Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

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buchling
Beiträge: 2
Registriert: 7. Jul 2020, 19:08

Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von buchling »

Hallo erstmal,
ich bin neu hier und wende mich, nachdem ich ein paar Tage nur mitgelesen habe nun auch mit meinem Problem an euch in der Hoffnung, dass ihr mir vielleicht weiterhelfen könnt. Ich bin 22 Jahre alt und Studentin und nun habe vor ein paar Wochen bestätigt bekommen, was ich eigentlich schon lange wusste und es mir nur nicht eingestehen wollte. Laut Diagnose habe ich eine mittelschwere Depression. Nun habe ich mit Unterstützung meines Freundes angefangen mir Hilfe zu holen und hatte auch mein erstes Gespräch bei einer Psychiaterin. Die Frau ist nett und sehr empathisch aber einige Aussagen haben mich stutzig werden lassen, ob sie wirklich die richtige Wahl ist.
Zu meiner Situation: Heute habe ich einen einigermaßen guten Tag und kann hier deswegen auch so schreiben. In den letzten 5-6 Monaten sind diese Tage aber eher selten geworden. Ich hatte wochenlange Phasen, wo mich das Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber allem einfach übermannt und ich mich zu nichts mehr motivieren kann, das fängt bei aufstehen an und geht soweit bis zu solchen Sachen wie für mein Studium zu lernen etc.. Unterbrochen werden diese Phasen eigentlich nur von sehr traurigen Phasen, wo ich zwar etwas aktiver bin, aber mich so über mich und mein Verhalten ärgere und mich schäme, dass ich fast jeden Tag Heulkrämpfe bekomme und mich sehr einsam und hoffnungslos fühle. Meine Familie ist stark vorbelastet was Depressionen angeht und deswegen war es mir eigentlich schon länger klar, das die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch ist, dass ich dieselben Probleme habe wie z.B. meine Mama (manisch-depressiv), meine Oma(depressiv), mein Onkel(depressiv), mein Uropa(depressiv) etc... Nun aber zu der Therapeutin:
Das Gespräch fing für mich in soweit schon irgendwie komisch an, als dass das Ganze nicht in einer "normalen" Praxis stattfand, wie ich mir das vorgestellt hatte, sondern es eher bei ihr im Privathaus war; in ihrem Wohnzimmer um genau zu sein, wo überall noch Kinderspiele etc rumlagen. Auf der einen Seite war das zwar eine Atmosphäre in der ich mich wohlfühlen kann, aber so wirklich professionell wirkte es nicht auf mich. Die Therapeutin als Person war sehr lieb, bat mir einen Stuhl an und fragte die typischen Fragen: was führt sie hier her? wie lange haben sie schon ihre Beschwerden? was erhoffen sie sich von der Therapie usw... Im großen ganzen hat sie mich sehr viel von mir und meinem leben erzählen lassen, was auch ok war. Aber als ich zum Beispiel an der einen Stelle von meinem Vater erzählte und sagte, dass es gewisse Themen gibt, die ich bei ihm nicht anspreche, da ich manchmal denke, dass ihm in gewissen Momenten die empathische und soziale Ader etwas fehlt und er mich nicht versteht, warf sie ein, ob es nicht vielleicht sein könnte, dass mein Vater Asperger hat. Wo ich erstens mit riesig großer Sicherheit sagen kann, dass das nicht stimmt, ja schon fast absurd ist. Mein Vater ist Personaler und kann ganz gut mit Menschen umgehen, ist ja auch Teil seines Jobs, aber wir untereinander verstehen uns halt manchmal nicht. Was mich aber eigentlich daran so irritiert ist, das ich es merkwürdig finde, das eine Professionelle aufgrund von einem halbstündigen Gespräch mit einer gerade erst kennen gelernten Person solche Ferndiagnosen über eine fremde Person in den Raum schmeißt.
Zu meiner Skepsis deswegen kommt folgendes:
1. Sie hat mich für 4 Wochen krankgeschrieben, was ich ja noch irgendwie ok finde. und
2. Sie hat mir angeraten mir ein Urlaubssemester zu nehmen.
Ich habe ihr gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob das der richtige Weg ist, da ich vorallem weiterkommen möchte mit dem Studium und mir selbst, aber darauf ist sie nicht eingegangen.
Nun meine Frage an euch:
Wie seht ihr diese Ratschläge? Mein Verständnis bis jetzt aus Erfahrung mit meiner Familie war eigentlich immer, dass komplette Ruhe es nicht besser macht, eher im Gegenteil. Wichtig bei meiner Mutter ist es wenn sie depressive Phasen hat, vorallem sie zu aktivieren raus zu gehen, etwas zu machen. Deswegen hat mich der Ratschlag von ihr sehr irritiert. Ich habe nun erstmal trotzdem noch einen zweiten Termin ausgemacht, da ich nicht gleich nach der ersten Stunde aufgeben wollte, aber ich weiß nicht ob ihr Ansatz wirklich professionell und hilfreich ist... Vielleicht hat einer von euch ja eine Meinung dazu. Ich würde mich über den Austausch freuen.

