Saturday Night(Mare)

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mind
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Saturday Night(Mare)

Beitrag von mind »

Ich frage mich, ob Ihr das kennt oder ob das mein persönliches Erleben in der Hölle ist.
Die ganzen letzten Tage hatte ich mir vorgenommen heute abend eventuell auf ein Konzert zu gehen, wollte aber niemanden deswegen festzusagen, geschweige denn überreden. Natürlich habe ich eine Freundin gefragt, ob sie mitkommen will. Aber auf dem Weg zu unserem Treffpunkt habe ich bereits gemerkt, dass das zuviel für mich ist: Die U-Bahn, die Tausend Leute, die Helligkeit, die Sonne. Ich hatte schon 3/4 des Weges hinter mir und benutzte dann das Handy um abzusagen. Das war eine gute Entscheidung, ich wurde überredet, denn die Alternative wäre gewesen, dass ich wie ein kleines Kind zur Mama schweigend wieder in die U-Bahn gestiegen wäre, mit Zuckungen um die Mundwinkel, um dann irgendwann endlich in meiner halb abgedunkelten Wohnung anzukommen und vollkommen von meiner Depression überrollt zu werden.
Aber es ist nicht alles schwarz/weiss und daher kann ich kein Happy End berichten, dass die wunderschönes Lebensweisheit "Man muss sich nur trauen" beeinhaltet.
Ich habe dann nervös und aufgekratzt meine Freundin und noch eine Freundin getroffen, meinen Wahnsinn (Pupillen vermutlich riesig) habe ich mit Galgenhumor überspielt und ich merkte schnell, dass die beiden keine Monster sind, die mir meine Seele rauben wollen, sondern ganz o.k.
Wir saßen dann noch eine Weile in der Sonne, was sogar ganz schön war. Aber die ganze Zeit bis jetzt vor dem PC laufe ich wie auf 180, ich weiss dass es nicht stimmt, aber meine Augen stelle ich mir groß wie Wagenräder vor. Als wir dann beim Konzert waren, merkte ich dass das nicht der richtige Ort war, falls es einen solchen gibt. Wir standen direkt vor der Bühne und Augenkontakt von allen Seiten. Der Sänger, das Publikum, der Schlagzeuger, der Mann neben mir, die Frau hinter mir, der Boden, die Musik. Da stand ich dann ketterauchend und es fiel mir unheimlich schwer zu lächeln. Es fühlte sich wie ein Krampf an und ich war mir sicher, dass das alle Menschen um mich herum genauso interpretieren würden.
Ich hab es ausgehalten. Die beiden sind noch woanders hingegangen, ich habe mich verabschiedet. Ich bin nach Hause gegangen und es ist so als würde ich meinen Körper nicht mehr spüren. Ich bin nur noch flau und leicht von der permanenten Anspannung.

