Vorschläge zur Regeneration

ZimtundZucker
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

@FrequentFlyer: Danke, dass du uns dran erinnerst, dass unser Gegenüber Männer sind. Direkt ist immer gut, aber eine Spur direkter geht vielleicht immer noch. Und du findest wirklich sehr gute Begriffe und Bilder. Kommunikationsmikado werd ich fest in meinen Wortschatz einbauen...
Gedankenvoll
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Gedankenvoll »

Hallo ZimtundZucker,

es herrscht bis jetzt absolute Funkstille. Ob ich nochmal Kontakt suche...... ich weiß es nicht.

Ich bin schon älter und kann meine Zeit nicht nur mit warten verbringen. Du scheinst noch viel jünger zu sein (Kinderwunsch). Eure Beziehung scheint ja auch noch sehr frisch. Auch wenn ich hier jetzt geteert und gefedert werde; überleg es Dir SEHR gut, ob Du diese Beziehung wirklich willst.

FrequentFlyer schreibt, dass er schon Urlaube absagen musste, Weihnachten (das Fest der Liebe ;) ) ohne "Sie" verbringen muss. Würde wahrscheinlich bei mir auch passieren. Außerdem sind mir unabhänig von der Depression auch andere Dinge aufgefallen, die mir nicht sonderlich gefallen.

Der Stumme kann am Telefon nicht sagen dass er stumm ist. Das stimmt, aber er kann sich auf anderen Wegen verständlich machen. Und sooo stumm scheint er nicht zu sein. Ich weiß, dass er zu seinem Vater (der sehr schlecht mit ihm umgeht) und seiner dementen Tante regelmäßig Kontakt hat. Und bei mir geht nicht mal eine kurze WhatsApp-Nachricht? Inzwischen zweifel ich an seinen ganzen "Erzählungen".

Dir alles Gute und viel Glück!!!
ZimtundZucker
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

Schönen guten Abend,

ja, das ist wohl sehr schwer nachzuvollziehen und unter Umständen verständlicherweise auch sehr verletzend, wenn man das gar nicht verstehen kann warum er zu anderen Leuten Kontakt halten kann, aber sich bei der Partnerin gar nicht meldet.

Ich schwanke tatsächlich auch sehr hin und her. Zwischen den Polen, ob eine erfüllende Partnerschaft möglich ist oder eben doch nicht. Es gibt positive, aber eben auch total erschreckende Erlebnisberichte. Kommunikation ist ja auch immer fehleranfällig, auch unter Leuten ohne eine solche Diagnose. Und hier fällt die Einordnung der Signale irgendwie nochmal schwerer.

Alles Gute für dich, Gedankenvoll!
Viele Grüße an alle!
ZimtundZucker
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

@Gedankenvoll: Was mir grad noch eingefallen ist. Also mir fällt das Loslassen immer leichter, wenn ich mich verabschiedet habe. Falls du mit den Gedanken noch viel bei diesem Mann und der Beziehung bist, dann kannst du ja darüber nachdenken, dich richtig von ihm zu verabschieden. Dass man irgendwann nicht mehr warten will verstehe ich sehr gut.
ZimtundZucker
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

Hallo Zusammen,

Danke auch für dür deine Antwort, Viginia. Es ist schon grundlegend wichtig, dass dein Partner deine Bemühungen sieht und anerkennt. Darf ich dich fragen, wie so das Verhältnis zwischen guten und schlechten Tagen, schönen Zeiten und miesen Episoden ist? Mir ist vollkommen klar, dass das keine Richtschnur ist. Aber womit kannst du da gut leben? Ich glaube Monate, FrequentFlyer hat ja von Monaten gesprochen, könnte ich nicht warten.

Oder man definiert von vornherein eine On Off Beziehung. Oder eine Freundschaft plus, wie sich das heute so schön nennt. Schöne intensive Momente und Liebe und Verbundenheit eingeschlossen, aber eben autark, unabhängig, frei.

In einer klassischen Beziehung sind die Erwartungen anders. Da ginge es mir dann wie Gedankenvoll, ich wäre unter Umständen bitter enttäuscht. Und wenn ich euch alle richtig verstanden habe, ist das eine Verbindlichkeit, die Menschen mit Depressionen vielleicht gar nicht geben können.

Ich bin gespannt. Ich danke euch allen!
Schönes Wochenende!
FrequentFlyer
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

Da meine Freundin ja derzeit nicht in einer Episode steckt, tummel ich mich hier eher wenig rum und sehe erfreut das diese Diskussion hier weiter gegangen ist. Einige Gedanken hierzu von mir.

Diese Krankheit hat einfach kein wirklich einheitliches Bild. Das habe ich beim lesen in diesem Forum gelernt. Von daher gibt es auch kein Patentrezept wie eine Beziehung aussehen kann. Und das liegt ja auch letztlich auch an beiden Partnern, was sie sich vorstellen und wie ihre Lebenspläne sind. Gut, biologisch ist das Thema Kinder bei uns eh durch. Aber wen dem nicht so wäre, könnte ich mir gemeinsame Kinder mit meiner Freundin nicht vorstellen. Selbst gemeinsamer Besitz oder gar zusammen wohnen wird wohl in absehbarer Zeit nicht gehen. Jetzt haben sowohl sie, wie auch ich, mehr oder minder erwachsene Kinder (eigentlich werden die es nie), wir leben beide in jeweils eigenen Immobilien und sind auch materiell abgesichert. Die Scheidungen und vorherigen Trennungen sind auch durch.... Beziehungen sind für mich daher einfach nur noch ein Plus, ein schönes Plus. Jeder Lebensabschnitt hat einfach seine schönen Seiten und unabhängig und frei zu sein halte ich durchaus für eine wichtige Voraussetzung um überhaupt eine Beziehung einzugehen – ansonsten sind es Abhängigkeitsverhältnisse.

Es gibt mit Sicherheit Konstellation bei denen Kinder überhaupt keine Rolle bezüglich der Krankheit spielen und nur der Partner von Ablehnung betroffen ist. Wie gesagt, es gibt einfach kein einheitliches Bild.

Du ZimtundZucker sprichst von einer On Off Beziehung... ehrlich, als ich vor ein paar Monaten diesen Begriff zum ersten mal gehört habe, dachte ich so bei mir: Ja klar, einer der Beiden leidet halt unter Depressionen und kann einfach keine Beziehung konstant führen – wie praktisch wenn man dem dann so einen Namen geben geben kann ;-)

In meinem Fall sind halt die Zeiten außerhalb der Episode schön genug um die depressiven Zeiten „ertragen“ zu können. Wirklich ertragen muss ich sie ja nicht, da auch ich mich mittlerweile zurückziehe, da meine Hilfe nicht angenommen bzw. eh nichts bringt. Und das ist halt die zentrale Frage die sich jeder beantworten muss, ob er dies erträgt. Ich glaube man kann es, wenn man halt nicht eine traditionelle Form der Beziehung vor Augen hat. Weil hier zum Beispiel Weihnachten angesprochen wurde. Ich hatte Heiligabend meinen Spaß mit meinen Kindern, meiner Exfrau, ihrem neuen Partner und deren Kindern. Meine Freundin hat mit ihren Kindern gefeiert und zwischen den Jahren wollten wir uns in einem Hotel treffen und es uns gut gehen lassen – dazu ist es dann nicht gekommen. Erst Anfang Januar kam sie wieder aus ihrer Episode zurück.

