Hoffnungslos

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AnnaBlume
Beiträge: 3
Registriert: 29. Sep 2020, 10:00

Hoffnungslos

Beitrag von AnnaBlume »

Guten Morgen zusammen, Ich weiß gar nicht, wie ich beginnen soll. Ich habe noch nie in solch einem Forum geschrieben. Aber inzwischen bin ich so verzweifelt, dass ich jede Hilfe in Anspruch nehmen möchte, die möglich ist. Ich bin 34 Jahre alt und leide seit mehreren Jahren und immer wieder auftretenden schweren depressiven Episoden. Die erste bekam ich nach meinem Studium in meinem ersten Job. Ich war so tief traurig und antriebslos und hätte mein Arzt damals nicht die Reißleine gezogen und mir aufgezeigt, dass ich depressiv bin, wäre ich wahrscheinlich heute nicht mehr da. Ich habe ein Jahr lang im Krankenschein zu Hause verbracht. Gleichzeitig habe ich eine Therapie gemacht. Medikamente habe ich nicht genommen, da ich immer Angst hatte, dass ich dadurch abhängig werde und diese Tabletten mein Leben lang nehmen muss. Mithilfe der Therapie Habe ich es geschafft, meine Lebensumstände so positiv zu verbessern und gleichzeitig meine Einstellung zu verändern, dass ich Mich am Ende wieder gut gefühlt habe. Damals ging es besonders darum, dass ich meine Bedürfnisse immer denen andere untergeordnet habe, dass ich ein Leben geführt habe, dass nicht mehr an Bedürfnissen entspricht, so war mein Job für mich schrecklich, ich habe in der Stadt gelebt, in der ich studiert habe und dort fehlt mir soziale Kontakte und letztendlich hatte ich auch viele Probleme mit meinem Partner. All dies habe ich geändert. Ich bin zurück in meiner Heimat Stadt gezogen, zu meiner Familie, habe einen Job als Lehrerin, der mir in den letzten zwei Jahren sehr viel Spaß gemacht hat und mir viel bedeutet hat. Aber auch diese Zeit war kräftezehrend, da ich einen Seiten Einstieg gemacht habe und somit keine ausgebildete Lehrerin bin. Mein Mann und ich haben uns ein Haus gekauft, leider eine Stadt neben meinem Heimatort und auch dies hat mich in den letzten zwei Jahren stark beschäftigt. Ich weiß, dass das nicht für jeden nachvollziehbar ist und ich schäme mich auch dafür aber ich wollte in dieses Haus nicht mehr einziehen, da ich nicht von meiner Familie weg wollte von meinem zu Hause! Anfang des Jahres habe ich mich dann entschlossen keine Angst mehr haben zu wollen, ich habe Mich nach über zwei Jahren dann doch entschlossen in dieses Haus zu ziehen und im Mai diesen Jahres war es dann endlich soweit. Auch diese Zeit war wiederum sehr anstrengend, der Umzug, Corona und dann die Schule. Denn auch wenn man glauben könnte, dass Lehrer in dieser Zeit Eine schöne Zeit hatten, so war es für mich anders. Ich habe meine Klasse sehr vermisst und gleichzeitig kam ich auch nicht damit zurecht, dass ich nur noch online und über digitale Medien mit meinen Schülern Kontakt hatte. Ich fühlte mich zu dem Zeitpunkt schon sehr ausgepowert und war einfach nur gestresst. Die ganze Zeit fieberte ich den Sommerferien entgegen, diese sechs Wochen im Jahr in den ich als Lehrer nichts anderes machen durfte als mich zu entspannen und von dem anstrengenden Jahr zu erholen. Eine Woche vor den Sommerferien ging mein Vater ins Krankenhaus. Er klagte über Leib Schmerzen schon seit einiger Zeit. Einen Tag Vor