Wie übersteht ihr Tiefs?

ZimtundZucker
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

Ich würde nie erzählen dass ich hier schreibe. Nicht weil ich der Typ für Geheimnisse bin, sondern weil das hier mein Raum sozusagen ist. Und wahrscheinlich würde es ihm Druck machen, wenn er denkt dass ich mich so viel mit seinem Thema beschäftige.
Türzu
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Türzu »

Ich schreibe auch aus dem selben Grund wenig Details.
Ich will ja das Beste für meine Partnerin tun.
Monokel
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Monokel »

jaAaa. das war vermutlich nicht so klug von mir. Allerdings bringt mein Mann überhaupt nicht die Energie auf, hier herumzustöbern. Und das Wort Depression löst ja nachgrade eine Phobie bei ihm aus ;).
oh mann. Ich weiß ecgt nicht mehr, was ich machen soll.
Ich habs ihm wohl erzählt, um eine Reaktion zu provozieren. Hat natürlich nicht geklappt. Ihm ist das egal.
ZimtundZucker
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

Hallo Monokel,
jede Situation ist ganz individuell. Für mich fühlt es sich so richtig an wie ich es mache - aber deswegen kann es ja für andere Paare richtig sein über das Forum zu reden. Lass dich nicht von mir verunsichern.
LG
Caro77
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Caro77 »

Hallo Ihr,

habt Ihr Erfahrungen, wie man Menschen, die an dieser Krankheit leiden, zu fassen bekommt.
Ich finde dieses Wechselspiel von Charakteren in einer Person am Schlimmsten und oft ist eine da, die zumacht und nur aggressiv und gemein ist.
Ich finde man geht selbst völlig unter.

Eben habe ich zum zweiten Mal meinem Mann Auszüge aus diesem Forum gezeigt, weil ich so überzeugt war, er müsse sich doch in die auch leidenden Angehörigen hineinversetzten können, wenn er es schon bei mir nicht schafft. Wir sind doch scheinbar Legionen.
Er meinte nur lapidar, ihm geht mein Gerede auf den Wecker. Er würde sich genauso fühlen, wie die "Kranken" hier!?! Die Angehörigen würden die "Kranken" wütend machen.

Was sagt Ihr dann?
Zur Frage "Wie übersteht Ihr Tiefs" würde ich im Moment sagen, ich möchte gerade Teller vor die Wand schmeißen. Ziemlich viele Teller, eigentlich unseren ganzen Bestand!!

Liebe Grüße

Mary
Nottinghill
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Nottinghill »

Mach das nicht mit den Tellern. Ist zu teuer. Hinterher findest Du Gefallen daran. ;-)

Ich lasse meine inzwischen ex soweit es geht in Ruhe. Wir wohnen nicht zusammen. Hätte ich ihr das Forum gezeigt wären wahrscheinlich ähnliche Worte gekommen.

Ich hoffe einfach, auch mit ex Status, dass diese Phase bald vorbei ist. Im Endeffekt bin nur ich es, den sie grad nicht mag (seit vier bis fünf Monaten).
Jussy
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Jussy »

Hallo Mary,

Da das „fühlen“ blockiert ist, ist das hineinversetzen in andere Menschen während der Episode einfach nicht möglich.

Klar bin ich auch ab und an mal wütend, aber nicht auf ihn sondern auf die ganze Situation und diese beschissene Krankheit.

Was mir hilft ist Abstand halten und mir bewusst machen, dass es nicht sein eigentliches Ich ist derzeit.

Und viiiiel Geduld, auch wenn’s mir daran auch oft mangelt.

Lg
Jussy
Türzu
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Türzu »

Das zeigen des Forums um eine Reaktion zu provozieren ist aber doch auch wieder Druck aufbauen, deswegen lasse ich dies definitiv sein
Türzu
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Türzu »

Das zeigen des Forums um eine Reaktion zu provozieren ist aber doch auch wieder Druck aufbauen, deswegen lasse ich dies definitiv sein
Jussy
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Jussy »

Stimmt Türzu,

Da bin ich ganz deiner Meinung, zum anderen ist das Forum auch quasi mein „Rückzugsort“. Hier kann ich mir Luft verschaffen und da möchte ich dann auch meinen Raum haben. Wenn es ihn interessieren würde was mich gerade bewegt kann er gerne fragen, das muss er dann nicht hier nachlesen.