Jetzt schreibst du Gedankenvoll, das dein Freund weiter mit anderen Menschen, auch Schwierigen, kommunizieren kann. Das ist jetzt wohl aber gar nicht so außergewöhnlich. Bei meiner Freundin ist dies auch so. Mit ihren Kindern, ihren Eltern und natürlich beruflich kommuniziert sie weiter, von ihrer besten Freundin und von mir zieht sie sich zurück. Schon oft habe ich die Symptome dieser Krankheit als bizarr empfunden – und dies gehört auch dazu. Vielleicht darf man während einer Episode einfach nicht das Glück empfinden gemocht zu werden. Familie ist ja ein „anderes“ mögen ;-)

Virginia, du beschreibst wie sehr du versuchst deinen Freund zu helfen, indem du alltägliche Sachen für ihn übernimmst. Ich bin in diesem Forum mal über den Begriff des Co-Depressiven gestoßen, der mir sehr zu denken gegeben hat. Witzigerweise verbinden das die meisten Angehörigen mit der Angst selber runter gezogen zu werden. Aber eigentlich geht es genau um das Gegenteil. Eine Frage dir wir uns schon stellen müssen ist, inwieweit wir mit unseren Handlungen die Krankheit bei unserem Partner begünstigen. Oder etwas provokativ gefragt, welchen Grund hat dein Freund sich gegen die Krankheit zu stemmen, wenn du diese alltäglichen Sachen erledigst? Betroffene mögen mir verzeihen, aber man kann es sich in dieser Krankheit auch geradezu bequem machen wenn das Umfeld einem dies erlaubt. Bewundernswert ist da jeder Betroffene der dagegen ankämpft und sei es nur in kleinen Schritten. Selbstverständlich muss man das individuell betrachten und es gibt mit Sicherheit kein richtig oder falsch. Aber die Bettwäsche wechseln, Schreibtisch aufräumen, Staubsaugen, Putzen? Einer meiner Söhne ist der lebende Beweis das man dies durchaus zwei Jahre nicht machen muss und es geht ;-)
Dein Freund spricht davon sich vom Balkon zu stürzen und scheint von sich aus nicht fähig zu sein sich selbst zu versorgen. Meinst du das jetzt ernst das dagegen in den Arm nehmen, trösten, bemuttern und Tee aus Johanniskrautextrakten hilft? Es ist eine Krankheit die einen tödlichen Ausgang haben kann und bei der Liebe und Bemuttern wie bei einer Grippe nicht hilft, sondern wofür es manchmal Profis braucht.

LG
Viginia
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

Hallo ZimtundZucker!
ZimtundZucker hat geschrieben: Darf ich dich fragen, wie so das Verhältnis zwischen guten und schlechten Tagen, schönen Zeiten und miesen Episoden ist? Mir ist vollkommen klar, dass das keine Richtschnur ist. Aber womit kannst du da gut leben?
das ist schwer zu beantworten. Er hat Tage, wo es ganz gut klappt und miese Tage. Kommt darauf an, was ihm gerade passiert.
Es ist nicht so, dass er sich zurückzieht. Das mache ICH - wenn er schlecht drauf ist, nur Negatives erzählt oder sich im Ton vergreift.
Ich möchte behaupten, dass viel Chaos durch das ADHS kommt. Er hat sozusagen ein Abo für schlechte Erlebnisse, die ihn frustrieren und runterziehen.

Grüße,
Viginia
ZimtundZucker
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

Hallo Ihr Lieben,

jetzt meld ich mich wieder hier.

Viginia, dass ist find ich doch eine gesunde Reaktion von dir dass du dich dann zurück ziehst. Auch wenn es glaube ich häufiger so ist, dass sich die depressiven Partner in ekn Schneckenhaus verstecken. Mein Sohn hat die Diagnose ADS und auch da ist die Abgrenzung wirklich oft anstrengend.

Und ja, ich glaube es kann nur jedes Paar für sich besprechen was für beide gut ist. Ich bin berufstätig und alleinerziehend und hab selbst nicht die Ressourcen und auch nicht die Lust einf zweite Wohnung zu putzen. Aber die ist auch immer sehr sauber. Aber vielleicht sehe ich da die Grenze stärker, weil ich da durch die Erziehung oft drüber nachdenke. Was können die Kinder selber? Was ist ihre Verantwortung? Und Dinge, die ich bei meknen Kkndern grad in deren Hände gflegt habe, z.B. Betten überziehen, kann ich dann nicht für nen Mann machen. Und ich will es auch gar nicht.

Wir sind fast durchgehend in Kontakt. An drn schlechten Tagen per Whatsapp. Das ist so toll. Ich empfinde es auch so, dass die Art der Kommunikation manchmal besser ist. Ich fühl mich wie in dem Kinofilm Gut gegen Nordwind, wenn wir schreiben.

Liebe Grüße
Viginia
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

Ich grüße Dich, FrequentFlyer!
:-)
FrequentFlyer hat geschrieben: Virginia, du beschreibst wie sehr du versuchst deinen Freund zu helfen, indem du alltägliche Sachen für ihn übernimmst... Eine Frage dir wir uns schon stellen müssen ist, inwieweit wir mit unseren Handlungen die Krankheit bei unserem Partner begünstigen. Oder etwas provokativ gefragt, welchen Grund hat dein Freund sich gegen die Krankheit zu stemmen, wenn du diese alltäglichen Sachen erledigst? Betroffene mögen mir verzeihen, aber man kann es sich in dieser Krankheit auch geradezu bequem machen wenn das Umfeld einem dies erlaubt. Bewundernswert ist da jeder Betroffene der dagegen ankämpft und sei es nur in kleinen Schritten. Selbstverständlich muss man das individuell betrachten und es gibt mit Sicherheit kein richtig oder falsch. Aber die Bettwäsche wechseln, Schreibtisch aufräumen, Staubsaugen, Putzen?
Verwunderte, fast abschätzige Blicke bekomme ich von allen Seiten, wenn ich erwähne, dass ich dem Freund seinen Scheiß wegräume und um ihn herumputze. Es ist mir nachgerade peinlich, dass die Frau - natürlich - putzt und dafür sorgt, dass der Alte nicht im eigenen Dreck erstickt. Es ist schon allein aus feministischer Sicht ein schier unverzeihlicher Faux pas, dem Mann die halbe Mutter zu spielen. Hinzu kommt die eventuelle Begünstigung der Unselbstständigkeit des Mannes, ja, schier gar der Verschlimmerung des ohnehin für ihn ungünstigen Zustands.

