Dysthymie erkrankte hier?

Sammy1990
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Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Sammy1990 »

Hallo ihr Lieben,

wenn ich auch schon viele Jahre unter der Krankheit leide, diagnostiziert wurde die Form der Depression Dysthymie erst vor wenigen Monaten bei mir. Und ich bin froh und verwirrt gleicher Maßen, dass das "Ding" endlich einen Namen hat.
Gibt es Betroffene hier, die sich gerne austauschen möchten?

Liebe Grüße
Sammy
Wandervogel
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Wandervogel »

:hello: Hallo Sammy,

neben anderen psychischen Diagnosen, leide ich auch an Dysthymie.

Liebe Grüße
pummy
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Registriert: 24. Mai 2020, 12:38

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von pummy »

Bei mir würde vor einigen Wochen auch Dysthymie diagnostiziert, mit teilweise mittel-schweren depressiven Phasen.

Mich hat die Diagnose auch erst mal ein wenig verwirrt. Weil ich es zwar in den Phasen so empfinde, aber sonst nicht. Krieg ja alles hin. Wenn ich muss. Hab mich aber eingelesen und finde es schon nachvollziehbar. Ich scheine es seit frühen Kindheitstagen zu haben, spätestens ab der Pubertätszeit. Also Minimum 25 Jahre. Ich wusste immer, dass mit mir was nicht stimmt, aber nie was. Ich hab auch alles mögliche vermutet und versucht mir selbst zu diagnostizieren. Dass ich zwischendurch ziemlich depressiv bin, war mir klar, wär aber nie auf ne Depression gekommen, dafür empfinde ich das nicht so schlimm. Mein Psychologe sagt, das ist, weil ich es nicht anders kenne und gelernt hab damit zu leben. Ich nehme seit heute Medikamente. Escitalopram. Erstmal 5 mg. Glaube nicht, dass das schon was verändern wird und dass ich bestimmt noch erhöhen muss, aber für mich einen Versuch wert. Vielleicht lerne ich ja mal kennen, wie sich nicht-depressive Menschen so normalerweise fühlen den ganzen Tag. Ansonsten weiß ich noch nicht genau, was ich davon halten und wie ich damit umgehen soll. Wird sich vielleicht in der Thera noch zeigen. Ich mache eine Verhaltenstherapie, weil ich von meinen negativen Denkmustern und Prophezeiungen weg möchte.

Viele Grüße
Sammy1990
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Sammy1990 »

Hallo pummy,

also wirklich, dein Text hätte größtenteils von mir sein können. Nicht zu wissen, wie "normale" nicht depressive Leute sich eigentlich fühlen, weil man seit 25 Jahren darunter leidet und es immer für normal gehalten hat, einfach nur weil man es gar nicht anders kennt. Das trifft alles auch auf mich zu. Es ist schon irgendwie erschütternd wie viel Freude einem im Leben schon durch die Lappen gegangen ist und erst mit der Diagnose wird einem das überhaupt erst richtig bewusst. :|

Ich mache auch seit fast 3 Montan eine Verhaltenstherapie als Gruppentherapie. Auch wenn das schon mal gut tut, es ist noch verdammt Luft nach oben. :?
Medikamente standen bisher aber noch nicht zur Debatte.

@Wandervogel, wenn ihr Lust habt euch mal ab und an auszutauschen, gerne :hello:
Phoenix2019
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Phoenix2019 »

Same here!;) Habe zum ersten Mal hier von Dysthymie erfahren und mich 1 zu 1 darin erkannt. Diagnostiziert hat es von vielen Therapeuten nur eine. Bin gerade erfolglos auf der Suche nach einer guten Therapeutin, was neben dem Beruf nicht so einfach ist... Ich denke, ich leide auch mindestens seit der Pubertät darunter, vielleicht schon seit der Kindheit, die auch nicht so rosig war. Antidepressiva habe ich bisher noch nicht ausprobiert. Ich "funktioniere" zwar (noch), mit Lebensqualität hat das Ganze aber nicht mehr viel zu tun. Corona hat es auch nicht leichter gemacht. Freue mich über Austausch! Viele Grüße!
pummy
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von pummy »

Hallo Sammy,

Ich mache ebenfalls Verhaltenstherapie. Ich war in jungen Jahren schon mal in Verhaltensterapie, aber wegen anderen Gründen. Dann hatte ich vor 3 Jahren eine tiefenpsychologische Therapie, die leider nix gebracht hat. Aber lag am Therapeuten und an mir, weil ich mich nicht getraut habe zu sagen, was nicht passt.

