Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Antworten
Laufa25
Beiträge: 47
Registriert: 5. Sep 2014, 17:26

Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Laufa25 »

Liebe Forumsmitglieder.
Ich melde mich mal wieder mit einem kurzen Anliegen. Meine Tiefenpsychologie- Therapie läuft in 4 Stunden aus, eine Verlängerung steht nicht an. Ich habe meine Depressionen an sich gut im Griff, jedoch habe ich ab und zu starke Rückfälle mit Erbrechen, Alpträumen, Schwitzen, Traurigkeit etc. also typische PTBS Symptome. Als ich vor ein paar Tagen meine Therapeutin bei einer dieser Rückfälle angerufen habe, hat sie gesagt ich brauche keine neue Therapie beginnen ( ich will eine Traumatherapie/ PTBS Therapie machen) da das nichts bringen wird und ich sollte einfach mit diesen Symptomen leben, da sie ein Teil von mir sind und nicht aufgelöst oder geheilt werden können.
Meine Frage: Wie sehr kann und soll ich das glauben? Denn dieser Satz hat mich schon sehr erschüttert. Soll ich wirklich einfach akzeptieren dass ich regelmäßig starke Rückfälle habe ohne zu probieren es behandeln zu lassen? Denn schließlich beeinflussen mich diese Rückschläge sehr, und viele von euch wissen nur zu gut dass man in psychischen Krisen nicht mehr Herr seiner eigenen Gedanken ist. Und irgendetwas ist da in meiner Seele was ich nicht verarbeiten kann.
Haltet ihr eine weitere Therapie spezialisiert auf meine Symptome sinnvoll oder soll ich wirklich einfach damit leben und sagen ,,naja ist halt so"
Ich freue mich auf eure Rückmeldung:)
Beste Grüße
Laufa/ Tobi
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Tobi,

ich sag es frei heraus: Die Aussage finde ich schockierend. Und klingt für mich nach Überforderung deiner Therapeutin. Ich hatte auch eine PTBS - sie ist heilbar. Der Weg ist hart, aber schaffbar. Ich musste an die Wurzel(n) heran, ich hätte sonst nicht überlebt.

Lass dir bitte nichts einreden. Ich weiß, wie schwer die Aufarbeitung ist und du scheinst den tiefen Knoten schon zu spüren. Kommen alternative Behandlungsmethoden für dich in Frage (abhängig von deiner finanziellen Situation und deinem Wohnort)? Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben und hast ein lebenswertes Leben verdient.

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Schlumpffine
Beiträge: 429
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Tobi,
ich schließe mich der Meinung von Kirsten an.
Es gibt immer einen Weg - man muss ihn nur finden.
Hast du es schon mal mit Schematherapie nach Young oder mit der ABC Methode nach Ellis versucht?
lg Kerstin
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Sul
Beiträge: 441
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Sul »

Hallo Tobi,
ich würde dir auch zu einer Traumatherapie raten, wenn bei dir eine PTBS im Hintergrund ist. Viele niedergelassene Therapeuten haben von Trauma wenig Ahnung, von der Behandlung auch nicht. Ich glaube, dass eine Besserung der Symptomatik zu erreichen ist, vielleicht keine "vollständige Heilung", aber einer Verbesserung der Lebensqualität sicherlich.
Du kannst ohne Wartezeit zu Lasten der Krankenkasse eine neue Therapie, also auch eine Traumatherapie beginnen, wenn die Therapeutin im Rahmen einer Verhaltenstherapie eine Traumatherapie anbietet (Verfahrenswechsel). Wenn du wieder zu einer Tiefenpsychologin gehst, hast du in der Regel 2 Jahre Wartezeit, um einen Antrag auf Psychotherapie von der KK genehmigt zu bekommen.
Leider haben viele Traumatherapeuten keine Kassenzulassung, müssen also aus eigener Tasche finanziert werden. Wenn du diesen Weg wählst, rate ich dir, ganz genau zu schauen, welche Qualifikation der Therapeut hat, weil der Begriff "Traumatherapeut/in" nicht geschützt ist.
Viele Grüße, Sul
Sul
Beiträge: 441
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Sul »

Hallo Tobi,
ich möchte noch ergänzen, dass es gar nicht so selten ist, dass am Ende einer Therapie alte Symptome noch einmal und evtl. auch stärker auftauchen, weil ja "Trennung" Thema wird. Und das kann sehr alte und tiefe Ängste triggern.
Wie warst du denn insgesamt mit der Therapie zufrieden? Was hat sich geändert? Was kannst du Hilfreiches mitnehmen?
Viele Grüße, Sul
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Ich wäre vorsichtig, die Heilung einfach so auszuschließen. Damit wird sie von vornherein unvorstellbar und damit tatsächlich nicht erreichbar. Aus meiner Sicht und nach meiner Erfahrung muss man nicht erst direkt mit dem Tod konfrontiert werden, nur um sich an die tiefen Wunden und an die Aufarbeitung heranzuwagen.

