Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

ZimtundZucker
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

Danke dir!


Danke für deine Worte. Das tut gut - gerade weil wir ja auch immer wieder den vollen Gegenwind abkriegen.
DieNeue
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von DieNeue »

ZimtundZucker hat geschrieben:und manchmal hab ich den Eindruck, dass er sich grad dann wenn er viel auf mich zugegangen war, wieder einen Rückzug in sein Schneckenhaus macht. Auch sowas wie eine Woche Krankschreibung. Totale Erschöpfung. Und ich glaube eben, dass das nicht an mir liegt, sondern dass das Verhalten Ausdruck der Krankheit ist.
Ich finde es sehr cool, dass du das nicht persönlich nimmst! Ich würde auch gerne mehr mit anderen Menschen Kontakt haben, aber für mich sind Menschen allgemein anstrengend. Nicht nur Leute, die von ihrer Art her auch für Gesunde anstrengend sind ;), sondern einfach grundsätzlich die Interaktion mit Menschen. Leider ist es bei Depressionen auch so, dass selbst schöne Dinge anstrengend sein können und man Zeit braucht, um sich davon zu erholen. Die Krankheit macht einfach vieles sehr anstrengend.
ZimtundZucker
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

Liebe DieNeue,

da habt ihr mir hier, und ganz besonders auch du, sehr geholfen. Immer wenn man etwas nicht persönlich erfahren hat, kann man es sich nicht wirklich vorstellen.

Danke also für deine persönlichen Einblicke. Und du hast auch einfach ein gutes Gespür für Sprache und findest passende Beschreibungen.

Trotz allem weiß ich nicht, ob ich in seinem Leben bleiben darf. Ich glaub, ich täte ihm gut. Er ist ein tolles Gegenüber für mich. Aber es gab eben schon Momente, in denen er mir gesagt hat, ich würde nerven. In Comics ändert sich die Gesichtsfarbe. Im echten Leben nicht. Nicht immer kann man von außen Stimmugsschwankungen erkennen. Und ich hatte auch schon den Impuls ihm was Gutes tun zu wollen in einer dunklen Phase. Eine Suppe kochen. Und das ging dann voll nach hinten los. Ich war mir sicher, dass da die Krankheit dahiter steckt. Aber er nicht.

Du bist offensichtlich sehr reflektiert und weißt viel über die Symptome und Hintergründe. Danke für dein positives Feedback!

LG
Monokel
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Monokel »

Ja, vielen Dank, du Neue :)
Ich kann auch besser verstehen und ordnen.
Deine Worte sind sehr, sehr hilfreich.
Viele Grüße
DieNeue
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von DieNeue »

Hallo ZimtundZucker und Monokel,

es freut mich immer, wenn ich euch weiterhelfen kann. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie liegt es mir voll am Herzen, dass man sich gegenseitig versteht.
ZimtundZucker hat geschrieben: Du bist offensichtlich sehr reflektiert und weißt viel über die Symptome und Hintergründe.
Naja, nach 10 Jahren chronische Depressionen kennt man sich halt aus ;) Und das Lesen und Schreiben hier im Forum war mir auch eine sehr große Hilfe mich und die Krankheit besser zu verstehen.

Liebe Grüße,
DieNeue
ZimtundZucker
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

Ja, DieNeue. Das geht mir ganz genauso. Also dass es wenig Missverständnisse gibt und dass man offen kommuniziert und sich gegenseitig gut versteht liegt mir auch sehr am Herzen!
ZimtundZucker
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

Jetzt doch noch eine Frage... an Die Neue und an jeden der einen Gedanken dazu hat:

Warum ist der Kontakt mit Menschen anstrengend?

Alle - oder gibt es da Ausnahmen, z.B. Geschwister mit denen man ein gutes Verhältnis hat? Alte Freunde?

Liebe Grüße
Nottinghill
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Nottinghill »

Haha. Wenn Du das rausbekommst und darüber ein Buch schreibst, es wird in 183 Sprachen übersetzt und Du bist mega reich.

Jeder ist irgendwann mal für einen anstrengend. Meistens wahrscheinlich, wenn er fordert. Oder wenn unliebsame Sachen angesprochen werden. Da sind die nahestehenden Personen natürlich mit eingeschlossen.
Monokel
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Monokel »

...ich versteh auch nicht, wieso eine leicht dahingelassene Phrase sooooo ein Problem sein kann, dass man tagelang komisch wird und dann auf Nachfragen, was eigentlich los ist, irgendetwas zum Thema aufgebauscht wird, das für mich nur eine Lapalie, ein Witz war....

Zimt und zucker: ich hab dich so oft zitiert in Gesprächen mit meinen Freundinnen:
Ja, wahrscheinlich zieht auch viel negative Energie aus, wenn er auszieht...
DieNeue
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von DieNeue »

ZimtundZucker hat geschrieben: Warum ist der Kontakt mit Menschen anstrengend?
- Reizüberflutung bei vielen Menschen
- jeder Gedanke, jede Antwort, die man geben soll, ist anstrengend
- Konzentrationsprobleme
- Geräuschempfindlichkeit
- man will nicht nach den Depressionen gefragt werden, wird aber immer wieder gefragt, wie es einem geht, was man beruflich macht usw.
- man will sich nichts anmerken lassen
- man wird innerlich unruhig
- am besten funktionieren bei mir meine Familie und ein paar ganz enge Freundin
- manche Depressive haben auch körperliche Probleme.

