Depression oder einfach nur verletzter Stolz

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Chrs
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Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Chrs »

Hallo,

ich habe mich in diesem Forum angemeldet, da ich gerade nicht weiß, wie es weitergehen soll und dabei bin mir selber zu schaden. Zu mir: 40 Jahre, verheiratet, Kinder

Angefangen hat alles mit einem Nachbarschaftsstreit, der sich über 3 Jahre hinzog. Ich habe während dieser Zeit über Monate jeden freien Gedanken daran verschwendet (vielleicht so 1.000-2.000 Mal am Tag) und mir war klar, dass es für mich so nicht weitergehen kann. Da es auch um Lärm ging, konnte ich auch nicht abschalten, sondern wurde immer wieder damit konfrontiert. Es ging so weit, dass ich meinen Job gewechselt hatte und unter der Woche in einer anderen Stadt mit eigener Wohnung gearbeitet habe. Ich war während dieser Zeit (3 Jahre) nur am Wochenende zuhause, damit ich unter der Woche normal funktionieren konnte. Damals hatte ich auch Antidepressiva genommen, die mir aber in der Situation nichts gebracht haben. In dieser Zeit ist sehr viel mit meinem Innersten passiert.
Das Paradoxe, ich war in der Zeit beruflich sehr erfolgreich.

Die Situation hatte sich dann aufgelöst (Nachbar hat nachgegeben). Mir hatte der Job gut gefallen (er war perfekt für mich), mir ging es gut, ich war auf einem richtigen Hoch. Aber für die Beziehung war es eher schwierig. Daher habe ich meinen alten Job wieder angenommen und bin wieder nachhause. Beim alten Arbeitgeber wurde mir viel versprochen und nichts gehalten. Bin hier ziemlich unglücklich und fühle mich deplatziert und unterfordert. Mir wurde gesagt, "wenn es Dir nicht passt, kannst Du auch kündigen". Es folgte ein Zusammenbruch und habe mit Psychotherapie angefangen.

Thema bei mir ist wohl, dass ich sehr sensibel auf Bevormundung und Fremdbestimmung reagiere. Es wurde besser. Ich dachte, ich hätte an mir gearbeitet. Auch was die Beziehung zu meiner Frau betrifft.

Jetzt gab es allerdings gab es wieder einen auslösenden Moment. Es gab die Diskussion über ein Gartenhaus. Das haben die Schwiegereltern mitbekommen und uns dieses sogleich geschenkt und aufgestellt. Ich wurde indirekt unter Druck gesetzt. Hatte meiner Frau 2 Tage vorher noch gesagt, dass ich das aus verschiedenen Gründen nicht möchte. Mir war es einfach zu viel. Wollte in meinem Urlaub ausspannen. Wollte nach unserem Hausbau nicht mehr mit ihm (Schwiegervater) arbeiten, da er ein Chef-Mensch, ein Macher ist, der jede Meinung zulässt, solange sie sich im Großen und Ganzen mit seiner Deckt. Jetzt steht das Ding (und bin immer noch nicht damit einverstanden, ist nicht so, wie ich das wollte). Trotzdem will mich eigentlich noch um so Dinge wie Stromanschluss etc. kümmern, damit das dann wenigstens so ist, wie ich das gerne möchte. Hab aber eigentlich gar keine Kraft mehr dazu.

So, bin jetzt hin- und hergerissen, zwischen alles hinschmeißen (wirklich alles) oder irgendwie weitermachen. Meine Frau hat unterschätzt, welche Gefühle es in mir auslöst. Ich bin selber immer noch erschlagen, dass ich so stark reagiere!

Es fühlt sich gerade so an, als würde ich einen Dorn im Fuß nicht rausbekommen und überlege (im übertragenen Sinn) mir das Bein abzuschneiden. Nachts ist es schlimm, am Tag bin ich oft so, dass ich sage, ok, ist so, mach das Beste draus und bleib das nächste Mal mit Deiner Meinung, mit Deinem Interesse stark, beim nächsten Mal setzt Du Dich durch.

Eigentlich eine Kleinigkeit, viele würden sich darüber freuen. Hab überlegt, es hier überhaupt zu schreiben. Ist doch ein Luxus-Problem. Für mich bedeutet das aber so viel mehr.