Lg
Jussy
ZimtundZucker
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

Liebe in Etappen. Ich glaube, dass nur eine freie aber dann auch sehr intensive Liebe in Etappen möglich ist. Vielleicht ist das Bild gut: früher sind Männer zur See gefahren, ohne Handy und Whatsapp. Vielleicht ungefähr so. Die Gezeiten, in unserem Fall die Krankheit, bestimmen wann man in einen Hafen einlaufen kann. Auf hoher See im Sturm geht einfach nix. Alles unerreichbar, fremd, nicht wahrnehmbar, ...
ZimtundZucker
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

Caro77, schmeiß lieber keine Teller. Hinterher geht's dir nicht besser. Und ich glaube in einer Phase können wir nicht mit Verständnis rechnen. Da spielt die Wahrnehmung verrückt.
ZimtundZucker
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

@Jussy: Du bist ja auch wieder da. Du wartest ja auch schon so lang.. Alles Gute!
Jussy
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Jussy »

@ZimtundZucker

Bin die ganze Zeit da, nur oftmals als stiller Mitleser

Sind inzwischen 7 Wochen bei mir, hab Weihnachten einen kurzen Gruß bekommen aber ansonsten absolute Funkstille.
Das mit dem abgrenzen klappt inzwischen recht gut, zumindest meistens.
Nützt ja nix wenn ich mich verrückt mache, mehr als warten können wir ja nicht.
Hab vor Weihnachten ne kurze Mail geschickt, das ich mich auch 2020 über eine Nachricht freue, so das er sich zu nix gedrängt fühlen muss und dann da bin wenn er es wieder zulassen kann.

Hatte ja zwischenzeitlich viel Zeit zum nachdenken, auch darüber was ich will. Mit dem Ergebnis das ich zum 1.2. meinen gut bezahlten, aber ungeliebten Job gekündigt habe. Danach wird mein Lieblings-Ex-Chef wieder mein neuer Chef und ich reduziere von Vollzeit auf 30 Stunden wöchentlich. Geld alleine macht auch nicht glücklich und es langt uns auch so noch. Mein Motto für 2020... weniger work mehr Life und viel mehr das tun was mir gut tut.
Zumindest das habe ich aus den letzten Wochen mitgenommen.

Lg
Jussy
Caro77
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Caro77 »

Hallo Ihr,

meint Ihr aus Eurer Erfahrung, dass ich keinerlei Chance habe zu ihm vorzudringen, wenn er auf so einer Welle ist? Mit nix? Mit gar nichts?
Ich denke immer, wenn ich zu ihm durchdringe, kippt die ganze Geschichte endlich ins Positive.
An dieser Stelle bin ich betriebsblind. (Es muß doch! Diese Scheiße muß doch aufhören! Ich kann die Situation nicht mehr aushalten! Irgendwo muß doch ein Einhorn stehen, das uns da raushilft!)

Einfach nur aushalten, abwarten und auf bessere Welle warten?

Liebe Grüße

Mary
Jussy
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Jussy »

Liebe Mary,

Aus meiner Sicht kannst du außer abwarten nichts tun.

Bin zwar kein Experte, auch wenn ich inzwischen so viel zu dem Thema gelesen, geschaut usw. habe.

Er muss alleine aus seinem Loch kommen, da kannst du nicht helfen. Du kannst nur an seiner Seite sein und dabei gut auf dich selbst achten.
Liebe hilft gegen Depressionen ebenso wenig wie gegen ein gebrochenes Bein, wenn du verstehst wie ich meine.

Sei für ihn da, aber für Therapie u.ä. sind er und die entsprechenden Experten nötig.

Gute Nerven und viel Geduld!

Lg
Jussy
ZimtundZucker
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

Liebe Mary,

ja, das ist auch meine Erfahrung. In der Phase kenne ich das als ein absolutes Abkapseln, einigeln, in eine Höhle verkriechen.

