Woher immer die innere Kraft nehmen?

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Gabum
Beiträge: 42
Registriert: 6. Okt 2015, 10:36

Woher immer die innere Kraft nehmen?

Beitrag von Gabum »

Hallo zusammen,

wie in einem anderen Thread schon mitgeteilt, hat sich meine Situation in den letzten Wochen
etwas beruhigt, seit mein dementer Mann vollstationär in einem Pflegeheim an unserem Wohnort aufgenommen werden konnte.

Ich kann ihn mittlerweile 4x in der Woche je 1 Stunde mit Maske besuchen, was ich auch tue.
Jeder Besuch verläuft anders, je nach seinem Befinden und ist emotional sehr anstrengend und
belastend.

Die 3 freien Tage dazwischen brauche ich dringend für mich. Ich schlafe sehr lange (ca. 11 Stunden) pro Nacht und gönne meinem Körper diese Regenerationszeit, da ich wirklich tief und
fest schlafe.

Ich schaffe es, jeden Tag aufzustehen, mittlerweile einigermaßen gesund zu essen und die
wirklich notwendigen Dinge wie Einkaufen, Bankgeschäfte und Papierkram zu erledigen.
Der Haushalt bleibt meistens hinter meinen Vorstellungen zurück, Waschmaschine und Geschirr-
spüler laufen natürlich, aber mehr schaffe ich meistens nicht.

Ich habe mir einen Kleinwagen gekauft mit Schaltgetriebe (vorher Automatik), und bin
noch nicht einen Meter mit dem neuen Auto gefahren, aus Angst vor unseren engen Ein-
und Ausfahrt am Haus. Die Telefonnummer einer Fahrschule habe ich mir schon raus gesucht,
aber noch nicht angerufen.

Seit Montag ist bei mir mal wieder gefühlsmäßig die Hölle los. Die Tochter meines Mannes ist
42 Jahre alt, verheiratet mit 2 Kindern. Sie hat ihren Vater in den vergangenen Wochen nur
1x im Heim besucht, dabei hat mein Mann sie angeblich nicht mehr erkannt, da sie sehr
stark zugenommen hat.

Jetzt hat die junge Dame die Idee entwickelt, die beiden Enkel müssen ihren dementen Opa
sehen, es geht ihr um das Familienbild. Dies geht nicht im Heim, da wegen Corona immer nur
1 Person pro Besuch erlaubt ist. Man kann die Pflegeperson allerdings am Wochenende 1x mit
nach draußen nehmen. Ich habe die 3x gemacht, wir haben meinen Mann mit einem ihm
bekannten Auto abgeholt, das Einsteigen war einmal schon ein Drama und wir waren bei meiner
Mutter Kaffee trinken. Dies hat geklappt, da er sich dort auskennt. Einmal wollte er auch gar
nicht mit, ich habe das natürlich respektiert. Mehrere Male haben wir diese Besuche auch wegen
der Hitze eingestellt.

Jetzt möchte meine Stieftochter ihren Vater unbedingt rausholen, ohne zu verstehen, dass ihre
Vorstellungen (mit meinem Mann auf einer dreckigen Parkbank sitzen, die Kinder setzen sich
dann auf den Boden und sollen ihren dementen Opa begutachten), nur ein Beispiel ihrer
Vorstellungen. Dazu müsste mein Mann ca. 200 m mit dem Rollator laufen, was er gar nicht
kann.

Ich habe mit der Heimleitung gesprochen, sie sahen meine Einwände ein. Ich habe dann
meiner Stieftochter gegenüber gesagt, sie kann ihren Vater im Heim besuchen, nach Ab-
sprache des Termins mit mir. Das Rausholen am Wochenende aus dem Heim habe ich ihr
mit Hinweisen auf die Heimleitung untersagt, da ich die Betreuung für meinen Mann habe.

Ergebnis: sie war heute bei ihm, um sich von ihm zu "verabschieden", und zu mir will sie
keinen Kontakt mehr. Sie hat also heute ihrem eigenen Vater diese emotionale Belastung zuge-
mutet, ohne darüber nachzudenken, was es evtl. mit ihm macht.