Naja, diesmal läuft's besser.

Ich weiß gar nicht, ob ich so viel Freude verpasst habe. Ich glaube, bei mir ist es eher der Gedanke, dass ich vielleicht nicht so lange hätte leiden müssen, wenn man das mal früher diagnostiziert hätte. Ich hatte auch Freude, allerdings hält es nie so lange an wie die negativen Gefühle. Emotionsmäßig bringen mir die negativen Gefühle mehr Gefühl, länger, stärker, andauernder. Ich glaube, die Freude, die ich empfinde, müsste eigentlich auch länger dauern, stärker sein. Pendantmäßig zu den negativen Gefühlen, ist es aber nicht.

Ich wäre einfach mal gerne richtig glücklich. Meist ist es eher so nach dem Motto, ja das war ganz schön und dann ist es abgehakt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich jetzt tagelang an irgendeinen Ausflug zurückdenke und mir jedesmal sage, Hach, das war so schön bla und blubb. Ja klar, war schön, aber nichts, was mich mega bewegt. Selbst wenn Freunde nach einem Treffen schreiben, dass der gemeinsame Abend so schön war, denk ich mir immer, ja klar, aber müsste man eigentlich auch nicht extra hervorheben, weil so mega war er auch nicht, n normaler Abend halt. Ich will das gar nicht bewusst abwerten, aber es ist einfach nicht mehr.

Wenn man mich nach den schönsten Momenten in meinem Leben fragen würde, müsste ich echt erstmal überlegen, was das wäre, während ich dir bei dem schlimmsten Momenten etliche aufzählen könnte, auf Anhieb. Bei den Schönen ist nichts, was irgendwie so extrem hängen geblieben wäre, weil ich nie so extrem dabei gefühlt hab, wie bei den Schlechten.

Ich kann das schwer erklären, vielleicht weißt du, was ich meine. Ich kann mir auch nicht vorstellen mehr zu empfinden. Ist merkwürdig. Ich hab ne Bekannte, die alles positiv sieht, alles. Und sich selbst reale schlechte Dinge versucht schön zu reden. Meiner Meinung nach teilweise die Augen vor der Realität verschließt. Ich find das total übertrieben und kann es wirklich oft nicht nachvollziehen, wie man sich so sehr freuen kann über so banale Sachen. Und ich finde das Verhalten auch echt anstrengend. Ist vielleicht die andere falsche Weise. :D dann bin ich lieber so wie ich bin, dann werd ich wenigstens hin und wieder positiv überrascht.

Hast du Freunde, Familie mit denen du über deine Krankheit reden kannst? Ich habe nur meinen Freund. Meine Mum weiß es, aber da sie weiter weg wohnt, reden wir nicht so oft und auch nicht darüber. (Sie redet dann leider oft über sich, sie war selbst Jahre schwer depressiv.)

Ich überlege, ob ich es bestimmten Freunden erzählen kann, bin mir aber unsicher. Weiß nicht, ob ich das zum Thema machen möchte. Man will kein falsches Mitleid, man möchte nicht zu viel Beachtung. Ich frage mich gerade, was ich überhaupt damit erreichen wollen würde, wenn ich es erzähle. Ich weiß es gar nicht...

Ich mache kleine Fortschritte in der Therapie, allerdings hab ich Einzeltherapie. Eine Gruppe wäre nichts für mich. Hat dann jeder einen bestimmten Zeitrahmen in dem nur er sprechen darf oder muss man sich melden, wenn man was erzählen möchte? Ich kann mir das schwer vorstellen.