Und ich glaube auch die Betroffenen selbst wissen nicht wann die Episode vorbei ist. Es ist eine schwere Krankheit, die tödlich enden kann und von Fachleuten behandelt werden sollte. Und ich glaube wir können das Ausmaß oder die Unerträglichkeit nicht erfassen. Aber wir können die guten Tage, an denen die Sonne scheint gemeinsam genießen.

Jeder von uns Angehörigen muss für sich entscheiden, was ihm gut tut. Welches Verhältnis aus Sonnentagen und Regentagen er verträgt. Welche Art von Partnerschaft man leben möchte. Das glaube ich. Aber ich finde den Austausch hier ungemein bereichernd.

LG und schönen Abend!
Caro77
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Caro77 »

Hallo Ihr,

danke für Eure Worte!

Mir war die letzten Tage nach Bulldozer und Schütteln, ist viel aufgelaufen.
Geduld ist leider nicht meine größte Stärke!

Wahrscheinlich darf man auch die Jahresendzeit komponente nicht vergessen.
Ist im Moment auch keine Lieblingszeit von mir.
Meine Freundin meinte, wir sollen den Blick auf den Frühling richten, der stünde schon vor der Tür!
Auch eine Idee!

Mary
DieNeue
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

ich habe die letzten Tage ab und zu mal mitgelesen und wollte mich als Betroffene mal dazu äußern.
Caro77 hat geschrieben: Eben habe ich zum zweiten Mal meinem Mann Auszüge aus diesem Forum gezeigt, weil ich so überzeugt war, er müsse sich doch in die auch leidenden Angehörigen hineinversetzten können, wenn er es schon bei mir nicht schafft. [...]
Er meinte nur lapidar, ihm geht mein Gerede auf den Wecker. Er würde sich genauso fühlen, wie die "Kranken" hier!?! Die Angehörigen würden die "Kranken" wütend machen.
Ich weiß jetzt nicht mehr genau, ob/welche eure(r) Partner(n) eine Therapie machen oder sich noch nicht mal mit der Diagnose angefreundet haben... deshalb mal ganz allgemein zum Thema "Der Betroffene muss doch auch die Angehörigen verstehen".

Aus meiner persönlichen Erfahrung als Betroffene schätze ich es so ein, dass man als Betroffener erstmal sich selber verstehen muss, um zu kapieren, was man für eine Auswirkung auf andere hat. 

Sich selber und die Auswirkungen der Krankheit auf einen selbst zu verstehen ist aber nicht einfach. Zuerst muss man erstmal einsehen, dass man Depressionen hat, da fängt bei manchen das Problem ja schon an... 

Aber selbst wenn man die Diagnose annimmt, dann auch die Mechanismen zu sehen, die sich in den Gedanken, Gefühlen und Verhalten verstecken, ist schwierig, denn die verstecken sich oft wirklich ziemlich gut. Vielleicht ist manches für Außenstehende sogar sichtbarer als für den Betroffenen selbst, wie z.B. das Jammern in sinnlosen Endlosschleifen. Das merkt man selbst nicht, wenn man drin steckt. 

Wichtig ist, denke ich, die Aufklärung der Betroffenen über die Krankheit, aber halt nicht nur so à la "Das ist ihre Diagnose, das sind die allgemeinen Symptome, machen Sie eine Therapie, fertig", sondern irgendwie konkreter... mir hat bspw. das Lesen und Schreiben hier im Forum sehr geholfen mich besser zu verstehen. Meine Therapie oder manche Sachen von meinen Klinikaufenthalten, auch die Gespräche/Austausch mit anderen Betroffenen/Mitpatienten waren hilfreich. Aus den ewigen Grübelschleifen und dem ständigen stundenlangen Heulen haben mir Medikamente rausgeholfen.

Als es mir richtig beschissen ging, hätte ich nicht sagen können, was genau mit mir los ist und schon gar nicht, wie das bei anderen ankommt. Ich war nicht mal in der Lage zu sagen, wie es mir geht, weil ich das nicht beschreiben hätte können und ich die ganzen wirren Gedanken in meinem Kopf gar nicht hätte zusammenfassen können, sodass mich irgendwer verstehen hätte können. Und zu kapieren, was es mit meinen Angehörigen macht, hätte ich damals auch nicht verstanden, denn ich hab die nicht mal mehr wirklich wahrgenommen. 