Und warum Witze/Floskeln persönlich genommen werden:
- Denke, Menschen sind grundsätzlich unterschiedlich, manche legen alles auf die Goldwaage, andere reden einfach ohne nachzudenken und oberflächlicher. Das hat eigentlich nichts mit Depressionen zu tun
- manches, das für oberflächlich redende Leute nur "flapsig" ("flapsig" bedeutet nicht einfach "locker/lässig", sondern bedeutet "unhöflich") gemeint war, ist tatsächlich beleidigend (meine Erfahrung)
- als Depressiver reagiert man noch negativer und empfindlicher als Gesunder
- man hat ein schlechtes Selbstwertgefühl und lässt sich durch negatives schnell verunsichern
- bei Depressionen steckt man leicht in einer Grübelschleife fest und kommt da nicht leicht raus
- in vielen Witzen ist tatsächlich ein Körnchen Wahrheit enthalten

Mal so als Gedankenanregung..
Camille
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Camille »

Hallo - Liebe ZimtundZucker,

du hast gefragt, warum der Umgang mit Menschen so anstrengend sei und ob das mit allen Menschen gleich sei?

DieNeue hat dazu schon viel Wichtiges geschrieben. Ich selbst möchte, weil mir gegenseitiges Verständnis auch sehr wichtig ist, versuchen "meine persönliche Antwort" darauf zu geben. Mir ist es dabei ganz wichtig, dass das Folgende "meine Sicht und Wahrnehmung" darstellt und ich nicht Antwort geben kann für "alle Depressive" - nicht nur, weil jeder Mensch (auch wir Depressiven) anders ist, sondern auch, weil die Ursache, die zu einer depressiven Störung führen können, meiner Meinung nach mit ausschlaggebend sind, welche Bereiche evtl. gut funktionieren und welche nicht.

Deswegen zum besseren Verständnis kurz zu mir:
Ich bin 50 Jahre alt, verheiratet, habe 2 Töchter (13 und 16 Jahre alt) und bin halbtags berufstätig.
Ich selbst bin Betroffene und seit Sommer 2016 in therapeutischer Behandlung. Ich nehme Medikamente (Venlafaxin und Quetiapin).
Meine offizielle Diagnose lautet rez. depressive Störung aktuell schwere Episode - Mir selbst fällt es schwer, von mir zu sagen, dass ich depressiv sei; auch wenn mir vom Kopf her bewusst ist, dass ich nach dem aktuellen Diagnoserichtlinien korrekt eingestuft worden bin. Ich sehe bei mir die Ursache meiner Beschwerden in unzureichend entwickelten psychischen Strukturen, die dazu führen, dass ich im Leben bei normalen "Alltagssituationen" Schwierigkeiten habe und scheitere, die für "gesunde" Menschen überhaupt kein Problem darstellen. Ein großer Bereich war und ist der Umgang mit Menschen.

Tatsächlich möchte ich eins vorneweg schon mal klarstellen - ich selbst weiß es (immer noch?) nicht, warum für mich der Umgang mit Menschen so anstrengend ist.
Ich kann nur sagen, dass es so schon immer war und leider immer noch ist. Dies gehört für mich persönlich zu "meinen oben erwähnten unzureichend entwickelten psychischen Fähigkeiten".
Als ich noch jünger war, glaubte ich, dass ich durch "Übung" und "Training" meine "fehlende soziale Kompetenz" verbessern könnte - "normal" werden könnte.

Leider ist mir das bisher nicht gelungen - zumindest, was mein innerliches Erleben betrifft. Umgangsformen habe ich gelernt - auch Strategien entwickelt, im Alltag "funktioniere" ich. Fast niemand weiß von meiner Störung - und allen, denen ich es erzählt habe, waren erstaunt. Manche können es bis heute nicht glauben.

Woran liegt es nun aber, dass ich Menschen als anstrengend empfinde? - Ich glaube, dass das sehr komplex ist - Viele unterschiedliche Faktoren sich gegenseitig beeinflussen - und vieles selbst für mich nicht "erklärbar" ist.
Hypothesen:

1.) Mangelndes / Fehlendes Selbstbewusstsein
Ich fühle mich einfach tief im Inneren wertlos - ein Versager. Das kann ich nach außen sehr gut kaschieren, das habe ich gelernt - innerlich wird dieses Gefühl gerade im persönlichen Kontakt zu anderen Menschen für mich allerdings immer deutlich spürbar. Es fühlt sich so an, als ob unbewusst ein permanenter Vergleich mit meinem Gegenüber stattfindet und zu meinem Ungunsten ausfällt. Ich kämpfe innerlich gegen diesen zunehmenden Schmerz - und versuche mit allen Mitteln zu vermeiden, dass mein Gegenüber etwas bemerkt. Das ist anstrengend.
Hier wäre Offenheit meinerseits vielleicht hilfreich - Oft schäme ich mich zu sehr für mich selbst.....

Wenn es mir noch schlechter geht, gelingt es mir überhaupt nicht mehr, die "Fassung" zu bewahren. Dann nehme ich jede Äußerung als Ablehnung wahr, weil ich mich selbst als im besten Fall nur "2störend empfinde. Dann kann ich mir selbst nicht vorstellen, dass es jemanden geben könnte, dem ich nicht auf die Nerven gehe, zur Last falle, aufrege.... Andersartige Aussagen erscheinen mir gelogen ("die wissen ja gar nicht, wer ich wirklich bin" ), ein vergessenes "Gute Morgen" ein Beweis dafür, nicht "Willkommen" zu sein. Dann kann es passieren, dass ich "mich nicht mehr im Griff" habe - aggressiv werde oder bissig oder "laut" werde. Hinterher bedauere ich alles sehr, was dazu führt, dass ich zukünftig mich noch mehr "anstrenge" meinen innerlichen Schmerz zu verbergen. -
Oder- wenn irgend möglich, ziehe ich mich ganz zurück, weil ich denke, dass es für alle Beteiligten das Beste sei.

