Wie Verbundenheit herstellen

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FaceOff
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Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Hallo an alle hier :-)

lange hab ich selbst nichts mehr geschrieben, lese aber seit vielen Jahren hier regelmäßig mit. Dieses Forum ist für mich ein wahrer Segen, hat mir schon so oft Trost und Zuversicht gespendet oder eine andere Perspektive aufgezeigt. War früher hier unter dem Namen Carla1977 unterwegs, seit der Umstellung des Forums bin ich als Faceoff angemeldet.

Ich hatte 2012 eine schwere suizidale Krise, war 4 Monate in einer Klinik und 1,5 Jahre lang krankgeschrieben. Ursache der Krise war eine Art „Erwachen“, viele Dinge aus meiner Kindheit (emotionaler Missbrauch durch die Eltern, Maske tragen, immer nur die Bedürfnisse der anderen erfüllen, mich selbst verloren haben, Anerkennung nur durch Leistung....) wurden mir bewusst und der Verlust einer Bezugsperson (aus dem beruflichen Umfeld) zeigte mir, wie emotional haltlos, unselbstständig und emotional abhängig ich von anderen Menschen war. Eine echte, längerfristige Beziehung oder Gründung eigener Familie ist mir aufgrund meiner Vorgeschichte nicht möglich gewesen.

Es folgten 7 Jahre, in denen ich mir ganz langsam ein eigenständiges Leben aufbaute: erstmal meine Wohnung schön einrichtete (war bis dahin sehr karg und funktional) und dann auch beruflich wieder Fuss fasste. Inzwischen bin ich (schon seit mehreren Jahren) wieder Vollzeit beschäftigt, die Arbeit macht mir Spaß und ich komme auch gut klar. Es fühlt sich so an, als hätte ich die letzten 7 Jahre wichtige Entwicklungsschritte „nachgeholt“, v.a. in Bezug auf Selbständigkeit und selbstbestimmtes Leben.

Die Beziehung zu meinen Eltern habe ich in den vergangenen Jahren auch ausgiebig bearbeitet und neu definiert. Habe mich distanziert, ohne die Beziehung komplett abzubrechen oder Vorwürfe zu machen. Was passiert ist, ist passiert. Es ist vorbei und ich konnte vergeben (wichtig für mich). Eine gute Eltern-Tochter-Beziehung wird/kann es trotzdem nie geben, weil meine Eltern sich nicht ändern werden, es nicht können. Es gibt weiterhin viele Erwartungen an mich (teilweise auch Vorwürfe bzgl. der Abgrenzung), die ich nicht mehr erfüllen kann/will. Ich bin nicht die Mutter/Retter, etc. meiner Eltern (so fühlte es sich oft an)...

Nun zum eigentlichen Thema: auch wenn es mir in den letzten Jahren recht gut ging (hab noch sporadisch Therapie gemacht, keine Medis) mit kleineren Schwankungen zwar, aber nichts dramatisches, war es mir nicht möglich, eine engere Beziehung (weder Partnerschaft noch Freundschaft) aufzubauen. Vielleicht war es auch nicht dran, ich hatte ja auch sehr viel mit mir selbst zu tun und aufzuarbeiten. Musste erstmal mich selbst finden, mich von meinen Eltern lösen, ganz alleine klarkommen, mich beruflich wieder etablieren,...

Inzwischen bin ich nun aber 42 Jahre alt und im Moment spüre ich wieder viel Traurigkeit, ganz alleine durch‘s Leben gehen zu müssen. Auch im Hinblick auf „alleine alt werden“. Soziale Kontakte gibt es schon (alleine durch die Arbeit: Kollegen, etc; aber auch Nachbarn und lose Bekannte), aber immer mehr vermisse ich eine Bezugsperson (Partner oder auch Freundin), mit der ich offen „ich“ sein kann, mich nicht verstellen muss (kann ich nicht mehr) und so sein darf, wie ich bin. Genauso wie der andere es darf. Dadurch entsteht für mich ein Gefühl von echter Verbundenheit, „gesehen werden“ und Nähe. Es geht auch um Dinge wie: Umarmungen, Körperkontakt, Küssen, Sex,....was ich allerdings nur bei einem Gefühl von Stimmigkeit und Verbundenheit wirklich kann, sonst wehrt sich mein Körper dagegen...

Ich weiß nicht...ich bin stolz auf mich...ich habe viel erreicht, bin aus einem tiefen (fast zu tiefen) Loch (2012) wieder rausgekrochen. Hab mir ein eigenes Leben aufgebaut, bin ich selbst geworden...All das fühlt sich gut an, aber mir wird im Moment auch ganz klar, wie sehr ich die Menschen mag und wie sehr ich mir eine Verbundenheit mit einem davon (geht nicht speziell um Männer/Partner) oder gerne auch mehreren :-) wünsche....

Ach ja, zum rein praktischen Vorgehen: es ist schon so, dass ich nach der Arbeit oft müde bin und mich dann lieber auf Bett/Sofa lege als „um die Häuser zu ziehen“ (ist auch nicht so mein Ding). Am Wochenende bin ich aber schon meistens unterwegs (Theater, Lesung, etc)..

