Ich möchte mich vorstellen

Jacky55
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Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Hallo, guten Tag,
lange hab ich nach einem Forum wie diesem gesucht und würde mich hier gern einbringen.
Ich bin Jacky, 55 Jahre, aus dem Großraum Leipzig, LKW- Fahrer im Nahverkehr
und wohne allein auf dem Dorf.
Vor 15 Jahren bekam ich bei einem langen, bitterbösen Ehe- und Scheidungskrieg
das erste Mal die Diagnose Depri/ Burn out/ Trauma.
Für mich war das erst mal schwer zu verstehen und zu akzeptieren.
Das bedeutete aber nicht, dass ich jetzt von meinem Umfeld Schonung erhielt.
Es ging erst richtig los.
Meine Ex hat gut vorgearbeitet, schlimme Lügen über mich im Dorf, Freundeskreis
und beim Jugendamt verbreitet.
Ich verlor meine Kinder, meine Freunde, hatte eine Privatinsolvenz am Hals und
keine Kraft und Nerven mehr.
Ich hatte noch eine gute Freundin mit ähnlicher Diagnose, einen Arbeitgeber mit sehr langen Atem
und die Tagesklinik in Dessau.
Mit der Freundin tat ich mich zusammen und wir stemmten eine sehr lange und schwere Zeit.
Und wir schafften das unmögliche.
Wir hatten uns, mit viel Liebe und Verständnis, schafften die himmelhohe finanzielle Hürde
und die unendliche seelische Belastung.
All das hat natürlich seine Spuren hinterlassen, ich bin nur noch bedingt belastbar,
gehe nur noch 4 Tage die Woche arbeiten, bin auf Medikamente angewiesen und habe einen GdB.
Nach zehn Jahren hatten wir das Leben wieder zurück, meine Kinder kamen wieder zu mir, das Haus war wieder meins und in der Kasse lag ein guter Notgroschen.
Leben, du kannst so einfach und nicht schöner sein.
Vor zwei Jahren meldete sich der Krebs und nahm mir meine Frau, die ich so liebte
und der ich alles verdankte.
Trotz aller Trauer glaubte ich in ihrem Sinn zu handeln, wenn ich ihr nicht folge, sondern
das Leben greife, die fehlende Kraft mit Erfahrung ersetze und weiterlebe.
Das tat ich bald und fand mich in einer Welt wieder, die ich nicht verstehen konnte und kann.
Alle gingen mir aus dem Wege, alle.
Freunde blieben sehr zurückhaltend, bei Kollegen entwickelte sich sogar Abneigung und Ablehnung.
Ich verstehe es nicht und weiß nicht was ich falsch gemacht haben soll.
Ich fuhr herum, besuchte Einkaufsmeilen, Cafés, Sehenswürdigkeiten und kam doch mit niemand ins Gespräch und fühlte mich wie inkognito in einem Videospiel.
Ich war dann viel mit dem Hund im Wald unterwegs.
Bäume ignorieren einen nicht, sie reagieren aber auch nicht.
Die ganze Situation kostete wieder sehr viel Kraft, doch ich dachte mir, schlimmer kann es nicht kommen, das musst Du eben aussitzen.
Doch, es kann.
Anfang November riss mir eine Sehne in der Schulter ab und ich war zu hause gebunden.
Ich ging die Wände hoch oder saß im Sessel und hab Rotz und Wasser geheult.
Die fünf Tage OP im Krankenhaus waren das Paradies, endlich Gesellschaft.
Kurz vor dem endlich wieder arbeiten gehen bin ich dann die Treppe heruntergeflogen und hab mir den Fuß gebrochen, also auch noch Stubenarrest.
Ich rufe niemanden mehr an, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll.
Klicke mich durch TV und Internet, melde mich auf X Kontaktseiten,
chatte mit einem Algorithmus, oder sitze mit leerem Kopf im Sessel.
Ich könnte sauber machen, aufräumen, renovieren, kann mich aber nur zu dem nötigsten
mit sehr viel Kraft überwinden.
Ich schau mir selbst beim vergammeln und verblöden zu und kann nichts tun.
Ich glaube nicht einfach so an den „lieben Gott“ und flehe doch mehrmals täglich alle mystischen Kräfte an, mir jemanden zu geben, der mich versteht und dem ich mich
richtig offen anvertrauen kann.
Mir wieder eine echte Aufgabe zu geben, die es Wert ist, dafür etwas zu tun.
Mich Freunde und Bekannte treffen zu lassen, mit denen ich auf der gleichen Welle schwimme.
Darum bin ich jetzt hier, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Es erinnert mich hier sehr positiv an die intensiven Pausengespräche in der Klinik,
die haben mir so viel gegeben.
Ich danke jedem, der das jetzt zu Ende gelesen hat und freue mich auf jede Reaktion.
Fertig machen wird mich ja hier wohl keiner, bitte nicht, lieber jagt mich wortlos weg.
Dankeschön, Jacky
Jacky55
Beiträge: 27
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Danke Bittermandel,
dazu muss ich sagen dass ich seit 15 Jahren medikamentös gut eingestellt bin.
An Therapien habe ich so einiges durch und es hat auch alles seinen Zweck erfüllt.
Irgendwo muss man aber auch selbst an sich arbeiten und da bin ich zur Zeit sehr schwach weil alles schon zu lange dem viel beschriebenen Hamsterrad gleicht.
Unwissend
Beiträge: 92
Registriert: 20. Apr 2020, 13:28

