Umgang mit depressiven Angehörigen

Meridian
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Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Meridian »

Ich habe mich hier als Betroffene angemeldet, aber aktuell geht es um darum, dass ich nicht weiß, wie ich damit umgehen kann, wenn sich mein Sohn, der z.Zt. auch depressiv ist, nicht meldet (also
nicht ans Handy geht, Emails nicht beantwortet z.B.).
Mich macht das sehr unruhig und die Katastrophengedanken, wie ich es immer nenne, kriege ich
dann nicht wirklich in den Griff.
Wie macht ihr das, wie geht ihr damit um?
shivaladiva
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von shivaladiva »

Hallo Meridian,

oh, ich sehe gerade, dass Du noch gar keine Antwort bekommen hast. Ich bin sowohl Betroffene als auch Angehörige und versuche mal, Dir eine hilfreiche Antwort zu geben.

Jepp, die Katastrophengedanken kenne ich auch - weiß aber auch, dass die zu nichts führen, außer dass man sich selbst 'verrückt' macht. Ich versuche es dann mit Entspannungsverfahren: Autogenes Training und Meditation bzw. Achtsamkeitsübungen - einfach im Hier und Jetzt sein, bewußt, achtsam und in dem Wissen, dass alles zu meinem Besten geschieht.

Wir hätten alle immer so gerne die Kontrolle über uns, das Leben und die, die uns am Herzen liegen. Aber das funktioniert leider nicht. Und genau das halte ich mir dann vor Augen. Die einzige Sicherheit im Leben ist Unsicherheit - sorry, aber das ist meine Erfahrung und damit versuche ich zu leben.

Ich wünsche Dir von Herzen Ruhe in Deiner inneren Mitte :hello:
Meridian
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Meridian »

Hallo shivaladiva,

du hast sicher recht, wir hätten alle gerne die Kontrolle und ein Gefühl der Sicherheit, das es aber eben nicht gibt.
Das entspricht auch dem. was mein Psychiater immer sagt.
Das wird sicher auch nochmal Thema in einer Therapie, alleine bekomme ich das nicht gut hin.
Ich wünsche mir etwas von deiner gelassenen Haltung.
Lieben Dank auch für deinen Wunsch, Ruhe in meiner inneren Mitte, das wäre schön.

LG, Meridian
conniee
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von conniee »

Hi,
ich als Betroffene weiß (ich kann jetzt nicht für deinen Sohn sprechen), dass oft einfach die Motivation fehlt, Kontakt mit anderen aufzunehmen oder über seine Probleme zu reden. Und so schwer es für Angehörige ist, möchte man dann oft einfach alleine sein...
Vielleicht redet ihr beiden mal persönlich miteinander und du sprichst deine Gedanken an. Vielleicht könnt ihr euch darauf einigen, dass er dir beispielsweise einmal pro Woche oder so schreibt, auch wenn es nur eine kurze Nachricht ist, damit du dir keine Sorgen machen brauchst.

Liebe Grüsse und viel Kraft
Meridian
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Meridian »

Hallo Conniee,

das kann ich verstehen, dass oft die Motivation fehlt und er vielleicht auch nicht immer über die Probleme reden will.
Ihn darauf anzusprechen, ist ein guter Tipp, aber da mache ich mir auch Gedanken,
dass ich ihm damit meine Sorgen auch noch aufbürde, weißt du was ich meine?
Ich möchte lernen anders damit umzugehen, mit meinen ständigen Sorgen und meinem Grübeln ist ja niemandem gedient.
Ich möchte eigentlich nur hören, dass es ihm ganz gut geht, aber selbst dann denke ich, vielleicht sagt er das nur zu meiner Beruhigung.....

LG, Meridian
conniee
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von conniee »

Hallo Meridian,
dass du ihm nicht auch noch deine Sorgen aufbürden willst, ist natürlich verständlich. Bei mir ist das jedoch so, dass ich mich freue, wenn andere an mich denken, auch wenn ich keine Lust habe mich beispielsweise mit freunden zu treffen. ich weiß, dass steht sehr im Widerspruch...
Vielleicht versuchst du im Gespräch mit ihm nicht deine Sorgen zu schildern (die er im schlimmsten Fall als Vorwurf sehen könnte), sondern lediglich zu sagen, dass es schön wäre ein bisschen mehr Kontakt zu haben, auch wenn es ich sag mal nur um oberflächliche Sachen geht und dass es ja auch nicht viel sein muss... Es sollte nur halt nicht einschränkend oder auffordernd sein, wenn du weiß was ich meine.
Wobei ich noch sagen muss, dass es für Angehörige echt schwer ist, da Betroffene zudem oft noch starke Stimmungsschwankungen haben... weswegen du ihn nicht stressen solltest, aber er sich ja ggf. öfter mal melden kann.
Ich hoffe mein Text war jetzt nicht allzu verwirrend... falls du noch Fragen hast, helfe ich echt gerne!
conniee
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von conniee »

So eine Sache noch :)
natürlich geht es bei der ganzen Sache auch um dich und du musst aufpassen, dass es dich nicht zu sehr mitnimmt und stresst. Vielleicht sind Gruppensitzungen mit Menschen, die ähnliches durchmachen wie du ein Anfang? Dann könntest du mit jemandem oder mehreren persönlich darüber reden. Und um von den Katastrophengedanken wegzukommen hilft oft nur Ablenkung.
Meridian
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Meridian »