Ich merke, dass ich mich abkapsele. Gegenüber meiner Frau und auch meinen Kindern. Vielleicht wurde nur mein Stolz verletzt und ich kann nicht damit umgehen? Ich glaube, dass es auch daran liegt. "Ihr habt mich übergangen, jetzt schaut, was ihr damit anrichtet". Das ist wohl sehr dumm von mir. Irgendwas in mir sträubt sich aber gerade dagegen, an mir weiter zu arbeiten. Irgendwas in mir will einfach keine Ruhe geben. Ich habe mir für nächste Woche einen Termin bei einer Neurologin geben lassen, damit sie mir wieder Antidepressiva verschreibt. Hab jedoch Angst vor den Absetzerscheinungen und den Nebenwirkungen. Mit meiner Therapeutin konnte ich noch nicht sprechen, da sie im Urlaub ist. Aber wie so oft, es schwierig Hilfe von außen zu bekommen, die Lösung kann nur von mir selber kommen. Wenn ich aber so weitermache, dann zerstöre ich mein Leben, die Familie und weiß eigentlich gar nicht warum!

Liebe Grüße, Julian
Kirsten29
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Julian,

herzlich Willkommen und Danke fürs Teilen deiner Geschichte.

Ich kann dir zwar leider keinen genauen Tipp geben. Deine Geschichte klingt für mich auch sehr komplex. Mit dem neuen Job in einer anderen Stadt ging es dir gut. Für die Familie bist du wieder zurück und ihr steht vor großen Herausforderungen. Puh, gar nicht so einfach.

Was mich aber an deiner Geschichte so berührt, ist die Wut, die für mich aus deinen Zeilen mitschwingt (ohne Wertung). Und ein solcher Chef-Mensch ist auch mein Vater. Habe ich erst letzten Samstag wieder erleben dürfen. Zusammen mit seiner Freundin, meinem Bruder und dessen Freundin besuchten sie mich. Ich wusste vorher schon, dass besonders ihn die Art und Weise meiner Einrichtung mächtig antriggern wird. Ich überlegte schon, einige Zettel von der Wand abzunehmen, dachte aber: "Nein, das ist MEINE Wohnung!" Und natürlich passierte es. Vor allen anderen fährt er mich urplötzlich an: "Also, solche Gedanken [meine Zettel] - das geht ja mal gar nicht! Kein Wunder, dass es dir nicht gut geht. Du verschwendest hier deine Energie!" Batsch. Das war sein Statement. Widerworte sind dann völlig zwecklos. Und was er sagt, gilt in seiner Vorstellung für alle. Ich will dir damit nur sagen: Du bist nicht allein :).

Woran ich hängen geblieben bin, sind deine Worte: "Irgendwas in mir sträubt sich aber gerade dagegen, an mir weiter zu arbeiten. Irgendwas in mir will einfach keine Ruhe geben". Wenn du diesem "Irgendwas" eine Stimme geben könntest - was würde es sagen?

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Chrs
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Chrs »

Hallo Kirsten,

vielen Dank für Deine Antwort.

Ja, ist alles nicht sehr einfach und schon gekürzt ;-). Ist auch etwas länger geworden. Aber so komplex sind auch meine Gefühle zur Zeit. Noch vor einiger Zeit, hätte ich das einfach abgeschüttelt. Aber jetzt? Jetzt kenn ich mich einfach nicht mehr.

Ich glaube, dass das "irgendwas" ein sehr kindlicher Teil von mir ist. Es fühlt sich so an, als würde der Erwachsene einfach nicht mehr wollen oder können. Die Nerven liegen einfach blank da, ohne den natrülichen Schutz, den man sich als Erwachsener aufbaut. Es hat bei mir viele alte Wunden aufgerissen. In der Beziehung mit ihm, mit meiner Frau und wenn man so will mit mir selbst.