den Sommerferien kam dann die Diagnose: Krebs. Darmkrebs. Aber keiner, den man heilen kann! Der Krebs wuchert schon lange in seinem Körper, hatte bereits andere Organe befallen und eine vollständige Genesung ist ausgeschlossen. Dies stürzte du mich wiederum in eine schreckliche Phase. Hoffnung gab es nicht lediglich die Möglichkeit, die Krankheit etwas zurück zu drängen. Sechs Wochen lang musste ich hoffen und bangen, dass die Operation funktioniert. Wie meine Ferien waren, diese Ferien auf die ich mich so lange gefreut hatte, könnt ihr euch wahrscheinlich vorstellen. Das Gefühl ohnmächtig zu sein, Nicht helfen zu können und diese furchtbare Angst, ihn zu verlieren, gleichzeitig stark sein zu wollen für ihn! Für meine Familie! Hoffnung schenken, obwohl man keine hat. Ich weinte aber ich versuchte stark zu bleiben. Dann kam die Zeit, in der man wieder arbeiten musste. Ich hatte solch eine Angst davor! Unter Corona ist Unterricht wirklich keine Freude. Und außerdem hatte ich ja auch überhaupt kein bisschen Kraft sammeln können, ganz im Gegenteil das letzte bisschen Kraft, dass vor den Ferien hatte war längst aufgebraucht. Meine Akkus waren leer. Ich ging trotzdem arbeiten eine Woche, zwei Wochen, letzt endlich schaffte ich es vier Wochen auszuhalten. Dann kam der Krankenschein, in dem ich mich nun seit fast zwei Wochen befinde.Die Überforderung auf der Arbeit hatte überhandgenommen. Ich hatte Angst von meinen Schülern zu weinen. Ich erhoffte mir von der Auszeit neue Kraft. Aber nichts passiert. Es geht mir nicht gut, kein Stück nicht ein bisschen besser. Es wird Immer schlimmer! Ich habe solche Angst vor der Zukunft! Wie soll ich jemals wieder gesund werden? Unter diesen Bedingungen? Gleichzeitig habe ich mir gewünscht, dieses Jahr schwanger zu werden, diese Ferien wollten wir damit anfangen! Aber es klappt nicht, Seit nunmehr vier Monaten. Lange wollte ich keine Kinder, da ich Mich erst um mich kümmern wollte, weil ich erst mein Leben in Griff bekommen wollt. Jetzt hab ich Angst dass es zu spät ist, gestern war ich beim Frauenarzt: kein Eisprung. Natürlich kann dies mit meinem Stress zu tun haben, aber was ist wenn nicht? Was ist wenn ich zu lange gewartet habe? Dann wäre es das nächste, was mir das Leben nimmt! Ich wollte doch im Leben nicht viel, außer deine Familie und Freunde. Einen Job, Der mich zufrieden macht. Ich fühle mich so verarscht Vom Leben. Entschuldigt das ich das so sage. Ich glaube einfach, dass egal was ich tue, das Leben ist nicht gut mit mir meint. Ich kämpfe schon so lange, ich hab so viel gekämpft, um glücklich zu sein. Und kurz bevor es soweit ist dass alles gut ist passiert etwas noch schlimmeres. Wobei das falsch ist, ich hätte gerne einfach einfach nurEin anderes Leben. Wäre gerne jemand anders. Jemand, der nicht diese Traurigkeit in sich trägt. Jemand erfolgreich im Leben steht. Die Kinder hat. Ich weiß nicht mehr weiter, und während ich hier Sitze und alles schreibe, stellt sich schon wieder das Gefühl ein, hier anderen Leuten doch nur auf die Nerven zu gehen. Wahrscheinlich Findet ihr das alles nur komisch und vielleicht bekomme ich nicht mal eine Antwort. Was soll ich denn tun ich weiß nicht mehr weiter....
Reiseonkel87
Beiträge: 368
Registriert: 30. Dez 2015, 22:03