Danke dir, Conniee, für deine Einschätzung.
Das hilft mir weiter, wenn ich von dir lese, wie es für dich ist und ich erlebe ja auch immer wieder, dass ich mir zu viele Gedanken mache, wenn nicht gleich eine Antwort kommt.
Daran werde ich arbeiten müssen und vielleicht spreche ich es auch nochmal an, und zwar möglichst ohne ihn unter Druck zu setzen.
Was ich erst so langsam lerne, ist, dass, auch wenn jemand depressiv ist, sich nicht alles
um die Depression drehen muss oder sollte, sondern man kann auch mal über, so wie du schreibst,
oberflächliche Dinge reden.
Die Idee mit der Angehörigengruppe ist gut, so ein regelmäßiger Austausch wäre sicher hilfreich.
LG und für dich alles Gute!
Meridian
conniee
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von conniee »

Ich wünsche dir auch ganz ganz viel Kraft und du oder eher ihr werdet das durchstehen! Ich hoffe, dass du noch eine Methode findest mit all dem am besten umzugehen.
Falls es Fortschritte oder Neuigkeiten gibt, die du hier teilen willst, würde mich das sehr interessieren. Genauso bin ich auch für weitere Fragen natürlich offen.
Liebe Grüße
Inchen517
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Inchen517 »

Hallo ihr Lieben,

ich wollte mir gern mal wieder was von der Seele schreiben.. Ich bin nun ein paar Wochen hier angemeldet und bisher, nach etwas ängstlicher Zurückhaltung, bin ich auch echt froh drum. Mit jedem positiven Wort von euch bin ich motivierter, das alles mit meinem Partner durchzustehen und ihm eine gute Unterstützung sein zu können. Gestern war ich bei einer Selbsthilfegruppe für Angehörige. Auch da mit einer ordentlichen Packung Aufregung im Schlepptau. Das schlechte war, ich war die Einzige. Fand ich schade, weil ich mich doch mit anderen Angehörigen austauschen wollte. ABER! Ich hatte die Therapeutin für 90 Minuten ganz für mich alleine! Das war das Gute :) Ich habe erzählt und erzählt, ganz viele Fragen gestellt und Antworten bekommen und ne Wagenladung Flyer mitgenommen. Ich fühlte mich bis heute nachmittag stark wie Hulk und war mir noch sicherer als zuvor, das alles mit ihm zu schaffen. Sicher mit vielen Rückschlägen, aber definitiv ohne Trennung. Zumindest nicht durch mich.
ICh hatte ihm gestern gesagt, ich fahre zu meiner besten Freundin, wollte ihm vor dem Termin nicht erzählen, wo ich hinfahre. Habe es ihm aber danach erzählt und er war recht interessiert. Haben für seine Verhältnisse viel gesprochen. Es ging ihm gestern "ok".. Heute allerdings wieder sehr schlecht. Zitat: "Ich bin doch nur eine Belastung!" Und zack, war meine ganze Motivation wieder dahin. Bei diesem Satz fällt mir absolut nichts ein, außer: "Nein, das bist du nicht!" Es kommt nur eben nicht an. Diese Momente der Hilfslosigkeit sind so scheußlich!!
Ich versuche ihn zu ermutigen, was die Therapie oder zumindest die Richtung angeht. Leider ist er der Meinung, er schafft es alleine da raus. Ich denke, hoffe, dass er bald auf den Punkt kommt, dass das nicht klappen wird.

Also alles in allem, himmelhochjauchzend - zutodebetrübt.. mein motto von gestern auf heute :(

Grüße an alle vom verwirrten Inchen
FrequentFlyer
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo Inchen517!

Ja, ich kann nur jedem raten hier nicht nur still mitzulesen, sondern auch selbst zu schreiben. Es tut einfach gut und strukturiert die Gedanken wenn man schreibt. All das was man so im Laufe eines Tages andenkt, denkt man dann mal zu Ende. Papier (oder das Schreibprogramm eures Laptops) ist auch noch der geduldigste Zuhörer. Ich selbst habe das immer so empfunden, das wenn ich etwas geschrieben habe und hier „veröffentlicht“ habe, dann war es erst mal raus aus meinem Kopf, woanders abgelagert. Gerade wenn man sich immer mit den selben Gedanken beschäftigt, tat das richtig gut.

Dieses, dem anderen helfen wollen, liegt wahrscheinlich ganz tief in unserem genetischen Programm. Dem Kind das hinfällt und schreit, ein Unbekannter der weint, ach so viele Dinge lassen uns sofort aufmerksam werden und wir sind bereit zu helfen. Das sind ja Eigenschaften die uns „menschlich“ machen und sich wahrscheinlich in der Evolution beim Menschen als soziales Wesen sehr stark ausgeprägt hat.
Nur, bei dieser Krankheit ist dies nicht immer gut. Wahrscheinlich sogar nicht bei den meisten Krankheiten, die Einfluss auf eine Eigenschaft einer Person haben. Beispiele hinken ja immer, aber wenn du Übergewicht hättest, dein Partner dich liebt, aber immer dir wieder sagt: Mach mal eine Diät, mach mal Sport, rede mal mit deinem Arzt darüber, mach eine Kur.... Er meint es wirklich gut und hat deine Gesundheit im Blick... mich würde es unendlich nerven.