2.) Angst nicht "dazu zu gehören", "verlassen zu werden".
Menschen sind für mich auch anstrengend, weil im Kontakt immer auch Angst mit dabei ist. Für mich ist die Angst "nicht zu genügen" umso größer, je wertvoller mir mein Gegenüber ist. Diese Angst macht mich unsicher - oft ertappe ich mich dabei, dass ich permanent am Prüfen bin, ob ich etwas "Falsches" gesagt haben könnte, "dumm" reagiert habe, mein Gegenüber "verletzt" haben könnte usw usw Das alles läuft parallel zu Gesprächen und Kontakten - oft aber auch noch lange danach innerlich ab. Diese innerlichen Zweifel, das Grübeln und keine Antwort finden kostet viel Kraft - strengt mich sehr an.

3.) Mich nicht abgrenzen können, selbst nicht wahrnehmen können
Wenn ich unter Menschen bin, spüre ich die Bedürfnisse anderer sehr deutlich und fühle mich dafür verantwortlich. Das führt dazu, dass ich den Eindruck habe, andere würden permanent Forderungen an mich stellen - obwohl sie das gar nicht tun. Ich habe so ein tiefes inneres Bedürfnis, es anderen "Recht zu machen" - bin in ständiger innerer Bereitschaft. Kommen in einer Gruppe von Menschen gleichzeitig unterschiedliche Wünsche oder Bedürfnisse zum Ausdruck, gerate ich richtiggehend in "Stress", weil ich nicht allen "gleichzeitig" gerecht werden kann.
Mich selbst nehme ich in solchen Situationen überhaupt nicht mehr wahr - erst, wenn gar nichts mehr geht, ich völlig erschöpft bin usw....

4.) Fehlende Freude, Ziele und Wünsche - fehlendes Interesse
Ich empfinde keine Freude - nichts macht mir wirklich Spaß. Ich beneide andere darum.
Ich weiß damit nicht umzugehen - auch nicht, wie solche "Gefühle" erzeugt werden könnten. Es trennt mich von anderen Menschen. Manchmal empfinde ich auch so etwas wie "Freude" - oder kann ich etwas "genießen", ich weiß allerdings nie, wann ich solche Momente erlebe und dann ja auch mit anderen teilen könnte. Ich finde "nichts" - kein "Hobby" - "keine Beschäftigung", die mir zumindest relativ zuverlässig immer mal wieder solche Momente bescheren könnte. Ich habe daher keine Hobbys, keine Interessen usw. So etwas wie "Vorfreude" fehlt mir auch - anstelle dessen habe ich eher Angst vor Ereignissen, die für viele mit Freude verbunden sind, wie Urlaub, Feste, Hobbys....Ich habe durchaus auch schöne Momente - allerdings unvorhersehbar.
Dass es etwas sehr Verbindendes ist, gemeinsam Freude empfinden zu können - dass das etwas ganz Zentrales ist, was Freundschaft ausmacht, weiß ich. Ich möchte für andere nicht die Stimmung verderben und verhalte mich in bestimmten Situationen dann so, wie es erwartet wird. Das kostet nur sehr viel Kraft.

5.) Medikamente
Ich bin sehr dankbar, dass es Medikamente gibt, die mir meine innere Getriebenheit und Anspannung etwas nehmen - sie machen mich aber auch unendlich müde. Ich habe nicht die Kraft und Ausdauer - ich erschöpfe viel schneller.

Ich glaube, dass dahinter noch viel mehr steckt.
Alles in allem kann ich als Betroffene nur sagen, Menschen ermüden mich sehr. Nahe Menschen oft noch mehr als "lose Bekannte" oder Fremde.

Meine größte Sehnsucht ist "Heimat" - eine innere Verbundenheit zu anderen Menschen. Vertrauen. Nähe.
Ich fühle mich innerlich sehr einsam - unter Menschen gab es für mich Momente aller größter Einsamkeit.
Ich fühle mich innerlich meist leer und taub - am größten ist die Leere oft nach Festen oder Begegnungen mit vielen Menschen.
Das sind Erfahrungen - ohne, dass ich es erklären kann.

Jetzt habe ich viel geschrieben
Ich weiß gerade gar nicht, ob es nicht doch etwas am Thema vorbei ging.
Ich schicke es trotzdem mal ab

Wenn es nicht hilfreich gewesen sein sollte, dann lest bitte darüber hinweg.

Liebe Grüße
Camille
ZimtundZucker
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Registriert: 25. Okt 2019, 12:04

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

Liebe Camille, liebe Die Neue,

herzlichen Danke für Eure Antworten und die Mühe die ihr euch gemacht habt.

Ich muss das jetzt alles noch mehrmals lesen.

Ich weiß gar nicht was ich sagen soll so beeindruckt bin ich von Euren Texten.

Liebe Grüße
ZimtundZucker
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

danke Camille für deinen Text. Ich finde mich da auch in vielem wieder.
Camille hat geschrieben:Das alles läuft parallel zu Gesprächen und Kontakten - oft aber auch noch lange danach innerlich ab.
Der Satz hier hat mich besonders angesprochen. Es ist bei mir auch so, dass im Kontakt mit anderen wirklich parallel noch mehr abläuft, als man sieht oder bemerken könnte. Als es mir schlechter ging, war das noch mehr so als jetzt.