Also... Ich möchte a) meine hausfraulichen Aktivitäten in seiner Wohnung relativieren und zudem ergänzen, dass er stets für mein leibliches Wohl sorgt, weil ich zu faul zum Kochen bin. Während ich nur rumputze und für ihn aktiv werde, wenn ich Lust habe, krieg ich von ihm zuverlässig zu jeder Tageszeit ein Menü nach Wahl.

Aber b) ist noch viel wichtiger: mein Partner hat ADHS.
Auch bei dieser Diagnose habe ich mehr als oft gedacht: Das ist weder ein Freibrief noch eine Erklärung für dieses Verhalten samt Unfähigkeit.
Ich merke aber immer wieder: es ist irgendwie doch eine Erklärung.
So wie er selbst nicht will, dass er ADHS hat und gerne das könnte, was für andere ganz normal zu sein scheint, will ich auch nicht, dass er sich in dieser Unfähigkeit ausruht oder ich gar Dinge tue, die er wohl gut - mit etwas Überwindung - selbst tun könnte.

Die Differenzierung, ob Faulheit oder Unfähigkeit vorherrscht, ist nicht einfach. Aber von vielen Gesprächen mit ihm weiß ich: Schier gar ALLES ist für den ADHSler unglaublich kräftezehrend. Da sie massive Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, ergeben sich fürs Berufsleben erhebliche Nachtteile und verlangt den Erkrankten eine energieraubende Kompensationsleistung ab. FALLS es Energie für irgendwas gibt, wird sie in den Beruf, ins Überleben gesteckt.

Natürlich kommt es auch mal vor, dass er seinen Herd schrubbt, auch, dass er seinen Schreibtisch aufräumt. Meist hat er aber schlicht keine Kraft mehr.
Selbstverständlich dachte ich oft: 'Was eine faule Socke!'
Selbstredend sagte ich manches mal: "Hier stinkt's!" und "Du müsstest mal putzen!"
Es gab Phasen, in denen ich nichts sagte und wegschaute, wie es bei ihm aussieht.
Ebenso Statements in der Art "Ich mach hier nix mehr!"

Aber einem ADHSler zu sagen, er solle sich mal zusammenreißen, er müsste ja nur... oder er sei faul, ist genauso sinnfrei wie das zu einem Depressiven zu sagen.

FrequentFlyer hat geschrieben: Dein Freund spricht davon sich vom Balkon zu stürzen und scheint von sich aus nicht fähig zu sein sich selbst zu versorgen. Meinst du das jetzt ernst das dagegen in den Arm nehmen, trösten, bemuttern und Tee aus Johanniskrautextrakten hilft? Es ist eine Krankheit die einen tödlichen Ausgang haben kann und bei der Liebe und Bemuttern wie bei einer Grippe nicht hilft, sondern wofür es manchmal Profis braucht.
Hm... Ich wäre auch grundsätzlich für Profis.
Ich kann es ihm nicht mehr als vorschlagen.
Und er sagt "Ich will es allein versuchen, das geht schon."
Und seit klar ist, dass er depressiv ist, also, seit alle Anzeichen dafür sprechen und er Hilfe bräuchte, setzt er alles daran, es allein zu versuchen. Morgens nach dem Aufstehen setzt er sich sogar aufs Rad, anschließend erledigt er eine von den unzähligen "unangenehmen Sachen". Dann frühstückt er. Insgesamt wirkt er gerade aufgeräumt. Nicht glücklich, nicht kraftvoll, nicht zufrieden... aber immerhin aufgeräumt.

Von meiner Tee-Idee bin ich begeistert. Er trinkt ihn gerne und sehr viel davon. Der Tee reduziert wohl auch seinen ordentlichen Hunger und das Kopfweh/die Migräne nimmt ab. Zudem schläft er einigermaßen gut.
Ja, ich kann die Finger nicht von lassen, mir zu überlegen, was hilft. Und wenn es nur - wie jetzt - aus der Distanz ist. Die Erfolge, die ich verzeichne, können nächste Woche schon nicht mehr taugen. Dann bin ich vielleicht wieder frustriert. Es ist eine ewige Suche nach Heilung...

Liebe Grüße,
Viginia
FrequentFlyer
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi Virginia!

Ach, das ist schwer. Wahrscheinlich würde es mir auch schwer fallen jemanden nicht zu helfen. Es ist halt kein Thema bei uns – meine Freundin möchte mich während ihrer Episoden nicht sehen und wenn wir uns dann doch treffen, dann auf „neutralem“ Boden. Ich vermute ihr Haus dürfte auch entsprechend aussehen.

Einem an Depressionen oder an ADHS erkrankten Menschen zu sagen, er solle sich zusammenreißen, ist natürlich Quatsch. Dies werden die Betroffenen allerdings schon oft genug in ihrem Leben gehört haben.

Auch ich kann meiner Freundin nicht mehr als vorschlagen sich professionelle Hilfe zu holen. Dies tue ich fast in gebetsmühlenartiger Weise bei jeder Mail – während ihrer Episode. Außerhalb der Episoden habe ich dies nur ganz selten angesprochen – zum einen kommt es mir sehr bizarr vor, denn von ihren Depressionen merkt man da so gar nichts, auf der anderen Seite habe ich stets die Antwort bekommen sie hätte keine Depressionen mehr, wäre geheilt durch einer Therapie nach ihrem Suizidversuch. Was willst du da machen? Für sie ein gutes Narrativ damit umzugehen. In ihren Augen ist man halt nur dann depressiv, wenn man suizidale Gedanken hat. Im Moment versuche ich sie dazu zu bewegen mal eine Kur zu machen – ein Versuch sie niederschwellig dazu zu bekommen sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sport und Entspannungsübungen sind ja meist Teil einer Kur und dürften Betroffenen gut tun. Das ganze als Einstieg sozusagen.

Du kannst die Finger nicht von lassen dir zu überlegen was hilft? Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass wir als Angehörige am allerwenigsten helfen können. Wir haben weder die Ausbildung, noch die professionelle Distanz. Wir wollen mit Pflastern ein Beinbruch heilen mit einer gegoogelten Therapie. Wir haben halt mal im Internet gelesen was gut tun könnte. Heute probieren wir es mit Tee, morgen mit Nüssen (die sollen irgendwie auch helfen). Die Gefahr ist groß, dass wir die Krankheit begünstigen bzw. deren Verlauf unnötig verlängern, in dem wir ein Umfeld schaffen, der den Betroffenen den Leidensdruck nimmt. Wahrscheinlich wird meine Freundin erst wieder einen Therapeuten aufsuchen, wenn sie erneut suizidale Gedanken hat. Ich kann es nicht ändern. Was besonders ärgerlich dabei ist, ist das mit höchster Wahrscheinlichkeit bei einem Krankheitsverlauf der in solch stark abgegrenzten und verhältnismäßig kurzen Episoden verläuft, Medikamente gut helfen würden. ADHS bei Erwachsenen kann medikamentös bestimmt auch sehr gut behandelt werden. Es ist eine Crux dieser Krankheit, das sich viele Betroffene nicht in professionelle Behandlung begeben. Vergleiche hinken ja immer. Aber um es mit einer anderen Stoffwechselkrankheit zu vergleichen: Kein Diabetiker käme auf die Idee, wenn seine Werte total aus dem Häuschen sind, es alleine zu probieren. Ein Arzt würde er aufsuchen, eine Klinik besuchen, sich einstellen lassen. Sich schlicht weg und einfach in professionelle Hände begeben. Und kein Angehöriger käme auf die Idee die Krankheit heilen zu wollen in dem er ein Tee kocht. Und kein Angehöriger käme auf die Idee sich auf eine ewige Suche nach Heilung für den Diabetiker zu begeben.
Ich glaube man kann diese Art von Co-Depression durchaus mit Co-Alkoholismus vergleichen. Irgendwann muss man das Ende der Fahnenstange erkennen. Helfe ich noch in dem ich helfe?
Das ist wirklich schwer hier eine Balance zu finden und wie der richtige Weg aussieht werden wir wohl nie mit Sicherheit wissen. Man sollte es allerdings immer im Hinterkopf haben – die Gefahr einer Co-Depression.