Viele Grüße
pummy
Wandervogel
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Wandervogel »

:hello: Hallo Pummy,

hast Du gerade von mir geschrieben? :oops:

Vor 20 Jahren wurde bei mir Diagnose Depression gestellt. Ich war in einer Akktuklinik.

Ich denke aber, dass ich schon seit meiner frühesten Jugend daran leide. Hat nur keiner diagnostizert. Wussten die Ärzte wohl damals auch nicht besser.

Seit 20 Jahren nehme ich nun schon die verschiedensten Medikamente und mache Psychotherapie.

Auch ich glaube, dass ich hätte nicht so lange leiden müssen, wenn man es früher bei mir festgestellt und mich adäquat behandelt hätte. So ist der ganze Mist chronisch geworden.

Bei mir hält die Freude auch nie so lange an, wie die negativen Gefühle. Genau wie bei Dir sind sie länger, stärker andauernder.

Genau wie Du wäre ich gern einfach mal so richtig glücklich. Ich sage dann auch immer, war zwar schön und hake es dann auch ab. Nichts bewegt mich mega. Ich kann auch nichts wirklich positives hervorheben.

Bei mir ist es mein Mann, der alles positiv sieht und ich habe manchmal auch das Gefühl, dass er die Augen vor der Realität verschließt.
Na gut, wenn er auch so negativ drauf wäre wie ich, würden wir unser Leben wohl gar nicht mehr gewuppt kriegen. Und irgendwie gibt er mir mit seiner postiven Einstellung auch halt. Aber wie bei jeder Medaille hat auch seine Einstellung zwei Seiten.

Ja, ich habe auch immer kleine Fortschritte in meinen jahrelangen Therapien gemacht, aber der große Wurf war es nie. Es hat immer gerade dazu gereicht, dass ich mit meinen Depressionen und meinen Leben irgendwie klar komme. Allerdings, dass ich mich aus meinen Depressionen hätte befreien können und irgendeine Form von Heilung erfahren habe, kann ich nicht gerade behaupten.

Liebe Grüße
Wandervogel
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Wandervogel »

:hello: Hallo Leute,

war heute beim Doc. Habe ihm meine Befindlichkeiten vorgetragen. Bin sogar in Tränen ausgebrochen. Ist mir bei ihm noch nie passiert.

Er hat mir eindeutig gesagt, dass das bei mir chronisch ist und ich mit meiner Krankheit leben muss. Es akzeptieren muss. Sonst wäre ich ja nicht verberented (hat er ja auch wieder recht).

Allerdings hat er mir ans Herz gelegt, alle Übungen die ich in der Therapie gemacht habe und sich bewährt haben immer wieder und wieder zu wiederholen. :? :?

Frage mich, wie oft denn noch? Wenn es nur für einen kurzen Zeitraum hilft.
Jetzt fühle ich mich wie ein Doofi, der das einfach nicht hinkriegt mit der Depression und den Ängsten. Auch kein schönes Gefühl. :( :(

Also denke ich mal, dass es so ist, wie mit meinem Rheuma. Es gibt gute Phasen, wo ich keine Schmerzen habe und dann gibt es Phasen wo mich heftige Schübe plagen. Da helfen dann auch nur Schmerzmittel und Physiotherapie. Auch wenn ich das schon ewig mache. Rheuma ist da. Geht auch nicht wieder weg. Kann nur versuchen so gut damit zu leben wie es geht.
Ist wohl auch so bei mir mit der Depression.

Liebe Grüße
Mooseba
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Mooseba »

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Zuletzt geändert von Mooseba am 25. Nov 2020, 23:46, insgesamt 2-mal geändert.
_________________________

"Wenn man aus einem protestantischen Land kommt, ist man immer etwas beschämt, wenn man bei der Arbeit nicht gelitten hat."

(Lars von Trier)
Bauchtänzer
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Bauchtänzer »

Am Anfang steht halt die Störung deiner Persönlichkeit (PS). Die Dysthymie ist aufgesetzt bzw. entwickelt sich langsam wegen der andauernden Schwierigkeiten, die du im sozialen Bereich hast aufgrund deiner PS.