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Unwissend »

Lieber Jacky

Deine Zeilen habe mich sehr berührt, einfach, weil so viel Optimismus sich darin befindet. Heute kam mir ein Spruch in den Sinn, lange bevor ich deine Zeilen las und ich finde, er passt: Vogel friss oder stirb! Es ist doch so im Leben, entweder gehen wir weiter oder wir bleiben stehen, du bist nicht stehen geblieben, hast die Hoffnung nicht aufgegeben, sondern wohl immer ans das Gute was kommen mag geglaubt, das hat dich wohl einfach auch immer weiter gehen lassen.

Du erzählst hier viel Positives, dass die Kinder wiederkamen und das du eine tolle Frau an deiner Seite hattest. Nun im Moment bist du alleine und du sagst selber von dir, dass du dir beim Verblöden zuschauen kannst. Du scheinst ein humorvoller Mensch sein und ich spüre wirklich viel Positives wen ich deinen Text lese.

Daher sage ich dir: gib nicht auf, das Leben hält bestimmt noch schöne Dinge für dich bereit, denn du siehst das Schöne, das ist eine Gabe, die vielen Menschen fehlt.

Alles wird gut.
Kirsten29
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Jacky,

herzlich Willkommen auch von mir und von Herzen vielen Dank fürs Teilen deiner berührenden Geschichte.

Ich habe deine Geschichte eben gelesen und es jagte mir einen Gänsehautschauer nach dem anderen über den Körper. Aus meiner Sicht spricht eine unbändige innere Stärke aus deinen Worten. Nicht nur, dass du mit Schicksalsschlägen konfrontiert wurdest. Du hast dich ihnen gestellt und deine Gefühle zugelassen. So verstehe ich dich zumindest. Aus deinen Worten klingt für mich ganz viel Durchhaltevermögen, Leidensfähigkeit, großer Mut und vor allem Liebe.

Du klingst für mich wie jemand, der vieles erlebt hat und auch unlösbar erscheinende Herausforderungen bewältigt hat. Ich glaube, du bist innerlich sehr gewachsen.

Die Frage nach der Aufgabe stellt sich mir übrigens im Moment auch. Hier bin ich zwar noch nicht so lange angemeldet. Aber ich mache zum ersten Mal in meinem Leben hier für mich die Erfahrung, nicht aus einem Pflichtgefühl heraus helfen zu "müssen". Damit kommt mein Kopf immer noch nicht klar :).

Die Ungeduld mit mir selbst empfinde ich im Moment als am anstrengendsten. Ich spüre einerseits, dass alles gut wird und ich eine Herzensaufgabe finden werde. Andererseits möchte ich JETZT wissen, wie sich alles entwickelt...

Falls ich mit meinen Eindrücken daneben liege, kannst du mich gern korrigieren. Nochmal ein herzliches Danke.