LG
ZimtundZucker
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

Guten Morgen Ihr Lieben,

aktuell tut auch mir die Distanz ganz gut. Mitschwingen ist auf Dauer so anstrengend und wahrscheinlich hast du ganz Recht, FrequentFlyer, wenn du schreibst, dass es nix bringt Teil dieser so ganz anderen Welt zu werden.

Auch ich hab natürlich immer wieder den Drang zu helfen. Allerdings drückt sich das bei mir anders aus. Und auch mir fällt auf, dass das 'Annehmen' in so einer Phase besonders schwer fällt. Vielleicht weil man es sich gar nicht mehr vorstellen kann, gemocht zu werden und weil jede Zuwendung zu viel ist.

Melden sich Eure Partner nach so einer wilden Zeit wieder bei euch?

Liebe Grüße
Aida1
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Aida1 »

https://www.google.com/url?sa=t&source= ... VKYnb43VEb" onclick="window.open(this.href);return false;
Man muss sich selber lieben lernen - also lehre ich - , mit einer heilen und gesunden Liebe:
dass man es bei sich selber aushalte und nicht umherschweife. -Friedrich Nietzsche-
Viginia
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

Ich grüße Dich, FrequentFlyer
FrequentFlyer hat geschrieben: Du kannst die Finger nicht von lassen dir zu überlegen was hilft?
Ja. Wobei ich unterscheiden möchte zwischen körperlicher und seelischer Hilfe.

Mental habe ich mich schon ganz gesund in den letzten 3 Wochen distanziert.

Das Bedürfnis, bei der körperlichen Heilung zu unterstützen entspringt einem egoistischen Wunsch: ich nehme fremde Schmerzen recht schnell an und auf, mir fehlt der "Reizschutz" und so gehe ich umgehend an die Quelle, also an den "Verursacher".
Mein Partner äußert schon gar nicht mehr, wo es ihm weh tut. Ich krieg's trotzdem ab, es springt über.
Das geht mir allerdings bei vielen Menschen so.
Ich bin schmerzempfindlich, kann es so gar nicht ertragen/aushalten. Aber ich weiß inzwischen ganz gut, was wo was wann hilft. Quasi für mich überlebenswichtig, dass ich gute Ideen habe.

Grundsätzlich ist es wichtig für mich, schnell zu erfahren, wo es meinem Gegenüber weh tut, um selbst die "Schleußen" dicht zu machen und beim anderen aktiv zu werden - falls er dafür offen ist.
Ich habe noch eine Großmutter, 97 J., um die ich mich kümmere und die sich mir anvertraut, wenn was weh tut. Meine Erste-Hilfe-Maßnahmen zeigen oft Wirkung. Manchmal muss sie zum Arzt, klar.
Ich möchte es so ausdrücken: "Meine innere Weisheit gibt mir Aufschluss, wie zu verfahren ist." - Weiß ich nicht, ob Dir das etwas sagt... ?!

Also... bei Hilfewunsch bei körperlichen Maläsen kann ich mir nicht auf die Finger klopfen.

Meine eigenen Maläsen sind über weite Strecken psychosomatisch. Das ist grundsätzlich gut und dann auch wieder gemein, weil ich quasi "von Haus aus" gezwungen werde, ständig bei mir "aufzuräumen".
Die Kreuzschmerzen seit meinem 20. Lebensjahr habe ich nicht selbst in den Griff gekriegt. Ich habe letztendlich einen Hypno-Therapeuten konsultiert. Das war recht erfolgreich.
Übrigens las ich, Hypno-Therapie könne auch bei Depression helfen. Aber mein Partner hat Angst, dass man ihm "Ungewolltes einpflanzt". Scheiße... äh, schade.

Beim Lesen Deiner Zeilen hatte ich auch den Eindruck, dass sich Deine Partnerin "wehrt". Also diese enge Sicht "Depression = suizid" und keine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wollen ... Das macht es uns noch mal schwerer, damit umzugehen. Und an dieser Stelle würde ich mir von ihr auch noch mal die Sache mit ihrem hohen EQ erklären lassen ;-)
FrequentFlyer hat geschrieben: ADHS bei Erwachsenen kann medikamentös bestimmt auch sehr gut behandelt werden.
Ja, allerdings ist das etwas tricky, weil das depressive Gehirn das Gegenteil von einem ADHS-Gehirn braucht. Erklärte mir zumindest meine Freundin (Ärztin).
FrequentFlyer hat geschrieben: ...Ein Arzt würde er aufsuchen, eine Klinik besuchen, sich einstellen lassen. Sich schlicht weg und einfach in professionelle Hände begeben. Und kein Angehöriger käme auf die Idee die Krankheit heilen zu wollen in dem er ein Tee kocht.
Ähm... ich braue nur Tee, wenn mir die Idee kommt, welcher Tee wohltuend sein könnte. Manchmal ist es auch Akupressur, Wärme oder kühle Tücher, die mir beim Helfen helfen... Im Krankenhaus unterstützt z.B. eine Fußmassage besonders, wieder rauszukommen. So die Erfahrung mit meiner Großmutter und meiner Mutter. Diese unterstützenden Maßnahmen kann ich nicht erklären. Es ist Intuition. Und ich bin allen dankbar, die sich darauf einlassen und mich machen lassen. Meist verändert sich dann auch was.
Ich spreche hier nicht von Depression, sondern von Traurigkeit oder Schmerzlinderung.
FrequentFlyer hat geschrieben: Man sollte es allerdings immer im Hinterkopf haben – die Gefahr einer Co-Depression.