Ich will nicht sagen, dass ich eine Maske aufhätte, aber mir ist mal aufgefallen, dass es einen Unterschied macht, ob ich von meiner Depression erzähle oder ob das jemand live mitkriegt. Allein das erzählen ist für manche ja schon mit Angst vor Ablehnung verbunden oder es ist schwierig etwas zu beschreiben, das man selber noch nicht ganz kapiert (und Depressionen wird man wahrscheinlich nie zu 100% verstehen können...)
Aber dass andere Leute mitbekommen, dass man eigentlich grade ein Häuflein Elend ist, das gerade nur heulen würde, wenn man allein wäre... oder man die ganzen wirren Gedanken aussprechen würde oder dass sie mitbekommen würden, dass man Angstgefühle hat, während man an Silvester zusammen beim Raclette-Essen sitzt und man gar nicht weiß, warum man Angst hat, das will ich dann doch nicht.
Ich will nicht wissen, was los wäre, wenn man als Depressiver alles rauslassen würde ;)

Für mich ist es oft auch eine Herausforderung, wenn ich mitbekomme, was andere in ihrem "normalen" Leben machen können und was ich nicht mehr kann oder nicht mehr habe:
In den Urlaub fahren, weil mich ein Ortswechsel/fremde Umgebung/Kofferpacken so stresst, dass ich nach dem Urlaub wieder Urlaub bräuchte, mein Studium fertig machen (habe wegen den Depressionen abbrechen müssen), arbeiten können (bin seit ca. 4 Jahren wegen den Depressionen voll erwerbsunfähig), Kinder haben (fehlt der Mann, den ich nicht kennenlerne, weil ich durch meine Einschränkungen kaum Leute kennenlernen kann, und mich würden auch die Aufgaben berfordern), heiraten (ich würde die Feier nicht überstehen), fit sein, nicht ständig total k.o. sein, nicht ständig damit beschäftigt sein müssen, aufzupassen, dass die Stimmung nicht kippt oder dass man sich nicht übernimmt.

Das ist auch wirklich sehr anstrengend, egal ob unter Leuten oder allein, man muss die ganze Zeit drauf achten,
- dass die Stimmung nicht wieder ins negative kippt,
- dass man sich körperlich nicht zu sehr anstrengt und übernimmt (ist bei mir der Fall, andere können viel Sport machen. Ich falle aber nach zu starker körperlicher Anstrengung in ein tiefes Loch).
- dass man sich psychisch nicht zu viel Druck und Stress macht
- dass man Pausen macht (und sie auch bei anderen einfordert, wozu man offen darüber reden muss, warum man Pausen braucht)
- dass die äußeren Reize nicht zu viel werden (zu viele Leute, ein permanentes leises Geräusch, zu viel Auswahl beim Einkaufen, Musik, die im Hintergrund läuft usw.)
- dass man sich im Gespräch mit anderen nicht ständig vergleicht und wenn man das nicht schafft, zumindest verhindern, dass man gleich losheult (Ich denke, vergleichen werden sich auch mal Gesunde, aber ich denke, bei Depressionen löst das gleich eine ganze Kette an negativen Reaktionen aus, wodurch man in solche Gedanken der Wertlosigkeit richtig reingezogen wird, man nur noch alles auf sich bezieht und ewig braucht, bis man da wieder rauskommt.)
- dass man nicht jedes Gefühl rauslassen kann, weil es in der Situation unangebracht wäre / die anderen sich dann Sorgen machen würden / die anderen genervt sind, weil sie wieder Rücksicht nehmen sollen oder weil man dann die Spaßbremse wäre usw.

Naja, im Prinzip ist man halt parallel ständig damit beschäftigt, mit der Depression klarzukommen.
Wirklich genau sagen, warum es mir nicht gut geht beim Kontakt mit Leuten, kann ich aber oft gar nicht. Oft ist es ein diffuses Angstgefühl oder ein generelles Unwohlfühlen.

Als ich noch in meiner Jugendgruppe war, so vor 10 Jahren oder so, da hatte ich immer das Gefühl, ich bin in meinem Schneckenhaus und wenn ich mal den Kopf rausstrecke, um ein bisschen am Leben teilzunehmen, kriege ich gleich eine "auf den Deckel". Nicht weil die anderen unfreundlich gewesen wären, sondern weil ich irgendwie nicht mehr mit den anderen mitgekommen bin, mit ihren ganzen Emotionen, ich konnte kaum mehr Gespräche anfangen, und wenn, dann war ich im Gespräch irgendwie überfordert, hab hauptsächlich zugehört.
Es heißt ja immer, dass bei Depressionen die Schwingungsfähigkeit reduziert ist. Ich nehme an, dass das damit gemeint ist. Man kann nicht mehr so gut auf das, was die anderen sagen und was an Gefühlen von ihnen rüberkommt, emotional reagieren. Es ist ja teilweise auch so, dass man bei Depressionen eine relativ starre Mimik hat und dass die Augen nicht mehr strahlen.

Menschen sind auch einfach keine Gegenstände, von denen keine Reaktion kommt, sondern Menschen agieren und reagieren ständig, dazu gehören Mimik, Gestik, der Inhalt des Gesprächs..., auf das man alles ständig reagieren und sich umstellen muss.
Und ständiges Reagieren und sich umstellen müssen kann sehr anstrengend sein.

Zudem ist es, wie Camille schreibt, schwierig, mit Menschen zu interagieren, wenn man sich über nichts mehr freut, sich für nichts mehr interessiert, alle Gesprächsthemen einem belanglos vorkommen, weil sowieso alles sinnlos ist usw.

Ich glaube, bei Depressionen denkt man als erstes dran, dass die Krankheit einfach mit dem Betroffenen zu tun hat, dass es demjenigen halt einfach schlecht geht, aber wie sich die Krankheit auf die Interaktion mit anderen Menschen auswirkt, überreisst man nicht so schnell...

Finde das Thema ganz interessant.

Liebe Grüße,
DieNeue
Kathrin42
Beiträge: 3
Registriert: 6. Jan 2020, 11:42

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Kathrin42 »

Liebe Camille,
vielen Dank für deine ausführlichen Erläuterungen. Ich sehe da viele Parallelen zum Verhalten meines Partners. Er befindet sich leider gerade in einer schwer depressiven Phase und es fällt ihm schwer über seine Gefühle zu reden. Hast du vielleicht einen Ratschlag für mich wie ich einen besseren Zugang zu ihm finde? Was hilft dir in deiner Beziehung?