Ab dem Zeitpunkt als es mir klar wurde, das ich meiner Freundin mit ihren Depressionen nicht helfen kann, das diese Krankheit ihr Ding ist, ab dann konnte ich besser damit umgehen und unsere Beziehung hat sich seit dem stabilisiert. Schon länger wurde die Beziehung an sich nicht mehr in Frage gestellt. Immer wieder habe ich ihr gesagt, dass ich mit ihrer Krankheit leben kann und ich ihr diesbezüglich nicht helfen kann. Das kann nur sie alleine. Ich kann maximal unterstützen. Okay, sehr unterschwellig habe ich ihr in letzter Zeit zu einer Kur geraten, aber nicht unter dem Aspekt der Heilung der Depressionen, sondern um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Arbeiten ist bei ihr ja ein zentral wichtiger Punkt und bis zur Rente dauert es noch ein paar Jahre. Meine Hoffnung ist ja, das sie in der Kur „an sich selbst“ arbeitet, mal zur Ruhe kommt.

So, aber umgekehrt wie sie es nicht will das ich ihr helfe (und ich es auch nicht kann), will ich auch nicht das sie mir reinredet was ich denke. So einen Satz wie „ich bin doch nur eine Belastung“ habe ich schon länger nicht mehr gehört. In meinem Fall war es konkret der Satz, das es für mich besser wäre wenn sie die Beziehung beendet, da eine Beziehung mit ihr mit viel Schmerz verbunden wäre. Meine Antwort darauf war öfters, dass einzig und alleine nur ich zu entscheiden habe was für mich belastend oder schmerzhaft ist. Nur ich selbst entscheide darüber wie weit ich gehe diesbezüglich. Ich halte dies für geradezu übergriffig, gesagt zu bekommen was ich fühle oder denke. Nur Mütter dürfen so was und deswegen ziehen wir auch mal aus, da wir das nicht mehr wollen ;-)
Meine Freundin ist meine Freundin und ich bin ich (diesen Satz habe ich auch schon öfters benutzt). Ich bin bereit die Grenzen, die auch die Krankheit setzt, zu akzeptieren und kann ehrlich gesagt ganz gut damit leben. Innerhalb ihrer Episoden ist halt eine innige Beziehung nicht möglich. Das ist so, ist für mich nicht weiter schlimm. Aber ich verlange auch das meine Grenzen akzeptiert werden. Auch ich will nicht unter dem Aspekt der Krankheit gesehen werden, will nicht das meine Zuneigung zu ihr als Projektionsfläche ihrer Depressionen herhalten müssen.

Das klappt jetzt in letzter Zeit ganz gut. Während der letzten Episoden hat sie nicht an der Beziehung gerüttelt, sondern einfach um ein paar Tage Ruhe gebeten. Aber mal sehen was die Zukunft bringt. Angst vor der nächsten starken Episode habe ich schon.

Vielleicht liebe Inchen517 ist dies auch ein Weg für dich. Du stehst zu ihm, du hast dich dafür entschieden das mit ihm durchzustehen. Das sind aktive Entscheidungen die du getroffen hast. Das kannst du mantramäßig ihm immer wieder sagen. Er hat sich dafür entschieden keine Therapie zu machen – seine aktive Entscheidung. Da du weder die professionelle Distanz noch die Befähigung hast ihm zu helfen mit den Depressionen, heißt dies aber auch das die Krankheit einzig und allein sein Ding ist. Geht dich eigentlich nichts mehr an.... natürlich schon so ein bisschen, das ist mir auch klar. Es geht auch eher um die Grundhaltung die man gegenüber betroffenen Partnern einnimmt – auch zum Selbstschutz. Weil helfen können sich Betroffene nur wirklich selbst in dem sie beispielsweise in Therapie gehen. Als Angehörige können wir viel falsch machen wenn wir uns selbst und den Betroffenen die Illusion geben, wir könnten helfen. Wir sind einfach keine Therapeuten.

Eine ehrliche Antwort auf den Satz „Ich bin doch nur eine Belastung“ wäre gewesen, „hier sprichst nicht du, sondern deine Depressionen. Lass mich da außen vor.“

Ich wünsch dir viel Kraft, das ihr beide einen Weg findet damit umzugehen und das dieser Weg nicht zu deinen Lasten geht, sondern zu Lasten von euch beiden.
Inchen517
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Inchen517 »

Guten morgen frequentflyer,

danke für deine worte. Meine antwort auf den satz war: „nicht für mich, nur für dich selbst. Ich versuche zu akzeptieren, das ich mich rausziehen muss. Ich kann es nur nich kommunizieren. Denn wenn er down is, gestern abend war es dann noch ganz schlimm: mit tränen, traurigkeit, null lebenswillen und nem puls weit ab von dem zulässigen höchstwert, dann kommt er mittlerweile zu mir und sagt mir ich solle ihn einfach nur halten. Sorry, aber das is doch nach hilfe suchen oder nich? Er hält es alleine nich aus, also „benutzt“ er mich zum runterkommen. Ich werd ihn dann nich wegstoßen, aber das is dich, in meinen augen zumindest, ein eindeutiges zeichen, dass er hilfe braucht und will. Er nimmt nur mich, weil er mir vertraut. Er weiß ganz genau, dass ich immer da bin. Und dann zu zu machen, das schaff ich nich. Auf der anderen seite, wie viell bei jeder sucht auch, denke ich, muss er am boden sein um zu realisieren, dass er sich hilfe holen muss. Ich respektiere seine entscheidung, und wenn ich merken würde, dass er mittel und wege hat, die ihm helfen, hätte ich auch nichts gegen seinen weg einzuwenden. Aber so funktionierts meiner meinung nach nich, nich langfristig. Die entscheidung was zu tun oder hilfe zu holen, dauert manchmal und wie gesagt, ich hoffe und glaube, dass er an den punkt noch kommt. Ich hab drei jahre gebraucht, bis ich mir nen therapeuten gesucht hab und wahrscheinlich genau deswegen wünsch ich mir, dass er ne therapie macht, weil ich eben aus eigener erfahrung weiß, dass es hilft und man viel besser von ort und stelle kommt, als alleine. Auch wenns bei mir um was völlig anderes ging.