Ich bin nicht in dieser Gefahr.
Ich dachte es mal kurz, weil ich sehr erschöpft war.
Es bleibt anstrengend, weil er - im Gegensatz zu Deiner Partnerin - keine Auszeit einfordert.
Ich fordere sie ein. Leider springt er trotzdem nie fröhlich wie Phönix aus der Asche mit der Frage "War was?"
;-)

LG
Viginia
Monokel
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Monokel »

Hallo liebe Alle hier,
ich lese hier jetzt schon einige Zeit mit und lerne viel. Mein Tipp zur Regeneration: hier von Betroffenen und Angehörigen lesen und verstehen. Das hat mir wirklich viel geholfen in den letzten Wochen. vielen Dank für die Offenheit und Schreibfreude!
Meine kleine Geschichte ist folgende:
Mein Mann und ich sind seit ca. 15 Jahren ein Paar. Ich habe damals zwei kleine Kinder mit in die Ehe gebracht und wir haben vor 10 Jahren zusammen noch ein Kind bekommen.
schon zu Beginn unsere Beziehung gab es Tage, an denen mein Mann plötzlich wie abgeschnitten war von mir, er saß auf der Couch oder lag im Bett und war nicht dazu zu bringen, etwas mit mir zu machen.
Die, die ihn besser kannten als ich damals sagten: Du tust ihm gut, seine vorherige Freundin hat ihn auch noch runtergezogen, du machst ihn lebendig. Und: er ist ein Bedenkenträger, das war schon immer so. Will heißen, er sagt halt immer erstmal etwas Negatives, aber du machst das schon mit deiner positiven Art.
Mein Mann sagte zu mir damals: Ich bin zu krank für dich, das willst du gar nicht.

Das Wort Depression ist damals gar nicht gefallen. Eher sowas wie: Ich hab so dunkle Gedanken, ich war schon immer so, ich bin nicht so wie du....

Ach Gott: wenn ich so weiter schreibe wird ich nie fertig. also kürzer:

Wir haben geheiratet, ich war so verliebt in diesen geheimnisvollen, ernsten, sensiblen Mann, der mich mit seinen Antenennen besser wahrzunehmen schien als ich mich selbst.

Irgendwann ging er zum Neurologen, da er noch eine andere nervöse Problematik hat und wurde die Diagnose Depression gestellt und er nahm Medikamente.

Als es ihm besser ging, setzte er sie ab. Ich litt unter der emotionalen Kälte die mich traf und seiner Interesselosigkeit, seiner Antriebsschwäche, Müdigkeit und der mangelnden Konzentration. Also sagte ich: Entweder du nimmst das Zeug, oder ich gehe, weil ich das nicht ertrage.

Jahrelang hat er daraufhin das Zeug geschluckt und im Beruf und in der Ehe "funktioniert". Abgesehen davon, dass es mir leid tat, dass er ständig den Mist schlucken musste, war ich glücklich.

Zu Beginn dieses Jahres kam dann die Wende: Mein Mann beschloss, die Antidepressiva nicht mehr zu nehmen und neue Wege zu gehen. Er wollte nicht mehr "funktionieren", er wollte sich spüren, herausfinden, was er will, was seine Bedürfnisse sind, auf sich selber schauen.

Er hat verschiedene, auch esoterische Lehren kennengelernt und schließlich seine Ernährung umgestellt: Er frühstückt jetzt in einer bestimmten zeitlichen Abfolge: Zitronenwasser, Selleriesaft und Blaubeersmoothie. Die Theorie dahinter ist wohl, dass Depression mit durch toxische Stoffe kaputten Nerven zu tun hat und man dem mit entgiftender Ernährung begegnen kann.

Er nimmt das absolut Ernst und ich bewerte es als positiv, dass er solch große Anstrengungen unternimmt, gegen die Erkrankung anzukämpfen (das Zeug schmeckt grauenhaft). Außerdem besucht er regelmäßig eine Gruppe, die von einem Heilpraktiker mit psychologischer Ausbildung geleitet wird.

Verbunden mit dieser Reise zu sich selbst ist eine totale Konzentration auf sich, Rückzug von mir, ein Insichgekehrt sein, Monate lang kein Sexualleben, wenig bis keine Berührungen mehr, Früh zu Bett gehen, viel schlafen und -ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll: eine Wand zwischen uns, ich erreiche ihn nicht, eine Art Gleichgültigkeit. Wir legen uns ins Bett, ich voll mit Fragen, Gesprächsbedürfnis, Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Versöhnung, Bestätigung und er dreht sich um und schläft ein.

Ich war total verzweifelt. Er schlug vor, eine Paartherapie zu beginnen.

Das haben wir nach den Sommerferien begonnen und waren zweimal zusammen und jeweils einmal alleine dort. Am Freitag haben wir den nächsten Termin. Aber die Ereignisse kamen viel schneller, als diese Therapie mithalten kann.

Denn mein Wunsch nach Nähe verbunden mit Panik, dass er mich verlassen könnte, haben soviel Druck auf ihn ausgeübt, dass er sich komplett zurückgezogen hat. Sprich: keinerlei Verbindung mehr mit mir. Aber wir leben hier zusammen. Ich bin dann aus dem Schlafzimmer raus und auch ein paar Tage weggefahren, um einen gewissen Abstand herzustellen, damit ich die Kälte nicht ertragen muss.

Vor einer Woche kam dann der Horrorsatz, den ich hier schon öfter gelesen habe:
Ich empfinde nichts für dich. Ich sehe keine Alternative zu einer Trennung.

Ich bin komplett ausgeflippt, hab geschrien, mich gewehrt, geheult, nichts mehr gegessen, Valium genommen, raus aus dem Haus, mich an den Hals meiner Freundin geworfen.

Er ist für eine Woche verreist, am Mittwoch kommt er zurück. Seit dem Horrorsatz habe ich ihn nicht mehr gesehen.

Gestern hat er angerufen und wir haben lange geredet. Ich bin jetzt vorsichtig positiv optimistisch. Er hatte den Druck, der durch meine Erwartungen ausgelöst war, nicht mehr ausgehalten und meinte deswegen, eine Trennung könnte die nötige Distanz schaffen, um zu sich zu kommen.

Aber eine Trennung beträfe ja nicht nur mich, sondern auch seine Stiefkinder und sein eigenes Kind. Erstmal wollen wir es jetzt noch einmal so versuchen.

Ich hab ein wenig Angst, aber weniger als vorher. Ich denke irgendwie: wenn man so geliebt wird, wie ich ihn liebe, dann kann man das doch nicht wegwerfen, dann muss man das doch spüren. Ich bin bereit, Kompromisse in meinen Erwartungen zu machen. Wie das aussehen soll weiß ich nicht. Aber es fühlt sich gut an, dass er einen Schritt auf mich zugegangen ist. Ich musste fast eine Woche auf den anruf warten, ich wusste nicht, was er sagen würde. Es war schrecklich.

Vielen Dank nochmal an Alle hier. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich unsere Geschichte mit Euren vergleichen kann, ob ich in diese Reihe hier passe, weil ich mir unsicher über den Krankheitswert der Depression meines Mannes bin. Er sagt, es sei mehr ein Aspekt seiner Persönlichkeit denn eine Erkrankung und ich sehe das auch ein wenig so.

Trotzdem haben die Geschichten hier viele Parallelen und Euer Verhalten gegenüber euren Partnern ist für mich wie ein kleines Vorbild.

Alles Gute,
Monokel
Viginia
Beiträge: 25
Registriert: 18. Okt 2019, 00:46

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

Liebe Monokel.