Dazu mal ein sehr persönliches Beispiel von mir:
Ich weiß noch, dass meine Eltern mich mal gefragt haben, ob ich bei Freunden babysitten könnte, und ich geantwortet habe, ich hätte keine Lust. 

Warum meine Eltern dann verärgert waren, kann ich jetzt Jahre später sehr gut verstehen. Ist ja auch eine ziemliche egoistische Antwort, v.a. wenn die Freunde niemand anders als Babysitter haben und man eigentlich Zeit hätte...

Damals war das aber die einzige Möglichkeit, was ich sagen konnte, denn mir war alles zu viel, also auch das Babysitten, und ich war total fertig und froh, wenn ich mal nicht geheult habe. Ich hätte aber niemals erklären können, warum ich jetzt nicht babysitten gehen kann: Ich hätte nicht gewusst, wie ich jemandem erklären soll, was mit mir los ist, bei der ganzen Fülle an sich wiederholenden wirren Gedanken, wo ich keinen Anfang und kein Ende sah, bei dem ständigen Heulen, von dem ich gehofft habe, dass es keiner mitkriegt, und das irgendwie gleichzeitig keinen Grund hatte und doch so viele Gründe, so viele Probleme, aus denen ich keinen Ausweg sah. Wo soll ich da anfangen? Wie soll ich das erklären, wenn ich es selbst nicht verstehe. Und gleichzeitig hatte ich noch den Gedanken im Kopf, eigentlich sollte ich doch in der Lage sein, das zu machen, warum hab ich jetzt so ein Problem damit?
Jede weitere Diskussion mit meinen Eltern, warum ich jetzt nicht kann, wäre so anstrengend gewesen, das war mir einfach zu viel. Jeder Gedanke war zu viel, jede Antwort zu anstrengend. 
Ich habe in der Zeit so viel Tagebuch geschrieben, so oft versucht mir meine Probleme und sich widersprechenden und doch gleichen Gedanken aufzuzeichnen, um den Durchblick zu kriegen. Es blieb aber immer ein Wust an Problemen, wo ich nicht wusste, wie und wo ich da anfangen sollte. 

Es klingt jetzt vielleicht heftig, aber ich habe hier schon mal die Situation eines Betroffenen verglichen mit jemandem, der gerade am Ertrinken ist und um sein Leben kämpft. Und die Angehörigen stehen am Ufer und rufen ihm was zu. Ein Ertrinkender wird euch keine Antwort geben können, wie lange seine Probleme beim Schwimmen noch dauern und er endlich doch nicht ertrinkt, wann endlich die Wasserwacht kommt, warum er nicht gescheit schwimmen kann. Genauso wenig wird er euch sagen können, wie er euren neuen Bikini findet oder ob er mit euch nachher noch ein Lagerfeuer am Strand machen will. Es nützt nichts einem Ertrinkenden zuzurufen, dass man Angst um ihn hat oder dass er doch auch mal verstehen soll, wie es einem geht, wenn man ihm vom Strand aus beim Ertrinken zusehen muss.
Das ist in ungefähr das, was man meiner Meinung nach als Angehöriger von Betroffenen, die tief in einer Depression stecken, erwarten kann: Nichts. 
Wer ums Überleben kämpft, hat keinen Blick mehr für andere. 

Von daher denke ich, werdet ihr wirkliches Verständnis für eure Situation wahrscheinlich auch erst bekommen, wenn das Schlimmste vorbei ist und es aufwärts geht. 

(Was aber nicht (!) heißt, dass man jegliches schlechte Verhalten hinnehmen muss. Hier im Forum wird ja immer wieder mal von Betroffenen erzählt, die ihre Angehörigen wie Dreck behandeln. Dass jemand um sein Leben kämpft, heißt nicht, dass er einen Freibrief dafür hat, einen nur noch mit Schimpfwörtern zu bewerfen, handgreiflich zu werden, einen anzulügen, untreu zu sein etc.)