Wenn es dir, Tobi, um Symptomverbesserung der PTBS geht, ist das natürlich völlig ok. Aber Heilung würde ich nicht ausschließen. Warum auch? Mit einer guten Therapie, einer ordentlichen Portion Mut und Beherztheit kann ganz viel passieren.
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Ich kann verstehen, dass man sich gegen diese ganz tiefe Traumaaufarbeitung entscheidet bzw. die Symptomverbesserung für ausreichend glaubt. Aber eines habe ich an mir selbst und in meiner Familie erlebt: Es lässt dich nie in Ruhe. Bei mehreren Traumata kann es noch heftiger sein (so war es bei mir). Es braucht viel Mut, viel Kraft und ja, auch Leidensfähigkeit, um Traumata aufzuarbeiten. Aber es ist NICHT unmöglich.
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Cynthia
Beiträge: 445
Registriert: 29. Dez 2014, 17:04

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Cynthia »

Also, ich kenne mich gut zu Trauma aus. Das Trauma an sich ist nicht heilbar.Man kann es nur gut wegpacken und neu bewerten. Das Handwerkszeug zur Linderung des traum. Schmerzes kann man sich erarbeiten ( Skillstasche, Selbstberuhigungsverfahren etc.). Das Trauma darf halt aktuell nicht von anderen angetriggert werden. Ich muss ungefähr wissen was mich antriggert. Natürlich kann ich nicht alle Trigger lernen. Mit ambulanten Traumatherapeuten mit Kassenzulassung habe ich kaum gute Erfahrungen gemacht. Ich war 2mal stationär (psychosom. Reha) auch wegen Trauma. Erwarten sollte man nicht zu viel. Die erste Klinik hat mir aber gut geholfen, daß ich nicht mehr in den Schmerz reinfalle. Dafür hat dort der Bezugsthrapeut mein Vertrauen schwer mißbraucht und wollte mich in die Rente abschieben. Was ihm nicht gelungen ist. Also eine vollkommene Fehleinschätzung. Wir sollten diesen Therapeuten nur unter Vorbehalt glauben. Die Experten für uns sind wir selbst. Und wenn ich ein negatives Bauchgefühl bezüglich eines Therapeuten habe, würde ich immer darauf hören.
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Cynthia,

es tut mir leid, dass du schlechte Erfahrungen machen musstest. Doch widersprechen möchte ich dir. Ein Trauma ist heilbar. Aber es ist Schwerstarbeit und dennoch nicht unmöglich.

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
DieNeue
Beiträge: 5512
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von DieNeue »

@ Kirsten: Vielleicht kommt es drauf an, was man unter "Heilung" versteht? Manche fühlen sich erst geheilt, wenn alle Symptome weg sind und die Probleme nie wieder auftauchen, andere sehen sich schon als geheilt an, wenn sie sehr gut mit den Problemen zurechtkommen.
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo DieNeue,

ja, ich gebe dir recht. Auch für mich gibt es einen Unterschied zwischen Heilung und Symptomfreiheit. Bei einem Trauma ist Heilung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Auch wenn Narben bleiben (können).

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Cynthia
Beiträge: 445
Registriert: 29. Dez 2014, 17:04

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Cynthia »

Mir ist das von Traumatherapeuten so erklärt worden- Das Gehirn kann das Trauma nicht löschen. Es bleibt ein Leben lang nach dem Motto "Was ich erlebt habe, habe ich erlebt."
Sul
Beiträge: 441
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Sul »

@Cynthia
Da stimme ich dir zu. Was ich erlebt habe, habe ich erlebt. Es kann nicht gelöscht werden. Aber ein Trauma kann in den Hintergrund treten und die Macht über die Gegenwart verlieren. In dem Sinne von: Es ist vorbei! Ich habe überlebt!
Viele Grüße, Sul
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Cynthia,

um ganz ehrlich zu sein, finde ich die Aussage des Therapeuten seltsam und es klingt auch für mich nicht sehr mutmachend. Es geht nicht ums Löschen. Wir sind ja keine Computer. Auch meine früheren Traumata sind nicht vergessen. Aber durch die Aufarbeitung konnten sie zu Erinnerungen werden. Es sind natürlich nicht die schönsten.

