Meine größten Baustellen bei der Depression

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Marc_91
Beiträge: 3
Registriert: 7. Mai 2020, 11:05

Meine größten Baustellen bei der Depression

Beitrag von Marc_91 »

Hey,

Ich bin 26 und leide schon seit über 10 Jahren an Depressionen. Hab jetzt ein paar Therapiesitzungen wahrgenommen und das Ganze wird seit kurzem auch medikamentös behandelt, weil ich an meinem Zustand jetzt wirklich mal was ändern muss. Dennoch würde ich gerne eine weitere Meinung einholen. Was mich daran besonders belastet bzw. was ich gerne im Rahmen der Behandlung als erstes in Angriff nehmen möchte ist:
1. Ich komme mir manchmal unglaublich dumm vor. Wenn ich mit jemandem eine Diskussion oder Konversation führe und derjenige mir was sagt wo man etwas mehr drüber nachdenken muss, macht mein Kopf zu bzw. kann ich diese Information nicht analytisch verarbeiten. Es ist dann komplette Leere in meinem Kopf, als ob mein Gehirn sich weigert darüber nachzudenken. Ich weiß, dass ich eigentlich vom Intellekt her dazu in der Lage wäre, darauf eine adäquate Antwort geben zu können und das frustriert mich doch schon sehr. Und wenn ich mal den richtigen Gedanken dazu habe, fällt es mir sehr schwer, diesen weiter zu verfolgen bzw. weitere Schlussfolgerungen zu ziehen
2. Beispiel: Ich bin im Supermarkt und will einen Angestellten fragen, wo die Milch steht. Dann kann ich diese Frage nicht intuitiv stellen ohne super nervös zu werden. Ich leg mir dann den Satz woher zurecht, hol tief luft , sodass das mehr oder weniger aus mir raus platzt was ich sagen möchte. Und auch so, wenn ich mit meinem Mitbewohner eine Konversation anfangen möchte, läuft das genauso ab und währenddessen komm ich dann auch ins stottern oder ich will was sagen, aber es kommen keine Laute raus. Außerdem rede ich dann immer viel zu schnell und hab dann in dem Tempo Probleme bestimmte Wörter richtig bzw. flüssig auszusprechen , wie z.B. "Schlüssel"
3. Wenn mich jemand anruft, besonders zwecks Telefoninterview für einen Job, bin ich so nervös , dass ich das Unternehmen und den Namen desjenigen nicht verstehe oder überhöre, sodass ich da jedes mal nachfragen muss. Weil ich dann zu beginn zu sehr damit beschäftigt bin, zu entspannen bzw. runter zu kommen.

Geht es jemandem genauso, hat Tipps wie ich damit umgehen oder therapieren kann oder kann das genauer deuten?
Das sind Sachen, die ich auch mit meiner Therapeutin besprechen und angehen werde, aber ich hole mir gerne nochmal die ein oder andere Meinung mehr ein, besonders von anderen Betroffenen

VG
Crazybunch
Beiträge: 41
Registriert: 14. Aug 2018, 03:03

Re: Meine größten Baustellen bei der Depression

Beitrag von Crazybunch »

Hallo Marc,
mir fällt dazu spontan Folgendes ein:
einerseits kann es an der Depression selber liegen, dass Du Schwierigkeiten beim Sprechen hast. Wenn es mir nicht gut geht, dann habe ich beispielsweise Wortfindungsstörungen; mir fallen dann die einfachsten Wörter nicht ein.
Es könnte aber auch sein, dass Du in vorangegangenen Zeiten das Gefühl hattest, als wäre das, was Du sagst, nicht richtig. Zum Beispiel, wenn Dich jemand ständig korregiert hat, nicht ernst genommen hat, was Du gesagt hast, oder Dich sogar gemobbt hat.
Ich hatte in den letzten Wochen ein ziemlich schwieriges Gespräch. Ich hatte soundso schon bammel davor und tatsächlich entwickelte es sich genauso, wie ich es befürchtet hatte. Mein Gegenüber redete so sehr auf meich ein, so dass mir die passenden Antworten einfach nicht einfielen. Schlussendlich blieb ich einfach stumm. Ich weiss, was da passiert ist. Ich weiss, dass mein gegenüber mich derart in die Defensive gedrängt hatte, so dass ich in Erklärungsnot geraten bin. Ich weiss, dass ich frühzeitig ihm hätte aufzeigen müssen, dass er Grenzen überschreitet. Ich bin froh, dass ich es mittlerweile mitbekomme, was dann passiert. Mir fehlen aber aktuell noch die Mittel, um es zu ändern. Daran arbeite icih auch noch in der Therapie.
Ich bin ebenfalls nicht gut darin, mir Namen beim ersten oder zweiten Mal zu merken. Ich habe mir darum angewöhnt, mir beim Telefonat einen Zettel parat zu legen, um mir die Namen bzw. notwendigen Informationen gleich zu notieren, damit ich nicht nachfragen muss. das hilft mir auch über meine Nervosität, weil ich mich dann darauf konzentriere, mir die Informationen zu notieren. Und wenn ich es doch vergessen habe, dann finde ich es zwischenzeitlich auch nicht mehr schlimm, nachzufragen.
Ich freue mich, hier auch von jemanden zu lesen, der schon seit seiner Jugend mit Depressionen zu tun hat. Depressionen gehören nämlich zu meinem Leben, solange ich denken kann. Ich weiss eigentlich nicht, wie es ist, gesund zu sein. Und obwohl meine aktuelle Therapie mir enorm hilft, zweifel ich gerade wieder daran, ob es mir überhaupt gelingen wird, ein "gesundes" Leben zu führen.
Viele Grüße
Crazybunch
Reiseonkel87
Beiträge: 368
Registriert: 30. Dez 2015, 22:03

