Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

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Erik2504
Beiträge: 2
Registriert: 11. Sep 2019, 21:06

Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von Erik2504 »

Hallo,

ist es normal dass der Partner sich zu Beginn einer stationären Therapie nicht auf zu Hause freut wenn er über das Wochenende weg darf ? Alle würden an ihm zerren... ich selbst komme mir dabei ziemlich alleine und verlassen vor. Man will helfen, tut alles, freut sich auf ein paar Stunden zusammen und dann das. Gestern war ich noch bei ihm. Alles war "gut". Viel geredet, die Zeit zusammen genossen. Und heute morgen ? KLATSCH.... alles ist wieder Mist. Fühle mich schon mal wie hin und her geschubst. Komm her, geh weg. Ist das ein Weglaufen vor der Realität? Ändern sich die Gefühle dem Partner gegenüber?

Wer kann mir von seinen Erfahrungen als Angehöriger bzw als Betroffener schildern ? Bin nämlich gerade irgendwie mit allem überfordert. :-(
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von Peter1 »

Hallo Eric
Es ist ganz normal, wenn dein Partner sich so benimmt. Unterbewusst vermisst er wohl die Sicherheit der Klinik. Sie wird von Betroffenen wie mir auch gerne Käseglocke genannt. Man fühlt sich in der Klinik sicherer, weil alle verstehen, was man empfindet.
Wenn du auf deinen Partner zugehst, sieht er, das so, als würdest du etwas von ihm erwarten. Diese Erwartungshaltung ist ihm aber zu viel. Warte, bis er von alleine aus sich heraus kommt, und gehe dann auf ihn ein.
Manche Betroffene können keine Gefühle zeigen. Das heißt nicht, das sie keine mehr haben, sie können sie nur nicht zeigen.
Um die Depression besser zu verstehen, kann ich dir das Buch,“Mein schwarzer Hund“ empfehlen. Ein Bilderbuch, mit kurzen Texten, in dem der depressive Autor die Störung beschreibt.

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Erik2504
Beiträge: 2
Registriert: 11. Sep 2019, 21:06

Re: Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von Erik2504 »

Hallo,

vielen Dank für deine Antwort. Ich sage immer "Seifenblase" zu der Klinik. Es ist nur unendlich schwer wenn man seine Gefühle gerne zeigen möchte aber man es lässt weil man keine Reaktion bekommt. Man fühlt sich oft weg gestoßen und völlig überflüssig
Castania
Beiträge: 3
Registriert: 1. Okt 2019, 22:53

Re: Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von Castania »

Hallo Erik,

du beschreibst sehr gut, wie es mir auch gerade geht. Das ist echt krass. Man will nur Gutes, stellt sich selber hintenan und bekommt die Tür vor der Nase zugeknallt. Mitten ins Gesicht. Ohne Erklärung, sondern zum Teil noch mit Anschuldigungen.

Gerade dieses Morgentief ist krass. Da komme ich mir manchmal vor wie in "Täglich grüßt das Murmeltier".

Ich weiß auch noch nicht wie ich damit umgehen soll. Ich meine der Partner ist depressiv und nicht unzurechnungsfähig. Man sollte doch glauben, dass er/sie die Auswirkungen der Depression auf andere kennt und das zumindest erklären kann. Vor allem, wenn er das Problem seit Jahren hat und kennt, man selber aber totaler Laie ist. Manchmal frage ich mich ob zu viel Verständnis da nicht eher schädlich ist....

Liebe Grüße

Castania
Stefan_67
Beiträge: 6
Registriert: 28. Aug 2019, 09:55

Re: Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von Stefan_67 »