Gute Nacht und viele Grüße, Julian
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Kirsten29 »

Ich bin natürlich kein Profi, Therapeutin usw. Aber was du beschreibst, klingt für mich, als wäre da viel in dir angestaut. Würde dieser kindliche Anteil in dir vielleicht gern noch etwas tun wollen? Brüllen, schreien, um sich hauen oder was anderes?
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Aurelia Belinda
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo u. Willkommen hier Julian,

Dein Verlauf wäre im Prinzip gut nachvollziehbar von vielen Menschen.
Ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit hinterlässt große Spuren, bei allen Beteiligten. Das scheint aber nicht Hauptauslöser zu sein für deine psychischen Behandlungen wie Therapie, Tabletten.
Vielmehr glaube ich persönlich, dass es wahrscheinlich eine Summe aus mehreren “Bevormundungen“.
Es wurde ja schon bei der Therapie erörtert dass du damit nicht gut klar kommst.
Gut, wer möchte schon regelmäßig bevormundet werden. Niemand!
Ob es nun überwiegend daran liegt, dass du vielleicht gar keine Lust mehr hast “an dir zu arbeiten“ mag ich nicht beurteilen.
Wäre aber eine Möglichkeit, so quasi, warum soll ich ständig an mir arbeiten, sollen doch die anderen mal begreifen was sie da tun, wie sie mich damit verletzen.
Immer soll ich gut Wetter machen, mich überrumpeln lassen....

So ähnlich kommt mir deine Situation vor. Wenn ich falsch liege, auch okay. Ist halt mein erster Eindruck so.

Zu deiner Frage in der Überschrift,
Mit NUR verletzem STOLZ hat das für mich nichts mehr zu tun.
Eher mit, öfter in der Vergangenheit “übergangen“ worden.
Und jetzt im Zwiespalt, will ich mir das weiter gefallen lassen, kann ich damit Leben?
Oder schmeisse ich hin, weil das Dass voll ist....

Diese Entscheidung ist aber sicher schwer, du hast Kinder.
Guter Rat ist da teuer.
Bis zu einem gewissen Grat denke ich, kann sich der Mensch, auch mal mit unliebsamen Begebenheiten oder Fehlverhalten anderer, arrangieren.
Kommt auf die Intensität an, und wie arg es dich belastet, behindert in deinem Sein, in deiner Entfaltung, in deiner Ehe.
Wer oft gekränkt wird....
Nichts anderes ist Bevormundung.

Grüsse dich, Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
DieNeue
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von DieNeue »

Hallo Julian,

ich glaube, da würde es mir ähnlich gehen.
Das Verhalten deiner Schwiegereltern war einfach übergriffig. Man stellt nicht einfach anderen Leuten mal ein Gartenhaus in den Garten, wenn es vorher nicht genau geklärt ist. So ein Teil baut sich ja auch nicht so einfach wieder ab, sprich man kann eigentlich nichts dagegen machen. Wenn du es wegmachen lassen würdest, dann wäre wahrscheinlich Polen offen, nehme ich mal an. Du wurdest einfach überrumpelt. Und das ist nicht fair.
Dass man da dann keine Lust hat, nur "an seiner Einstellung zu arbeiten", damit man damit klar kommt, finde ich irgendwie verständlich. Irgendwie muss die Wut raus und nicht gleich zugekleistert werden mit rationalen Gedanken wie "Ist doch eigentlich nett von ihnen, ist doch ein Luxusproblem, ich sollte mich nicht so anstellen usw."
Und ja, da will man einfach auch mal beleidigt sein.
In nem Film hab ich mal eine Szene gesehen, da hatten zwei Männer gestritten und der eine meinte zum anderen "Okay, sind wir wieder gut?" und der andere so "Nö. Ich will lieber noch ein bisschen beleidigt sein." ;)
Ist zwar schon vielleicht ein kindliches Verhalten, aber ich denke auch einfach menschlich. Ist ja auch eine gewisse Macht, die man dann hat über die anderen, die unter dem Beleidigt sein "leiden". Und wenn die anderen ihre Macht zeigen, indem sie dir einfach ein Gartenhaus in den Garten pflanzen, dann ist das quasi die Revanche. ;)

Wenn ich grade niemanden zum Reden habe, google ich öfters nach Schlagwörtern von meinem Problem. Hilft manchmal auch, weil man manches etwas besser einordnen kann. Vielleicht hilft dir ja ne Suche nach "beleidigt sein" weiter ;) Das würde ich machen, wenn mich nachts um 12 so ein Problem beschäftigt.