Immer, wenn ich lese, dass sich jemand nicht helfen lässt bzw. Hilfe nicht (mehr) annimmt, habe ich die Assoziation, dass er/sie seine/ihre dunkle Seite kennenlernen bzw. leben will.
Steckt da die Frage dahinter "Wer bin ich?" oder das Bedürfnis nach großer Authentizität? Oder ist es eine Art Verweigerung, glücklich bzw. zufrieden sein ZU MÜSSEN?

Depression ist für mich tatsächlich Neuland.
Mit dem Leistungsdruck in unserer westlichen Gesellschaft setze ich mich allerdings schon mein ganzes Leben auseinander. In diesem Druck, gut und erfolgreich Funktionieren zu müssen steckt m.E. großes Leid/Übel drin.
Dass viele die Waffen strecken, und eine Komplettverweigerung hinlegen, kann ich gut nachvollziehen.

Und aus Deinen Erzählungen lese ich raus: Dein Partner empfindet auch Leistungsdruck. Beziehungstechnisch.

Ganz spontan und zur Diskussion gestellt:
Mach mal nix, außer Deine Erwartungen und Energien einzusammeln, die da so bei Euch bzw. um ihn herum schwirren.
Er arbeitet ja bereits an sich, also experimentiert in seiner Welt mit seinen Bedingungen und Konstellationen. Das find ich super. Da kommt jetzt für Dich nichts rüber - vielleicht aber, weil er bei Dir mit der Abgrenzung beschäftigt ist. Gib ihm keinen Grund mehr, hier Anstrengungen unternehmen zu müssen.
Nimm ihn so, wie er grad ist. Du weißt, dass er eigentlich toll ist.
Die Energien, die Du eingesammelt hast, nimmst Du für Dich. Und natürlich für die Kinder.
Du kannst kurz gucken, was er so treibt, aber in erster Linie richtest Du Dich liebevoll ein.
Du kannst es sogar wertschätzen, dass er lange (für Dich?) die Tabletten nahm. Das war doch toll von ihm?! Jetzt stellt das keine Option mehr dar. Gut, dann muss er eben was anderes probieren. Gestehe ihm zu, dass er experimentiert. Und gestehe ihm die - welche auch immer geartete - Leistungsverweigerung zu. Gehe davon aus, dass er sich Mühe gibt. Wer gleich morgens auf nüchternen Magen ekelhaften Saft trinkt, gibt sich wirklich Mühe. Hast Du ihn schon dafür gelobt? (Unglaublich, wie hart manche Menschen an sich arbeiten! Ich weiß gar nicht, wie schlecht es mir gehen müsste, dass ich was in mich reinschütte, was mies schmeckt.)

Gehe nicht mit Deinen Fragen an ihn ins Bett, stelle sie Dir. Aber stelle sie Dir liebevoll. Dein Partner kann sich grad nicht um Dich kümmern. Da ist es mega wichtig, dass Du Dich um Dich gescheit und verantwortungsvoll sorgst. Gib alles! ;-)

Wie wirken die Sätze auf Dich? Blöd oder gut?

LG
Viginia
Monokel
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Registriert: 15. Nov 2019, 12:45

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Monokel »

Liebe Viginia,

da musste ich jetzt erstmal ein wenig drüber nachdenken.
habe ich die Assoziation, dass er/sie seine/ihre dunkle Seite kennenlernen bzw. leben will.
" habe ich die Assoziation, dass er/sie seine/ihre dunkle Seite kennenlernen bzw. leben will."

da ist ein Unterschied zwischen "kennenlernen"= positiv, bedeutet Auseinandersetzung, Angriff, Begründungen suchen.
und "ausleben "= weniger positiv, bedeutet "sich wichtig machen, besonders sein, interessant tun, sich baden im Unglück.

Oder wie meinst du das?

Und was meinst du mit: "keine Hilfe mehr annimmt?". Das er keine Tabletten mehr nimmt oder dass er sich abwendet.
Ich hab ihm glaub ich nämlich nicht geholfen.
Da steckt die Frage dahinter: Wer bin ich? Es ist keine Verweigerung bei meinem Mann. Er sehnt sich nach Lebendigkeit und glücklich sein. Das ist sein Antrieb.

Dann schreibst du sehr kluge Sachen. Ich kann das aber im Moment noch nicht. Ich hab noch zuviel Angst, dass die Beziehung zerbricht. Dieses "Aufmichbeziehen" kann ich noch nicht. Ich mach zwar lange Spaziergänge mit dem Hund, geh in die Sauna, verabrede mich mit Freundinnen. Aber ich fühle mich dabei wie in einem Rollenspiel. Ich rede mir dabei die ganze Zeit ein, wie gut das tut und wie schön die Welt ist und dass ich froh sein kann, dass es nicht schlimmer ist und so weiter und so fort.
Ja, dass er experimentiert find ich gut. wenn er es schafft, an die wurzeln zu kommen, hat er vielleicht eine Chance auf Heilung .
Übrigens Buchtipp: "Kriegskinder"

Die Leistungsverweigerung kann ich zugestehen: ich will nicht, dass er es als Leistung sieht, dass er mit mir zusammen ist. Es soll ihn nicht anstrengen, er soll das genießen, bei mir zu sein und sich entspannen.

Und nein, ich hab ihn nicht gelobt für den Saft. ( Einen Selleriesaft gegen Depression??) aber ich habe gewürdigt, dass er etwas unternimmt und denke mir, Hauptsache, er ist überzeugt.

wie man sich gescheit und verantwortungsvoll sorgt, weiß ich nicht so richtig. Wenn ich ihn fragen möchte: warum bist du so kalt zu mir? Wie soll ich mir das selber stellen? warum ist er so kalt zu mir? weil ich eben ein Arsch bin?

Ich bin viel zu sehr abhängig von seiner Betrachtung der Welt. Ich will SEINE Antwort: klar, rational, verstehbar. Ich kann immer nur fühlen, eine Stimmung haben, nach Liebe und Zuwendung hungern.
Ich merk selber grad, wie Kindhaft das ist. SAG JETZT NICHTS!!!

Ich werde also weiter über deine Worte nachdenken und es einfach ausprobieren:
Ich werde mir die Fragen selbst stellen und dann sag ich dir, was dabei raus kam..
herzliche Grüße
Viginia
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

Liebe Monokel,
mein erster Absatz war nicht wirklich auf Deine Situation gemünzt, das fiel mir nur grad auf und ein, so allgemein.

"Kennenlernen" und "ausleben" meine ich beides nicht wertend.

LG
Viginia
FrequentFlyer
Beiträge: 293
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Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi ihr Lieben!

Ich habe zwei Anmerkungen zu den vorherigen Posts.

