Arbeitsamt stresst

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Lilian95
Beiträge: 2
Registriert: 4. Mai 2020, 17:14

Arbeitsamt stresst

Beitrag von Lilian95 »

Hallo, ich bin 24 hab Realschule gemacht, dann Fachabi in Gestalltung und dann ne schulische Ausbildung zur Maßschneiderin, hab 2 Jahre 20Stunden die Woche in nem Modegeschäft als Änderungsschneiderin gearbeitet. Seit letztem Sommer als das mit den Depressipnen angefangen hat, hab ich nicht mehr gearbeitet. War erst krankgeschrieben, dann in ner Klinik, hab dann endlich geschafft zu kündigen. Hab mich arbeitslos gemeldet und tja jetzt haben die sich bei mir gemeldet. Berufliche Reha. Tja, ich hab keine Ahnung wie es weiter gehen soll. Ich bin schon so da draußen, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich wieder arbeiten soll oder auch was ? Als Schneiderin werde ich wohl nicht meinen Traumjob finden, Selbstständig oh neee das ist gar nichts für mich. Tja in meiner Vorstellung würde ich gerne was soziales machen, ich will Menschen helfen, irgendwas Gutes für die Welt. Aber wie belastbar bin ich ? Ich nehme zwar Medikamente, aber nach der Klinik gings mir wieder 2 Monate total schlecht. Wie läuft sone berufliche Reha ab? Wie habt ihr es geschafft wieder in ein normales Leben zurück zu finden ? Wie finde ich raus, was mir beruflich gut tut, was mir Spaß macht und mich aus meiner Depression holt und nicht wieder zurückwirft, wenn ich es nicht schaffe nochmal ne Ausbildung oder sogar ein Studium anzufangen...ansonsten wenn ich mich nicht sofort für was entscheide, muss ich mich wieder krankschreiben lassen, da ich ja nicht arbeitsfähig bin. Was soll ich nur tun ?
Schlumpffine
Beiträge: 382
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Lilian95,
ich finde es super, dass Du dir Infos über Depressionen und auch Hilfe holst.
Zunächst steht erst mal deine Gesundheit im Vordergrund, erst dann solltest Du dir Gedanken über deine Zukunft machen.
Es sind immer nur kleine Schritte, die aus der Depression führen, aber jeder Schritt lohnt.
Falls du keine Supperreichen Eltern hast, die dich sponsoren können, wird der Kontakt mit Arbeistagentur/Jobcenter leider nicht zu vermeiden sein.
In der beruflichen Reha wird geklärt, wie belastbar du noch bist, welche Interessen Du hasst und wie sie sich entwickeln lassen.
Dazu zählen z.Bsp. welchen Job du noch ausfüllen kannst.
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Kirsten29
Beiträge: 461
Registriert: 18. Apr 2020, 21:11

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von Kirsten29 »

Hallo Lilian,

deine Situation kommt mir bekannt vor ;).

Ich habe in den letzten 1,5 Jahren auch ein ziemliches Auf und Ab erlebt. Nach der Klinik wollte ich relativ schnell eine Wiedereingliederung machen, die schief ging (heute sage ich: Zum Glück). Es folgten nochmal Krankschreibung, letzten Juli die Kündigung, Arbeitslosigkeit (ganz bewusst), ab November nochmal für drei Monate krank, seit März wieder ALG 1. Mein Fazit bisher: Es ist gut so. Meine Therapeutin hat damals immer wieder zu mir gesagt, dass mir diese Zeit einfach zusteht und ich soll sie für meine Genesung nutzen. Ich hab das lange nicht verstanden. Erst seit wenigen Tagen habe ich das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben richtig "frei" zu haben. Für mich ist das gefühlt der pure Luxus. Und noch immer schleicht sich manchmal die Angst ein, dass ich aus diesem schönen Traum gerissen werde ;).

Natürlich habe ich Angst davor, wie es weitergehen könnte. In meinen alten Job will ich nicht zurück (ich bin 29). Ein 40-h-Job kommt nicht mehr in Frage. Geld ist mir nicht (mehr) so wichtig. Und wenn es um die Frage geht, was ich machen möchte, kann ich im Moment auch nur antworten: "Ich weiß es nicht." Meine Eltern macht das wahnsinnig :). Es gibt natürlich erste Ideen. Das Amt hilft mir da auch.