Liebe Grüße,
DieNeue
Aurelia Belinda
Beiträge: 7952
Registriert: 23. Aug 2018, 20:03
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Aurelia Belinda »

Huhu Kirsten,
Ah ja!! Das wird wohl der Grund sein, dass es dir nicht gut geht..
Deine ZETTEL und deine “komischen“ Gedanken. Das kommt mir sehr bekannt vor von meinen Eltern.
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Kirsten29
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo liebe Aurelia,

ich empfinde da auch wie du: übergangen, bevormundet, nicht ernst genommen. Wie ein Vulkan, der kurz vorm Ausbrechen ist. Aber das sind auch nur meine Eindrücke.

Und zu dem, was du an mich gerichtet hast: Was mich jedes Mal aufs Neue umhaut, sind diese absoluten Formulierungen. Kein Verständnis, kein Mitgefühl, kein Nachfragen. Hauptsache, die eigene "allgemeingültige" Meinung rausplauzen. Puuuuuh, ruhig Blut, Kirsten :).

Gute Nacht an alle!
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
enduro
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Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von enduro »

Hallo Julian,

ich würde nicht gleich zu Medikamenten greifen, eher an dem Problem arbeiten mit dem Therapeuten, ich kann dies sehr gut nachvollziehen und habe wirklich gelernt mich durch zu setzten was mir sehr gut getan hat aber ich auch so genannte freunde verloren.

ich habe immer mal Phasen, aber ich diskutiere das immer sehr gerne aus und erkläre meinen Standpunkt.
Ist nicht einfach für mich und die beteiligten Personen:)
Aurelia Belinda
Beiträge: 7952
Registriert: 23. Aug 2018, 20:03
Wohnort: Mittelfranken

Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Aurelia Belinda »

Liebe Kirsten,
Oh ja. Ruhig Blut. Lieber die Fassung behalten und auf sich schauen.
Die anderen, ohne Verständnis, werden wir nie überzeugen können, dass unser Weg, der für uns Beste ist.

Ich weiss in jedem Fall wie sich das anfühlt, was dein Vater gesagt hat...

LG Aurelia
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Katerle
Beiträge: 11298
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von Katerle »

Hallo Julian,

auch von mir herzlich Willkommen im Forum und danke für deinen Beitrag.

Es ist erstmal gut, dass der Nachbarschaftsstreit beendet ist.
Und ja, bevormundet zu werden oder nicht ernstgenommen usw. ist schlimm. Das Beste draus zu machen bzw. sich beim Nächstenmal durchzusetzen ist ein guter Ansatz. Das Umsetzen ist halt nicht ganz einfach, aber mit etwas mehr Übung, wird auch das besser gelingen.
Rede mit deiner Neurologin wegen evtl. Medikamente und auch über deine Sorge wegen Absetzerscheinungen oder Nebenwirkungen. Und gehe weiter zu deiner Therapeutin, nach dem Urlaub.
Bis dahin kannst du ja hier weiterschreiben oder du machst dir zu Hause ein paar Stichpunkte, was du sagen willst, wenn du eine Meinung hast und sie auch durchsetzen möchtest. Lass es nicht mehr zu, dass über dich bestimmt wird und sei ruhig auch mal deutlich in deinen Äusserungen.

Alles Gute für dich
Katerle
SunnyMerle
Beiträge: 82
Registriert: 31. Mär 2020, 17:00

Re: Depression oder einfach nur verletzter Stolz

Beitrag von SunnyMerle »

Hallo Julian,

deine Geschichte kommt mir sehr bekannt vor und rennt genau in die Richtung die ich kenne.

Ich kann mich nur den vorhergehenden Kommentaren anschließen, die betonen wie komplex und dennoch bekannt mir das ganze vorkommt.

Wenn ich das so schreiben darf, es ist irgendwie beruhigend das es auch Männern passieren kann.

Ich kann eine ähnliche Geschichte erzählen, beginnend bei meiner Oma, sehr über griffiges und bevormundendes Verhalten gegenüber meiner Mutter/mir.

Es wurde von meiner Mutter akzeptiert (ihre Worte, nicht meine), weil man diese Hilfe brauchte... Hypothek auf dem Haus, Ärger mit Autos, Unfälle und keinerlei Vertrauen gegenüber meinen Vater. Woher das kam, fanden wir allerdings erst sehr, sehr viel später heraus. Darum gehört es auch nicht ganz hier her.