Zum einen ist es mir wichtig den Begriff der Co-Depression, wie ich ihn verstehe und verwende, noch mal zu erläutern. Es geht NICHT darum das man als Angehöriger von der Depression des Partners sozusagen angesteckt wird und selber herunter gezogen wird. Diese Gefahr besteht schon auch – allerdings sind Depressionen nicht ansteckend und Liebeskummer ist halt keine, kann bei einer Prädisposition allerdings eine auslösen. Aber darum geht es mir gar nicht.
Es geht darum das wir eine Koalition mit dem Erkrankten eingehen, mit seiner Krankheit. Und ich bezweifle das wir damit helfen. Damit machen wir es den Erkrankten bequem in seiner Krankheit, nehmen ihn den Leidensdruck etwas zu ändern. Es wird schon damit anfangen, dass wir die Krankheit nicht beim Namen nennen, dem Betroffenem helfen diese vor anderen zu vertuschen. Wir packen sie in Watte, nehmen ihnen alles ab bis hin zu dem Trugbild, wir könnten ihnen bei der Heilung helfen. Da ist Vorsicht geboten das wir hier nur ein Helfersyndrom bei uns selbst ausleben.

Ein zweiter und mir sehr wichtiger Punkt ist: Wir reden hier über eine Krankheit die tödlich enden kann. Ich musste es nachschauen und in Relation setzen. Es sind in Deutschland ungefähr 10.000 Suizide zu verzeichnen – das sind dreimal mehr als Verkehrstote, und das obwohl wir alle Verkehrsteilnehmer sind im Gegensatz zu an Depressionen erkrankten Menschen. Wobei nicht jeder Suizid in der Depression eine Ursache hat – das ein stark erhöhtes Risiko besteht, dürfte unzweifelhaft sein. Das ist einfach keine Spielwiese für gegoogelte Therapien, sondern vor dem Hintergrund der Mortalität ein Fall für Profis – und zwar richtigen.
Diese Krankheit ist auch keine rebellische Komplettverweigerung gegenüber einem westlichen Lebensstil. Als wäre es ein bewusster Akt oder eine aus dem Unterbewusstsein gesteuerte verspätete Revolution gegen die Herrschafts- oder Besitzverhältnisse – um diesen Jargon jetzt aufzugreifen. Man kann diese Krankheit auch nicht durch religiös anmutenden Selbstreinigungsrituale bekämpfen, indem man in einer gewissen Reihenfolge Nahrung zu sich nimmt. Allen Betroffenen würde ich wünschen es wäre so – dem ist nicht so. Die größten Erfolge werden nun mal erzielt in einer Kombination von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung – einfach weil dies gegen die beiden Bereiche zielt die Ursache für Depressionen sind: psychosoziale und neurobiologische Gründe. Da gibt es kein entweder oder, sondern beide Ursachen ergänzen sich.
Wahrscheinlich, und das sehe ich ja bei meiner Freundin, ist die Angst vor einer Psychotherapie, die Angst vor dem Eingreifen in den Stoffwechsel der Gehirns durch Medikamente übergroß. Eine depressive Episode dauert im Schnitt unbehandelt acht bis neun Monate – behandelt nur zwei bis drei. Immer wieder habe ich sie während ihrer ganz großen Episoden darauf hingewiesen und durchaus mit einer gewissen Vehemenz, da ich zwischenzeitlich nicht mehr dachte das wir wieder ein Paar werden würden – erfolglos. Sie will jetzt mal eine Kur beantragen die auch psychosomatische Ansätze hat. Na, mal sehen.

Hm, wir sind hier eigentlich ganz schön abgekommen von dem Thema Regeneration ;-) Manchmal ist es einfach so.

LG
ZimtundZucker
Beiträge: 76
Registriert: 25. Okt 2019, 12:04

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von ZimtundZucker »

Hier zwei Buch-Tipps:
1. Gefühle sind keine Krankheit: warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen, Dr. med. Christian Peter Dogs
2. Depression. Helfen und sich nicht verlieren. Ein Ratgeber für Freunde und Familie. Von Huub Buijssen.

Die zwei Bücher habe ich gelesen. Immer wenn Kinder mit zum Beziehungsgeflecht gehören steht für mich deren Schutz und Wohlbefinden an oberster Stelle.

Liebe Grüße
Monokel
Beiträge: 26
Registriert: 15. Nov 2019, 12:45

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Monokel »

Okok-zurück zum Thema:

Regeneration.

Ich glaube, dass ist sehr unterschiedlich und hängt stark davon ab, welche Form von Kraft mich das Zusammenleben mit meinem Partner in Krisenzeiten kostet.

Also ich helfe zum Beispiel nicht mit Taten. Ich glaube, mein Mann ist auch nicht sehr stark betroffen. Also ich organisiere nichts für oder nehme ihm irgendetwas Sichtbares ab.

Aktionismus, Lebensfreude, Optimismus, Gefühl abzugeben, dass kostet mich keine Kraft.
Was mich Kraft kostet, sind Verlustängste und das Gefühl, dass ich irgendwie falsch bin, weil ein schnodderig hingeworfener Satz meinen Partner abgrundtief verletzt, obwohl ich das gar nicht wollte. Also, dass ich oft so vorsichtig sein muss.

Also ist meine "monokelspezifische" Regeneration zum Beispiel die Besinnung auf bewährte, weil in früheren Situationen von Verlust, erprobte Strategien zur Bewältigung dieser Trennungsangst.

Dazu muss man natürlich ein wenig herum forschen, woher diese große Angst kommt. Bei mir geht es da um Abwertung, irgendwie auch mangelndes Selbstvertrauen (obwohl ich eigentlich stark bin). Meine Bewältigungsstrategie ist dann, Situationen zu schaffen, in denen ich mich stark und anerkannt fühle. Zum Beispiel einen Berg besteigen, Beschäftigung mit meinem Hund, eine neue Frisur, ein neues Kleid und so.

Auch das Üben von Loslassen-in der Sauna schwitzen, einen Tag lang nichts tun, nur daliegen und rausgucken, zugucken, wie die Welt sich weiterdreht. Dabei kann ich Kraft schöpfen.

Wie gesagt-das ist sicher für jeden ein wenig anders. Die Formel-raus und unter Leute ist jedenfalls nicht für mich. Ich bin ständig unter Leuten, mich würde das nerven.

Liebe Grüße
Viginia
Beiträge: 25
Registriert: 18. Okt 2019, 00:46

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

Okay,
liebe Monokel,
fehlendes Selbstwert ist ein ganz, ganz großes Thema!
Oft macht es handlungsunfähig und viel Stress, weil die Abhängigkeit von anderen so groß ist.

Darf ich weiter ganz direkt und spontan schreiben, was mir dazu einfällt?
Oder lieber nicht ;-)?