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Mich hat die Auseinandersetzung mit ihr alle innere Kraft
gekostet, ich bin nur noch am Weinen. Ich habe sogar noch versucht, in Telefonaten mit
Freunden und auch einer Therapeutin versucht, evtl. andere Gedankengänge einzusetzen,
aber mir fehlt jegliches Verständnis.

Dann diese Woche noch eine weitere telefonische Auseinandersetzung mit einer guten Be-
kannten, die sehr übergriffig ist und meine psychische Erkrankung bewertet und mir ihr
Urteil auch ungefiltert mitteilt. Dieses Problem besteht seit Jahren, da diese Frau eine
ehemalige Kollegin meines Mannes war und gut mit ihm befreundet ist.

Also wieder Abgrenzung, Kraft für die richtigen Worte. Dann dazu heute Telefonterror des
Käufers unseres alten Autos (für 50,oo Euro), der mich wegen angeblicher Unklarheiten heute
sogar bedroht hat.

Tenor: ich habe keine Lust mehr auf irgendwelche Zeitgenossen, die mich Kraft und Energie
kosten. Ich will auch keinen Versuch mehr unternehmen, andere evtl. doch zu verstehen und
meine Perspektive zu wechseln.

Ich habe die Nase so richtig voll. Ich brauche endlich Ruhe und Beständigkeit in meinem
Leben für meinen Mann und mich. Ich reagiere auf meine Umwelt beim Einkaufen, laute
Autofahrer, rücksichtslose Menschen nur noch aggressiv und könnte um mich herum alle
laut anschreien.

Klar ist: emotionale Überlastung. Ich kann mir Hilfe holen, nächste Woche habe ich einen
Termin bei meiner Ärztin.

Meine konkrete Frage an Euch: woher holt ihr in solchen Momenten Eure Kraft und Zuver-
sicht, doch weiter zu machen? Wie tankt ihr Eure innere Batterien wieder auf?

Sport kann ich momentan noch nicht machen wegen einer Muskelverspannung im Rücken.

Mir fällt in dieser schweren Zeit nur ein: Süßigkeiten, Bett, Sofa, TV, lesen einer banalen
Zeitschrift. Mehr geht nicht. Ideen sind herzlich willkommen.

Gabum
Monchen12345
Beiträge: 1873
Registriert: 18. Nov 2018, 23:21

Re: Woher immer die innere Kraft nehmen?

Beitrag von Monchen12345 »

Hallo Gabun,

vielleicht sprichst du mal mit deiner Ärztin ob psychisch-funktionelle Ergotherapie eine Option wäre.

Ich hatte damit angefangen und da ging es inhaltlich um das Thema wie man mit der eigenen Erschöpfung umgeht oder wo man was ändern kann. Jeder muss sich da selbst seinen Werkzeugkoffer zusammenstellen. Vorschläge gingen in die Richtung:
- bewusst 2x pro Tag 11 Min Pause machen unsmd sich wirklich hinlegen
-Atemübungen
- das Ganzen akzeptieren und lernen anders damit umzugehen.
- Vitamin-/Mineralienhaushalt testen lassen
-Abläufe ändern ... usw

Leider ging es nicht weiter, musste die Therapeutin wechseln und der erste Termin steht noch aus.

Alles Gute für dich.
Monchen
Sul
Beiträge: 441
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Woher immer die innere Kraft nehmen?

Beitrag von Sul »

Hallo Gabum,
mir helfen kleine Körperübungen, die ich in meinen Tagesablauf einbaue, z.B. die von Julie Henderson
https://www.amazon.de/Embodying-Well-Be ... 526&sr=8-8" onclick="window.open(this.href);return false;
oder einfach spazieren gehen, mit Feundinnen telefonieren, jemanden treffen, putzen, ausmisten, irgendetwas machen, wo ich kleine Erfolge sehe...
Ich kenne auch das eher passive Entspannen mit Süßigkeiten, TV, viel schlafen, aber da muss ich aufpassen, dass es mich nicht noch tiefer runterzieht.
Viele Grüße, Sul
Unwissend
Beiträge: 92
Registriert: 20. Apr 2020, 13:28

Re: Woher immer die innere Kraft nehmen?