Wahrscheinlich ist das jetzt ernüchternd bis niederschmetternd für euch, wenn man so wenig erwarten kann. Was ich euch aber einfach sagen möchte ist, dass ihr wahrscheinlich eher enttäuscht werdet, wenn ihr da zu sehr auf Verständnis hofft.

Ich persönlich würde einem Betroffenen nichts aus dem Angehörigenforum zeigen.
Als ich vor ein paar Jahren angefangen habe, hier bei den Angehörigen mitzulesen, und mich generell mal mit der Sicht der Angehörigen zu befassen, war das sehr heftig für mich. Vieles, was ihr hier schreibt, ist für euch völlig normal, für einen Betroffenen geht es aber hier um ihn - um ihn als das Problem!
Wenn man depressiv ist, sieht man meist schwarz-weiß, nimmt vieles schnell persönlich, ist extrem empfindlich, da kann man kaum differenzieren, ob das, was da steht, auf einen selber zutrifft oder nur auf die konkrete Person, die da beschrieben wird.
Denkt ihr jemand ist offen für etwas, wo es nur darum geht, was er für ein Problem ist? Das ist jetzt nicht angreifend gemeint, nur mal ein anderer Blickwinkel, warum es zu blöden Reaktionen kommen kann, wenn man einem Betroffenen sowas vorlegt.

Anfangs habe ich hier und auf anderen Internetseiten von den ganzen Beziehungsproblemen gelesen, die man mit Depressiven hat. Ich war fix und fertig, weil ich dachte, jeder denkt so über mich, jeder denkt, ich bin furchtbar, beziehungsunfähig, ein notorischer Lügner, aggressiv, untreu usw. usf. So bin ich aber gar nicht.
Ich habe das dann mal so geschrieben und es kamen auch Rückmeldungen von Betroffenen, dass es ihnen auch so geht. Als Betroffener ist es manchmal echt nicht leicht hier zu lesen, vor allem, wenn man noch neu ist. Und hier im Forum ist der Ton wirklich noch sehr freundlich im Vergleich zu anderen.
Aber der Betroffene ist hier in diesem Forumsteil IMMER das Problem. Und hier schreiben auch nur Leute, die Probleme mit den Betroffenen haben. Was wirklich positives über Betroffene findet man hier kaum.

Es gibt auch Dinge, die man als Betroffener hier im Angehörigenteil anders verstehen kann als ihr Angehörige es meint. Es fällt z.B. immer wieder die Phrase, dass man sich schützen müsse (vor dem Depressiven, der Depression, die Kinder vor den negativen Einflüssen etc.)
Ich kann vom Kopf her verstehen, wie es gemeint ist, aber mir wurde es auch mal gesagt und ich fand es extrem verletzend. Ich bin schließlich kein Monster oder Kindermörder o.ä. Wenn ihr aber jemandem was aus Angehörigensicht zu lesen gebt, wo sowas drin steht: Ich würde mich angegriffen fühlen und dicht machen.
Überlegt euch, wie das für euch klingen würde, wenn man zu euch z.B. sagen würde, man muss sich vor euch schützen.
Ist auch nur ein Beispiel für einen möglichen Grund, wenn keine positive Reaktion kommt.

Mittlerweile kann ich besser mit der Sichtweise von Angehörigen umgehen, aber ich bin immer noch vorsichtig, was ich mir da antue oder nicht. Ich würde z.B. niemals zu einer Veranstaltung gehen, wo Angehörige erzählen, wie es ihnen mit ihren Betroffenen geht/ging, selbst wenn das noch so sachlich ist. Nicht weil es mich nicht interessiert, wie es meinen Angehörigen geht, sondern weil ich es eher als Anklage empfinden würde und ich mich in Schubladen gesteckt fühlen würde. Nicht alles, was andere Betroffene tun oder wie sie sind, ist bei mir genauso. Jetzt nach Jahren kann ich auseinanderdividieren, was allgemein ist und was bei mir individuell auch so ist, weil ich mich sehr gut kennengelernt habe, aber am Anfang hätte ich das weder verstanden, noch gekonnt und schon gar nicht irgendwie drauf eingehen können. Und auch heute regen mich Verallgemeinerungen noch auf.