Inchen
Mariebell55
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Mariebell55 »

...ich denke, jeder Depressive muß sich erstmal bewußt werden, das er einfach eine Krankheit hat...ich hab selbst lange gebraucht, um das zu realisieren. Man weiß zwar, das etwas mit einem nicht stimmt, aber halt nicht so richtig, was es ist. Man fühlt sich unverstanden und zieht sich immer mehr in die Einsamkeit zurück...alle Menschen, die einem nur helfen wollen, stößt man vor den Kopf. Bei mir brachte letztendlich ein kurzer Klinikaufenthalt die Wende...die haben mir dort zwar überhaupt nicht helfen können, aber mir wurde bewußt, das ich so nicht enden wollte...wie viele dort, von einer Klinik in die nächste...irgendwas hat da bei mir "Klick" gemacht...
FrequentFlyer
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi ihr Lieben!

Inchen517, ich kann da schon so ein bisschen schlau daher reden, sind doch die Depressionen meiner Freundin dadurch gekennzeichnet das sie sich total zurück zieht. Das führt zu ganz anderen Problemen und Sorgen wie dies Ausheulen deines Freundes bei dir. Da kann ich schon verstehen das dich dies unter Druck setzt. Mich setzt eher die Ungewissheit zu.
Nur, auf die Zukunft projiziert wird das schwer werden. Das ist schon so ein bisschen emotionale Erpressung, wenn du dafür verantwortlich bist damit er „runterkommt“, sich ausheult. Aus meiner Erfahrung heraus bin ich zur Überzeugung gekommen das man nicht wirklich helfen kann. Du kannst nicht wie eine Ersatzmutter die Verantwortung übernehmen und stets verfügbar sein.
Im Moment wird es vielleicht schwierig sein, aber so viel ich mitbekommen habe kommuniziert ihr auch durchaus gut. Vielleicht solltest du dies ansprechen wenn er offen ist sich auszutauschen – das dies schon so ein bisschen fies ist, dich so unter Druck zu setzen. Meiner Ansicht nach geht es oftmals um Grenzen. Nur wenn diese respektiert werden – von beiden Seiten – kann man einen Weg finden eine glückliche Beziehung zu führen. Du akzeptierst seine Depression, er akzeptiert das du nicht der Mülleimer seiner Tiefpunkte bist. Du bist schließlich seine Liebhaberin, Freundin, Partnerin.

@Mariebell55: Ich habe schon öfters darüber nachgedacht, ob es nicht auch ein Recht darauf gibt diese Krankheit zu ignorieren. Bestimmt gibt es Betroffene die genau so ganz gut durchs Leben gehen können.

LG
Camille
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Camille »

Ihr lieben Angehörigen,

Ich bin selbst Betroffene, verheiratet und habe zwei Töchter (16 und 13 Jahre). Ich lese hier nur sporadisch - aber doch immer wieder mal einzelne Threads, weil einzelne Themen und Konflikte, die ihr beschreibt auch auf mich und meine Beziehung zu meinem Mann zutreffen.

@FrequentFlyer. In dem Zusammenhang vielen Dank für deine Nachricht vom 24. Januar. Diese klare Aussage deinerseits, dass nur DU für dich entscheiden kannst, was für dich gut ist - kann ich von Dir als eine für mich "fremde" Person annehmen. Vielleicht sogar mehr als nur "annehmen" - es kommt mir allgemein gültig und richtig vor. Tatsächlich - ist es fast schon "übergriffig" mir "einzubilden", dass ich "wüsste", ob die Beziehung zwischen mir und meinem Mann für IHN (noch?) gut ist. Ja auch mein Mann kann das nur für sich selbst entscheiden - nicht ICH. Tja - warum auch immer, muss ich von mir leider "auch sagen", dass ich momentan ständig denke, dass ich ihm zu Last falle, nicht gut für ihn sei, ihn nur einschränken würde, mit reinreiße usw. Es gab auch Zeiten, in denen war ich überzeugt, dass er mich verachtet oder "mich" nicht mehr aushalten könne - vielleicht, weil ich mich selbst so gehasst habe, mich so "unausstehlich" fand. Trotzdem - immer wenn er meine Bedenken verneint hatte, habe ich innerlich daran gezweifelt. So in dem Sinne:" Er ist einfach ein sehr verantwortungsbewusster Mensch. Er sagt dies nur "um mir zu helfen". Ich sehe doch selbst, wie sehr er sich durch mich einschränken muss"...…..

Deine klare Aussage, hilft mir meinem Mann "zu glauben" - oder besser gesagt, es hilft mir mich nicht für ihn "verantwortlich" zu fühlen. Er trifft seine Entscheidungen für sich selbst - egal aus welchen Gründen. Und auch nur er selbst muss die daraus resultierenden Folgen für sich tragen.

Ansonsten - Ich glaube nicht, dass es eine allgemein gültige Art und Weise gibt, wie Paare ihre Beziehung gestalten "sollten". Und das gilt auch für Paare, von denen einer von dieser Störung betroffen ist.