Re: Hoffnungslos

Beitrag von Reiseonkel87 »

Hey Anna, willkommen bei uns im Forum. Das mit dem Krebs kenne ich zu gut. Anfang 2016 ist mein Vater an Lungenkrebs erkrankt. Ich war gerade selbst in einer schweren depressiven Phase. Ich hatte mich damals dazu entschlossen, meinen Vater auf dem Weg zu begleiten. Hab Ihn zu den Untersuchungen gefahren, war bei der Chemo mit dabei. Ich hatte eine Aufgabe, mein Vater war happy das ich dabei war. Die Zeit mit dem Krebs zu leben ist nicht einfach. Sowohl für den erkrankten, als auch für die Angehörigen. Ich drücke Dir ganz fest die Daumen.

Für den anderen Teil der Geschichte kann man nur sagen, es ist gut, das Du diese Auszeiten hast und Dir die Zeit genommen hast. Lehrerin ist bestimmt nicht einfach und verlangt vieles von einen ab. Dazu noch Corona und die Geschichte mit dem Krebs im Hinterkopf.

Du brauchst Dir auch kein Kopf machen, jemanden auf die Nerven zu gehen, wir sitzen alle im gleichen Boot und helfen einander. Ich finde das Forum hat mir mehr geholfen als mein Doc und die Medikamente.
LG von der Küste
=============
Reiseonkel
AnnaBlume
Beiträge: 3
Registriert: 29. Sep 2020, 10:00

Re: Hoffnungslos

Beitrag von AnnaBlume »

Vielen Dank euch beiden für eure lieben Worte. Besonders euer Verständnis tut mir wirklich gut.
Um eure Väter tut es mir wirklich sehr leid, ihr habt mein Mitgefühl. Ich glaube, dass auch nur Menschen verstehen können, wie es einem geht, die das selbst erleben mussten. Das erkenne ich immer an den Reaktionen - die einen sind oberflächlich und tun es ab, so nach dem Motto „wird schon wieder“, obwohl das ja gar nicht geht und die anderen , so wie ihr zeigt mir, dass man nicht allein ist. Das beruhigt mich etwas. Denn im Moment denke ich, alle anderen führen ein ach so tolles Leben, haben alles. Und ich beneide sie so sehr darum...ich bin voller Wut, wenn ich zb meine Nachbarn sehe, mit ihrem perfekten Leben: Tolles Haus, süße Kinder, scheinbar Geld ohne Ende, Putzfrau, Frau muss nicht arbeiten, Schwiegereltern kommen ständig und helfen denen auch noch bei ihrem Alltag und dann seh ich mich und denke nur, warum ich das nicht verdiene?.. Ich bin doch ein guter Mensch und trotzdem habe ich nicht halb so viel Glück wie die...ich acker mich ständig ab um am Ende das nächste Problem serviert zu bekommen. Kennt ihr dieses Gefühl? Mir ist klar, dass es wahrscheinlich 90% aller Menschen schlechter haben als ich, aber das hilft mir gar nicht. Ist das bescheuert ? Gibt es etwas , was einem dabei hilft?

Und wie habt ihr die Krankheit eurer Väter verwunden? Und den Tod? Habt ihr Medikamente genommen oder eine Therapie gemacht ? Hattet ihr sonst irgendeine Hilfe ?

Und Manu - was meinst du damit, dass du dich „heuer vom Leben verarscht fühlst„ ?
IngaS
Beiträge: 30
Registriert: 6. Sep 2020, 22:38

Re: Hoffnungslos

Beitrag von IngaS »

Hallo Anna,
als ich deinen Beitrag gelesen habe dachte ich kurzzeitig da schreibt jemand über mich. Wir haben so viele Parallelen.
Ich bin auch Lehrerin. Meine erste Depression kam auch im Studium. Die letzte schwere Episode hatte ich um die Geburt meines Sohnes, ok das ist ein Unterschied.
Seit dem war ich stabil.
Den Lockdown habe ich ganz gut gemeistert. Die Schule war für mich aber auch sehr anstrengend und Kräfte zehrend. Diese Umstellung auf digital von jetzt auf gleich und die Ansprüche von allen Seiten waren schon hart. Alles neben der Homeschool meines Sohnes und der Betreuung meiner Tochter. Als der Unterricht vor den Ferien wieder in Teilen losging habe ich noch zwar gefreut die Kinder wieder zu sehen. Aber dieser wochenweise Wechsel war auch nich leicht. Zumal man ja doppelt zu tun hatte. Die Kinder zu Hause mussten ja auch mit Material versorgt werden.
Zu Beginn des Lockdowns bekam mein Schwager die Diagnose "Krebs"...eigentlich wäre Hochzeit angestanden...wurde leider nix. Seine Krankheit hat uns auch ohnmächtig gemacht.
Wie auch immer...die Sommerferien kamen, ich habe mich mega darauf gefreut, so wie du. Die erste Woche war total entspannt, bestes Sommerwetter. Dann kam Woche 2 und plötzlich bin ich komplett abgestürzt. Von heute auf morgen war die Krankheit wieder da.Ich dachte erst an eine kurze Stimmungsschwankung wegen des Stressabbaus. Aber es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Ich wendete mich an meine Ärztin und wir haben die Medikation geändert. Ich habe die letzten Jahre eine geringe Menge genommen um bei einem Rückfall schnell gegensteuern zu können. Wochenlang haben wir die Dosis und Medikation verändert. Aber es wurde nicht besser.
Die Ferien waren dann rum und ich war wie du in keinster Weise erholt. Ich schleppte mich mit Angst und Panikattacken in die Schule. Dann kam noch eine unvorhergesehene OP bei meiner Tochter, die mich dann ziemlich überfordert hat. Nun kehrt langsam etwas Ruhe im Alltag ein. Seit letzter Woche läuft alles wieder wie vor dem Lockdown, natürlich unter Corona-Bedingungen...allmählich geht es mir besser. In der Schule bin ich wieder völlig entspannt und ich habe wieder mehr Hoffnung und Freude. Das Alleinsein fällt mir gerade sehr schwer, weil mich da die Erinnerungen der letzten Wochen heimsuchen und ich da nicht entspannen kann.
Scheinbar hat sich die Medikation jetzt eingependelt. Aber auch die Struktur des Alltags hilft mir.
Du siehst also es geht vielen genauso wie Dir und Du nervst gar nicht. Das Problem mit dem Kinderwunsch kann ich gut verstehen. Wenn man sich mal für Kinder entschieden hat, will man ja am liebsten dass es direkt klappt. Das wirkt sich natürlich nicht gerade positiv auf Deine Depression aus.
Hast Du schon was in Sachen professioneller Hilfe unternommen? Therapie hat Dir ja schonmal geholfen...
Hab viel Kraft!
Inga
Safar Buchholz
Beiträge: 53
Registriert: 15. Jan 2020, 14:27