Ich kann euch aus meiner Position nur den Tipp geben, nützt das Angehörigenforum lieber für euch, als Raum, wo ihr mal alles rauslassen könnt, Gleichgesinnte findet, euch austauschen könnt, jemandem zum Zuhören habt.
Vielleicht hilft es euch, auch mal im Betroffenenteil "Umgang mit der Krankheit" zu lesen oder mal was zu fragen, wenn ihr eure Betroffenen gar nicht versteht.

Einem Betroffenen würde ich eher Sachen geben, die entweder sachliche Informationen enthalten oder die Betroffenensicht behandeln. Vielleicht auch den Betroffenenteil von dem Forum hier vorschlagen, da findet man sich eher wieder als im Angehörigenteil, wo man nur der Buhmann ist ;)
Wobei ich persönlich es problematisch finde, wenn Angehörige und deren Betroffene gleichzeitig hier schreiben. Ich wäre da gehemmt was zu schreiben und es kann auch zu Konflikten kommen.
Es gibt auch so Bücher wie das mit dem Schwarzen Hund, das hilft manchen, vielleicht gibt es noch andere hilfreiche Bücher aus Betroffenensicht, da kenne ich mich nicht aus.

Vielleicht hilft es euch auch, das ganze im Kopf etwas zu trennen: Der Kranke muss sich um sein Problem kümmern und ihr euch um eures. D.h. der Kranke muss mit der Krankheit klarkommen, ihr mit der Veränderung der Person durch die Krankheit. Ihr könnt den Kranken nicht heilen oder therapieren, er aber auch nicht euer Problem lösen. Erreichen werdet ihr bei einem Betroffenen, denke ich, mehr, wenn ihr ihm helft, sich selbst besser zu verstehen, als wenn ihr von ihm erwartet, dass er auch noch euer Problem löst.
(Wobei es absolut in Ordnung ist, sich hier darüber auszukotzen, sich zu wünschen, dass er es endlich versteht, wie es euch geht, zu jammern etc. Dafür ist das Forum ja da.)

Bitte fragt mich nicht, wie man jemanden zur Einsicht oder zum Therapeuten bringt - ich habe keine Ahnung. Ich bin da genauso ratlos wie ihr. Ich bin damals von selbst hingegangen und stelle es mir sehr schwierig vor, wenn jemand sich weigert, sich helfen zu lassen.

Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr entmutigt, sondern konnte euch etwas weiterhelfen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Jussy
Beiträge: 29
Registriert: 14. Nov 2019, 11:32

Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Jussy »

Liebe DieNeue,

Danke für die ausführliche Antwort aus deiner Perspektive. Mir hilft es sehr dies zu lesen, teilweise zu verstehen, obwohl man das wohl nur wirklich verstehen kann wenn man es selbst erlebt hat.

Vor allem hilft es mir sehr zu begreifen, das es keine persönliche Ablehnung oder sowas in der Art ist. Dieses Kopfkino kommt bei mir immer mal wieder.

Nun gut, wir haben es schon so weit geschafft... dann schaffen wir es auch noch bis nach dem Regen wieder die Sonne scheint.

Das Beispiel mit dem Ertrinken find ich persönlich sehr gut.

Vielen lieben Dank

Lg
Jussy
ZimtundZucker
Beiträge: 76
Registriert: 25. Okt 2019, 12:04

Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von ZimtundZucker »

Liebe DieNeue, hallo in die Runde,

tausend Dank für deine Perspektive. Ich finde es toll, dass du dich in das Gespräch eingeklinkt hast.

Zunächst mal zu deinem Punkt, dass hier mehr negative Erfahrungen beschrieben werden. Ich denke das stimmt schon. Das ist vielleicht so wie im Freundeskreis - also meine Mädels kriegen in der Tendenz auch eher mehr die Geschichten zu hören die mich mit meinem Mann aufregen, von den schönen Momenten erzählt man eher nebenbei. Weil man Rat sucht und das Erzählen und Schreiben auch dabei hilft sich selbst zu sortieren.