@Inchen. Dir wollte ich auch etwas schreiben. Ich finde nur noch nicht die richtigen Worte. Deine Beschreibung hat mich innerlich sehr berührt - kann sein, dass es eine Sehnsucht in mir anspricht einfach, mal in den Arm genommen zu werden - gehalten zu werden. Nicht als "Dauerzustand" - nur punktuell. Bisher habe ich es nicht geschafft, dies zu äußern. Warum auch immer. Vielleicht aus dem Anspruch an mich "alles alleine schaffen zu wollen". Zu sehr schäme ich mich dafür, genau das "nicht zu schaffen". Das ist jetzt mein ganz persönliches Empfinden - und das muss nicht für andere Betroffene zutreffen.
Gezeigt hat mir deine Beschreibung, dass ich mich äußern "darf" - mein Mann kann ja keine Gedanken lesen. Und ob er es dann tut, ist seine Entscheidung.

Liebe Grüße
Camille
DieNeue
Beiträge: 5807
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von DieNeue »

Hallo Inchen,

ich finde es bemerkenswert, dass dein Partner sein Bedürfnis einfach nur gehalten zu werden aussprechen kann. Das können viele Leute (ich denke, auch manche "Gesunde" tun sich da schwer) nicht und müssen das erst lernen.
Kann aber nachvollziehen, dass einen das auch unter Druck setzen kann. Ich würde allerdings nicht einfach jedesmal die Umarmung ablehnen, wenn er damit kommt, so nach dem Motto "Ich nehm dich jetzt nicht mehr in den Arm, irgendwann wirst du schon mal merken, wie schlecht es dir geht", sondern vorher mal in Ruhe mit ihm reden.
Ansonsten könnte es sein, dass er sich irgendwann extrem abgelehnt fühlt und deshalb komplett dicht macht.

Liebe Grüße,
DieNeue
Mariebell55
Beiträge: 23
Registriert: 20. Jan 2020, 12:23

Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Mariebell55 »

....hhmmm...also eure Aussagen bringen mich schon ordentlich zum Nachdenken. Als selbst Betroffene denkt man ja immer, die Anderen müßten für einen da sein, weil's denen ja gut geht und man selbst so besch..... dran ist. Aber das ist schon ordentlich egoistisch...Letztendlich kann man sich nur mit professioneller Hilfe und der nötigen Selbsterkenntnis aus der Depri befreien oder zumindest lernen, besser damit umzugehen. Aber man sollte nicht sein Umfeld, egal ob Partner, Familie, Freunde etc. mit leiden lassen, wenn's einem schlecht geht...oder gar den Anspruch zu haben, die Anderen müßten was tun, damit es einem besser geht. Ich danke euch für diese Erkenntnis!!
Inchen517
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Inchen517 »

Ach ihr Lieben,

danke für eure zahlreichen Antworten - ihr seid im Moment mein Licht am Ende des Tunnels :)

[quote="Mariebell55"]...ich denke, jeder Depressive muß sich erstmal bewußt werden, das er einfach eine Krankheit hat...[/quote] Mein Freund spricht tatsächlich immer von der "Krankheit". Er hat auch des öfteren schon gesagt, dass jmd. der diese Krankheit nicht hat, sich nicht vorstellen kann, wie sie sich anfühlt. Von daher denke ich, er ist sich seiner Lage bewusst.

[quote="FrequentFlyer"]Hi ihr Lieben!

Inchen517, ich kann da schon so ein bisschen schlau daher reden, sind doch die Depressionen meiner Freundin dadurch gekennzeichnet das sie sich total zurück zieht. Das führt zu ganz anderen Problemen und Sorgen wie dies Ausheulen deines Freundes bei dir. Da kann ich schon verstehen das dich dies unter Druck setzt. Mich setzt eher die Ungewissheit zu.
Nur, auf die Zukunft projiziert wird das schwer werden. Das ist schon so ein bisschen emotionale Erpressung, wenn du dafür verantwortlich bist damit er „runterkommt“, sich ausheult. Aus meiner Erfahrung heraus bin ich zur Überzeugung gekommen das man nicht wirklich helfen kann. Du kannst nicht wie eine Ersatzmutter die Verantwortung übernehmen und stets verfügbar sein.
Im Moment wird es vielleicht schwierig sein, aber so viel ich mitbekommen habe kommuniziert ihr auch durchaus gut. Vielleicht solltest du dies ansprechen wenn er offen ist sich auszutauschen – das dies schon so ein bisschen fies ist, dich so unter Druck zu setzen. Meiner Ansicht nach geht es oftmals um Grenzen. Nur wenn diese respektiert werden – von beiden Seiten – kann man einen Weg finden eine glückliche Beziehung zu führen. Du akzeptierst seine Depression, er akzeptiert das du nicht der Mülleimer seiner Tiefpunkte bist. Du bist schließlich seine Liebhaberin, Freundin, Partnerin[/quote] Das Zurückziehen hat er anfangs gemacht. Damit konnte ich aber nicht umgehen, da ich mich immer wie im standby modus gefühlt habe. Und ich hatte das Gefühl, dass er gar nicht wirklich alleine sein will, sondern sich nur zurückzieht, um nicht "noch mehr Schaden" anzurichten. Deswegen habe ich versucht ihm zu zeigen, dass er sich natürlich öffnen darf und ich dann gern für ihn da bin. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke, das ist wohl das "kleiner-Finger-ganze-Hand"- Prinzip.. Er nutzt ja jetzt nur das aus, was ich ihm angeboten habe. Die Geister, die ich rief.. :) Wie gesagt, ich bin gern bereit, seine Schulter zu sein, und wenn meine Fürsorge zur Folge hat, dass er sich irgendwann eine Therapie oder zumindest professionelle Hilfe zutraut, bin ich noch gerner bereit.. :) Im Moment macht es aber eher den Anschein, dass ihm meine Schulter langt. Die letzten drei Tage waren aus seinen Augen betrachtet sehr gut. Er fühlte sich gut, hat viel gelacht.. Und er freut sich sehr über solche Tage - verständlicherweise. Nur sehe ich schon wieder ein Problem, denn er gibt sich damit zufrieden. Aber da bin ich vielleicht auch schon wieder 10 Schritte weiter als er.. Ich möchte gern lernen mich seinem Tempo anzupassen um dann mit ihm gemeinsam zu beschleunigen. Es freut mich auch, wenn er fröhlich ist. Allerdings ist das dann noch nicht der Mann, den ich damals kennengelernt habe und es ist auch nicht das Leben, was wir mal führten. Ein Leben, in dem wir zum Beispiel über Kinder sprachen. Das ist einer seiner größten Wünsche. Jetzt haben wir noch nicht mal Sex.. Von daher, die Sonnentage, so nenn ich sie jetzt mal, sind toll. Für ihn das Maximum im Moment. Für mich "nur" eine Hoffnung auf Besserung. Außerdem hat er sich vorgenommen, seine Mirtazapin täglich zu nehmen (er nahm sie bisher sporadisch, wenn er Einschlafschwierigkeiten hatte). Ich habe ihm den Vergleich mit der Antibabypille genannt - wär blöd, wenn man die sporadisch nimmt :) Hat ihm wohl eingeleuchtet ;)