Re: Hoffnungslos

Beitrag von Safar Buchholz »

Hallo AnnaBlume,

wundere dich nicht, ich habe einen Text ein wenig editiert. Lese doch bitte zum Thema Krisen und Suizidalität unsere Hinweise: https://www.diskussionsforum-depression ... zu-krisen/" onclick="window.open(this.href);return false;.
Danke!

Herzliche Grüße von der Moderation
HomeSweetHome
Beiträge: 12
Registriert: 26. Aug 2020, 15:27

Re: Hoffnungslos

Beitrag von HomeSweetHome »

Liebe AnnaBlume,

habe mir deinen Text durchgelesen und bin sehr bewegt. Ich habe meinen Papa ganz plötzlich und unerwartet im Februar verloren. Seither bin ich auch der Meinung, dass sowas niemand wirklich verstehen kann, der es nicht selber erlebt hab. Meine Mama hatte schon zwei Mal Krebs. Ihre Lebenserwartung schrumpft statistisch nächstes Jahr auf 20%. Verbringe viel Zeit mit ihr. Außenstehende könnten denken, die 33-Jährige Tochter kommt nicht von Mutti los. Mir ist es so egal. Ich weiß ja, wie schnell es vorbei gehen kann. Am Besten jede Sekunde genießen, die man noch zusammen hat.

Ich habe auch noch keine Kinder. Aber um mich rum wird gefühlt jedes zweite Paar plötzlich Eltern. Finde es gut, dass du dein Leben erst in den Griff bekommen wolltest. So denke ich das auch bei mir. Bloß frage ich mich auch, ob ich es jemals über einen längeren Zeitraum schaffe.

Deine Gedanken kann ich wirklich gut nachvollziehen. Du hast geschrieben, du hast bisher keine Medikamente genommen? Aber wenn du so tief unten bist, sei nicht zu stolz, Hilfe anzunehmen um dich etwas zu entlasten. Hast du wenigstens einen Hausarzt, der dich versteht? Da du dich Zuhause nicht wohl zu fühlen scheinst, wäre ein stationärer Aufenthalt vielleicht was für dich? Dass du etwas zur Ruhe kommst und Abstand hast? Was ist aktuell mit deinem Vater? Vielleicht habe ich das auch überlesen, verzeih mir - ich bin zurzeit auch in einer schweren Episode.
Ganz viel Kraft, und sei nicht so hart zu Dir. Ich finde es ganz toll wie du dich bisher um deinen Vater gekümmert hast. Natürlich bleibt das nicht ohne Folgen. Du bist ein Mensch mit Herz und Gefühlen.
Und den Spruch, dass auf der anderen Seite das Gras viel grüner ist - den kennst du bestimmt. :D
Aber oft ist es wirklich so, dass in diesen "Bilderbuchfamilien" erst Recht der Wurm drin ist. ;)

Alles Liebe <3
AnnaBlume
Beiträge: 3
Registriert: 29. Sep 2020, 10:00

Re: Hoffnungslos

Beitrag von AnnaBlume »

Danke euch allen für eure lieben Antworten. Schaut doch mal bei euren PNs...
IngaS
Beiträge: 30
Registriert: 6. Sep 2020, 22:38

Re: Hoffnungslos

Beitrag von IngaS »

@Guinevere7:dieses 2020 ist so ein Katastrophenjahr. So was gab es noch nicht. Wo ich hinhöre, nur Mist. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es das noch nicht war. Aber wir wollen mal nicht schwarz malen. Wir Depris sollen ja immer positiv in die Welt blicken.
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Hoffnungslos