LG
Viginia
Monokel
Beiträge: 26
Registriert: 15. Nov 2019, 12:45

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Monokel »

Liebe Viginia,

ich bitte dich ausdrücklich um ehrliches und direktes Schreiben. Ich schätze deine Ansichten.
LG
Viginia
Beiträge: 25
Registriert: 18. Okt 2019, 00:46

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Viginia »

:-)

Gut, also spontan fällt mir ein:

Ausgerechnet DIESEN Mann holst Du in Dein Leben.
Du wählst keinen, der Dich bewundert, stärkt und unterstützt.
Nein, es ist einer mit einem Loch - ausgerechnet an der Stelle, wo Du ein Füllhorn bräuchtest.
Er bringt Dich an Deine Grenzen.
Er macht Dir bewusst, wo genau Deine schwierige und sehr empfindliche Stelle ist. Das ist gemein. Und hart.
Du könntest ihn abschießen - das tust Du aber nicht. Du hältst an ihm fest und erklärst/zeigst ihm deutlich (und wahrscheinlich immer wieder), was Du brauchst.
Auch er zeigt Dir, was er braucht.
Aber darauf kannst Du genauso wenig eingehen, wie er auf Dich.
Und dann macht er etwas, dass Dich schier über Deine Grenze hinaus bringt: Er schlägt Dir die Trennung vor!
Das wäre eigentlich - nach seiner Gefühlskälte - Dein Job gewesen.
Gut, für manche mag Gefühlskälte nicht wirklich ein guter Grund sein, die Beziehung zu verlassen.
Für manche aber schon! Vielleicht würdest Du das sogar einer Freundin empfehlen, die eine "Mauer" als Freund hat?

An dieser Stelle: Ich empfehle nichts, ich bewerte auch nicht, ich beschreibe nur, was ich rauslese, okay?

Jedenfalls stellen sich mir zwei Fragen:
Warum nimmst Du DIESEN Mann in Dein Leben?/Wie 'profitierst' Du von ihm?
und die zweite Frage ....
äh ... die habe ich jetzt vergessen, weil ich nicht schnell genug geschrieben habe (hihi).
Vielleicht reicht das ja auch jetzt für den Augenblick.

LG
Viginia
Monokel
Beiträge: 26
Registriert: 15. Nov 2019, 12:45

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Monokel »

Liebe Viginia,

jetzt hast du mich aber neugierig gemacht: was triggert dein Partner bei dir? Warum hast du dir ihn ausgesucht, was kostet dich Energie und welche Art von Energie?

Wir werden lernen, auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen. Wir werden daran zumindest arbeiten und wenn es glückt, wäre das ein riesen Gewinn und würde uns stärken.

ich habe ja hier nur den Aspekt unserer Beziehung dargestellt, der mich an die Grenze bringt, aber es gibt noch viele andere und die sind wunderbar. Ich profitiere also-in vielerlei Hinsicht.

LG
Monokel
Monokel
Beiträge: 26
Registriert: 15. Nov 2019, 12:45

Re: Vorschläge zur Regeneration

Beitrag von Monokel »

Lieber FrequentPlayer,

Ich wollte noch mal Bezug nehmen auf das, was du im 2. Abschnitt schreibst: (kann nicht zitieren)

"Diese Krankheit ist auch keine rebellische Komplettverweigerung gegenüber einem westlichen Lebensstil. Als wäre es ein bewusster Akt oder eine aus dem Unterbewusstsein gesteuerte verspätete Revolution gegen die Herrschafts- oder Besitzverhältnisse – um diesen Jargon jetzt aufzugreifen. Man kann diese Krankheit auch nicht durch religiös anmutenden Selbstreinigungsrituale bekämpfen, indem man in einer gewissen Reihenfolge Nahrung zu sich nimmt. Allen Betroffenen würde ich wünschen es wäre so – dem ist nicht so. Die größten Erfolge werden nun mal erzielt in einer Kombination von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung – einfach weil dies gegen die beiden Bereiche zielt die Ursache für Depressionen sind: psychosoziale und neurobiologische Gründe. Da gibt es kein entweder oder, sondern beide Ursachen ergänzen sich."

Ich bin keine Esoterikerin und manchmal geneigt, diese Versuche meines Mannes zu belächeln, ABER:
dass die Schulmedizin ihre Grenzen hat, wissen wir alle und dass z.B. die anthroposophische Medizin unglaublich Erfolge verzeichnen kann durch ihre ganzheitliche Sichtweise, ist dir vielleicht auch bekannt. Ich finde es absolut legitim, sich nicht abspeisen zu lassen mit Tabletten und Therapie, weil das von schulmedizinischer Seite der Lösungsvorschlag ist. Auch die Begründungen psychosozial und neurobiologisch-das schmetterst du so kurz dahin. Aber was heißt denn: Psychosozial? Das ist ein derart schwammiger Begriff- das kann alles Mögliche sein. Und jetzt bin ich bei der Gesellschaftlichen Dimension:

Mein Mann und ich sind Kinder einer Generation, die als Kind im 2. Weltkrieg war. Die Eltern meines Mannes sind beide unter fürchterlichen Bedingungen aufgewachsen. Sie sind heute sehr erfolgreich, sie haben ihren Kindern alles gegeben von dem sie glaubten, es sei das Richtige. Aber sie waren traumatisiert. Es ging um das pure Überleben, kein Platz für kindliche Bedürfnisse nach Kuscheln, Spielen, Lachen, Schmarrn machen. Wir sind dann geboren worden Ende der 60iger. Medizin war auf dem Vormarsch. Geburt eine total schulmedizinisch, technische Angelegenheit, zur besseren Überwachung kamen die Neugeborenen in ein anderes Zimmer, keine Sensibilität für die zärtliche Intimität zwischen Mutter und Kind, damit eine Bindung gestärkt wird. Unsere Mütter hatten Kittel an, wenn sie uns die Flasche gaben, um uns nicht mit ihren Keimen anzustecken. Stillen war was für Alternative, Flaschennahrung von Bayer das Beste, was du deinem Kind geben konntest und so weiter und so fort.
Natürlich wussten unsere Mütter inzwischen wie wichtig Gefühle zulassen ist, aber eben nur kognitiv. Viele haben das selbst nie erfahren.

Das ist das Problem einer ganzen Generation. Für die einen mehr und für die anderen, die Glück hatten, weniger. Und jeder hat eine unterschiedliche Resilienz. Aber es ist kein Einzelfall. Und ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass Depressionen bei Leuten in unserem Alter damit etwas zu tun haben könnten.

Dazu kommen die bereits angesprochenen Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft. Es gibt keine Antwort auf "Systemsprenger" seitens unserer Gesellschaft und es gibt viele, die daran verzweifeln. Die einen entwickeln eine Depression, die anderen etwas anderes. Ich glaube das jede Depression neben dem Aspekt eine KRANKHEIT zu sein auch noch zu tun hat mit der Persönlichkeit eines Menschen, der Gesellschaft und der Biographie des Einzelnen. Ich sehe das als Symptomatik, die durch ein System entsteht, multifaktoriell. Das steckt alles in dem Wörtchen "psychosozial".

Ich finde nicht, dass es einfach ist, Selleriesaft zu trinken. Ich glaub, die Tabletten haben besser geschmeckt. Es ist aber auch völlig wurscht, was man macht (naja, nicht völlig :)), wichtig ist, dass man eine Einstellung zu der Symptomatik bekommt und das man sich auf die Suche nach den Hintergründen begibt, um das System zu verstehen. Ich glaube sehr wohl, dass Depression zu tun hat mit etwas, dass aus dem Unterbewusstsein gesteuert wird.

Aber das ist natürlich-wie alles hier- sehr subjektiv.

Liebe Grüße,
Monokel
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