[quote="Camille"]Tatsächlich - ist es fast schon "übergriffig" mir "einzubilden", dass ich "wüsste", ob die Beziehung zwischen mir und meinem Mann für IHN (noch?) gut ist. Ja auch mein Mann kann das nur für sich selbst entscheiden - nicht ICH. Tja - warum auch immer, muss ich von mir leider "auch sagen", dass ich momentan ständig denke, dass ich ihm zu Last falle, nicht gut für ihn sei, ihn nur einschränken würde, mit reinreiße usw. Es gab auch Zeiten, in denen war ich überzeugt, dass er mich verachtet oder "mich" nicht mehr aushalten könne - vielleicht, weil ich mich selbst so gehasst habe, mich so "unausstehlich" fand. Trotzdem - immer wenn er meine Bedenken verneint hatte, habe ich innerlich daran gezweifelt. So in dem Sinne:" Er ist einfach ein sehr verantwortungsbewusster Mensch. Er sagt dies nur "um mir zu helfen". Ich sehe doch selbst, wie sehr er sich durch mich einschränken muss"...…..

Deine klare Aussage, hilft mir meinem Mann "zu glauben" [/quote]

Es ist so toll, Camille, wenn die Botschaft bei dir angekommen ist und du die Worte von Frequentflyer so verstehst wie er sie meint. Eine Entscheidung, die dein Mann trifft, ist nicht zwangsläufig eine Entscheidung gegen dich.

Jeder Mensch, ob krank oder gesund, hat das recht zu äußern, wenn er hilfe braucht. Und die Mitmenschen sollten reagieren, in welcher Form auch immer. Wenn du dir den Arm brichst und deine Jacke nicht alleine schließen kannst, fragst du auch, ob dein Mann (oder jmd. anderes) dir helfen kann. Es ist einfach nur ein anderer Teil deines Körpers verletzt und die Umarmung ist deine Jacke :) Du stehst nicht alleine da und ich wünsche dir von herzen, dass du den Gedanken zulassen kannst, dass um Hilfe bitten und diese auch annehmen absolut in ordnung ist.

[quote="DieNeue"]Hallo Inchen,

ich finde es bemerkenswert, dass dein Partner sein Bedürfnis einfach nur gehalten zu werden aussprechen kann. Das können viele Leute (ich denke, auch manche "Gesunde" tun sich da schwer) nicht und müssen das erst lernen.
Kann aber nachvollziehen, dass einen das auch unter Druck setzen kann. Ich würde allerdings nicht einfach jedesmal die Umarmung ablehnen, wenn er damit kommt, so nach dem Motto "Ich nehm dich jetzt nicht mehr in den Arm, irgendwann wirst du schon mal merken, wie schlecht es dir geht", sondern vorher mal in Ruhe mit ihm reden.
Ansonsten könnte es sein, dass er sich irgendwann extrem abgelehnt fühlt und deshalb komplett dicht macht.

Liebe Grüße,
DieNeue[/quote]

Ja, das finde ich allerdings auch sehr bemerkenswert und eine tolle Entwicklung. Anfangs (vor ca. einem Jahr) hat sich die Depression, zumindest mir ggüb., nur gezeigt, wenn er betrunken war. Dann kamen die schlimmen Gedanken, die Tränen. Ich wollte schon da für ihn da sein, aber er hat nicht zugelassen, dass ich ihn weinen sehe. Dann nach und nach, ließ er es doch zu. und mittlerweile weint er nüchtern in meinem arm. Auch wenn er in dem moment leidet, ich freue mich, dass er offensichtlich vertrauen zu mir hat. und genau aus diesem grund, werde ich ihn niemals abweisen, wenn er hilfe oder meine nähe sucht. Im gegenteil. Es klingt ein wenig fies, aber vielleicht kann ich ihn ja so doch etwas in die richtung therapie schubsen.