Ich habe leider auch keine eindeutige Lösung für dich. Du bist 24... Wäre denn ein FSJ oder der Bufdi was für dich? Oder ein ökologisches Jahr? Das müsste, glaube ich, bis 27 möglich sein. Mir hat auch eine Art Berufsberatung zur Neuorientierung vom Amt geholfen. Mir fällt leider gerade die genaue Bezeichnung nicht ein. Aber ich schaue nach, wenn du möchtest. Das verhindert zwar nicht, dass dir Stellen zugeschickt werden. Aber es wäre zumindest noch eine Idee zur Umorientierung.

Was ich dir aber ans Herz legen möchte: Deine Gesundheit ist ganz wichtig. Und wenn du nochmal eine Krankschreibung brauchst, nimm sie dir. Du hast nichts davon, wenn du auf Teufel komm raus irgendwas unternehmen willst und der Rückfall wird dann umso härter.

Liebe Grüße
Kirsten
Der Schatz liegt hinter dem Drachen.

"Es gibt nur ein Muss: Du musst wissen, dass du nichts musst." (aus: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte", J. Bucay)
Reiseonkel87
Beiträge: 368
Registriert: 30. Dez 2015, 22:03

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von Reiseonkel87 »

Hey Lilian,

ich hatte nur "Arbeitsamt" gelesen und da dachte ich mir, da musste mal genauer gucken und lesen. Nach der Ausbildung hatte ich damals sehr viel mit diesem Amt zu tun gehabt. Kann da auch Storys erzählen, der hammer teilweise.

Du fragtest, was Du tun könntest, das wird mit Sicherheit niemand von uns zu 100% Dir sagen können. Ich habe versucht, mich in deiner Lage zu versetzen, ähnelte ein wenig an meiner beruflichen Geschichte. Als erstes solltest Du deine Gesundheit im Blick haben. Das Arbeitsamt wird zwischendurch stressen, wenn Du einen guten Doc hast, wird er Dir ein Atest ausstellen. Das geht natürlich auch nicht auf Dauer - irgendwann wird man (leider) vom ALG1 ins ALG2 "abgeschoben". Ich habe damals wegen den Finanzen und auch Druck von meiner damaligen Partnerin meine Gesundheit aufs Spiel gesetzt, würde ich heute definitiv anders machen.

Wie Kirsten schon schrieb, Du bist noch Jung, hast noch sehr viele Möglichkeiten. Eine Berufsberatung kann da vielleicht schon eine große Hilfe werden. Da kann ich Dir die Internetseite vom BMAS empfehlen. Ich würde einfach mal versuchen ein Termin zu machen. Wenn Du gerne was soziales machen möchtest, muss es gegen Bezahlung/Gehalt sein? Man könnte auch in deinen Berufsfeld bleiben und man arrangiert sich vielleicht im Altenheim oder ähnliches. Ist zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber die Menschen die dort leben, würden sich darüber bestimmt sehr freuen. Natürlich kann man das auch in Einrichtungen für Kinder machen. Vorteil, Du hast keine verpflichtende Bindung. Nachteil, es wird vielleicht nicht vergütet. Möglichkeiten und Zeit hast Du auf jedem Fall. Nur das Arbeitsamt wird irgendwann versuchen, härter durchzugreifen.

Also, ich würde es so machen:

* Gesundheit im Blick haben
* Berufsberatung
(* Vielleicht die Sache mit dem Altenheim zb machen)

Und nichts überstürzen, auch wenn man sich sagt, hey mir geht es seit 3 Monaten zb prima und alles ist schön, lieber nochmal ein wenig mehr Zeit nehmen. Ein Rückfall kann nochmal deutlich schlimmer werden, ich kann da ein Lied von singen.

LG
Dennis
LG von der Küste
=============
Reiseonkel
DieNeue
Beiträge: 5368
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von DieNeue »

Hallo Lilian,

ist denn dein erlernter Beruf an sich das Problem oder eher dein letzter Arbeitsplatz? Bei letzterem könntest du vielleicht auch in ein Unternehmen gehen, das was Gutes für die Welt tut und wo du deine Arbeit mit mehr Sinn verbindest. Unternehmen, die nachhaltige Mode produzieren mit fairen Produktionsbedingungen z.B.
Hab mal eine kennengelernt, die bei so einem Modelabel arbeitet und sehr begeistert war. Weiß nicht, was du mit deinem Beruf so anfangen könntest, war jetzt nur so ein spontaner Gedanke.