Ist zumindest meine Sicht aufgrund eigener Erfahrung.

Kannst ja mal in ne Uniklinik gehen z.B. und dich gründlich diagnostizieren lassen.
pummy
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von pummy »

@Sammy: Bist du noch hier? Magst du dich austauschen oder wolltest du einfach nur wissen, ob es noch jemanden mit der Diagnose gibt?
Philofax
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Registriert: 22. Jan 2021, 12:09

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Philofax »

Hallo Zusammen,
ich bin neu hier und habe auch schon seit meiner Kindheit Dysthymie. Es wurde wohl vererbt und meine Mutter hatte Depressionen. Da war meine Kindheit etwas problematisch und ich knabbere mit 58 Jahren immer noch dran. Bei mir zeigt sich das ganze meist in leichteren depressiven Episoden, wobei ich durch Konflikte am Arbeitsplatz oder Arbeitsplatzwechsel in tiefere Krisen gerutscht bin.
Vor kurzem habe ich einen Podcast über Depressionen angehört und da habe ich viel Übereinstimmungen gefunden. Der Vortragende war in der IT und er hasste seinen Job. Das geht mir nun genauso, ich bin im Metallbau tätig und ich würde am liebsten dort aufhören. Ich habe auf der Arbeit keine Probleme, weil ich durch meine Nachgiebigkeit alles erledige und das kommt gut an. Aber ich hasse den Job, wegen Corona sitze ich nun einsam im Büro ohne Kontakt und das tut mir gar nicht gut.
Ich habe seit ich arbeite immer Probleme am Arbeitsplatz, wie geht es Euch damit mit Eurer Erkrankung ?

Viele Grüße
Nachtmensch
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Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo,

meine letzte Therapeutin stellte diese Diagnose auch bei mir in den Raum. Was ich bislang zu dem Thema gefunden habe, lässt mich auch glauben, dass die Möglichkeit besteht daran zu leiden. Allerdings häufen sich die stärkeren Episoden in den letzten Jahren dermaßen, dass es mich beunruhigt es könnte auch in Richtung einer sogenannten Double Depression gehen.
Bei meiner neuen Therapeutin habe ich das Thema Dysthemie angesprochen. Mal sehen wie sie das sieht.

Viele Grüße
R.
Philofax
Beiträge: 16
Registriert: 22. Jan 2021, 12:09

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Philofax »

Gibt es noch mehr Dysthymie Erkrankte hier ?
Ich würde mich gerne mehr austauschen, da ich immer wieder ein auf und ab habe.
Besonders jetzt machen mir die Kontaktbeschränkungen sehr zu schaffen.
Oder kennt jemand eine Plattform/Forum oder Blog um sich speziell mit diesem Thema auszutauschen ?

Viele Grüße
Marleo84
Beiträge: 157
Registriert: 13. Mär 2021, 15:17

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Marleo84 »

Hallo!

Ich bin auch an Dysthymie erkrankt, allerdings habe ich gerade noch das Vergnügen einer Double Depression, also noch einer schweren Depression oben drauf.

Ich bin in Therapie und nehme keine Medikamente! Ich habe zwei Kinder und bin berufstätig, ich bin 37 Jahre alt. Bis vor kurzem habe ich einigermaßen funktionieren können, jetzt musste ich mich gerade mal für zwei Wochen krankschreiben lassen. Das lag aber weniger an den Depressionen, als viel mehr an ein paar Traumafolgen, die weniger Teil dieses Austausches hier sind :)

Über was würdest du sich gerne austauschen?

Liebe Grüße,

Marleo
Philofax
Beiträge: 16
Registriert: 22. Jan 2021, 12:09

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Philofax »

Marleo84 hat geschrieben:Hallo!

Ich bin auch an Dysthymie erkrankt, allerdings habe ich gerade noch das Vergnügen einer Double Depression, also noch einer schweren Depression oben drauf.

