wieder was arbeiten und war wieder als Journalistin supererfolgreich mit der erfolgreichsten Kolumne der NY-Times und hatte einen Superdeal für ein Buch, aber das war nicht das Richtige und dann bin ich kurzerhand Psychotherapeutin geworden und jetzt bin ich halt supererfolgreich mit nem Bestseller."

Und dann gucke ich auf das Foto im Buchumschlag und sehe eine 25-Jährige :shock:  Da war ich zwischendurch mal kurz fix und fertig von diesem Werdegang. :lol:
(Zur Relativierung: ich kenne sie ja nun aus Videos und entweder ist dieses Foto schon etwas älter oder es war ein sehr guter Make-Up-Artist am Werk oder Photoshop, aber jedenfalls sieht sie doch ein bisschen anders aus und ist definitv nicht mehr 25.)
Auch John schrappt gerade noch so am Klischee des Medienkarrieristen vorbei, finde ich; wobei ich alles wie eingangs beschrieben noch auf der richtigen Seite des Verkraftbaren bewegt. Unter dem Strich habe ich dann auch am Beispiel von John sicherlich eine gute Portion Verständnis mitbekommen für Menschen, die man auf den ersten Blick unerträglich findet. Man kann den Leuten eben nur bis vor den Kopf gucken.

LG, Salvatore
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Clown
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Clown »

"Ja, dann war ich Journalistin, aber das war irgendwie nicht das Richtige und dann bin ich nach Hollywood gegangen und das war ein harter Weg, aber dann war ich supererfolgreich mit den beiden erfolgreichsten TV-Shows von NBC. Aber das war irgendwie nicht das Richtige und dann habe ich kurzerhand Medizin studiert und das war ein harter Weg, aber dann war ich war supererfolgreich, leider war es dann nicht mehr das Richtige wegen des neuen Gesundheitssystems und dann wollte ich lieber erstmal ein Kind bekommen und bin zur Samenbank gegangen und das war ein harter Weg, aber dann ist das perfekte Kind rausgekommen. Aber dann wollte ich auch wieder was arbeiten und war wieder als Journalistin supererfolgreich mit der erfolgreichsten Kolumne der NY-Times und hatte einen Superdeal für ein Buch, aber das war nicht das Richtige und dann bin ich kurzerhand Psychotherapeutin geworden und jetzt bin ich halt supererfolgreich mit nem Bestseller."
:lol: :lol: :lol:
Ja, du hast Recht, das habe ich irgendwie ausgeblendet.
Allerdings habe ich bei ihrem Werdegang auch immer die innere Not wahrgenommen, etwas für sie Sinnvolles, Erfüllendes zu finden.
Auch dieses 'ich will ein Kind' -- ist das typisch amerikanisch? Weiß nicht, aber es kommt mir extrem vor. Egal, ich fand das Buch sehr unterhaltsam und gleichzeitig hat es mich selbst auch (wieder mal) auf mein eigenes Mensch-Sein zurückgeworfen.

Lieben Gruß, Clown (jetzt mir Labradorrüden, gerade voll in der Pubertät, testet Grenzen wo er nur kann :) )
anna54
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von anna54 »

Hallo Clown
mein "kleiner" Rüde Pepe ist als Münsterländer immer noch in der Pubertät.
Viel Geduld und ganz liebe Grüße
anna54
Clown
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Clown »

Hallo Anna,

wie alt ist er denn, dein Pepe? Meiner ist 9 Monate alt. Der Trainer sagt, die größeren Hunde sind erst mit 3 Jahren ganz erwachsen, bezogen auf die Entwicklung im Gehirn.
Béla erzieht mich dazu, ruhig zu bleiben, auch wenn er wegen irgendetwas aufgeregt ist. Bei mir zu bleiben und nicht immer zu schauen, was ist jetzt los, was macht er jetzt .... Und mich NICHT von seinem Liebgucken von meiner Konsequenz abbringen zu lassen. :)

Dir weiterhin viel Freude mit Pepe, lieben Gruß,
Clown
anna54
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von anna54 »