Liebe Grüße,
DieNeue
Der-Micha
Beiträge: 53
Registriert: 11. Mai 2015, 22:12

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von Der-Micha »

Hallo ihr Lieben, vor allem aber auch hallo Lilian,

sorry, dass ich "etwas spät zur Party" bin, schaue hier im Forum immer nur sehr sporadisch mal rein. :-) Ich kann den ganzen Vorrednern nur zustimmen. Ich habe es auch auf die harte Tour gelernt: Unsere Gesellschaft verlangt von uns heutzutage immer Hochleistung, Gesundheit, Belastbarkeit, absolute Effizienz. Arbeitslosigkeit? Pfui. Schäm dich.

Aber das ist Bullshit. Deine Gesundheit ist das einzig wichtige. Arbeitslosigkeit oder nicht wissen, was man überhaupt noch tun kann oder will, ist absolut nichts schlimmes, auch wenn die Gesellschaft oder das Arbeitsamt etwas anderes suggeriert. Wenn du dich wegen deiner Gesundheit im Moment nicht arbeitsfähig fühlst, dann ist das so und das ist völlig okay.
Ich arbeite inzwischen leider seit 6 Jahren nicht mehr - und das im besten Alter mit nun 34 Jahren. Ist das besch**en? Ja natürlich. Es zerreißt mich. Aber es geht eben nicht anders. Ich kann eben nicht, weil meine Erkrankung bisher noch nicht erfolgreich gut genug behandelt werden konnte, dass ich stabil genug bin, einen Job verlässlich auszuüben. So ist das dann eben. Dafür muss man sich nicht schämen oder attackieren lassen.

Es hat mich auch Jahre gekostet, zu verstehen und zu lernen, dass dieser Druck von außen mich nur noch kranker gemacht hat, anstatt mich zu heilen. Mittlerweile hat das nach vielen, vielen Jahren und unendlichen, nervenzerreibenden, Kriegen zum Glück auch meine Bearbeiterin beim Jobcenter verstanden. Letzten Monat wurde (vermutlich auch wegen Corona) mein Folgeantrag mal einfach so ohne jeglichen Papierkram meinerseits um ein ganzes Jahr bedingungslos verlängert. Yaaaay! Man, war das ein triumphales Gefühl. :-D
DieNeue
Beiträge: 5368
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von DieNeue »

Hallo Micha,

musstest du noch keine Erwerbsminderungsrente beantragen? Das war bei mir mit das erste, was das Jobcenter gefordert hat.

Liebe Grüße,
DieNeue
Der-Micha
Beiträge: 53
Registriert: 11. Mai 2015, 22:12

Re: Arbeitsamt stresst

Beitrag von Der-Micha »

Hey Neue,

nö, im Gegenteil. Meine derzeitige Sachbearbeiterin, die Abteilungsleiterin, die ich nach genügend Stress machen bekommen hatte, ist da eher auf einer anderen Spur. "Lassen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, sie haben meine Rückendeckung. Und Verrentung o.ä. will ich mit Ihnen nicht, ich sehe bei Ihnen noch genügend Chancen, wir kriegen Sie noch in den 1. Arbeitsmarkt". Find ich auch gut so.

Ich bin aber natürlich schon regelmäßig immer mal für ein halbes Jahr vom Amtsarzt "erwerbsunfähig" geschrieben, denn sonst wäre sie gezwungen, mich mit nur noch kranker machenden Maßnahmen und derlei Zeug zu überhäufen / reinzuzwingen. Ich wollte eigentlich zum Jahresbeginn von mir aus mal weiter besprochen haben, eine "ganz langsame" Maßnahme zu finden (z.b. einfach nur 2 Stunden in der Woche im Altenheim mit den Alten quatschen oder wasweißich). Aber dann kam Corona... und derzeit, weiterhin, sind Beratungsgespräche bei uns nicht möglich, d.h. jeder Antrag wird einfach verlängert und man macht sein Ding. Einerseits gut, andererseits irgendwie auch nicht.
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