Beitrag von Unwissend »

Hallo Gabum

Es freut mich, dass sich nun eine Lösung für deinen Mann ergeben hat, ich habe deinen damaligen Beitrag mitverfolgt.

Nach wie vor scheinst du mir eine starke Frau zu sein, du schreibst so klar, wenn ich deine Worte lese, erscheinen Bilder und ich spüre dabei nur Harmonie.

Mir gefällt folgender Satz von dir:

Tenor: ich habe keine Lust mehr auf irgendwelche Zeitgenossen, die mich Kraft und Energie
kosten. Ich will auch keinen Versuch mehr unternehmen, andere evtl. doch zu verstehen und
meine Perspektive zu wechseln.

Das ist die Lösung, auf jeden Fall erscheint es mir als Lösung und weil ich selber gerade in einer schwierigen Kriese stecke mit meiner Mutter, habe ich vor ein paar Wochen genau diese Entscheidung getroffen wie du sie hier beschreibst. Mir hilft es, das Geschriebene umzustetzen. Die Worte meiner Mutter, die Taten meiner Mutter, ich nehme sie nicht mehr persönlich sondern lasse sie die Worte aussprechen und gehe nicht mehr darauf ein.

Ich habe das Gefühl, dass du jetzt einfach dein Leben leben musst und die Tieftochter hätte dich nicht miteinbeziehen müssen, sie hätte das alles einfach alleine organisieren sollen.
SunnyMerle
Beiträge: 82
Registriert: 31. Mär 2020, 17:00

Re: Woher immer die innere Kraft nehmen?

Beitrag von SunnyMerle »

Hallo Gabum,

ich spare mir die "es wird alles wieder gut" Floskel. Immerhin sprach mich dein Text so sehr an, das ich mich mitteilen möchte. Denn ich weiß genau wie es dir gerade geht.

Wenn auch um einiges harmloser, ging bei mir die letzten 6 - 7 Wochen hier so einiges hoch her, das es stressig war, fällt mir jetzt erst auf wo ich zur Ruhe komme... was schon tief blicken lässt.

Was mich immer wieder auf den richtigen Kurs bring, mich erdet und tatsächlich so einen "einmal tief durchatmen" Moment schenkt, ist das sogenannte Gelassenheitsgebet.

Ich muss zwar einräumen, das ich es im Grunde nur Dank Stephan King kenne, der es in einem seiner Romane erwähnt. So nenne ich es auch gerne das "Anonyme Alkoholiker Gebet" denn, es ist scheinbar Standard Prozedur bei den AA.

Du kannst es dir auf Wikipedia gern ganz durchlesen. Es gibt nämlich noch mehr, aber mir reichen meist schon diese drei Zeilen:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.


Ob du dabei an den "Gott" glaubst oder nicht sei dahingestellt. Ich selbst habe meine Probleme damit und verwende daher die Formulierung "Herr" was mehr an dem englischen "Lord" am Anfang angelehnt ist.

Dann möchte ich mich dem Vorschlag der 10 - 15 Minuten bewusster Pause anschließen. Am besten an einem Ort wo du dich richtig wohl fühlst und wenn das die Dusche oder die Badewanne sein sollte, ist das mehr als in Ordnung. :D

Was mir auch hilft sind Hörbücher... und das Internet ist damit überflutet, also such dein Genre und lass dir was schönes vorlesen, schließe die Augen und verschwinde eine Weile "in einer anderen Welt." Denn du kommst garantiert gestärkt daraus zurück.

Laut singen, den Lieblingsong anmachen und tanzen.. und ganz ehrlich, wenn du schreien möchtest ist das auch vertretbar.

Ich brachte sogar meiner Tochter (6) diese "Kissenschreitechnik" bei. Man nehme ein Kissen, hole Luft, und dann presst man sein Gesicht in das Weiche Ding und schreit bis einem die Luft ausgegangen ist oder man verprügelt es!

Kann sehr befreiend wirken.

Viel Kraft weiterhin.

Gruß Merle
We are all stories in the end, lets make a good one.
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