Jetzt zu meinen guten Erfahrungen. Ich habe mich im Frühjahr in einen Mann verliebt der auch diese Krankheit hat. Ich bin ein offener kommunikativer Mensch, würde ich sagen. Und dennoch habe ich in diesem Kontakt eine Offenheit wie nie zuvor erlebt. Ich fühle mich gesehen und wie ein offenes Buch. Ich hab den Eindruck dieser Mensch hat eine 4D Wahrnehmung, was ihn unglaublich anstrengt, aber er nimmt eben auch sehr viel wahr. Selten hat jemand in mir so viel ausgelöst und im postiven Sinn in meinem Leben in Bewegung gesetzt. Und ich glaube auch diese Seiten gehören dazu, das ist wie mit den zwei Seiten einer Medaille.

Schwer wird es wenn so eine Episode oder wie auch immer man das nennen mag anrauscht. In Comics verfärben sich die Gesichter. Wenn ich aus Lust anrufe und der letzte Anruf willkommen war, weiss ich nicht, ob das wieder so sein wird. Und da hab ich von auflegen bis anschreien schon viel erlebt. Und wenn wir schreiben, dass wir uns schützen müssen, dann meine ich so eine Situation. Ablehnung macht was mit einem. Die Frage warum man zurückgewiesen wird. Ist es die Krankheit? Eine Reaktion die auf die Krankheit zurück zu führen ist? Oder nicht? Oder mag mein Partner mich nicht mehr? Wenn ich meinen Partner ernst nehme, dann muss ich ihm das glauben, wenn er mir sagt, dass wir kein Paar sind. Aber was mache ich wenn die Körpersprache was ganz anderes ausdrückt?

Und wenn Kinder im Spiel sind, wird es kompliziert. Die beziehen abweisendes Verhalten auf sich und können den Unterschied zwischen Krankheit und Person nicht so leisten. Selbst ich als Erwachsene und ich bilde mir ein reflektierte Person tu mir schwer damit.

Ich verstehe nicht was in so einer Episode passiert. Was er denkt. Wo er ist. Wann er wieder kommt. Was nervt und was nicht. Es ist für das eigene Gefühl nicht schön, die Nervensäge zu sein.

LG
Caro77
Beiträge: 47
Registriert: 2. Okt 2019, 14:22

Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Caro77 »

Hallo Ihr,

vielen Dank für die Antworten und ein ganz dickes Danke an dieNeue für die ehrliche Sicht von der anderen Seite einer Welle. Das macht so vieles leichter.

Mein Mann liest seit einiger Zeit auch die Fachbücher und hat mir als erstes gesagt, die Einschätzungen wären ja genau meine (hatte ich ,mir ja selber angelesen), aber es wäre ein so großer Unterschied es schwarz auf weiß von Dritten zu lesen, dann wäre es für ihn greifbarer.
Das hat mich u.a. motiviert, ihn hier lesen zu lassen. Noch immer denke ich nicht, dass die Idee ihm geschadet hat, er hat sich mit dem Betroffenen identifiziert und keinerlei Verständnis für die Angehörigen aufbringen können.
Mein Mann wird z.Z. mit Testosteron substituiert. Dies ist eine langwierige Angelegenheit bis ein normales Maß erreicht sein soll. Wir müssen davon ausgehen, dass dies bestimmt mindestens ein halbes Jahr dauern wird, es sind noch 3 Monate bis dahin. Ich habe den Eindruck, die Nebenwirkungen des Hormons sind ein weiterer Höllenritt, Launenhaftigkeit, extreme Stimmungsschwankungen und Hitzeflashs.
Mein Mann hat mir gestern gesagt, dass er sich unter dem Mittel so viel besser fühlt als vorher!?!
Das hätte ich nie!! für möglich gehalten, wenn ich ihn so über die Zeit erlebe. Das einzige was ich sehe, sind sehr sehr kleine Flashbacks des Mannes von früher, er wirkt zwischenzeitlich ganz kurz zufrieden und ab und zu lacht er. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es ihm z.Z. besser gehen könnte, "so schlecht wie er drauf ist". Deshalb auch mein früherer Thread, dass man als Angehöriger das Gefühl hat, in einem "Irrenhaus" zu sitzen und langsam nicht mehr zu wissen, wo oben und unten ist.