Viele Grüße,
Kathrin
Zuletzt geändert von Kathrin42 am 12. Jan 2020, 14:44, insgesamt 1-mal geändert.
Camille
Beiträge: 602
Registriert: 3. Nov 2018, 21:35

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Camille »

Liebe Kathrin,

Es tut mir leid, dass dein Partner sich von Dir getrennt hat. Natürlich kann ich Dir da leider keine Ratschläge geben, da dein Partner, genauso wieder jeder andere Mensch auch, ein ganz eigenständiges persönliche Innenleben und Empfinden hat. So wie ich deine post verstanden habe, ist Dir das ja auch bewusst.

Du fragst, was mir in meiner Beziehung hilft. Darauf möchte ich gerne versuchen Dir zu antworten. Mir ist auch hier nochmal ganz wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um meine ganz persönlichen Bedürfnisse handelt und die von denen deines (Ex-)Partners ganz verschieden sein können, auch wenn wir unter einer ähnlichen Störung leiden.

Was für mich hilfreich innerhalb einer Beziehung ist, unterscheidet sich meiner Meinung nach nicht wesentlich von dem, was in jeder Partnerschaft zum Gelingen wichtig und notwendig ist. Für mich ist das

1.) Ehrlichkeit und Authentizität:
Ich glaube, dass ich sehr feine Antennen habe, ob das, was mein Mann sagt oder tut, ehrlich gemeint ist. Spüre ich da "Unstimmigkeiten", stelle ich schnell auch alles bisherig Gesagte und Getane - und damit leider auch schnell die gesamte Beziehung in Frage.
"Vertrauen aufbauen und bewahren können", fällt mir sehr schwer. "Vertrauen können" hat bei mir sehr viel mit Ehrlichkeit zu tun und ist gleichzeitig für mich Basis einer Beziehung.
Für mich heißt das nicht, dass man immer einer Meinung sein muss - mein Gegenüber soll andere Ansichten, Wünsche, Bedürfnisse mir gegenüber äußern. Das ist sogar wichtig, um aufkommende innere Zweifel und permanentes Hinterfragen von Gesagtem/Getanem vorzubeugen. Desto häufiger ich die Erfahrung mache/gemacht habe, dass mein Gegenüber alles ehrlich meint, desto leichter fällt es mir "zu vertrauen" - auch wenn es mal weh tut.
Für mich ist gutgemeinte "Schonung" oder "Schönreden" Gift.

2.) Immer wieder Beziehung/Wertschätzung bestätigen
Jetzt kommt wahrscheinlich etwas Typisches für "Depressive". Auch wenn es banal erscheint, man kann mir gegenüber gar nicht oft genug wiederholen, dass man mich weiterhin wertschätzt und an der Beziehung festhält. Gerade bei Auseinandersetzungen ist es für mich geradezu essentiell wichtig , dass mein Partner mir versichert, dass er damit nicht "grundsätzlich" die Beziehung in Frage stellt oder meine Person "komplett" ablehnt/verachtet. Ich selbst neige auch zu dem viel zitierten "Schwarz-Weiß Denken". Ist mein Partner in etwas anderer Meinung - habe ich schnell das Gefühl, er verachtet mich komplett. Ist er enttäuscht, sind schnell Ängste da, nicht zu genügen.
In solchen Fällen darf und soll er weiter ehrlich wein, andere Ansichten vertreten, eigene Bedürfnisse äußern, sich abgrenzen..... - ich kann besser damit umgehen, wenn er mir gleichzeitig glaubhaft weil ehrlich gemeint versichern kann, dass es sich nicht um komplette Ablehnung handelt.

3.) Interesse für mein persönliches Erleben zeigen ohne Bewertung
Es tut mir gut, wenn ich spüre, dass mein Gegenüber "wirklich" Interesse an mir hat. Ich erwarte überhaupt nicht, dass mein Gegenüber alles versteht - das ist unter Menschen ohne "Störung" denke ich auch nicht anders - aber, dass er bereit ist, sich darauf einzulassen, dass meine Wirklichkeit vielleicht in manchen Bereichen anders ist.
Das fängt leider schon damit an, dass ich oft selbst gar nicht sagen kann, was ich fühle, ob ich überhaupt etwas fühle, was mir gerade gut tun würde, worauf ich "Lust" hätte. Vieles kann ich nicht bewusst steuern - vielleicht bisher noch nicht. Ich weiß nicht, wann ich zu welchen "Unternehmungen" in der Lage sein werde. Da gibt es Bereiche, die ich selbst nicht erklären kann - denen ich mich ausgeliefert fühle. Hier täte es mir gut, wenn mein Gegenüber meine Machtlosigkeit anerkennen könnte.

4.) Meine "Störung" ist auch ein Teil von mir
Ich selbst kann nicht trennen zwischen dem, was mich als Mensch auszeichnet, und dem, was meine Krankheit sein soll.
Ich erlebe daher eine Ablehnung meiner "Störung" als persönliche Kränkung. Das ist ein großes eigenes Thema, auf das ich hier nicht näher eingehen möchte.
Ich kann nur so viel sagen, dass mich beim Lesen hier in der Rubrik Angehörige, immer wieder einzelne Aussagen irritiert haben. Aussagen in denen es irgendwie darum ging, dass man sich eine Beziehung weiter wünscht - aber den Partner in depressiven Phasen nicht ertragen kann. Ich kann nur so viel sagen, dass ich selbst nicht glaube jemals komplett ohne "depressive Komponenten" sein zu können. Solche Aussagen führen bei mir innerlich zur Verzweiflung und Rückzug, weil ich tief innerlich zu spüren glaube, dass ich diese Erwartungen nicht werde erfüllen können.