Am Ende (also kurz vor der Klinik) lösten kleinste Trigger bei mir schlimme Flashbacks aus. Stundenlang hing ich dann darin fest. Immer und immer wieder sah ich die Situationen vor mir. Ich weinte viel, drückte meine Haut auf, aß nichts, schlief schlecht, hatte fürchterliche Albträume. Es kostete unfassbar viel Kraft. Das wurde über die Jahre immer schlimmer. Mir persönlich blieb nichts anderes übrig, als mich da raus- und durchzukämpfen.

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Laufa25
Beiträge: 47
Registriert: 5. Sep 2014, 17:26

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Laufa25 »

Liebe Forumsmitglieder,
vielen Dank für eure vielen Rückmeldungen, ich freue mich wirklich sehr :)
Kirsten29 hat geschrieben:Kommen alternative Behandlungsmethoden für dich in Frage
Ich habe am Mittwoch einen Termin bei einem Heilpraktiker für Psychotherapie, der sehr gute Bewertungen bekommen hat und auf PTBS Fälle spezialisiert ist. Er will mit mir ein Anamnesegespräch führen und schauen, ob er mich behandeln kann/möchte. An sich bin ich jedoch positiv gestimmt.
Schlumpffine hat geschrieben:Hast du es schon mal mit Schematherapie nach Young oder mit der ABC Methode nach Ellis versucht?
Nein, noch nicht, aber als ich mich nach deinem Post damit befasst habe ich sehr viel bei mir wiedererkannt. Ich habe ein großes Bindungsdefizit aus meiner meiner Kindheit, weswegen die von mir beschriebenen Symptome immer wieder in Situationen der Einsamkeit auftreten. Es klingt auf jeden Fall sehr interessant und ich werde mich weiter hierbei erkundigen.

Beste Grüße
Tobi
Sul hat geschrieben:Ich glaube, dass eine Besserung der Symptomatik zu erreichen ist, vielleicht keine "vollständige Heilung", aber einer Verbesserung der Lebensqualität sicherlich.
Das glaube ich auch, ich habe bereits 2 Sitzungen mit EMDR gehabt und diese habe mir sehr geholfen, Erlebtes in den Hintergrund zu rücken. Deswegen halte ich sehr viel von einer Traumatherapie anhand von Hypnotherapie.
Sul hat geschrieben:Wie warst du denn insgesamt mit der Therapie zufrieden? Was hat sich geändert? Was kannst du Hilfreiches mitnehmen?
Wie gesagt, mit der EMDR Therapie sehr zufrieden, allerdings bringt mich meine jetzige Tiefenpsychologie nicht weiter, das sagt auch meine Therapeutin, weswegen wir die letzten 5 Stunden der Therapie fallen lassen. Ich versuche es jetzt mit dem Spezialisiten für Hypno- und Traumatherapie, denn eine Tiefen-und Verhaltenstherapie habe ich schon hinter mir. Es gibt nichts was ich noch lernen kann, es ist mir bewusst woher die Probleme kommen, ich muss sie jetzt nur noch mit Hilfe von entsprechenden Ärzten / Therapeuten auflösen. :)
Sul
Beiträge: 441
Registriert: 25. Dez 2019, 12:33

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Sul »

Hallo Tobi,
freut mich, dass du dich nicht entmutigen lässt.
Zu den positiven Bewertungen wollte ich noch sagen, dass diese stimmen können. Aber es gibt auch mittlerweile Firmen, die einem positive Bewertungen schreiben gegen Bezahlung.
Viele Grüße, Sul
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Therapeutin: ,,Sie müssen damit leben"

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Tobi,

ich drück dir die Daumen, dass das Gespräch für dich gut läuft! Aber auch wenn du merken solltest, dass es sich nicht so ganz stimmig für dich anfühlt: Dann wird es einen anderen Weg geben. Wichtig ist aus meiner Sicht, dranzubleiben, dann kommt alles andere von ganz allein :)

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Antworten