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Unwissend
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Unwissend »

Unwissend hat geschrieben:Lieber Jacky

Deine Zeilen habe mich sehr berührt, einfach, weil so viel Optimismus sich darin befindet. Heute kam mir ein Spruch in den Sinn, lange bevor ich deine Zeilen las und ich finde, er passt: Vogel friss oder stirb! Es ist doch so im Leben, entweder gehen wir weiter oder wir bleiben stehen, du bist nicht stehen geblieben, hast die Hoffnung nicht aufgegeben, sondern wohl immer ans das Gute was kommen mag geglaubt, das hat dich wohl einfach auch immer weiter gehen lassen.

Du erzählst hier viel Positives, dass die Kinder wiederkamen und das du eine tolle Frau an deiner Seite hattest. Nun im Moment bist du alleine und du sagst selber von dir, dass du dir beim Verblöden zuschauen kannst. Du scheinst ein humorvoller Mensch zu sein und ich spüre wirklich viel Positives wenn ich deinen Text lese.

Daher sage ich dir: gib nicht auf, das Leben hält bestimmt noch schöne Dinge für dich bereit, denn du siehst das Schöne, das ist eine Gabe, die vielen Menschen fehlt.

Alles wird gut.
Kirsten29
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

An einer Stelle muss ich mich selber korrigieren: Hier im Forum zu schreiben, ist für mich bereits eine solche Herzenssache. Schön und gut, könnte man meinen.

In einem schwachen Moment habe ich beim letzten Telefonat mit meiner Mutter den Fehler gemacht, ihr vom Forum zu erzählen. Mir schoss noch durch den Kopf: "Tu es nicht!" Zu spät. Und es kam natürlich prompt die erwartete Antwort: "Hm naja, aber es sollte auch Geld bringen oder?" Aaargh!

Bitte nicht falsch verstehen: Geldverdienen bedeutet für meine Mutter Sicherheit. Das weiß ich zwar. Aber schon immer schwingt in solchen Sätzen mit: "Spaß ist was fürs Wochenende. Mach was Vernünftiges". Und dann geht die Zweifelmühle in mir wieder an. Ich empfinde das als ein anstrengendes Geduldsspiel :).
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Sul
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Sul »

Lieber Jacky,
mich haben deine Worte, deine Geschichte sehr berührt. Du kannst Gefühle sehr gut ausdrücken. Und ich würde mich freuen mehr von dir zu lesen.
Sich einsam fühlen ist furchtbar.
Hast du Freunde, mit denen du offen sprechen kannst?
Ich ziehe mich leider immer zurück, wenn es mir mal nicht so gut geht.
Viele Grüße, Sul
Jacky55
Beiträge: 27
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Zunächst mal vielen Dank für eure Antworten.
Ja, ich habe einiges hinter mir, genug Federn gelassen, viel geschafft und viel gelernt und bin doch wieder an einem Punkt an dem meine Kraft am Ende und meine Hoffnung am Minimum ist.
Vor zwei Jahren dachte ich mir:
Riesenkatastrophe, aber ich muss da durch. Die große Trauerphase dauerte länger als ich dachte, hab es aber ohne Druck zugelassen und es tat mir gut. In dieser Zeit organisierte ich Haus und Haushalt um und dachte mir, du hast Kollegen, Freunde und bestimmt sorgt das Schicksal dafür, dass du bald nicht mehr alleine bist.
Und doch kam es anders.
Dass mir zunächst alle aus dem Weg gingen, weil sie mit meinem Schmerz nicht umgehen können, verstand ich ja noch, alles andere nicht.
Kollegen fingen an, mich zu mobben.
Gespräche mit Freunden endeten nach ein paar Sätzen mit der Bemerkung:
Deine Frau ist tot, jammern bringt nichts, klotze ran, dann schaffst Du alles auch allein und wenn Du ne neue brauchst, guck ins Internet.
Ich hab mir so sehr gewünscht, dass mal einer kommt, ne Flasche auf den Tisch stellt und sagt: "So, erzähl mal"
Also setzte ich mir ein "Alles gut"-Maske auf und verbarg meine Einsamkeit.
Aber diese Maske ist schwer und drückt und sobald ich sie abnahm, liefen wieder alle weg.
Ich nehme sie nur noch ab, wenn ich allein bin.
Öffentlich das erste mal wieder hier und es tut soo gut.
Aurelia Belinda
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Wohnort: Mittelfranken

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo Jacky,

Willkommen hier in der Runde...
Eine Maske brauchst du hier nicht.
Hier darfst du sein, wie du bist, denkst und fühlst.

