Ich habe mich hier angemeldet, weil ich unter einer diagnostizierten (leichten bis mittelschweren) Depression leide (nebst Handlungszwängen), dies seit dem Tod meiner Mutter Anfang 2017. Ich fand diese Diagnose damals etwas übertrieben, da ich von einer normalen Trauerzeit ausging, aber mein damaliger Therapeut hat mich doch sehr gut eingeschätzt, denn ich leide immer noch darunter. Ich vermisse meine Mutter so sehr. Sie war meine einzige Vertraute. Sonst bin ich eher die Ansprechperson für andere in meiner Familie, aber sie war auch für mich da. Es war gegenseitig. Das fehlt mir einfach.
Meine 7-jährige Psychotherapie fand ein "natürliches" Ende durch die Karriere meines Therapeuten und dem damit verbundenem Ortswechsel. Wir waren beide der Ansicht, dass ich jetzt allein weitergehen könne, ich habe genug gelernt.
Ja, eigentlich schon. Ich hatte in meiner Psychotherapie sehr viel gelernt und auch umgesetzt, enorm viel Fachliteratur gelesen und Manuals durchgearbeitet. Ich schrieb jahrelang ein Therapie-Tagebuch, das ich immer noch führe. Es entwickelte sich immer mehr so, dass ich weniger therapeutische Zuwendung brauchte, sondern es für mich selbst klären konnte.
Wäre meine Mutter nicht gestorben, hätte es gereicht. Aber dieser Einschnitt war einfach zu groß auf Dauer, da ich nun komplett auf mich geworfen bin und meine verbleibenden Bezugspersonen ganz auf mir bauen. Es gibt da einfach kein Ohr für mich, weil sie mich brauchen und genug eigene Probleme haben. Ich bin nun die Elterngeneration als über 50-Jährige. Meine Eltern sind tot, meine liebe Tante starb auch gerade kürzlich. Die Generation meiner Eltern ist in beiden Familienzweigen komplett gestorben. Meine Tante war die letzte von 5 Geschwistern. Ich hätte sie gern noch einmal gesehen, aber es war zu spät.
Eine gute Freundin meiner Mutter wurde mir auch eine liebe Freundin, das war für eine gewisse Zeit sehr tröstlich, mich mit ihr auszutauschen, bis ich auf einmal merkte, dass sie eher der Typ Mensch ist, der sich komplett zurückzieht und alles für sich ausmacht. Es geht ihr selbst nicht gut, meine Mutter war ihr eine Hilfe. Es war eher so, dass sie meine Mutter brauchte und nicht umgekehrt, auch nicht gegenseitig. Irgendwie hab ich das in meiner Trauer viel zu spät realisiert, dass auch bei ihr die Ressourcen fehlen für ein gegenseitiges Geben. Es hat mich verletzt, weil ich mehr erwartete. Ich öffnete mich und hoffte, dass ich in dieser Freundschaft eine ähnliche Vertrautheit finde wie bei meiner Mutter. Dabei waren die Anzeichen am Anfang genug klar, ich hätte nie so viel erwarten dürfen. Es war mein Fehler.
Eigentlich möchte ich nicht so auf die Zuwendung eines anderen Menschen angewiesen sein. Ich möchte auch innerlich allein klarkommen, hege ich doch einen starken Glauben an Gott. Als Kind reichte mir das, in der Zeit, als meine Mutter extrem viel arbeitete und kaum Zeit fand für uns Kinder. Die schönen Gespräche mit ihr kamen viel später. Sie hatte mich auf einmal verwöhnt mit ihrer Liebe und Zuwendung. Ich konnte alles mit ihr besprechen. Sie war reif und weise. Sie brauchte oft nur wenige Sätze, um mich zutiefst in meinem Herzen zu berühren und mir etwas aufzuzeigen.
Ein Mann interessierte sich vor kurzem für mich und wollte mehr (eigentlich immer noch, aber ich brach den Kontakt ab), ich mochte ihn, aber mehr nicht. Ich bin ein Mensch der Sprache, er eher nicht. Er würde meine intellektuellen Themen gar nicht erst begreifen. Er hat ganz andere Interessensgebiete und auch bei ihm habe ich das Gefühl, dass er mich symbiotisch vereinnahmt, so wie meine Schwester es schon genug tut. Ich will das einfach nicht noch zusätzlich. Er hat so gar keine eigenen Ressourcen, sondern wäre auch jemand, der alles Mögliche von mir erwartet.