Jetzt ist es wieder sehr viel geworden
Vielleicht ist das ein oder andere Hilfreiche dabei

Herzliche Grüße
Camille
Monokel
Beiträge: 26
Registriert: 15. Nov 2019, 12:45

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Monokel »

.... ach Camille und die Neue,
ihr glaubt gar nicht, wie hilfreich Ihr seid!
Mein Mann spricht ja gar nicht mehr mit mir und wenn ich eure Beiträge lese, erkenne ich so viel Begründungen dafür. Ihr seid ein richtig kleiner Ersatz geworden für sein Verschlossensein, weil ihr uns so reingucken lasst.
Ich versteh jetzt, warum andere Menschen so anstrengend sein können und auch wie riesig dieser schwarze Hund sein kann und alle Kräfte bündelt sodass die Partnerin nur noch eine Belastung ist mit ihren Erwartungen.
Aber trotz des Verstehens im Kopf tut mir das Herz so weh. Naja , Zeit heilt so manche Wunde.
Lg.
DieNeue
Beiträge: 5543
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Kathrin,

macht dein Partner denn eine Therapie? Ich denke, in einer Therapie könnte man lernen besser über seine Gefühle sprechen zu können. In der Therapie kommt man ja eigentlich gar nicht drum rum, über sowas zu reden.

Liebe Grüße,
DieNeue
ZimtundZucker
Beiträge: 76
Registriert: 25. Okt 2019, 12:04

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

@ DieNeue, Soulivre & Camille: Herzlichen Dank!

Ihr habt mein Verständnis vertieft - das ist ein Quantensprung und nicht nur ein kleiner Schritt!

Sehr beeindruckend finde ich es auch, wie intensiv die Gespräche hier sind - unter vollkommen fremden Menschen.

Ich wünsche euch allen Sonnenschein am Wochenende!

Liebe Grüße aus München
Camille
Beiträge: 602
Registriert: 3. Nov 2018, 21:35

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Camille »

Hallo,

Wenn meine Ausführungen zum besseren Verständnis beitragen konnten, dann ist es gut.

Ich hatte inzwischen Sorge "zu viel" geschrieben zu haben - es ist ja hier die Rubrik Angehörige.

@Monokel. Ein Satz aus deiner letzten Antwort geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Aber trotz des Verstehens im Kopf tut mir das Herz so weh.
Ich kann das so gut nachfühlen - wie sehr dich alles schmerzt.
Weißt du - das aller Schmerzhafteste an meiner "Störung" ist für mich, dass ich anderen vor allem mir nahe Menschen immer wieder unendlich verletze, obwohl ich das wirklich nicht möchte - nein mehr noch, wirklich alles versuchen, genau das zu vermeiden.... Ich möchte niemanden mit reinreißen....
Und doch passiert das mir - und anderen mit dieser Störung.
Dafür mein tiefes Mitgefühl - und meine Bewunderung für eure Ausdauer, eure Geduld und eure Kraft.


@DieNeue.
Danke auch Dir. Ich habe mich in deinen Ausführungen auch wiedergefunden. Das Thema Schneckenhaus hatten wir ja schon. ;) Das in Verbindung zu bringen mit reduzierter Schwingungsfähigkeit hat mir ein Stück weitergeholfen.... Danke

Herzliche Grüße

Camille
DieNeue
Beiträge: 5543
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

wollte nur kurz einen Gruß da lassen und euch sagen, dass ich dieses Gespräch total interessant und bereichernd finde. Für mich war immer klar, dass Menschen für mich anstrengend sind, aber warum genau das so ist, hatte ich mir noch nie wirklich überlegt. Von daher ist es nicht so, dass ich hier nur das weitergebe, was ich bis jetzt schon weiß, sondern mich regen eure Gedanken auch zum Nachdenken an :)
Das mit der Schwingungsfähigkeit und dem Schneckenhaus kam mir auch erst so beim Schreiben.
Camille, du hast nicht zu viel geschrieben. Mach dir keinen Kopf. Ich fand es total strukturiert und gut zu lesen. Und es scheint ja hilfreich zu sein! :)