Dein Satz im ersten Posting,
Dass du dir hilflos zusieht beim verwAhrlosen hat mich aufgeschreckt.
In der Lage war ich auch, noch letztes Jahr. Jetzt versuche ich nach u. nach das Leben wieder zu ordnen.
Auf einen guten Austausch.
Deine Geschichte klingt sehr bitter, auch hast du schmerzliche Verluste zu betrauern...
Dass du hier bis, ist ein Schritt, in die richtige Richtung.
Alles Gut,
Grüsse von Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Jacky,

ich sehe das auch wie Aurelia, hier brauchst du keine Masken.

Mir geht dein Hilferuf richtig zu Herzen. Verstehe ich dich richtig, du fühlst dich im Moment einsam und irgendwie auch verlassen? Keiner ist zum Reden da?

Falls ich dich richtig verstehe, kann es tatsächlich sein, dass deine Geschichte schlichtweg Überforderung für dein Gegenüber bedeuten kann. Du scheinst das Herz auf der Zunge zu tragen, was ich persönlich wundervoll finde. Du sprichst über Einsamkeit, deinen Kummer, deine Lebenserfahrung. Das kann aber möglicherweise viel im Gegenüber triggern.

Aber irgendwas rattert gerade in meinem Kopf... Ich schreib später nochmal, irgendwas ist da, aber ich muss den Gedanken selber erstmal greifen :).
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

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Kirsten29
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Jacky,

also so richtig will sich dieser Knoten nicht lösen. Ich versuche einfach mal zu beschreiben, was mich verwirrt. Das sind jetzt wirklich keine ausgereiften Gedanken, es ist eher "Rohmaterial".

Ich habe irgendwie den Eindruck, als suchst du etwas. Als würde dich etwas antreiben. Das Leben zwingt dich aber scheinbar zum Anhalten bzw. Ruhigerwerden (erst der Sehnenriss, dann der Fußbruch).

Ich frag mal voll ins Blaue hinein: Warst du es auch vor deiner Scheidung gewohnt, auch schwierigste Herausforderungen zu meistern (weil du vielleicht auch musstest)?

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

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Jacky55
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Hallo ihr lieben, eigentlich ist es nicht so dass ich jedem mein Herz ausschütte bin eher zurückhaltend.
Aber irgend jemanden braucht doch jeder, mit dem er mal sein Seelenleben bequatschen kann.
Und da habe ich keinen und finde niemand.
Ich hatte einen Psychologen, der mir ernsthaft einen Teddy empfohlen hat!
Hatte.
Und ich bin tatsächlich auf der Suche, nach einem Seelengegenstück und nach einer Aufgabe, die auch eine echte Aufgabe ist und nicht mehr von mir fordert als ich geben kann.
Seit 2 Jahren verwalte ich mein Leben nur noch, es steht still.
Ein Stille, die mich erschlägt und nicht und nicht und nicht zu beenden ist.
Was habe ich mir alles überlegt, Wegziehen, Wohnmobil kaufen, in das nächste Flugzeug setzen ohne zu wissen, wohin.
Verpflichtungen hab ich ja keine und allein bin ich auch.
Ich hab mich ins Auto gesetzt und bin nach Danzig gefahren, einfach so, ein Versuch.
Ich hab schöne Sachen gesehen, gefunden hab ich nichts.
Meine Sorgen, Ängste und Leiden sind IN mir, und wenn ich zum Mars fliege.
Ja, ich habe dem Leben zu viel abverlangt und hab mehr als alles gegeben.
Das ist aber schon länger als 2 Jahre vorbei, ich habe gelernt.
Auch wenn man kleine Brötchen backt, wird man satt.
Wenn mir das Leben Ruhe geben will, übertreibt es inzwischen gewaltig.
Erst "nur" einsam, dann Arbeitsverbot durch die Schulter, Hausarrest durch den Fuß und dann noch Isolation und Maskierung durch Covid.
Die Schicksalsfrage hab ich mir schon so oft gestellt und keine Antwort gefunden.
Auch die Frage nach Sinn und Ende.
Und fühle mich nun vom Schicksal verlassen.
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Jacky,