LG euer Buchling(eine weibliche Form davon gibt es glaub ich nicht ;))


Und um noch ein Zitat was ich schön finde und zu meinem Namen passt:

Das Leben ist zu kostbar, um es dem Schicksal zu überlassen
von Walter Moers in "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär"
Meridian
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Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von Meridian »

Hallo Buchling,

zwei Fragen zum besseren Verständnis:
Sie ist Psychiaterin und Therapeutin? Welche Therapierichtung?

VG, Meridian
buchling
Beiträge: 2
Registriert: 7. Jul 2020, 19:08

Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von buchling »

Hallo Meridian,

Also sie ist Dr. med. und auf ihrem Schild steht psychologische Psychotherapie. Anbieten tut sie sowie ich sie verstanden habe: Gesprächs- und Verhaltenpsychologie und auch tiefenpsychologische Behandlungen
Klärt das deine Frage?
LG
Meridian
Beiträge: 512
Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von Meridian »

Hallo Buchling.

ja, das klärt sie, danke.
Zum einen ist es gut, dass du dir Hilfe und Unterstützung suchst.
Zu deinen Fragen und Zweifeln:
Es ist zumindest ungewöhnlich, dass sie die Therapie in ihrem Wohnzimmer durchführt.
Klingt irgendwie nach Homeoffice. Hat sie das denn erklärt?
Ich denke, eine gewisse Distanz (auch räumlich) zum Privatleben des Therapeuten ist wichtig
für beide Seiten, also wenn die Therapie schon im Wohnhaus des Therapeuten stattfindet, dann sollte es zumindest einen Praxisraum geben.
Dass dein Vater vielleicht Asperger Autist sein könnte, versteh ich nicht so sehr als (Fern)diagnose, sondern als Vermutung / Erklärung seines Verhaltens, das du geschildert hattest, aber mir käme das auch etwas vorschnell vor, wenn das im ersten Gespräch geäußert wird und generell geht es bei der Therapie ja um dich und nicht um deinen Vater.
Dass sie dich erstmal krankschreibt und dir zu einem Urlaubssemester rät, finde ich in Ordnung,
aber sie sollte natürlich auch berücksichtigen, was du möchtest, d.h. wenn es dir nicht besser geht, wenn du mit dem Studium aussetzt, dann ist das ja kontraproduktiv und das sollte sie mit dir besprechen.
Ich kann deine Zweifel also gut verstehen, ob sie die richtige Therapeutin ist.
Vielleicht kannst du das ja beim nächsten Termin ansprechen, das sind ja jetzt noch die probatorischen Sitzungen, in denen du klären kannst, ob das überhaupt passt mit der Therapeutin.

Alles Gute und VG, Meridian
yellohmellow
Beiträge: 231
Registriert: 2. Mär 2019, 09:01

Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von yellohmellow »

Hallo Buchling,

Ich denke, sie ist ärztliche Psychotherapeutin und arbeitet eventuell auch mit Kindern. In der Therapie von Kindern werden häufig auch „Spielsachen“ eingesetzt, die dann allerdings eine therapeutische Funktion haben. Das sollte Dich also nicht gleich veranlassen, an der Kompetenz zu zweifeln. Das was Du als Wohnzimmer bezeichnest, ist vielleicht einfach ein Setting für die Therapie, in dem der Klient sich „wie zuhause“ fühlt, was ja nicht unbedingt schlecht ist.

Ich denke deshalb, daß die Frage, ob Dein Vater eventuell ein Asperger Syndrom hat, aufgrund Deiner Schilderung erfolgt ist. Es hätte ja durchaus sein können, daß er daran leidet, ist ja auch kein Verbrechen. Jedenfalls sehe ich darin eher eine Verständnisfrage als eine vorschnelle Diagnose.