Was ich dich noch fragen wollte:
Du hast geschrieben:
Camille hat geschrieben:man kann mir gegenüber gar nicht oft genug wiederholen, dass man mich weiterhin wertschätzt und an der Beziehung festhält. Gerade bei Auseinandersetzungen ist es für mich geradezu essentiell wichtig , dass mein Partner mir versichert, dass er damit nicht "grundsätzlich" die Beziehung in Frage stellt oder meine Person "komplett" ablehnt/verachtet.
Hier bei den Angehörigen ist ja öfters das Problem, dass sich Betroffene trennen (wollen) und der Partner immer wieder betont, dass er an der Beziehung festhält. Und es wird meistens der Ratschlag gegeben, den Betroffenen eher in Ruhe zu lassen. Den Ratschlag gebe ich, glaube ich, auch oft.
Ist das dann bei dir anders, weil du eigentlich an der Beziehung festhalten willst und Angst hast, dein Mann lässt dich fallen? Bei den anderen, die sich trennen (wollen), habe ich den Eindruck, dass sie den "Druck" in der Beziehung nicht mehr aushalten, sie ihre Gefühle überhaupt nicht mehr wahrnehmen können und dann verunsichert sind oder dass sie sich trennen (wollen), weil sie meinen so schlecht zu sein und aus Angst vor Ablehnung Schluss machen, bevor der Partner das macht. Dass sie von selber aus der Beziehung "flüchten".
Ich würde mir auch wünschen, dass mir mein Partner bestätigt, dass er an der Beziehung festhält, aber gleichzeitig kann ich mir bei mir auch vorstellen, dass mich das auch stressen würde. :?
Denkst du, das, was man dem Angehörigen raten sollte, hängt davon ab, je nachdem, ob der Betroffene aus der Beziehung raus will bzw. nicht weiß, ob er die Beziehung noch will oder ob er die Beziehung definitiv noch will? Also, wenn er die Beziehung noch will, ihm bestätigen, dass man nicht an der Beziehung zweifelt und ihn noch will, und wenn er sich trennt, dann eher in Ruhe lassen (irgendwer hat hier neulich geschrieben "ihn in Ruhe lassen, aber nicht ignorieren", das fand ich irgendwie ganz gut)? Oder ist das nicht so einfach auf diese zwei Sachen herunterzubrechen?
Camille hat geschrieben:Aussagen in denen es irgendwie darum ging, dass man sich eine Beziehung weiter wünscht - aber den Partner in depressiven Phasen nicht ertragen kann. Ich kann nur so viel sagen, dass ich selbst nicht glaube jemals komplett ohne "depressive Komponenten" sein zu können. Solche Aussagen führen bei mir innerlich zur Verzweiflung und Rückzug, weil ich tief innerlich zu spüren glaube, dass ich diese Erwartungen nicht werde erfüllen können.
Hier im Angehörigenforum wird oft geschrieben, dass man dem Partner sagt, man habe keine Erwartungen an ihn, um ihm keinen Druck zu machen. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass der Satz trotzdem Druck auslösen kann, denn allein schon, dass der Partner HOFFT, dass es dem Betroffenen bald wieder besser geht, dass es wieder anders wird, ist im Prinzip ja schon eine Art Erwartung. Keine Erwartung im Sinn einer Forderung, aber trotzdem soll ja etwas passieren. Und diese Hoffnung kann man ja auch entäuschen, wenn es einem nicht besser geht, wenn die Medikamente nicht wirken (dafür kann man nichts, trotzdem ist man derjenige, der sie nimmt), wenn man sich wieder nicht aufraffen kann usw. Im Prinzip enttäuscht man ständig diese Hoffnung, wenn es einem schlecht geht.

Manchmal war es bei uns auch so, dass es mir ganz gut ging, und dann einer von meinen Eltern plötzlich traurig war oder verzweifelt, weil ich Depressionen habe und es mir so schlecht geht, dass mein Leben nicht so läuft, wie ich es mir gewünscht habe - dabei ging es mir in dem Moment aber gut! Das hat mich dann auch wieder runtergezogen. Es ist nicht so einfach, immer wieder der Grund für das Problem der Anderen zu sein.

Vielleicht ist es auch ein Unterschied, je nachdem, wie der Betroffene in dem Zustand ist, den man nicht erträgt, ob er einfach lethargisch ist, weint oder total aggressiv gegen einen wird, ob er sich da einigermaßen selber raushelfen kann oder total hilflos ist oder jede Hilfe verweigert? Oder dass man zu viel Rücksicht nehmen müsste. Meine Mutter hat mal gesagt, sie hat mich nicht gefragt, ob ich bei einer bestimmten Unternehmung mitmachen will, weil sie auch mal was machen wollte, wo sie auf niemanden Rücksicht nehmen muss. Kann ich auch nachvollziehen. Trotzdem ist es nicht so einfach, das auszuhalten. (Gab aber auch schon schlimmeres, einfach weil ich es nachvollziehen kann und weiß, dass sie mich trotzdem liebt und hinter mir steht.)

Vielleicht heißt dieses "den Betroffenen nicht ertragen können" auch nicht unbedingt gleich, dass man den anderen komplett anders haben oder komplett nicht mehr haben möchte?
Es hat ja jeder seine "Macken" und persönlichen Probleme. Und manche kriegt man auch nicht so leicht weg, manche merkt man vielleicht erst nachdem man zusammen kam oder geheiratet hat.
Vielleicht ist es auch für Angehörige einfach schwer zu ertragen, dass der andere leidet, und nicht unbedingt gemeint, dass sie den anderen nicht mehr abkönnen?

So, es wurde jetzt doch nicht nur ein kurzer Gruß...
bin auf eure Antworten gespannt :)

Liebe Grüße und noch eine gute Nacht!
DieNeue
ZimtundZucker
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von ZimtundZucker »

Liebe DieNeue, hallo zusammen,

jetzt habe ich über deinen letzten Post nachgedacht.

Ich denke, dass nicht mehr 'aushalten' können kann verschiedene Aspekte haben:

Jeder Mensch, auch die Leute ohne medizinische Diagnose, ist nicht immer gleich gut drauf. So stecke auch ich die Absage für eine Verabredung nicht an jedem Tag gleich gut weg. Und dann kann es einen eben auch enttäuschen, wenn eine kurzfristige Absage kommt, weil man sich drauf gefreut hatte den anderen zu sehen und vielleicht auch auf den Event oder halt das was geplant war. Und diese Enttäuschung kann auch einfach hochkommen, auch wenn man grundsätzlich Verständnis für die Thematik entwickelt hat. Und auch ich hatte dann schon sowas wie Selbstzweifel, also es kommt dann einfach auch der Gedanke liegt es jetzt an mir oder an der Krankheit? Würde er für eine andere Frau vom Sofa aufstehen? Und da muss man dann auf sich selbst gut aufpassen, damit man sich nicht von so negativen Gedanken gefangen nehmen lässt und damit einer depressiven Logik folgt. Und dann denk ich mir manchmal... jetzt pack ich das nicht mehr. Bei freundschaftlichen Kontakten fällt mir das leichter als in einer Partnerschaft.

