Schaffen sozialer Kontakte als Gegenmaßnahme

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Cést ca
Beiträge: 8
Registriert: 11. Aug 2019, 12:42

Schaffen sozialer Kontakte als Gegenmaßnahme

Beitrag von Cést ca »

Nach, wie ich glaube, etlichen Jahren des "Selbst-Betroffen-Seins" und des Sinnierens über Kausalitäten halte ich- unter`m Strich- eine Sache für UNENTBEHRLICH, wenn mann/ frau seiner Depression effektiv entgegen wirken will:
SOZIALE KONTAKTE...……..!

Das Wesen der Depression besteht in der Abschottung gegenüber den meist ohnehin wenigen sozialen Kontakten.

Schon sehr lange ist erwiesen - zu dieser Einsicht bedarf es eigentlich keiner untermauernden, wissenschaftlichen Studien, sondern das sagt uns bereits der "gesunde Menschenverstand"-..., daß Menschen mit einem anerkennenden, idealerweise liebevollen, sozialen Umfeld (Freunde, Familie etc.) einer weitaus niedrigeren Gefahr ausgesetzt sind, in ihrem Leben an einer depressiven Störung zu erkranken.

Tja, was aber tun, wenn dem halt nicht so ist??? Wenn - im Gegenteil - es jemandem mitten in einer Depression kaum mehr möglich ist, genau DAS zu tun, was ihm vermutlich helfen würde: Bestehende Kontakte reaktivieren..., eventuell und idealerweise sogar neue Kontakte hinzugewinnen?????? Ein (halbwegs) stabiles, soziales Umfeld schaffen.

Genau DAS ist die Crux an der Depression: Sie hält uns davon ab, genau das zu tun, was uns gut täte!

Da nützt die rationale Einsicht in die beschriebenen Zusammenhänge auch nicht. (Im Gegensatz zu dem Formenkreis der somatischen Erkrankungen, deren Behandlung nach der Diagnosestellung einem klaren Schema folgt, unmittelbar und meist relativ standardisiert.)

Die Dunkelziffer der Depression hingegen ist aufgrund von Antriebsschwäche und noch immer:SCHAM/ Verleugnung (!)….immens hoch.

Es gilt also, Hemmschwellen zu erniedrigen - auf allen Seiten und in jeder Beziehung. Die Depression "gesellschaftsfähig" zu machen, herauszuholen aus der oft schambehafteten Abgeschiedenheit.., aus der immer noch vorhandenen, sozialen "Ächtung". (Und auch die Sensibilität "Außenstehender" zu schärfen.) - Meines Erachtens die einzige, wirkungsvolle Option hinsichtlich Diagnostik, Bekämpfung und Behandlung der Depression.

Meine gedanklichen Assoziationen/ konkreten Ansätze zu diesem Thema, gerade hinsichtlich der sozialen, irrigerweise selbstgewählten Isolation Betroffener:

- Fachtherapeutische, psychologische Hilfe sollte notfalls auch zuhause (!!!) stattfinden können, bestenfalls spontan, zumindest jedoch zeitnah.
Elendig lange Wartelisten steigern das Leiden bei manch Betroffenem ins Unermeßliche.

- Der Kabarettist "Torsten Sträter"- selbst ebenfalls vertraut mit dem Thema - erwähnte einmal seine persönliche "Wunschvorstellung" einer "Depressions-App".- In Krisensituationen sollte jedermann die Möglichkeit zur Verfügung stehen, "niedrigschwellig" und spontan Kontakte zu potentiellen Gesprächspartnern zu knüpfen. Dabei bedarf es als Voraussetzung nicht unbedingt der beruflichen Fachkompetenz des Gesprächspartners, lediglich des Interesses an anderen Menschen.
Sicher ist es solchen Kontakten förderlich, wenn die fakultativen Gesprächspartner wissen, wovon die Rede ist...….womöglich aufgrund persönlicher Erfahrungen mit der Erkrankung.

- Denkbar wäre auch eine Art "Enttarnung" depressiver Störungen durch (ehrenamtlich arbeitende) "Vermittler" zwischen Hausarzt und Patient. Bei V.a. Vorliegen einer depressiven Störung könnten durch "private" Besuche dieser vermittelnden Personen Diagnostik und Therapie optimiert werden.

Gerade ein depressiver Mensch kennt die Situation, daß man i.R. der zumeist ohnehin seltenen Hausarztbesuche nicht unbedingt mehr als nötig über sich erzählen möchte und sich lieber auf die Abklärung vermeintlich körperlicher Symptome beschränkt.