Die Krankschreibung ist eine andere Sache. Als Studentin (ich hab auch mal studiert) braucht man sowas doch gar nicht, es sei denn, es stehen wichtige Zwischenprüfungen an, von denen man sich dadurch befreien kann. Falls Letzteres zutreffen sollte, wäre das für mich verständlich angesichts Deiner aktuellen gesundheitlichen Verfassung. Schlechte Ergebnisse deswegen in den Prüfungen würden Dir ja tatsächlich schaden.

Den Vorschlag, daß ein Urlaubssemester Dich vielleicht erstmal entlasten könnte, verstehe ich nicht als Anweisung sondern eher als Anstoß, worüber Du vielleicht nachdenken könntest. Ob Du darauf eingehst oder nicht hängt ganz von Dir ab, wie überhaupt alles, was in der Therapie abläuft. Die Entscheidung triffst immer Du, das kann und darf Dir in einer Therapie nicht abgenommen werden.

Wichtig ist allerdings, daß die Chemie stimmt zwischen Dir und der Therapeutin. Dafür gibt es ja die sogenannten probatorischen Sitzungen, wo man Gelegenheit bekommt, auf beiden Seiten, abzuklären, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll ist und in Frage kommt.

Ich hoffe, Du bist auf dem richtigen Weg. Aber wenn Du weiter ein ungutes Gefühl hast, solltest Du darüber nachdenken, zu wechseln.

LG yellohmellow
Zuletzt geändert von yellohmellow am 13. Jul 2020, 22:30, insgesamt 1-mal geändert.
yellohmellow
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Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von yellohmellow »

Fehleingabe
Zuletzt geändert von yellohmellow am 13. Jul 2020, 22:29, insgesamt 1-mal geändert.
Cynthia
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Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von Cynthia »

Das Problem bei der Generation, in der Buchling ist, ist ja auch, daß diese immer einen lückenlosen Lebenslauf nachweisen müssen. Das ist ja ein hoher Druck. Ich würde die Psychiaterin alles fragen was mich verunsichert. Natürlich ist es aus psychologischer Sicht wahrscheinlich ratsam ein Urlaubssemester einzulegen, aber was sind die langfristigen Folgen dessen? Diese Fachleute sehen die Dinge fast immer nur aus ihrer psychologischen/psychiatrischen Sicht. Die Folgen ihrer Entscheidungen müssen wir als Klienten tragen.
Gartenkobold
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Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von Gartenkobold »

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Zuletzt geändert von Gartenkobold am 25. Mär 2022, 13:04, insgesamt 2-mal geändert.
Monchen12345
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Re: Unsicherheit über Kompetenz meiner Therapeutin

Beitrag von Monchen12345 »

Hallo Buchling,

Mein erster Therapeut hat auch in seinem Privathaus seine Stunden abgehalten.
Aber es gab in dem Haus nen Therapiezimmer und bis auf die Toilette ist man auch gar nicht in die privaten Räume gekommen.
Ich fände das auch merkwürdig. Der Therapeut hat das auch strikt getrennt. Wenn er die Tür zum Therapieraum zumacht, ist für ihn Feierabend.

Ich fand die Ruhe und Auszeit sehr gut, habe ca. 1,5 Jahre nicht gearbeitet. Die ersten Monate lief noch die Abendschule, aber auch das war teilweise das maximale, was zu der Zeit ging. Hört sich erstmal etwas merkwürdig an, einem Depressiven noch mehr Ruhe zu verordnen, aber es nimmt halt auch ganz viel Stress aus der Situation. Aktuell kannst du vermutlich nicht viel für die Uni machen, müsstest aber und das erzeugt je nachdem wie man gestrickt ist, schon ordentlich Stress.
Es ist ja nicht so, als würdest du nichts machen. Therapie ist viel Arbeit und deutlich mehr als nur die eine Stunde, ich war im ersten halben Jahr nach jeder Stumde für 2 Tage durch und zu nichts mehr zu gebrauchen. Neben der Psychotherapie hatte ich noch Ergotherapie. Es kam immer mal der ein oder andere Termin hinzu und an sich arbeiten ist auch nicht so ganz ohne. Es wäre dann ein Freisemester, aber nicht ohne Beschäftigung.
Ich weiß ja auch nicht ob du noch arbeiten musst um dein Leben zu finanzieren.
Mit dem geraden Kebenslauf würde ich mich nicht zu sehr stressen. Das wird heißer diskutiert, als es am Ende ist.
LG, Monchen
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