Ich würde nie sagen, dass ich jemanden als Mensch nicht mehr ertrage. Aber es gibt Situationen oder Stimmungen, in denen sich alle nicht mehr wohl fühlen und dann ist eben die Distanz manchmal besser. Wieder ein bisschen Abstand kriegen. Also ich würde für mich eher sagen, dass ich bestimmte Verhaltensweisen nicht aushalte. Wenn ich versuche verständnisvoll und geduldig und empathisch Kontakt aufzunehmen und ich werde nur angemault und angepampt und zurück gewiesen, dann tut mir das auf Dauer nicht gut. Ich merke, dass die schlechte Stimmung zu mir kommt. Die Regenwolke bewegt sich in meine Richtung. Zurückweisung macht was mit einem. Und wenn ich sowieso nicht helfen kann, dann ist es besser ich geh dann mal und mach eine Weile mein eigenes Ding.

Der Grad ist halt verdammt schmal. Und die Fehler macht ja eh nur das gesunde Gegenüber, weil an das ein göttlicher Anspruch auf Perfektion gestellt wird. Also, ich kann es immer wieder nur falsch machen. Weil ich nicht anrufe, wenn er darauf gewartet hat. Oder weil ich anrufe, im falschen Moment, und dann nerve. Und immer bin ich die, die nervt... um das schöne Wort mal wieder zu benutzen. Und der Umstand, dass ich weiß, dass da die Depression angesprungen ist, hilft mir. Ja. Aber er müsste ja auch checken, inwieweit da die Krankheit sein Verhalten beeinflusst. Und mir Pluspunkte anrechnen. Darüber nachdenken, wie unangemessen das Verhalten des nervenden Angehörigen wirklich ist. In einer ruhigen Minute. Und ja, man liest immer wieder davon, dass sich Depressive von jetzt auf gleich trennen. Alles hinschmeissen. Vielleicht weil man in dem Moment wirklich glaubt, der Andere hat einen Anteil daran, dass es einem schlecht geht. Und nach der Episode hat er all das vergessen, aber mich hat es ja trotzdem total angestrengt.

Auch Menschen ohne Depressionen haben begrenzte Kräfte. Darum geht es glaub ich mehr. Aber das ist auch wieder nur meine Sicht.
Empathie58
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Empathie58 »

ZimtundZucker hat geschrieben:... Und ja, man liest immer wieder davon, dass sich Depressive von jetzt auf gleich trennen. Alles hinschmeissen. Vielleicht weil man in dem Moment wirklich glaubt, der Andere hat einen Anteil daran, dass es einem schlecht geht. Und nach der Episode hat er all das vergessen, aber mich hat es ja trotzdem total angestrengt.

Auch Menschen ohne Depressionen haben begrenzte Kräfte. ...
Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Es tut mir gut, das zu lesen. Ich danke Dir dafür.
Nottinghill
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Registriert: 26. Nov 2019, 19:21

Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Nottinghill »

Ähnlich bei mir. Ich konnte machen was ich wollte. Es war relativ egal. Falsche Worte.

Wir sind jetzt auf ihren Wunsch seit Weihnachten getrennt. Ich hoffe, dass sie wieder zu mir findet.

Aber ich habe mir aus Selbstschutz und um sie nicht zu nerven gesagt, dass sie kommen muss. Ich melde mich erstmal nicht mehr. Und komischerweise kommen jetzt von ihr Nachrichten. Eher neutral gehalten. Kein Gefühl. Aber die letzten Monate hab immer ich geschrieben.

So kann ich mir sicher sein, dass sie die Konversation in dem Moment auch grad will. Ich hätte ja eh nur nen falschen Zeitpunkt erwischen können.
Inchen517
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Inchen517 »

Mir geht es genauso. Man will was gutes tun, aber es kommt einfach nicht an, egal was.. dann ist doch der punkt. an dem man selbst eigentlich was für sich tun müsste, wenn man doch eh nich ran kommt an den betroffenen. aber dazu fehlt (mir) dann der schwung, weil man denkt, es könnte sein, dass es, wenn man nicht da ist, einen moment gibt, in dem der betroffene einen braucht. und man ist nicht da. heißt also, wenn ich mir jetzt überlege, ich fahre jetzt ins kino, essen, weiß der geier, hält mich davon mein schlechtes gewissen davon ab. das ist doch eine situation, in der beide nur verlieren können: bleibt man, nervt man womöglich, geht man, hadert man permanent mit sich.. ich hätte keine ruhe, würde ich wohin gehen und eben nicht für ihn da zu sein. Muss ich mich selber überreden, was zu tun?!
Nottinghill
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Re: Gefühlsverlust für Partner/in ein Tabuthema?

Beitrag von Nottinghill »

Mach Dir kein schlechtes Gewissen. Das hab ich am Anfang auch so gedacht. Ich war immer abrufbereit. Und es kam:

NICHTS!!!

Die Wahrscheinlichkeit bei meiner inzwischen Ex ging gegen null. Das musste ich irgendwann verstehen. Und fast jeder Versuch von mir sie zu etwas zu bewegen, wurde abgeschmettert.

Mach Dein Ding.

Ich habe mich inzwischen dazu entschieden, sie kommen zu lassen. Und komischerweise kommen nach inzwischen 5 Monaten Nachrichten von ihr. Vorher hab nur ich Chats angefangen.

Hab mir das hadern irgendwann abgewöhnt. Ich hoffe weiterhin, dass sie wieder zu mir findet und bin dann da für sie. Aber ich kann an der Situation nichts ändern, ausser weiter zu nerven.

Lass ihn kommen. Er wird es tun wenn er dazu bereit ist. Zeigen, dass man da ist. Mehr kann ich auf jeden Fall nicht tun. Und seit ich das akzeptiert habe, geht es auch mir besser.
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