Wir hätten die Party echt machen sollen. :hello:

Mary
DieNeue
Beiträge: 5830
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Caro,

schön, dass es bei euch aufwärts geht. Glaube, das ist öfter so, dass man es eher glaubt, wenn man es irgendwo liest oder der Arzt oder der Therapeut es sagt als wenn ein Angehöriger es sagt. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil das neutraler ist?
Caro77 hat geschrieben: Noch immer denke ich nicht, dass die Idee ihm geschadet hat, er hat sich mit dem Betroffenen identifiziert und keinerlei Verständnis für die Angehörigen aufbringen können.
Das stimmt auch wieder, das ist schon mal ein gutes Zeichen.
Dass er auch immer mal wieder lacht oder zufrieden wirkt, freut mich. Das sind so kleine Dinge, die aber schon viel ausmachen und zeigen, dass er auf einem ganz guten Weg ist. Hoffentlich geht es weiter bergauf! Das wünsche ich euch beiden sehr!
Es wird nicht von heute auf morgen ruckzuck besser, vielleicht geht es auch mal zurück, aber ich denke, es werden mit der Zeit immer mehr Sachen von seiner eigentlichen Persönlichkeit wieder auftauchen.
Das können ganz kleine Sachen sein, bei denen man vielleicht nicht mal bemerkt hat, dass sie verschwunden waren. Mein Vater, der einen Burnout hatte, hat irgendwann wieder angefangen vor sich hin zu pfeifen wie früher. Da ist es meiner Mutter erst aufgefallen, dass er das schon lange nicht mehr gemacht hat.

Ich wünsche dir, dass immer mehr Kleinigkeiten von deinem Partner auftauchen und es nicht mehr so lange dauert, bis er wieder ganz "da" ist.

Liebe Grüße,
DieNeue
DieNeue
Beiträge: 5830
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Jussy und ZimtundZucker,

es freut mich, dass ich euch etwas helfen konnte.

Ja, es ist für Nicht-Betroffene scheinbar wirklich schwer zu verstehen, das merke ich immer wieder hier oder auch im "echten" Leben. Selbst wenn sie es nachvollziehen können, unterschätzen es viele, wie es einem geht.
Wenn ich erzähle, dass ich kaputt bin, wenn ich XY gemacht habe, können sich manche das noch vorstellen, aber wenn ich erzähle, dass ich eine Woche brauche, um mich davon zu erholen und ich eine ganze Woche im Eimer bin, da schauen manche dann schon ganz schön. Das ist dann für mich auch nicht leicht, wenn ich merke, ich ticke so ganz anders.

ZimtundZucker, wegen der "4D-Wahrnehmung" kannst du mal nach "Hochsensibilität" googeln. Vielleicht trifft das auf deinen Partner ja zu. Wenn man so viele Reize auf einmal wahrnimmt, dann ist das echt anstrengend.

Das mit dem Anschreien am Telefon ist aber schon heftig. Kannst du ihm da auch Grenzen setzen? Ich finde es immer schwer, hier anderen Leute Dinge zu raten, weil ich ja nicht die Person bin, die es ausbaden muss, wenn es schiefgeht. Aber das würde mir auch zu schaffen machen.
Da braucht es dann schon viiiiele positive Sachen, die das wieder ausgleichen können.

Ich wünsche euch alles Gute!

Liebe Grüße,
DieNeue
Herr Rossi
Beiträge: 166
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Re: Wie übersteht ihr Tiefs?

Beitrag von Herr Rossi »

Hallo DieNeue.

Danke für die Ausführung, einerseits war sie etwas erschreckend, aber andrerseits sehr informativ und anschaulich.
Es ist so schwer sich in den Betroffenen hineinzuversetzen.
Ich habe mal eine generelle Frage: habe ich als Angehöriger überhaupt eine Chance, meinem Partner Tipps zu geben? ich habe das Gefühl, dass die schon deshalb nicht angenommen werden, weil sie eben von mir kommen.

Viele Grüße aus Schweden

Herr Rossi
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