Allerdings wurde dieses Verhalten, wenn auch in leicht abgeschwächter Form weiter "vererbt" meine Mutter verhielt sich genauso. So ist es wohl kaum überraschend das ich erst mit 26 Jahren ausgezogen bin und meinen jetzigen Mann mehr oder weniger "überfallen" habe.

Was er und ich dann mitgemacht haben war kein Zuckerschlecken, immer und immer wieder musste ich Übergriffe ertragen oder diese meiner Mutter abgewöhnen... Wie zum Beispiel für Wochen im voraus uns essen ein zu kochen.

Ich weiß noch heute, wie ich einmal weinend in unserer damaligen Mietwohnung stand und meinem Mann eingestand, das meine größte Angst sei, wenn meine Eltern bzw. mein Vater Rentner sei würden sie vermutlich so oft sie wollten UNANGEMELDET vor meiner Tür auftauchen.

Erst vor kurzem, eigentlich Dank der Coronakrise kam für mich heraus, was mich wirklich an diesen überraschenden Besuchen störte.

Sie kam "überraschend" zu Besuch, doch sie tat was sie immer tat. Ihr weg führte sie nach oben... in das Schlafzimmer von meiner Tochter. Der Bettbezug war "nicht gut genug", nicht warm genug.
Dann zu dem "Elternzimmer" oder "Kleiderzimmer" der Schrank wurde auf gemacht und die Ordnung, die ich mir selbst durch ihre Abwesenheit und ohne den ständigen Eingriff von ihrer Seite (alle vierzehn Tage) gemacht hatte, wurde umgehängt.
Als ein Ausflug zur Diskussion stand, reichten die Strickjacken meiner Tochter nicht aus, eine ganz bestimmte Jacke sollte her... bei späterem nach hacken, glaubte sie ich wüsste nicht wo diese fragliche Jacke sei... doch genau wie meinen Schrank, hatte ich auch Sophies Schrank mit dieser auf ihre Bedürfnisse und die Wetterverhältnisse umgestellt.

Ich kochte schon da, war doch immer wider das Thema, ich sei unumgänglich. Wieder und wieder fragte ich meinen Vater, der ja angeblich immer auf der Seite meiner Mutter war, wenn sie gingen und ich mit ihr gestritten hatte. "...und darüber soll ich mich jetzt nicht aufregen?"

Ich konnte fraglichen Tag nicht ausformulieren, was mich störte, ich kannte es ja schließlich nicht anders. Doch als am Folgeabend meine Tochter mich fragte, ob sie ihr "altes" Bett wieder haben könnte. Das was Oma bezogen hätte wäre zu warm... da machte es klick!

Ich begann eine Nachricht auf WhatsApp, noch während ich sie schrieb liefen die Tränen... und zwar nicht wegen Schuldgefühlen, sondern weil ich etwas erkannt hatte.

War es nicht so gewesen, das meine Tochter auf einmal ein "Ablenkungsmanöver" fuhr, als meine Mutter und ich stritten? Zu gern war ich darauf eingegangen, zu dankbar war ich meiner Kleinen dafür... bedankte mich sogar bei ihr, als meine Mutter weg war.

So etwas hatte ich auch gemacht... als Kind... um die streitenden Erwachsenen auf dem Familienfest ab zu lenken!

Nein! Nein ich wollte nicht, das meine Tochter eines Tages auf diese Familientreffen zurück blickte, mich und meine Mutter streitend und sie die es zu schlichten versucht, obwohl sie nichts damit zu tun hatte!

Ich schrieb einen Brief... erst war es nur eine WhatsApp Nachricht. Doch weil ich mir nicht sicher war, ob meine Eltern oder in diesem Fall meine Mutter in der Lage war, zu bemerken das man den Text "ausklappen" muss, kopierte ich das ganze und schickte es ihr in Briefform.

Die Nächte danach waren ein Alptraum... wortwörtlich, denn rechnete ich immerhin damit das das Telefon klingelte und ich mir anhören müsste. Was mir den einfiele, man wollte doch schließlich nur helfen, wieso ich so undankbar sei, obwohl ich doch vorher das ganze akzeptiert hätte.

Doch nein... zu meiner großen... sehr, sehr großen... Überraschung kam ein SORRY.