Ich bin überfordert von diesen anspruchsvollen Gefühlen mir gegenüber. Es schwächt mich noch zusätzlich zu meiner Schmerzkrankheit und der Depression. Wenn schon, dann möchte ich eine Vertrauensbasis zu jemandem, der eigenständig ist und wo das Geben und Nehmen wirklich ausgewogen, gegenseitig und gesund ist. Sonst bleibe ich lieber allein, hab schon genug Familie, die auf mir baut.
Ich möchte vor allem funktionieren. Theoretisch weiß ich, wie es geht. Ich habe es mir therapeutisch erarbeitet. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich meinem Therapeuten erklärte, dass ich an einem Selbstmotivationstext schreibe, der mir helfen soll zu funktionieren, trotz Schmerzkrankheit und geschwächtem Antrieb und oft fehlendem Zugang zu meiner Motivationsgrundlage. Das war mein angestrebtes Ziel für meine Zukunft. Ich musst zuerst da reinwachsen. Das wusste ich. Es fehlte mir damals nicht an Worten, sondern an Erkenntnis für diesen Text.
Entsprechend lange arbeitete ich an meinem Selbstcoaching-Text. Die letzte Ergänzung war letzten Monat. Seither habe ich das Gefühl, einen inneren Überblick zu haben. Ich konnte davon auch das Meiste umsetzen. Es funktionierte immer besser und ich kam sogar zeitweise in einen Flow, bis auf einmal wieder alles wegbrach, weil ich mich gestört fühlte durch etwas.
Ich lasse mich leicht ablenken und durcheinanderbringen. Deshalb vereinfachte ich mein Leben, um es mit den Einschränkungen meiner Schmerzkrankheit und den Handlungszwängen, die ich möglichst stark runterkurble, noch ausreichend zu bewältigen. Der Anspruch meiner Familie ist zu groß, das sabotiert mich immer wieder. Aber ich will funktionieren, auch für sie, denn auch ihnen fehlen Ressourcen, vor allem psychisch. Ich liebe meine Familie. Ich möchte mein Bestes geben, aber mein Bestes ist nicht gut genug. Das ärgert mich am meisten. Ich hasse es, eingeschränkt zu sein, gerade wenn ich meine Familie dadurch immer wieder enttäusche. Ich muss irgendwie damit klarkommen, vor allem psychisch.
Es erfüllt mich einerseits mit Genugtuung, mein therapeutisches Ziel erreicht zu haben, meinen Selbstcoaching-Text so gut hingekriegt zu haben, meine persönliche Selbstanleitung, mich dadurch auch viel besser steuern zu können als vorher. Das ja, es ist besser, ich bin nicht ausgeliefert, befinde mich nicht mehr in einer Lageorientiertheit. Ich stehe drüber, wackelig zwar, aber liege nicht mehr am Boden. Ich bin auf einem guten Weg.
Und das will ich jemandem sagen, der mir wirklich zuhört. Euch!
Ich glaube an mich, irgendwie werde ich es hinkriegen. Ich werde ohne Angst funktionieren. Es ist ein tägliches Aufraffen, das ja. Ich muss wissen wozu. Ich hätte so viele schöne Ziele. Das müsste mich eigentlich ziehen. Doch fehlt mir oft der Zugang zu meiner Motivationsgrundlage. Das dämpft meinen Antrieb. Deshalb muss ich es auch so künstlich und bewusst in mir erzeugen und mich sehr bewusst und geplant steuern, damit ich funktioniere. Deshalb schrieb ich alles auf für mich mit dem Bewusstsein, dass andere einfach so einen Motivationsschub haben und sie dadurch automatisch gepusht werden.
Auf der anderen Seite sehe ich auch bei meinen Familienmitgliedern viel Antriebslosigkeit und psychische Beeinträchtigung. Deshalb brauchen sie meine Hilfe. Ich bin der Coach, der ihnen hilft. Aber der Coach braucht selbst Hilfe. Ich kann von meiner Selbstherapie einiges weitergeben, bin aber selbst noch nicht ganz auf dem Gipfel. Dafür bin ich zu ablenkbar, werde schnell geschwächt und runtergezogen. Ich muss lernen, bei mir zu bleiben, bei mir und dem, was ich erledigen will und muss.
Das wäre also mein Einstieg hier. Danke fürs Zuhören! Ich hoffe, ihr könnt für euch daraus etwas rausziehen für euch selbst, damit es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist.
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eure Edith-Ruth