Ich bin in Therapie und nehme keine Medikamente! Ich habe zwei Kinder und bin berufstätig, ich bin 37 Jahre alt. Bis vor kurzem habe ich einigermaßen funktionieren können, jetzt musste ich mich gerade mal für zwei Wochen krankschreiben lassen. Das lag aber weniger an den Depressionen, als viel mehr an ein paar Traumafolgen, die weniger Teil dieses Austausches hier sind :)

Über was würdest du sich gerne austauschen?

Liebe Grüße,

Marleo
Es würde mich interessieren wie es anderen mit Dysthymie geht, und wie sie Empfinden und ihr Umfeld reagiert.
Nach meiner Reha und Diagnose habe ich es dem engen Freundeskreis bzw der Familie mitgeteilt was ich habe und das hat mir nichts gebracht. Dann habe ich im Anschluss eine Therapie gemacht und gute Fortschritte erziehlt.
Jedoch kann ich mit niemand über mein Thema reden, in der Familie nicht und im Freundeskreis auch nicht. Entweder stosse ich auf Ablehnung oder es kommt wie ein Bumerang wieder zurück. Da stehe ich mit meinem Problem ganz alleine da und kann mit niemand darüber reden.
Marleo84
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Marleo84 »

Hallo Philofax,

Ich erlebe die Dysthymie als ein lähmendes Etwas, das irgendwie zwischen mir und dem Leben steht. Ich würde so gerne zugreifen und das Leben genießen, statt dessen kommt mir jeder Schritt wie eine riesige Anstrengung vor. Nichts geschieht aus eigenem Antrieb, alles nur aus Pflicht. Das geht natürlich voll zu Lasten der Lebensqualität. Generell empfinde ich mich als gedämpft in meiner Gefühlswelt und oft müde. Ich erlebe die Dysthymie oft als schwieriger als meine auch vorhandenen schwer depressiven Phasen, da diese vorbei gehen und eindeutiger zu greifen sind.

Ich habe nur sehr wenigen Personen von meiner Erkrankung erzählt und teilweise auch, ohne den Namen zu nennen. Meine Eltern wissen zum Beispiel nichts davon, gebauso wie die Menschen auf meiner Arbeit. Ich erzähle es nur in Beziehungen, die das aushalten können. Aus genau dem Grund wehre ich mich auch gegen einen Klinikaufenthalt oder eine Reha, obwohl beides eigentlich angesagt wäre (allerdings weniger wegen der Dysthymie sondern wegen ein paar anderer psychischer Diagnosen, die ich auch noch habe). Wenn ich das Gefühl habe, mich jemandem mitteilen zu müssen, dann spreche ich oft nur über das, was mich aktuell bedrückt, zum Beispiel, dass ich erschöpft bin, dass ich in letzter Zeit zu wenig auf meine Bedürfnisse geachtet habe, dass ich Rückzug brauche, dass ich gerade nichts essen kann, dass ich heute irgendwie nichts geschafft habe, obwohl ich mir viel vorgenommen habe. Damit können die meisten Menschen gut was anfangen, kennen das auch und können helfen. Mit der Strategie komme ich gut zurecht.
Mein Freund zum Beispiel tut sich mit der Diagnose Dysthymie total schwer. Ich glaube, weil er es nicht akzeptieren will, dass er mit einer chronisch depressiven Person zusammenlebt. Er empfindet mich ganz anders (tun viele, by the way. Ich werde immer als Brausetablette bezeichnet, die das Leben bereichert...). Mit meinen diversen anderen, deutliche schwereren Diagnosen kann er viel entspannter umgehen.

Icb hoffe, ich konnte dir rinen Einblick darein geben, wie es mir mit der Erkrankung geht!

Liebe Grüße

Marleo
Jane Eisklar
Beiträge: 71
Registriert: 20. Mär 2021, 13:41

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Jane Eisklar »

Hallo Sammy,

bei mir wurde durch meinen aktuellen Psychiater auch eine Dysthymia diagnostiziert. Bei dem vorigen Psychiater bekam ich die Diagnose „mittelgradige depressive Störung“. Persönlich habe ich den Eindruck, daß sich mein Leiden nicht verändert hat, lediglich der Arzt. Aber das ist nur meine Meinung.