Hallo Clown
mein Pepe ist jetzt fast 20Monate,also mittendrin.
Als Münsterländer findet er die Welt wunderbar!
Ich kann ihn nie ableinen,weil wir mitten im Wald wohnen.
Im Haus ist er ruhiger,da hab ich ihn gut erzogen,nachdem er von jedem Paar Schuhe genau einen zerstört hatte.
Jetzt kann er Türen öffen,auch schwere.Schubladen versteht er noch nicht,Gott sei Dank!
Er liebt Menschen über alles,aber er wacht auch gut,unser Haus ist riesig,da bin ich froh,wenn er Besucher anmeldet.
In der großen Reithalle darf er toben und rennen,am Fahrrad trau ich mich noch nicht,bin leider nicht mehr so fit.
Wir wohnen mit zwei Generationen,sonst wäre ein Welpe nicht möglich gewesen.

Viel Freude mit deiner Bela,Hunde sind so wunderbar,sie schauen immer in unsere Seele!
Freu mich immer,wenn du schreibst!
anna54
Salvatore
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Salvatore »

Clown hat geschrieben:Allerdings habe ich bei ihrem Werdegang auch immer die innere Not wahrgenommen, etwas für sie Sinnvolles, Erfüllendes zu finden.
Auch dieses 'ich will ein Kind' -- ist das typisch amerikanisch?
Ich finde beides amerikanisch, aber nicht im Sinne von "extrem", sondern eher im Sinne von "es ist möglich und warum sollte es auch nicht möglich sein?". Ich glaube, wir sind in Deutschland manchmal viel zu verkopft.* Du kannst hier viele Berufe nicht machen, wenn du nicht die richtige Ausbildung abgeschlossen hast und das auch nachweisen kannst; meine damalige französische Französischlehrerin musste in Deutschland nochmals ihren Abschluss machen, den sie bereits in Frankreich mit Bestnote gemacht hatte, um hier ihre Muttersprache unterrichten zu dürfen. Das ist doch absurd. Anstatt froh zu sein, dass man so jemanden als Lehrerin bekommen kann.

In den USA gibt es viel, viel mehr Quereinsteiger - du musst was drauf haben, dann bist du qualifiziert und den Rest lernst du dann schon beim Machen. Das hat definitv seine Nachteile. Aber du kannst dich auch ausprobieren und das spiegelt sich manchmal im Lebenslauf wider. In Deutschland hat es sich glaube ich inzwischen ein bisschen aufgeweicht, aber der Druck auf die jungen Leute ist auch heute noch groß: die sollen ein Jahr vor ihrem Schulabschluss schon wissen, was sie für den Rest ihres Lebens arbeiten möchten. Wenn es dann nicht funktioniert, heißt es eher "Oh nein, du bist gescheitert!" und ich glaube, in den USA heißt es dann eher "cool, dass du es versucht hast". Hier: "Du bist flatterhaft und kannst dich nicht entscheiden". In den USA: "Du hast viele unterschiedliche Erfahrungen gesammelt".

Lori Gottlieb hat ja immer sehr überlegt gehandelt und sich ihre Entscheidungen nie leicht gemacht. Auch dass sie zu einer Samenbank gegangen ist, hat sich über viele Monate hingezogen. Ich glaube, sie hat ein recht gutes Gespür für sich selbst. Sie wusste, sie möchte ein Kind und irgendwann wusste sie auch, die Zeit läuft ab und es ist kein Partner (mehr) in Sicht. Da war sie dann sehr offen für alternative Möglichkeiten und das ist eigentlich sehr okay. Auch hier war das keine Schnapsidee und sie wollte das Kind auch nicht um jeden Preis oder von irgendwem. Sie hat darüber nachgedacht, wie es später mal für das Kind sein würde. Es gibt immer mehr Alleinerziehende - viele Frauen werden schwanger, obwohl sie schon wissen, dass die Beziehung eh nicht halten wird. Da kann man auch gleich so ehrlich sein und sagen, eigentlich geht es mir im Moment vor allem um das Kind. Ich glaube auch, dass sie eine tolle Mutter ist; in einigen Insta-Videos sieht man sie mit ihrem Sohn, es wirkt entspannt und natürlich. Ich bin eigentlich froh, wenn solche Menschen Kinder in die Welt setzen.
Clown hat geschrieben:ich fand das Buch sehr unterhaltsam und gleichzeitig hat es mich selbst auch (wieder mal) auf mein eigenes Mensch-Sein zurückgeworfen.
Genau so ging es mir auch. Es ist so ein Buch, das mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung einen großen Sprung voranbringt und das gleichzeitig so leicht lesbar ist, dass man es gut in einer Nacht wegsuchten kann (und man sich dann ärgert, dass man es nicht mehr genossen hat). Hier zeigt sich auch, dass sie es geübt ist zu schreiben. Ich las letztens das Buch "Angstphase" von Antonia Wille - gutes Buch, aber eben ein Erstling und das merkt man dem Text leider sehr an.
Clown hat geschrieben:Und mich NICHT von seinem Liebgucken von meiner Konsequenz abbringen zu lassen
Ja, das können besonders Labradore gut, gell? Die Augenbrauen zusammenziehen und mit den Augen *plinker plinker* :lol:

LG, Salvatore

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*Den Gipfel dieses Verkopft-Seins erlebte ich in der Psychiatrie, als ich mir zum Abendessen ein Nutellabrot schmierte und dieses mit Bananenscheiben belegte. Entsetzte Blicke: "Das kannst du doch nicht machen?!"
Meine Antwort: "Wieso nicht, wer will mich denn davon abhalten?"
Es ist kein "vernünftiges" Essen. So what? Das ist doch das einzig Gute am Erwachsensein, dass Mama und Papa einem nicht mehr die Süßigkeiten rationieren?
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malu60
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von malu60 »

Hallo Zusammen
lese gerade das Buch und danke Dir,Salvatore, sehr für den Tipp
Ja,ich kann auch schlecht aufhören,aber es gibt da immer Einiges,dass ich mir
in mein kleines Buch schreibe.Es macht was mit mir,ich bewundere die Offenheit sehr.

Schade,ich hab soviel Therapie gemacht,
ob es nicht eine große Hilfe wäre,so ein Buch zur Seite zu haben,in dieser Zeit.....

Sehe jetzt die Therapeuten- Seite mit anderen Augen.

Ich konnte in meinen Therapien viel zuviel plappern.Es waren nicht die Besten und ich dachte immer,ich mache was falsch,ich würde ja die Therapie alleine gestalten müssen.....Analyse über viele Stunden als Start.Hatte halt keine Ahnung,war sehr Hilfe -bedürftig.-.....meine letzte Therapie VT,vor 4Jahren,war die Beste,erkenne da Manches wieder.

So,jetzt les ich gespannt weiter,hab,s meiner Freundin schon versprochen.L.G.Malu
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Salvatore
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Salvatore »

Hallo Malu,

das freut mich sehr, dass es dir gefällt. Ich sehe jetzt auch einiges mit anderen Augen, z.B. warum es besser ist, nicht zu viel Privates von dem:der Therapeut:in zu erfahren bzw. warum das ein sehr schmaler Grat ist. Sie schildert das sehr eindrücklich, wie gehemmt sie selbst war, in der Therapie von ihrer guten Beziehung zu ihrem Vater zu erzählen, weil sie wusste, dass der Vater ihres Therapeuten gestorben war.

Lg, Salvatore
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Sul
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Sul »

Hallo,
ich schubse die Empfehlung nach oben.
Ich lese momentan das Buch und bin sehr angetan. Das Buch ist einerseits sehr leicht und gefällig geschrieben, aber es stecken auch viel Tiefe und Aha-Momente in ihm.
Immer noch eine Empfehlung.
Danke liebe Salvatore für den Tipp!
Viele Grüße, Sul
Catalie
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Re: Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem..

Beitrag von Catalie »

Hallo Salvatore,

falls du hier noch mitliest... Ich habe das Buch auch gelesen und jetzt gesehen, dass du es hier empfohlen hast. Ich kann alles was du dazu geschrieben hast unterschreiben! Da ich immer und immer auf der Suche nach neuem Lesestoff bin, interessieren mich jetzt auch die anderen Bücher, die es auf deine Best Five Liste geschafft haben. Sowohl die von 2020 als auch deine Best of ever Liste :)

Wenn du kurz Zeit hast würde ich mich darüber freuen...

LGC
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