Dieses Phänomen findet sich sehr häufig bei der Altersdepression.

- Heraus aus der Theorie! Weg von virtuellen Leidensgenossenschaften...…!
Sicher sind diese ein sehr guter Weg, aus "seinem dunklen Zimmerchen" heraus Informationen verschiedenster Art zu sammeln, Mit-Leidende aufzuspüren, sich auszutauschen, sich nicht mehr so alleine mit seiner Erkrankung zu fühlen…….

Aber es darf nicht dabei bleiben, zumal die virtuelle Welt in gewisser Weise auch dazu beiträgt/ einlädt, in seiner "ungesunden" Komfortzone zu verbleiben......Reale Kontakte und Aktivitäten verlieren an Bedeutung.

Ich persönlich denke, daß in der Virtualisierung zwischenmenschlicher Infrastrukturen große Möglichkeiten, aber eben auch Gefahren lauern. - Mithilfe des Internets ist es heutzutage optional möglich, nahezu keinen Schritt mehr vor die Tür zu tun…..

Das wahre Leben und letztendlich auch die Möglichkeit der Genesung für depressive Menschen liegen jedoch "draußen", und der Zeitpunkt darf nicht verpasst werden, dieses zu erkennen und auch umzusetzen.

Auch hier ist es wieder von großem Nutzen, über reale Kontakte zu verfügen, die einem dabei helfen. Oder aber, "niedrigschwellig", wie z.B. über die oben angesprochene App, eben solche zu schaffen.

Derzeit habe ich nahezu den Eindruck, es ist "en vogue"...…, über das "Ausgepowertsein" auch öffentlich zu sprechen...... Selbst öffentliche Bekenntnisse, an einer Depression erkrankt zu sein (besser noch: ………..erkrankt gewesen zu sein….) findet man inzwischen vergleichsweise häufig. Zumeist handelt es sich dabei um sogenannte Promis, und in der Regel werden sie mit Komplimenten für ihren Mut überschüttet, ein solches Stigma preis zu geben...….

Manchmal fungieren sie im weiteren Verlauf auch als öffentliche Fürsprecher dieser unsäglich leidvollen Krankheit.

Das ist gut.....! (Trotzdem sei mir gestattet, zu bemerken, daß "Otto Normalbürger" von solch einem positiven Widerhall oder auch nur Akzeptanz bei Offenbaren seines Leidens noch immer nur träumen kann.....)

Aber dabei darf es nicht bleiben!!!!!!

Noch immer gibt es jedoch unsäglich viele, nicht-prominente Betroffene, die die "Depression" liebend gerne gegen eine KÖRPERLICHE Erkrankung mit womöglich infauster Prognose tauschen würden...…, also gegen etwas, das sie ohne jegliche, soziale "Sanktionen" offenbaren dürfen.


Packen wir`s also endlich an!
sonnenblume71
Beiträge: 332
Registriert: 17. Sep 2019, 08:13

Re: Schaffen sozialer Kontakte als Gegenmaßnahme

Beitrag von sonnenblume71 »

Guten Morgen, C`est ca!
Großartig geschrieben, eine App entwickeln kann ich nicht, aber mit an packen würde ich!
Hast du eine konkrete Vorstellung?
In welcher Stadt lebst du?
Antwort gerne auch per PN!

Grüße
Sonnenblume
Leben heißt, nicht zu warten bis der Sturm vorbeizieht, sondern, zu lernen im Regen zu tanzen!
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Schaffen sozialer Kontakte als Gegenmaßnahme

Beitrag von Katerle »

Wow, sehr treffend geschrieben...
Marlene57
Beiträge: 505
Registriert: 20. Mär 2018, 16:39

Re: Schaffen sozialer Kontakte als Gegenmaßnahme

Beitrag von Marlene57 »

Sehr treffend geschrieben, ich hab mich wieder erkannt bei dem Satz" aus Abriebslosigkeit .. Scham ...
Wir leben hier auf dem Dorf bzw. Kleinstadt. Dazu zu stehen dass man Deoressionen hat, kostet viel Mut. Auch im Berufsleben war es bei mir so, dass eine Kollegin mal Monate wegen einer Depression ausgefallen ist.Meine unmittelbare Kollegin konnte das gar nicht verstehen, bzw hat sich dann abfällig geäußert . Sie konnte nicht verstehen, dass jemand der Single ist und sich nur um seinen Beruf kümmern , überfordert bzw. depressiv sein kann. So einer Kollegin weiht man natürlich in seine eigene Antriebslosigkeit nicht ein. Man geht arbeiten und am Abend bzw. Wochenende ist man platt.
LG Marlene
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