könnte es sein, dass du dich selbst suchst?
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Jacky55
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Eine interessante Frage, die mich erst mal nachdenken ließ.
Ich suche meiner Meinung nach nicht mich, sondern einen Platz für mich, an dem ich gebraucht werde.
Das habe ich gerade nirgends und mich zurückzulehnen und mich meiner selbst zu freuen,
fühle ich mich noch zu jung.
Auf Arbeit spiele ich keine tragende Rolle mehr sondern verteidige nur noch meine Stelle.
Das Haus war eine Oase, in der ich mich um das Glück von meiner Frau und mich kümmerte.
Ich hatte Verantwortung, die mich erfüllte.
Aber eine gut bezahlte Arbeit und ein schuldenfreies Haus schmeißt man nicht so einfach hin.
Dazu bin ich nun wieder zu alt.
Kirsten29
Beiträge: 461
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Ich greife mal deine Worte auf: Warum freust du dich nicht deiner selbst? Kannst du eigentlich gut mit dir selbst, also allein sein?
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Unwissend
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Unwissend »

Lieber Jacky

Man muss vielleicht einfach auch irgendwann mal sagen: das ist das Leben, es "bietet" und es "nimmt". Vielleicht darf man nicht zuviel nachdenken, dem ALLEM nicht so viel Platz bieten und einfach leben. Es gibt kein Normleben, dein Leben ist nun halt einfach mal so gelaufen wie es gelaufen ist, dass ist das Leben. Wir Menschen wollen immer alles analysieren, wollen auf alles eine Antwort, wollen verstehen "warum". Schicksalsschläge können uns treffen, müssen nicht und wenn wir vielleicht die Gegebenheiten einfach annehmen und sagen "es ist das Leben" werden wir irgendwann verstehen, dass es einfach tatsächlich "nur" das Leben ist, mit all seinem Inhalt. Man lebt und die Vergänglichkeit schnürt einem manchmal die Luft ab, weil Dinge passieren, die wir kaum ertragen, aber es ist "unser Leben", unsere ganz persönliche Geschichte. Du solltest dich jetzt zurücklehnen und einfach das Vergangene nicht mehr wachsen lassen, bring es zum Stillstand und lasse Neues wachsen, du hast die Fähigkeit in dir, genau dieses wunderbare Geschenk anzunehmen, lass das Vergangene unbedingt zum Stillstand kommen.
Schlumpffine
Beiträge: 471
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Jacky,
ein Vorschlag. Suche Dir eine Ehrenamtliche Tätigkeit bei Vereinen(Tierheim,Hilforganisation). Hier bekommst in Kontakt mit vielen Leuten, kannst dich einbringen und erhälst auch positive Rückmeldungen.
Auch kannst du selbst bestimmen wieviel Zeit und Energie du investieren möchtest.
Jacky55
Beiträge: 27
Registriert: 13. Mai 2020, 15:59

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Hallöchen, ich bin nicht etwa schreibfaul, ich lese eure Texte und verarbeite sie erst mal gründlich.
Ich suche Rat und nicht nur Trost und das geht mit euch sehr gut.
Es hat mir bis jetzt geholfen das ganze Wirrwarr in mir zu entfitzen und den eigentlichen gordischen Knoten zu finden.
Das ist doch schon mal was.
Ich erzähle immer, wie oft meine Welt schon stehengeblieben ist und wie ich sie wieder in Gang brachte.
Ich erzähl auch immer wieder, warum meine Welt wieder stehen geblieben ist.
Nur schaffe ich es dieses mal nicht, sie wieder in Gang zu bringen.
DAS ist das Kernproblem und hat mich meine ganze Kraft bis zur Verzweiflung verbrauchen lassen.
Dabei suche ich nun nicht mehr die Schuld bei anderen, bin aber trotzdem immer noch auf der Suche nach Ursache und Lösung.
Beenden MUSS ich das, ich KANN mich nicht damit abfinden.
Ich kann mein jetziges Leben nicht für immer annehmen.
Mich über etwas freuen, ob groß oder klein, und es mit niemanden teilen können,
das ist doch ein Albtraum.
Ich weiß, es gibt genug Leute die das so können oder lernen mussten.
Dazu möchte ich nicht gehören, nicht um mein Leben.
So kompliziert bin ich doch gar nicht, kann mich aber auch nicht verbiegen, bis ich mich selbst nicht mehr erkenne.
Liegt es an der Gesellschaftsstruktur???
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Jacky,

ja, überhaupt erstmal eine klare Frage zu haben, kann manchmal schon die halbe Miete sein :).