Hallo,

meine Frau war 6 Wochen zur Kur/Reha. Ich habe sie dort dort besucht. Habe aber vorher mehrmals gefragt ob es ihr recht ist. Es ist wirklich wie eine Käseglocke dort. Alle haben den gleichen Hintergrund, man weiß wie man miteinander umgehen kann. Ich habe ihr die Zeit gegönnt, von Herzen. Zum Wochenende hat sie gesagt das sie es genießt ohne 'uns' zu sein. Für sich alleine was zu machen, oder mit den anderen Patienten. Ich fand es klasse das sie es gesagt hat. Konnte ich gut mit umgehen. Klare Worte. Dadurch das sie nicht zu Hause war in der Zeit hat sie es geschafft an mache Dinge tagelang nicht zu denken. Sie hat sich mit sich selbst beschäftigt, ihrerer Krankheit. Am WE nach Hause stand für uns gar nicht zur Diskussion, max Besuch von mir/Kinder. Ich persönlich glaube das das gar nicht so gut ist in der Phase. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Grüße Stefan
DieNeue
Beiträge: 5831
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von DieNeue »

Hallo,

ich bin Betroffene und ich muss sagen, ich finde es seltsam, dass die Klinik Patienten am Anfang der Behandlung über das Wochenende nach Hause schickt. Bei mir in der Klinik war das maximal gegen Ende des Aufenthalts.
Am Anfang macht das meiner Meinung nach auch überhaupt keinen Sinn. Man geht ja stationär, damit man auch mal aus dem Alltag weg ist, sich ganz auf die Therapie konzentrieren kann und wieder zur Ruhe und zu Kräften kommen kann. Mich würde allein schon dieses ständige Gependel zwischen Klinik und Zuhause nerven und stressen, und das auch wenn ich keine Depressionen hätte.

Ich denke, auch für die Angehörigen kann es gut sein, wenn der Betroffene länger weg ist und nicht jedes Wochenende wieder da ist. Es ist ja für euch als Angehörige auch nicht einfach und es tut mit Sicherheit auch mal gut, nicht ständig Rücksicht nehmen zu müssen, nicht die Launen des Anderen abzukriegen, nicht jeden kleinen "Rückschlag" oder Krise mitzukriegen, es nicht aushalten zu müssen, dass Erwartungen nicht erfüllt werden, nicht ständig über Probleme nachdenken zu müssen. Natürlich vermisst man den anderen. Aber ich denke so einen längeren Klinikaufenthalt können sowohl Betroffene als auch Angehörige für sich nutzen.
Ich weiß nicht, was sich diese Klinik bei der Praxis denkt, aber für mich macht das null Sinn. Als Belastungserprobung ja. Aber die macht man am Ende des Aufenthaltes, wenn es dem Patienten besser geht. Es macht keinen Sinn, das am Anfang zu machen, wenn der Patient nicht stabil ist und gerade auch erst aus dem Alltag gekommen ist, den er nicht packt.
Sowas macht man bei einem körperlich Kranken auch nicht.

Warum kommt dein Partner denn nach Hause, wenn er sich eigentlich nicht drauf freut? Wenn er nach Hause "darf", hat er doch eigentlich auch die Wahl, ob er nach Hause geht oder nicht, und könnte auch in der Klinik bleiben.

Ich glaube nicht, dass es ein Weglaufen vor der Realität ist, sondern dass es einfach stressig ist. Einmal hat man einen schönen Tag, den muss man aber auch erst verarbeiten, dann ist mal die Stimmung mies, dafür kann man aber nichts, muss aber trotzdem aushalten, dass die Angehörigen erwarten, dass es einem gut geht.
Manche Angehörigen sagen auch, sie erwarten gar nichts von ihrem Betroffenen. Das kann ich mir aber nicht vorstellen, denn allein die Aussage "Ich freue mich auf den Tag mit dir" enthält die Erwartung /den Wunsch, dass der Tag schön wird. Und man natürlich traurig ist, wenn es nicht so ist. Also muss der Depressive schauen, dass es ein schöner Tag wird und es ihm gut geht, was aber bei Depressionen eine riesen Herausforderung ist.
Meine Erfahrung ist, dass jedes Mal, sobald es mir mal etwas besser ging, die Erwartung bei allen war (auch bei mir), dass das so bleibt und man dann auf diesem Level weiter arbeiten kann.
So "funktionieren" Depressionen aber nicht. Bei Depressionen geht es oft hin und her. Mal ist es etwas besser, dann wieder schlechter.
Dass man eine Therapie macht oder dort Fortschritte macht, sich was bessert, ist super, heißt aber nicht automatisch, dass es jetzt kontinuierlich bergauf geht. Es geht langsam aufwärts, wenn man das große Ganze betrachtet. Wenn man es aber mit der Lupe betrachtet, sind da viele Tiefen und auch mehr oder weniger viele Höhen.
Wie bei einer Oberfläche von einem Gegenstand: Die kann noch so superglatt sein - wenn man sie unter dem Mikroskop ansieht, sieht sie alles andere als glatt auf.