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo AnnaBlume,

das Thema Krebs beim Vater in jungen Jahren kenne ich auch. Meiner bekam die Krankheit mit Anfang 40, da war ich gerade im Studium, studierte in der DDR etwas Technisches. Das ist jetzt über 30 Jahre her. Noch während meines Studiums starb er.
Ich fühlte mich alleine in der Familie und verstehe erst heute wieso. Wir waren uns in einer entscheidenden Sache sehr ähnlich und die Einzigen in unserer Familie, die studierten.
Er fehlte sehr oft, als ich Kind war, weil er so oft auswärts studierte. Und später fehlte er, weil er nicht mehr da war, speziell auch kurz nach seinem Tod nach der deutschen Wiedervereinigung. Aber da habe ich mich schon daran gewöhnt gehabt, dass er nicht mehr ist.

Dann stellte das Leben sowieso ganz andere Anforderungen, und man war mit dem eigenen Leben in dem neuen Land beschäftigt.

Ich habe nach dem Studium leider in Anlerntätigkeiten arbeiten müssen, wegen Überschuldung. Davon bin ich zu lange nicht weg gekommen, bis die abbezahlt waren. Danach bin ich irgendwie auf keinen grünen Zweig gekommen. Was da alles hinein spielte, würde jetzt hier den Rahmen sprengen.

Kinder habe ich keine bekommen. Durch den ganzen Stress in der Zeit nach der Wiedervereinigung mit dem Verlust des Berufes, der Überschuldung, der falschen Arbeit mit sehr langer Fahrzeit, ist bei mir hormonell etwas so geworden, dass einfach ich sehr vorzeitig in die Wechseljahre gekommen bin, im Doppelpack mit Überforderung und Depressionen. Das hat sich leider nicht mehr gegeben.
Als ich so alt war wie du jetzt bist, steckte ich in einer Umschulung (also mein dritter beruflicher Anlauf innerhalb von knapp 20 Jahren), wo ich wieder fernpendelte dafür.

Heute stehe ich leider nicht als leuchtendes Vorbild da. Habe das nicht geschafft und bin berentet. Nee, am Intellekt lag es sicher nicht, war mal mit Abstand klassenbestes Mädchen. Es sind die Lasten zu groß gewesen und auch der finanzielle Druck. Zuviel Leben ist weg gefallen, Therapien haben das Wesentlichste von mir ausgelassen, worüber man hätte sprechen müssen. Doch genau das entscheidende Thema gab es damals noch nicht in den Köpfen.

Ich bin ungefähr 20 Jahre älter als du.
Kann dir nur den Rat geben, nicht krampfhaft das Kinderkriegen zu planen. Manchmal ist es nicht der Zeitpunkt. Außerdem hast du in deinem Beruf ja viele Kinder.
Meine Lieblingslehrerin hatte auch keine Kinder, und sie ist vielen noch als die beste Lehrerin der Schule in Erinnerung. Sie ist schon sehr alt, und man kann sie noch anrufen, sie freut sich sehr darüber.

Ich bin jetzt mit Verspätung dabei, die Lasten von früher und jetzt weg zu schaufeln in meinem Kopf. Hätte alles früher passieren sollen.
Ich vermute, du bist ein gutes Team mit deinem Mann oder Partner. Das würde ich nutzen.
Ist es in deiner Schwiegerfamilie etwas sorgenfreier, dass du da etwas auftanken kannst?

Liebe Grüße
Gertrud
Tagträume
Beiträge: 64
Registriert: 3. Aug 2020, 10:27

Re: Hoffnungslos

Beitrag von Tagträume »

Huhu Anna,

Meine Eltern sind auch schon gestorben, das ist der Lauf der Dinge, das Leben geht für uns aber weiter. Als mein Vater Krebs hatte, bin ich auch zu seinem Arzt, ein früherer Mitschüler von mir, und habe ihn angefleht, irgendwas zu tun! Es half aber nichts. Als er gestorben war, war ich wütend und habe das auf der Arbeit auch die Kollegen spüren lassen. Ich fand es einfach sowas von ungerecht.

Übrigens habe ich auch mal im Lehramt mit Grundschülern gearbeitet, hab aber bald schon gemerkt, daß es mir nicht lag, leider erst nach 6 Semestern Studium, in dem nur Theorie, keinerlei Praxis vermittelt wurde.
Hab dann noch ein Psychologiestudium abgeschlossen und dann auch beruflich ganz gut Fuß gefasst. Aber wenn dann die Depression zuschlägt, hilft auch ein Studium nicht viel.

Wie auch immer, ich hoffe, Du findest einen Weg für Dich!

Liebe Grüße

Tagträume
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