Die ganze Zeit also betrachte ich mich bei allem was ich tue. Wie ich stehe, wie ich rauche, welchen Gesichtsausdruck ich wohl haben könnte, ob da irgendwelche Augenpaare sind, die mich fokussieren und was ich darauf erwidern sollte. Ich hab mir all das gegeben, weil es eben ist und was sollte ich denn auch tun? Ich sperre mich sonst meistens zu Hause ein, in der Hoffnung, dass es mir eines Tages besser geht. Aber in Wirklichkeit rotiere ich auch zuhause in einem Hamsterrad. Natürlich ist es hier nicht so "aufregend" wie draußen, aber dennoch genug Zeit für Hirnfick und vor allem ist es hier einsam und langweilig, während sich die Welt draußen weiterdreht.
Ich werde also weiter Ausflüge nach draußen unternehmen, aber auf dem Rückweg habe ich mir meine drei Optionen vor Augen geführt:
1. ich stehe das durch und vertraue auf meine Medikamente, dass es eines Tages nicht mehr so anstrengend ist und ich so etwas ähnliches wie souverän bin, 2. ich fange wieder an zu trinken und 3. ich mach das, was hier nicht erwähnt werden darf. option 3 ist unwahrscheinlich, denn davon sollte man vorher überzeugt sein, zu option 2 muss ich sagen, dass ich lange in erster linie davon ausgegangen war, ich hätte ein alkoholproblem und das habe ich auch, denn wenn ich trinke, höre ich nicht nach 3,4 bieren auf und wenn ich tagelang trinke, bin ich natürlich sehr nervös, wenn ich es auf einmal lasse, woraufhin ich es selten ließ, aber heute (seit 50 tagen keinen troppen) ging es für mich keine sekunde darum, ich hatte auch keinen suchtdruck. das bier war eine option, und im sinne einer selbstmedikation auch eine hilfreiche, aber wenn ich schon trinke, dann aus voller überzeugung, dass es sich nicht lohnt, es ohne zu versuchen und das bin ich noch nicht;
option 1 ist das was ich derzeit verfolge, aber ich sammle niederlagen. es ging mir teilweise tagelang recht gut, dann bin ich wieder vollkommen eingebrochen und kam mir rückblickend wie ein aufgeblähter gockel vor, der mit zuversicht und selbstwertgefühl aufgeblusterte der tage zuvor war ein anderer.

ich hab jetzt viel geschrieben, genauso schnell wie ich reden würde.
was kann man tun, wenn alles angst macht ?

p.s.: dabei kenne ich tage/nächte, die noch schlimmer waren. ich bin heute ein von der tarantel gestochener. es gibt aber auch tage, wo ich gar nichts darüber schreiben kann, weil ich nichts fühle und gar keinen bezug zu mir selbst habe und authistisch zwischen irgendwelchen dissoziationen. aber ich bin jetzt wieder in meinem kerker des rückzugs, in dem ich 80% meiner lebenszeit verbringe.
jolanda
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Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Saturday Night(Mare)

Beitrag von jolanda »

hallo mind!

Bitte nicht Option 3 und auch das trinken ist KEINE Lösung und macht alles auf Dauer nur schlimmer, aber das weißt du ja!

Vertrauen in die Medikamente ist gut und schön, allerdings muß man die richtigen gefunden haben. Dazu muß man auch bei einem Psychiater/Neurologen in Behandlung sein, der sich gut auskennt und dem man auch vertraut. Ich hoffe das ist bei dir der Fall.

Ich weiß nicht, ob du eine Therapei machst.
Eine Therapie hilft einem oft mindestens soviel wie die Medikamente, auf Dauer sogar mehr. Da kannst du auch lernen, wie du es schafftst, dass die guten Tage mehr werden und du anschlechten Tagen nicht mehr nur noch den Alkohol oder schlimmeres als Ausweg siehst.

Es ist ganz normal, dass du an manchen Tagen selbstbewusst und zuversichtlich bist, und an anderen Tagen stellst du dich wieder total in Frage. Beide Teile gehören aber zum selben Menschen, zu DIR. es ist wichtig, sich das klar zu machen, dann kann man die guten Tage geniessen und nutzen und kann an den schlechten Tagen besser darauf vertrauen, dass es vorbeigeht.

Es ist ein langer und steiniger Weg, und es gibt immer wieder Rückschläge, aber ich finde, man sollte versuchen ihn zu gehen.
Es kann ja nur besser werden. (hoffentlich)

Dazu wünsche ich dir viel Kraft und Geduld.
Alles Gute, liebe Grüße, Jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
mind
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Re: Saturday Night(Mare)