Hoffe, ich konnte dir etwas weiterhelfen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Nutz3r
Beiträge: 7
Registriert: 19. Sep 2019, 18:30

Re: Mit Therapie des Freundes gerade völlig überfordert

Beitrag von Nutz3r »

Erik2504 hat geschrieben:Hallo,

ist es normal dass der Partner sich zu Beginn einer stationären Therapie nicht auf zu Hause freut wenn er über das Wochenende weg darf ? Alle würden an ihm zerren... ich selbst komme mir dabei ziemlich alleine und verlassen vor. Man will helfen, tut alles, freut sich auf ein paar Stunden zusammen und dann das. Gestern war ich noch bei ihm. Alles war "gut". Viel geredet, die Zeit zusammen genossen. Und heute morgen ? KLATSCH.... alles ist wieder Mist. Fühle mich schon mal wie hin und her geschubst. Komm her, geh weg. Ist das ein Weglaufen vor der Realität? Ändern sich die Gefühle dem Partner gegenüber?

Wer kann mir von seinen Erfahrungen als Angehöriger bzw als Betroffener schildern ? Bin nämlich gerade irgendwie mit allem überfordert. :-(
Hey,!

Ich kann verstehen, dass du dich abgestoßen fühlst, ich würde das auch ansprechen, dein Partner wird dir schon die Nerven beruhigen können.
Ich war/bin selbst betroffene und zu Zeit auch Angehörige.
So ein Klinikaufenthalt hat für mich zwei Seiten, du bist in einem geschützten Raum, hast Menschen um dich herum, die dich verstehen und alle sprechen gemeinsam über ihre Probleme, jeder hat Verständnis und die meiste Zeit pusht man sich gegenseitig. Wie eine Seifenblase, sobald es darum geht diese Blase zu verlassen, gibt es Leute, die dann richtig Panik bekommen, weil sie eventuell sehr schlechte Erfahrungen in ihrer Wohung haben, oder sich zu hause allen fühlen.
Ich zu meinem Teil war einfach nur erschöpft, diese Ganze Therapie und sich 24/7 damit auseinander zu setzen war wie ein Marathonlauf. Dazu noch dieser blasenartige Raum. Ich war erledigt und wollte mich am Wochende entspannen und für mich sein. Kräfte sammeln für die anstehende Woche. Das erste Wochenende musste ich natürlich in der Klinik bleiben, aber bei den anderen war es so, dass man dann auch einen 'Belastungsurlaub/Wochenende' hatte. Für manche war das ja wirklich eine durchaus heftige Überwindung. Ich bin auch bewusst einige Wochenenden in der Klinik geblieben, weil mir menschliche Interaktionen zu anstrengend waren und ich nicht in der Lage gewesen wäre zu kommunizieren.
Dafür waren die anderen Wochenden umso schöner, weil ich mich bewusst und aus ganzem Herzen für ein Treffen mit dem Freund entschieden habe, weil ich mich eben nicht dazu verpflichtet gefühlt habe.

Als Angehörige merke ich sehr, wie schwer es meinem Freund fällt überhaupt das Bett zu verlassen, da kann ich auch nicht erwarten, dass er voller Energie ist um mir noch die erhoffte Zuneigung zu zeigen. Ich weiß, dass es nicht an mir liegt, wenn er ko ist, ich weiß, dass er in guten Händen ist. Das sollte das wichtige sein. Erwartungen etwas runter schrauben und die Zweisamkeit genießen.

Spricht offen darüber, ohne Vorwürfe oder sonstiges. Immerhin liebt ihr euch und wollt das beste füreinander.

Ich hoffe ich konnte dir einigermaßen helfen.

Liebe Grüße
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