Im ICD9, also dem Vorläufer des jetzigen ICD10, gab es die Diagnose der Dysthymia noch gar nicht, da wurde es entweder als neurotische Depression oder als rezividierende depressive Störung bezeichnet.

Das alles führte bei mir dazu, daß mir Diagnosen als nicht so wichtig erscheinen, mir ist es viel wichtiger, daß mein Arzt oder Psychotherapeut auf meine individuellen Probleme eingeht, jeder Mensch ist einzigartig, deshalb ist mir eine individuelle Behandlung sehr wichtig, möglichst ohne ein Schubladendenken.

Liebe Grüße

Jane
Philofax
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Registriert: 22. Jan 2021, 12:09

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Philofax »

Danke, für die Rückmeldungen.
Bei mir zeigt sich die Dysthymie so, dass ich mich immer zwischen leichter und mittlerer Depression bewege. Das ist ein ständiges auf und ab und so tiefe Phasen mit Antriebslosigkeit kenne ich eigentlich nicht. Im Extremfall kommt ein Schweregefühl, Lustlosigkeit und Kopfschmerzen. Ich versuche ständig mit Aktivität die schlechten Phasen von mir wegzuhalten und es ist dann aber auch anstrengend. Seit einem Arbeitsplatzwechsel bin ich generell unglücklich, meine Familie erwartet dass ich funktioniere und ich erhalte eher Druck als Verständniss. Seit dem Beginn von Corona sitze ich alleine im Büro und mache meine Arbeit.
Greta1962
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Greta1962 »

Ich frage mich ja immer, wie so eine Diagnose gestellt wird.
Das sind ja fließende Übergänge.
Ich habe eine "mittelschwere depressive Episode" - erkenne mich aber in Dystymie 1:1 wieder und das schon seit Jahrzehnten. Ich kenne mich praktisch gar nicht anders. Aber der Psychiater, der mich jeweils 10 Min sieht und ADs empfiehlt, macht nicht den Eindruck, als wenn er andere Ideen als "Depressionen" hat.
Liebe Grüße von ..... Greta
Jane Eisklar
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Jane Eisklar »

Greta1962 hat geschrieben:Ich frage mich ja immer, wie so eine Diagnose gestellt wird.
Das sind ja fließende Übergänge.
Ich habe eine "mittelschwere depressive Episode" - erkenne mich aber in Dystymie 1:1 wieder und das schon seit Jahrzehnten. Ich kenne mich praktisch gar nicht anders. Aber der Psychiater, der mich jeweils 10 Min sieht und ADs empfiehlt, macht nicht den Eindruck, als wenn er andere Ideen als "Depressionen" hat.
Hallo Greta,

Genau das frage ich mich auch. Man bekommt fast den Eindruck, daß die Behandler so einen speziellen ICD10 Würfel haben und damit einfach mal würfeln (Ironie!)

Aber im Grunde spielt es für mich keine Rolle, welche Diagnose mir untergejubelt wird. Das ist etwas, was die Krankenkassen benötigen. Ich benötige individuelle Hilfestellung bei meinen Problemen. Vor kurzem habe ich hier einen Link reingesetzt zu dem Interview mit dem Psychiater und Klinikchef Prof. Dr. Gonther, in dem er auch das Thema „Diagnosen“ anspricht. Er beschreibt es so, daß Patienten sich leider oft zu sehr auf Diagnosen konzentrieren, daß es fast so wirkt, als seien sie mit der Diagnose verheiratet.

Liebe Grüße

Jane
Marleo84
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Marleo84 »

Hallo Greta und alle,

Ich habe ja sowohl eine Dysthymie als auch eine schwere Depression und kann beide Erkrankungen in ihrer Qualität sehr deutlich unterscheiden. Es fühlt sich anders an.