Was meinst du genau mit "in Gang bringen"? Also was möchtest du in Gang bringen? Falls deine Antwort "Meine Welt" lauten sollte, wäre das gleich noch eine Frage, was du darunter verstehst :).

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Sul
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Sul »

Hallo Jacky,
für mich klingen deine Worte so, als ob du noch in der Trauer feststeckst, den Verlust von deiner Frau noch nicht akzeptieren und verarbeiten konntest, noch nicht wirklich Abschied nehmen konntest. Und nun bist du aufgrund deiner Erkrankung und corona-bedingt vieler Ablenkungen beraubt und auf deine Trauer und Einsamkeit zurückgeworfen? Irgendwann gibt es einen Neuanfang, aber Trauerprozesse können lange dauern. Vielleicht könnte ein Trauerbegleiter dich unterstützen? Oder ein Psychotherapeut, auch wenn Trauer keine Krankheit ist.
Viele Grüße, Sul
Jacky55
Beiträge: 27
Registriert: 13. Mai 2020, 15:59

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Das mit der noch bestehenden Trauerbewältigung ist wahrscheinlich der Kardinalfehler den alle, einschließlich mir, immer wieder machen.
Auch so ein wichtiger Punkt.
Das mit der stehen gebliebenen Welt muss ich wohl mal erklären, wie ich das meine.
Es geschieht im Leben eine große oder mittlere Katastrophe und augenblicklich ist nichts mehr wie es war und alle Dinge bekommen in ihrer Wichtigkeit eine neue Priorität.
Meine Taktik ist war und ist es, alles auf Null, sortieren und dann nach Wichtigkeit abarbeiten.
Das habe ich auch dieses mal erfolgreich getan und mir dann eine problemlose und aktionslose Welt geschaffen um mich meiner Trauerbewältigung zu widmen.
Ich habe meine "Welt angehalten", ohne jemanden zu verletzen.
Als ich die Zeit für gekommen hielt, begann ich dies wieder "in Gang zu bringen", aber es ging nicht.
Ich versuchte immer mehr und immer intensiver, es ging nicht.
Es gibt keine positiven und keine negativen Ereignisse.
Mir ist niemand böse und niemand gut.
Verpflichtungen gibt es kaum.
Ich kann mich rasieren oder es sein lassen.
Staub wischen und Unkraut rupfen oder eben nicht.
Da will und muss ich raus, hab sooo viel ausprobiert und schaffe es nicht.
Sul
Beiträge: 444
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Sul »

Hallo Jacky!
Welchen Kardinalfehler meinst du genau?
Ich glaube, dass man Trauer nicht abarbeiten kann, sondern es geht mehr ums Zulassen, Durchleben etc. Aber vielleicht verstehe ich dich auch verkehrt.
Viele Grüße, Sul
Crazybunch
Beiträge: 41
Registriert: 14. Aug 2018, 03:03

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Crazybunch »