[quote="Mariebell55"]....hhmmm...also eure Aussagen bringen mich schon ordentlich zum Nachdenken. Als selbst Betroffene denkt man ja immer, die Anderen müßten für einen da sein, weil's denen ja gut geht und man selbst so besch..... dran ist. Aber das ist schon ordentlich egoistisch...Letztendlich kann man sich nur mit professioneller Hilfe und der nötigen Selbsterkenntnis aus der Depri befreien oder zumindest lernen, besser damit umzugehen. Aber man sollte nicht sein Umfeld, egal ob Partner, Familie, Freunde etc. mit leiden lassen, wenn's einem schlecht geht...oder gar den Anspruch zu haben, die Anderen müßten was tun, damit es einem besser geht. Ich danke euch für diese Erkenntnis!![/quote]

Puh, langer Test, aber du Mariebell55, bekommst natürlich auch noch eine Antwort. Die Betroffenen können absolut nichts dafür, das ist mir bewusst, und es sollte euch bitte auch bewusst sein - soweit das möglich ist. Aber ja, es ist der pure Egoismus. Und wie ich finde, sogar in jegliche Richtungen. Zieht ihr euch zurück, müssen die Angehörigen damit klar kommen, dass an euch kein Rankommen ist. Wenn ihr euch öffnet, müssen die angehörigen auch damit klarkommen und das versuchen zu handln. Das aus eurer sicht gesprochen. ihr könnt eben nicht anders, das ist das gesicht der krankheit. deswegen finde ich in jedem fall die professionelle hilfe so extrem wichtig, damit ihr durch eure augen seht und nicht durch die depri-brille. Wie gesagt, das ist absolut kein vorwurf an die betroffenen. Bitte, bitte nicht falsch verstehen. und die angehörigen haben auch immernoch ein mitbestimmungsrecht, was sie mitmachen und was nicht. In meinem Fall, und ich kann auch nur für mich sprechen, wäre ich wesentlich mehr überfordert, wenn er sich zurückziehen würde, was er ja anfangs tat. das ließe mich extrem an unserer beziehung zweifeln. für mich besteht eine beziehung aus ehrlichkeit und zusammenhalt. deswegen war es mir wichtig, dass er sich öffnen kann und ich bin sehr froh, dass er das geschafft hat, vielleicht auch "nur" mirzuliebe, aber wir fahren damit ganz gut.. meisten... in seinem tempo.. :)

Entschuldigt bitte den endlosen Text, ich wollte aber gern auf all eure Posts eingehen.. Ich wünsch euch allen einen wundervollen Tag, Inchen
Inchen517
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Inchen517 »

:? Das mit den Zitaten sieht bei anderen aber anders aus...
FrequentFlyer
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Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi ihr Lieben!

Zu dem Themenkomplex wie sehr man helfen und Stütze sein kann: Das ist schon eine schwierige
Gratwanderung. Schnell kann es da passieren, das wenn sich die Depressionen bei unserem Angehörigen verschlechtern, wir dies persönlich nehmen, als eigenes Versagen erleben und selbst Gefahr laufen Betroffener zu werden.

Vor kurzem habe ich eine Talkshow gesehen in der es um häusliche Pflege von Angehörigen ging. Da sagte eine professionelle Pflegerin (ich meine sie war Leiterin eine Pflegeschule), dass jemand der pflegt, als aller erstes sich selbst pflegen muss. Sonst klappt das auf Dauer nicht. Sonst würden die Angehörigen kaputt gehen und schnell Belastungsgrenzen überschreiten. Und wahrscheinlich ist dies übertragbar auf Partner und Angehörige von an Depressionen erkrankten Menschen.

Das Beispiel von Inchen mit der Jacke ist schon richtig. Klar ist um Hilfe bitten und Hilfe anbieten absolut richtig und wichtig. Aber was macht man wenn der Betroffenen nur einzig und alleine seinen Partner um Hilfe bittet? Wenn nur ein einziger Mensch auf dieser Welt in die Jacke helfen darf? Da entsteht doch sofort ein Druck auf diesen Angehörigen immer verfügbar sein zu müssen – körperlich und mental. Und was macht dies mit einer Beziehung, wenn ein Partner auf die Hilfe des anderen angewiesen ist, sich aber nicht Hilfe von außerhalb holt? Wie lange kann so eine asymmetrische Beziehung gut gehen?

Das sind schwere Fragen. Ich für mich habe diese Fragen damit beantwortet das ich dies nicht kann und auch nicht will. Gut, meine Freundin zieht sich ja auch eher zurück. Aber auch dadurch helfen, sie auf eine Therapie hin zu drängen – ich habe es aufgegeben. Es nutzt einfach nichts. Sie will nicht und wenn sie es mir zuliebe machen würde, wäre es vermutlich wie bei meinen Söhnen: „Ey Papa, ich hab doch gleich gesagt das bringt nichts“. Das Scheitern (lassen) ist vorprogrammiert. Soviel ich hier mitbekommen habe, ist eine Therapie Kernerarbeit an sich selbst – ohne Eigenmotivation geht man da nicht durch. Also lass ich es so wie es ist und freue mich auf die Zeit außerhalb der Episoden.
Ich Maße mir nicht an andere aus Depressionen „erretten“ zu können. Ich kann höchstens ein kleiner Baustein dabei sein.