Grundsätzlich halte ich aber auch Diagnosen nicht für soo wichtig. In der Systemischen Therapie beispielsweise werden Diagnosen eigentlich auch vermieden, da Klienten sich oft so übermäßig damit identifizieren. Sie werden dort nur vergeben, da man sie für die Krankenkasse braucht. Ansonsten soll einfach der Weg zur Gesundung im Mittelpunkt stehen und nicht die Auseinandersetzung mit der Krankheit / Diagnose.
zickenbert
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von zickenbert »

Hallo,
in Euren Beiträgen erkenne auch ich mich zu fast 100 % wieder. Bei mir wurde zwar von vererbt und chronisch gesprochen aber ist doch irgendwie das gleiche. Vor etwa 10 Jahren rutschte ich in eine schwere Episode. Bin mir aber sicher dass ich schon als 12 jähriger depressionen hatte. Leider haben psychotherapie bei mir bislang nichts gebracht. Einzig sertralin hilft mir, aber die Nebenwirkungen machen mir sehr zu schaffen. Auch ich kann mich nie so richtig freuen. Und wenn ich mich mal etwas freue dann denke ich schon daran dass es eh bald wieder schlimmer wird. Meinen Alltag versuche ich mit viel Kraftanstrengung zu bewältigen, aber mich überfordert schon Kleinigkeiten. Und das ist um so schlimmer als dass ich das Gefühl aber ein richtig mieser Vater zu sein. Und dabei liebe ich nichts mehr als meine Kinder. Aber es fällt mir schon schwer mich einfach mal mit meinen Kids in den Sand zu setzen und nach Lust und Laune rum zu Sauen. Einfach mal Spaß haben. Und so ist es mit tausend Sachen. Vor Jahren hatte ich mal einen guten Freund, der sich von mir abgewendet hatte als ich ihm davon erzählt hatte. Und so rede ich ebenfalls mit niemandem.
Für mich steht das alles auch zwischen mir und dem Leben. Ich sehe irgendwie von außen zu wie alles an mir vorbei zieht und bin selber zu gelähmt um mit zu spielen.
Inzwischen macht sich das auch körperlich immer mehr bemerkbar. Man bekommt kaum Luft, hat ständig Angstzustände und bin auch ständig aufgewühlt.
Tja so ist das halt. Und trotz allem kann ich nicht annehmen dass ich krank bin. Setze auch mal selbst Medi ab, was dann natürlich alles noch schlimmer macht.
So ist das bei mir.
Gruß
Jane Eisklar
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Registriert: 20. Mär 2021, 13:41

Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von Jane Eisklar »

Hallo Zickenbert,

Ich fühle mit Dir! Du bist ganz sicher kein schlechter Vater. Mir ging es ganz ähnlich wie Dir jetzt in der Frühphase meiner Depression, besonders in der Zeit, als ich, wie Du ja auch jetzt im Moment, mich noch gar nicht mit der Krankheit identifizieren wollte oder konnte.

Aber ich kann Dir von mir sagen: es verändert sich, ich würde Dir dringend raten, nicht allein auf Medikamente zu setzen, sondern, falls noch nicht geschehen, Dich auf eine Psychotherapie einzulassen. Und, fast noch wichtiger, schau mal in Deinem näheren Umfeld, ob es dort irgendwo in der Nähe eine Selbsthilfegruppe gibt, wo Du freiweg von der Leber von Dir und Deinen Problemen sprechen kannst und auf Zuhörer triffst, die wissen, worum es wirklich geht.

Ich wünsche Dir ein gutes Gelingen!

Liebe Grüße

Jane
zickenbert
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Re: Dysthymie erkrankte hier?

Beitrag von zickenbert »

Hallo Jane, vielen Dank für deine Antwort. Bin gerade am Ende Meiner zweiten Psychotherapie. Leider hat sie bislang keinen Erfolg gebracht. Muss aber auch sagen dass es sehr schwer ist mich zu öffnen. Aber das mit der Selbsthilfe Gruppe werde ich in Angriff nehmen. Vielleicht kann ich da ja mal hin gehen und nur zu hören ohne gleich was zu sagen. Mit meinem Psychologe hatte es auch sehr, sehr lange gedauert bis ich auch mal von mir aus ein Problem an sprach. Also vielen Dank Jane für deine Antwort.
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