Guten Morgen Jacki,
ich habe nicht alles gelesen, aber bei Deinem letzten Post stellt sich mir die Frage, warum Du Deine Welt wieder in Gang bringen "musst". Einerseits ist dieses Einstellung eine gute Überlebensstrategie; andererseits setzt Du Dich damit selber unter Druck. Mir scheint so, als möchtest Du bestimmen und kontrollieren, wie die Art der Bewältigung aussieht. Das funktioniert leider dieses Mal nicht und das frustriert Dich verständlicherweise.
Lass Dir aus meiner Erfahrung sagen, dass gegen etwas ankämpfen, was man - vielleicht auch nur für den Moment - eh nicht ändern kann, nur noch mehr frustriert und unnötige Kraft kostet. Was wäre denn so schlimm daran, wenn Deine Welt noch etwas stehen bleiben würde? Würde es Deine Existenz gefährden? Fürchtest Du, in ein noch tieferes Loch zu fallen? Was würde passieren?
Und vielleicht ist doch noch nicht alles "abgearbeittet", wobei abarbeiten schon wieder nach Pflichterfüllung und "müssen" klingt. Vielleicht setzt Du mal "Loslassen" auf Deine Liste und guckst, was dann passiert. Das kann eine viel größere Herausforderung sein, denn es bedeutet, die Kontrolle abzugeben.
Ich kann mir vorstellen, dass "Kontrolle" nach alledem, was in Deinem Leben passiert ist, eine Rolle spielen kann. Du hattest wenig Einflussmöglichkeiten auf das, was passiert ist. Du konntest nur bestimmen, wie Du damit irgendwie fertig wirst. Und jetzt gelingt Dir noch nicht mal das. Das ist frustrierend und kann richtig Angst machen.
Beim "Loslassen" solltest Du Dir aber professionelle Hilfe suchen, denn es kann Dinge ans Tageslicht befördern, die einem richtig umhauen können.
Liebe Grüße
Crazybunch
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Jacky,

ich weiß nicht, ob ich jetzt übers Ziel hinausschieße. Allerdings ist der Impuls sehr stark, dir folgendes zu schreiben, ich muss ihm einfach nachgeben :). Wenn es nichts für dich ist, ist das kein Problem.

Ich weiß nicht, ob du das ZEGG in Bad Belzig kennst. Diese Gemeinschaft lebt für mich auf eine Art und Weise dort zusammen, wie ich mir die Welt vorstellen könnte. Ich war letzten Oktober zum ersten Mal dort, nachdem ich sehr viel Gutes davon gehört hatte. Es war ein Festival zum Thema "Leben-Sterben-Feiern", es wird aller zwei Jahre veranstaltet. Mir ist bewusst, dass es bis zum nächsten Festival also noch dauert.

Es waren mehr als hundert Menschen dort und binnen kurzer Zeit wurde aus über hundert fremden Menschen eine Gemeinschaft, die zusammen sang, lachte, Vorträgen lauschte, sich stützte, weinte, tröstete, zuhörte, sich in den Arm nahm, wenn Schmerz, Trauer und Sehnsucht zu stark wurden.

Der überwiegende Teil der Teilnehmer hatte mit Verlusten geliebter Menschen zu kämpfen, daher kamen Menschen in verschiedenen Trauerphasen zusammen. Einige standen am Anfang, andere hatten den Trauerprozess durchschritten.

Das Festival wurde von vier Frauen aus der dortigen Gemeinschaft geleitet, sehr respektvoll, ruhig, sehr einfühlsam, behutsam. Ich bewundere die Frauen dafür immer noch.

Was mich in den Tagen am meisten beeindruckte, war, zu sehen und zu spüren, dass ich mit übermächtiger Trauer nicht allein bin. Ich habe zwar den Verlust eines geliebten Menschen durch den Tod noch nicht erfahren. Aber aufgrund meiner früheren Suizidalität beschäftigten mich die Themen Sterben und Tod einfach.

Teil einer trauernden und sich gegenseitig stützenden Gemeinschaft zu sein, war eine äußerst wertvolle Erfahrung für mich. Ich nahm u. a. auch von dort den Gedanken mit: "Trauerarbeit ist Gemeinschaftsarbeit."

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

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Jacky55
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Registriert: 13. Mai 2020, 15:59

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Jacky55 »

Hallo ihr lieben,
mit dem Kardinalfehler meine ich meine selbst ausgesuchte und von anderen akzeptierte Isolierung zur Trauerbewältigung.
Ich bin schon lange so weit, dass ich diese Isolierung beenden möchte.
Aus irgendeinem Grund komme ich aus dieser Isolierung nicht heraus.
Alle Versuche verpuffen, auch bei Leuten die die Geschichte gar nicht kennen.
Mein Verhalten hab ich x mal überdacht und finde keine Begründung.
DAS ist es, was mich in die Verzweiflung treibt.
Daher meine Einsamkeit.
Partnersuche? Hab ich fast alles durch, wie verhext.
Bad Belzig liest sich vielversprechend, ich schau mal auf die Landkarte.
Freu mich auf euch, Jacky
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