Am Vatertag war ich bei meinen Eltern, sprach meinen Vater auf den Brief und die Reaktion meiner Mutter darauf an. Ich vermutete nämlich das ich einzig, ihm diese Entschuldigung zu verdanken hätte. Doch wieder falsch, sie sei sehr einsichtig gewesen, als sie den Brief gelesen hatte... whuat?

Ich genieße diese "Weiterentwicklung" mit Vorsicht, glaubte ich doch schon häufiger endlich "Verstand" in meine Mutter zu bekommen. So warte ich ab, genieße was ich erreicht habe und werde zukünftige Tyrannei, vielleicht besser erkennen und auch benennen können. Ohne "die unumgängliche Tochter" zu sein, mit der man "nicht mehr normal sprechen" kann.

Letztes Wochenende waren meine Eltern wieder hier, wir brauchten Hilfe um unser Badezimmer zu entkernen. Eigentlich hätte es gereicht, wenn mein Vater gekommen wäre... nun... ich musste sie zwei Tage ertragen... ja ERTRAGEN. Denn immerhin war da der Krach im Haus, meine Tochter der das auf die Nerven ging und meine Mutter die nicht eine Sekunde still halten konnte.

Dann am zweiten Tag, musste sie einkaufen und ich schwöre... bei allem was mir heilig ist und dazu gehören die bis jetzt existenten Werke von Stephan King und seine damit erschaffenen Welten, Götter, Helden und Wesen... das sie gesagt hat, sie nähme Sophie am Abend mit zu sich.

Ich setzte wieder einen Brief auf, in dem ich klar stellte, das hier scheinbar keine Entscheidung ohne jegliche Absprache und eindeutig über meinen Kopf hinweg getroffen würde und... verschwand. Natürlich wurde ich angerufen von ihr, ich lehnte erst einmal ab, man sprach mir auf die Mailbox.

Da passierte wieder etwas überraschendes... meine Mutter sagte, sie habe mit meiner Tochter gesprochen. Sie habe die Entscheidung getroffen, das sie bei uns bleiben wollte und meine Mutter akzeptierte dies.

Tja, was kann man da sagen? Ich habe mein Kind scheinbar selbstbewusst genug erzogen für sich selbst eine Entscheidung zu treffen und diese Auszuformulieren. Darauf kann ich schon einmal stolz sein... aber ich bin mir fast sicher, vor ein paar Jahren noch wäre das anders ausgegangen.

Hier ist vielleicht auch der springende Punkt für dich.

Da hat sich eine Menge getan, eine Menge verändert, du hast dich weiter entwickelt.
Ich denke dabei an den Satz, das du es früher "abgeschüttelt" hast, das ist eben die Frage... ist es wirklich so?
Immerhin hast du auch gesagt, dir gingen 1000 Gedanken wegen den Nachbarn durch den Kopf.
Mein Mann hat auch mir zur Liebe, nicht viel zu dem gesagt, was meine Eltern hier so gemacht haben.

Doch ich erzählte ihm immerhin von dem Brief, bat ihn sogar vor dem erwähnten Wochenende um Unterstützung falls nötig. Nun, er hat ein Badezimmer zu entkernen und ich musste damit allein klar kommen, ich war wie erschlagen nach dem Wochenende... mein Mann auch... nur eben aus anderen Gründen. Da bin ich auch heute (Sonntag) garstig zu ihm geworden... allerdings mit der Erklärung.

"Glaubst du wirklich, ich hatte weniger Arbeit als du? Nein, ich war körperlich auch angespannt, weil ich bei einen geistigen Zick zack Kurs meiner Mutter mithalten musste"

Wichtig sollte dir sein, mit deiner Frau offen weiter zu reden. Wer weiß, vielleicht hat sie das mit dem Gartenhaus auch nur durchgewunken, weil man es ihr aufgeschwatzt hat? Vielleicht fühlte sie sich ebenso gedrängt und hat dem "Chef" Vater eben einfach nachgegeben. Das du nicht "Chef" genug warst, will ich damit nicht sagen... denn wie du selbst geschrieben hast, hat sie selbst nicht mit deiner heftigen Reaktion gerechnet.

Darum: Reden, Reden, Reden oder vielleicht schreiben, wenn das einfacher fällt. ;)

Gruß Merle
We are all stories in the end, lets make a good one.
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