Beitrag von mind »

danke für die aufbauende antwort. ich finde es eben teilweise absurd dass ich mich selber dabei beobachten muss wie ich mit hochgeschwindigkeit am rad drehe und in diesem zustand des abnormen bin ich dann erst mal allein. aber wenn das leben an sich gar keinen reiz mehr auf mich ausüben würde, würde ich solche ausflüge wie gestern auf das konzert gar nicht mehr machen.
ich habe einen therapeuten und den seh ich einmal die woche. das ist insgesamt etwas wenig habe ich oft das gefühl denn die 6 tage dazwischen geht es oft von oben nach unten und umgekehrt und es fällt mir schwer alles in 45min. abzuarbeiten. ich habe auch die befürchtung dass das nur eine insolvenzverwaltung ist, aber immerhin ist mein ich-gefühl, nicht unbedingt mein selbstwert, nach dem gespräch wieder recht solide. die medikamente hat der therapeut an einen neurologen ausgelagert. ich kriege derzeit 45 mg remargil. auf serotonin-wiederaufnahmehemmer reagiere ich anfangs so hektisch dass mein kopf explodiert, deswegen schleiche ich das fluoxetin derzeit flüssig mit derzeit 1ml (!) pro tag auf eine eines tages reguläre dosis ein. ich hab zuvor aber auch schon bespar, doxepin und anderes zeug genommen, das war ein ziemliches hin und her. ach ja und antabus nehme ich auch aus freiem willen, damit eine option schon mal verbaut ist. ich habe keine lust auf eine extrarunde.

also auf ein nettes pfingstwochenende.
mind
Schnarchi
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Re: Saturday Night(Mare)

Beitrag von Schnarchi »

Tach Mind,

vielleicht kannste mal die Position des Beobachters "einnehmen" ? Oder Dir zumindest kopfmäßig schon einmal diese mögliche Option "einreden".
Kenne das so ein bischen aus meiner Vergangenheit was Du beschreibst. Wenn auch nicht ganz so extrem wie Du's empfinden magst.
Mach's einfach so oft Du kannst mit dem Unterleutegeh'n. Und "übe" sie Dir anzuschauen. Achte mal drauf, wie egal es Dir wahrscheinlich ist, wie jemand aussieht oder sich benimmt. Genau so "machen" die anderen (...Gehirne )das in etwa auch.

Wünsche auch Dir schöne Tage....am besten bis weit über Pfingsten hinaus
mind
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Re: Saturday Night(Mare)

Beitrag von mind »

Dir auch Michael.
Der Vorschlag mit dem eher öfter "unter-leute-gehn" schlägt grad in ne kerbe, denn ich finde es heute abend halt etwas traurig, dass ich aus falschem Selbstschutz eher ausgetretene pfade bevorzuge und zwei doch wirklich nette einladungen ausgeschlagen habe. ich kann dann auch so einen nachträglichen perfektionismus bekommen und mich berechtigter weise dafür anklagen, dass ich nicht zu mir nicht so bekannten menschen grillen oder mit einem anderen menschen auf ein weiteres konzert gegangen bin, sondern lieber zu zwei kumpels musik aus dem internet runterladen. das ist eine sichere umgebung, das kenne ich, da ist kein stress. es ist blöd, denn ich möchte ja wirklich weitere beziehungen aufbauen oder pflegen und heute wäre eine gute gelegenheit gewesen, da es mir heute den ganzen tag wider erwarten recht gut ging. ich bin kopflastig, unsoverän, unspontan und feige. leider.
aber ich will mich jetzt nicht drüber ärgern.
grüße, mind.
Schnarchi
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Re: Saturday Night(Mare)

Beitrag von Schnarchi »

NANANA,........wer wird denn hier Musik aus'm Internet herunterladen

Weißte was....hab' gestern auch 'ne Einladung zu 'nem netten Vormittag am Strand bei Live-Musik und wasweißichwasnochalles bekommen.
Was soll ich sagen.......unter der Bettdecke scheint's auch ganz nett gewesen zu sein.
Finde ich zwar auch mal wieder total daneben von mir, daß es mal wieder so "gekommen" ist, denn eigentlich hatte ich ja grundsätzlich wirklich Bock drauf, aber .......wat soll's *schulternzuck*.........nächstes Mal.

Ärgere auch Du Dich nicht zu sehr drüber.

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