Re: Meine größten Baustellen bei der Depression

Beitrag von Reiseonkel87 »

Hi Marc, willkommen bei uns Forum, hier wirst Du sehr viele Tipps bekommen, für mich ist dieses Forum besser als ein Arzt.

Zwecks Punkt 3 kann ich gleich sagen, das liegt nicht an Dir und muss Dir auch nicht peinlich sein, falls Du nochmal nachfragen würdest. Im Gegenteil, viele Firmen bewerten das auch eher positiv. Das man nervös ist, ist normal, ging mir damals auch nicht anders. Immer nachfragen, wenn Du was nicht verstanden hast. Ich habe in den letzten Jahren leider öfters immer mit der Jobsuche zu tun, von daher, das braucht Dir nicht peinlich sein.

Zu Punkt 1 und 2 klingt für mich gerade, als würdest Du mit dem Thema Selbstvertrauen bzw Selbstwertschätzung hadern, ist denn damals was vorgefallen, was vielleicht ein Auslöser sein könnte? Du schreibst auch unter Punkt 1, das dein Gehirn sich weigert über gewisse Nachzudenken. Hattest Du in letzter Zeit sehr viel Stress und Druck? Jetzt mal ausgenommen von Corona? Kann da nur für mich jetzt gerade sprechen, wenn mein Gehirn weigert informationen zu verarbeiten und da nachher Leerlauf war, das waren bei mir Anzeichen für ein Burnout. Vielleicht geht es bei Dir auch in diese Richtung.

Therapiesitzungen sind eine gute Hilfe und Unterstützung. Aber es braucht Zeit. Die ersten schritte hast Du auf jeden Fall gemacht. Das wird auch wieder.

LG von der Küste
Dennis
LG von der Küste
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Reiseonkel
SunnyMerle
Beiträge: 82
Registriert: 31. Mär 2020, 17:00

Re: Meine größten Baustellen bei der Depression

Beitrag von SunnyMerle »

Hi Marc,

mag jetzt etwas seltsam klingen, aber deine Beschreibung ließt sich für mich wie eine Figurbeschreibung von Stephan King. Ich denke dabei an dem Jungen aus der ES Story, fürchterlicher Stotterer. Je nervöser er wurde, um so schlechter verstand man ihm. Doch dann kam diese Situation wo er quasi als Anführer der Gruppe eine Ansprache hielt, ohne Punkt, ohne Komma, ohne stottern. Besonders schön dargestellt im neuen Film.

Hast oder hattest du solche Probleme auch schon früher?

Was das nachfragen am Telefon angeht, da bin ich mir nicht schade drum. Mir ist es sogar schon passiert, das ich dachte die Person mit der ich spräche hätte schon vorher einmal angerufen... nö, hatte sie nicht... Pech.

Aber gerade letzten Freitag war da eine Situation für mich, die dir vielleicht bekannt vorkommt. Ich traf mich mit ein paar Müttern auf dem Spielplatz. Während die Kinder also tobten, wurde bei den Mamas gequatscht. Dann wollte ich von einem Wochenend Ausflug zu meiner Freundin erzählen die in Magdeburg lebt.

Meinst du mir ist die Stadt eingefallen? Ich konnte sagen, das es in Mecklenburg Vorpommern liegt, ich konnte vom Elfenpark oder Elbenpark erzählen der ein Überbleibsel einer dort stattgefundenen Landesgartenschau ist, vom schlausten Turm der dort zu besichtigen ist und einen ganzen Tag in Anspruch nehmen könnte, für einen Eintritt von gerade einmal 3 Euro... aber meinst du mir ist das Wort Magdeburg über die Lippen gekommen, geschweige denn in meinen Gehirnwindungen aufgetaucht? Nö. Als ich zu Hause war und das Bild sah, das ich meiner Freundin bei einem Besuch eigentlich bringen wollte... ha ha, fällt ja alles flach... da war der Name auf einmal wieder da.

Ich fand es schon ein bisschen seltsam, aber es machte mich nicht unnötig nervös, vermutlich weil ich es in der Situation nicht als wichtig einstufte.

Gruß Merle
We are all stories in the end, lets make a good one.
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