LG
Lieblingsuli
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Lieblingsuli »

Mariebell55 hat geschrieben:Als selbst Betroffene denkt man ja immer, die Anderen müßten für einen da sein, weil's denen ja gut geht und man selbst so besch..... dran ist. Aber das ist schon ordentlich egoistisch
Was ist an gesundem Egoismus verwerflich? Ist doch normal, dass der Mensch sich selbst schützen will. Den letzten Gesprächen mit meiner Thera entnahm ich, dass ich durch meine Ehe in die Depression gerutscht bin. Warum soll meine Frau da nicht in der Verantwortung stehen?
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
Inchen517
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Inchen517 »

Moin :)

@lieblingsuli: an gesundem egoismus is nix einzuwenden, den sollte jeder mensch haben.
@frequentflyer: alles richtig.. ich bin aber noch neu in dem thema und ich bin herzmensch. Ich kann im moment nich anders als so.. viell seh ich das alles irgendwann ganz anders und nehme eine ähnliche haltung an wie du. Ja, es nimmt mich alles sehr mit, zumal ich im moment böse ausgedrückt nichts zurück bekomme. Unsere beziehung wie ich sie kennengelernt habe, findet nicht statt. Das zieht mich runter und es gibt momente, in denen ich anzweifele, dass das hier irgendwas bringt, was ich tue. Ich hätte gern eine logische erklärung für alles. Gibts aber nich.. also augen zu und durch oder eben gehen.. zur therapie zwingen geht nich, lklar. Aber viell ein stück in die richtung schubsen. Quasi bis zur tür begleiten. Aufmachen muss er selbst. Keine ahnung, ob das klappt. Aber gar nich erst versuchen widerstrebt meinem charakter.
DieNeue
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

wollte mal noch was zum Thema "Egoismus" sagen.

Mir ist bewusst, dass man als Depressiver oft egoistisch ist oder so rüberkommt. Auch wenn man das als Betroffener nicht gern hört. 

Aber wenn ich manchmal hier bei den Angehörigen lese, denke ich mir von "euch" manchmal genau das gleiche. ;) 

Zu wollen, dass es dem Partner besser geht, ist gut und auch nicht egoistisch. Trotzdem habt ihr Angehörigen auch den Wunsch, dass es auch EUCH wieder besser geht, dass eure Beziehung wieder so schön wird "wie früher", denn euch fehlen dann in der Beziehung Dinge, die ihr gerne haben möchtet, oder ihr wollt euch auch nicht immer mit Problemen rumschlagen. Und dafür soll dann der Betroffene eine Therapie machen, in die Klinik gehen, sich ändern, an sich arbeiten, endlich in die Puschen kommen, endlich wieder gesund oder "normal" werden, nicht so lange brauchen usw. Das ist auch nicht gerade unegoistisch ;) Das ist nicht böse gemeint, aber vielleicht nochmal ein anderer Blickwinkel. 

Jeder der ein Problem hat und es lösen möchte, ist in gewisser Weise egoistisch. 

Liebe Grüße,
DieNeue
Inchen517
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Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Inchen517 »

Hallo DieNeue,

genau das meine ich mit gesundem egoismus.. jeder braucht den um eben im optimalfall genau das richtige für sich selbst zu tun. Ohne rücksicht auf irgendwas. Selbstreflektion eben, sich selbst nicht aus den augen verlieren. Das is meiner meinung nach gesund egoistisch. Aber, wenn man sieht, es liegt ein problem im raum, wo man selbst der auslöser ist, und keine bestrebung hat etwas gegen zu tun, sondern mal böse gesagt der meinung ist, ich mach das jetzt so, mir egal, ob du damit klar kommst, dann is das ungesunder egoismus. Oder derjenige ist einfach nicht interessiert am wohlergehen des anderen. Dieser sachverhalt hat aber gar nich mit krank oder gesund zu tun, denk ich. Das ist zwischenmenschlicher umgang. ABER! Betroffene haben ja diesen blickwinkel gar nicht.. oder doch?! Ob diese lösung jetzt ne therapie ist, oder bücher lesen und dem versuchen selbst auf den grund zu gehen, oder was auch immer, sei mal dahingestellt.

Liebe grüße zurück, inchen
Mariebell55
Beiträge: 23
Registriert: 20. Jan 2020, 12:23

Re: Umgang mit depressiven Angehörigen

Beitrag von Mariebell55 »

...denke, das ist eine unerschöpfliche Thematik. Jeder Mensch ist einzigartig, jeder Mensch geht anders mit Situationen, Schicksalsschlägen etc. um. Ich frage mich manchmal, ob irgendetwas das im Leben passiert ist, die Depression auslöst oder ob man es schon in die Wiege gelegt bekommt, daran zu erkranken. Ist wohl auch bei Jedem anders...zur Therapie kann ich nur sagen, da kann man Niemanden zwingen, das muß aus freien Stücken und dem Willen geschehen, das man etwas verbessern, verändern möchte. Und mit der Bereitschaft sich komplett zu öffnen und dem richtigen Therapeuten gelingt das auch...meistens! Man muß halt selbst sehr viel an sich arbeiten und das hört auch nie auf.

Ich bin ja erst ganz kurz in diesem Forum und finde es super interessant mich mit euch allen auszutauschen. Vor allem auch deshalb, weil nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige ihre Meinungen und Erfahrungen mitteilen.

Liebe Grüße an euch alle von
Petra.
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