Sorry, ist sehr lang geworden. Hat gut getan, das zu schreiben. Vielleicht hat irgendjemand Ideen dazu ? Oder kann Teile meines Erlebens nachempfinden? Bin offen für alles, auch Kritik, etc. Ich habe das Gefühl, noch zu viele eigene blinde Flecken in diesem Bereich zu haben...

Danke für‘s Lesen und herzliche Grüße an alle
Carla1977
Aida1
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Aida1 »

Hallo Carla
Lass mal überlegen...
Verbundenheit durch gemeinsame Hobby's, Interessen,in Gruppen,Vereinen,Kreisen...
Neue Dinge machen, neue Leute kennenlernen...evtl. auch online, Tageszeitung, Kurse...
fällt mir so ein. Ein bisschen Glück gehört auch dazu.
Finde deinen Weg gut.
HG
Man muss sich selber lieben lernen - also lehre ich - , mit einer heilen und gesunden Liebe:
dass man es bei sich selber aushalte und nicht umherschweife. -Friedrich Nietzsche-
FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Liebe Bittermandel, liebe Aida1 :-)

ich danke Euch sehr für Euere Antworten. Durch Eueren Zuspruch (und die positive Rückmeldung, liebe Bittermandel :-)) habt Ihr mir wieder ein bisschen Mut gemacht. Vermutlich ist es so, wie jemand (ich glaube, Bittchen) in einem anderen Thread geschrieben hat: weitermachen und aktiv bleiben....und Geduld haben...und Glück...gerade bei Beziehungen lässt sich eben nichts erzwingen...

Liebe Bittermandel, mit dem Rausgehen am Wochenende ist es halt so, dass ich das ja immer alleine mache: z.B. Essen gehen im Restaurant, in‘s Café gehen, in‘s Theater/Show/Lesung, in‘s Fitness-Studio und diesen Sommer bin ich auch das erste Mal alleine in den Urlaub geflogen (hab mich endlich stabil genug dafür gefühlt und wollte es auch nicht weiter davon abhängig machen, eine passende Begleitung zu haben). Es ergibt sich zwar oft ein kleiner Small Talk mit jemandem, mehr aber auch nicht...

Schade, dass nicht noch mehr Antworten gekommen sind.... Ich hatte gehofft, dass vielleicht auch andere das „Problem“ kennen, eigene Erfahrungen dazu haben und es vielleicht sogar erfolgreich lösen konnten....Ich hoffe, ich habe niemanden irgendwie getriggert, mit dem, was ich geschrieben habe....

Ein schönes (Rest-)Wochenende noch für alle und liebe Grüße von Carla
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FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Ich danke Dir sehr, liebe Bittermandel :-)
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Aurelia Belinda
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo Carla,

Willkommen hier in der Runde!!
Deine Mutter-Tochter Beziehung ähnelt etwas meiner eigenen Geschichte.
Auch ich habe durch das Verzeihen für mich damit abgeschlossen.
Das Verhältnis ist aktuell nicht gut zu meine Mutter, wir gehen uns aus dem Weg obwohl wir im selben Haus wohnen.
Aber Abstand ist eh das Beste für beide Seiten....jedes Aufeinandertreffen löst nur Konflikte aus, Vorwürfe an mich und und. Vor meiner Therapie könnte ich schlecht damit umgehen, hinterher dafür um so besser, das war ein Lernprozess.
Ich lasse diese Verletzungen nicht mehr an mich ran. Vermeide Familienfeste und versuche mich auf MEIN LEBEN zu fokussieren. Das ist der optimal Weg für mich.

Du hast dir ja auch ein eigenes Leben aufgebaut, hast den Absprung geschafft, gratuliere dir.
Bemerkenswert wie du deine sehr schwere Krise 2012 überwinden könntest, und wo du heute stehst.

Zum Thema Verbundenheit, hast du mal über eine Selbsthilfegruppe nachgedacht?

Alles Gute, bleib weiter stabil.
Es grüßt Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Majasa
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Majasa »

Hallo liebe Carla,

Ich sehne mich auch nach Verbundenheit und finde Sie nicht wirklich. So eine beste Freundin wäre mein Traum. Ich überbrücke mit dem Aufbau von Bekanntschaften und hoffe auf mehr
Aida1
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Aida1 »

Hallo allerseits
Liebe Carla,
du schreibst:
n hat: weitermachen und aktiv bleiben....und Geduld haben...und Glück...gerade bei Beziehungen lässt sich eben nichts erzwingen...

Genauso sehe ich es auch. Verbundenheit-von Verbindungen..
Ich gucke auch z.B. bei der VHS. Die haben ein breites Angebot. Dann gibt es hier eine kostenlose Theatergruppe. Vielleicht findest du bei dir dort Anschluss?
Bei einer vollen Stelle bleibt ja eigentlich nur das WE aber vlt. kannst du einen Abend in der Woche einplanen?
LG
Zuletzt geändert von Aida1 am 27. Okt 2019, 02:30, insgesamt 1-mal geändert.
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FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Liebe Aurelia,

einen herzlichen Dank auch an Dich, dass Du mir geschrieben hast :-) Und einen Teil Deiner eigenen Geschichte (Mutter-Tochter-Beziehung) mit mir geteilt hast. Durch so einen ehrlichen, offenen Austausch entsteht für mich auch Verbundenheit und ich fühle mich mit meinem Leben nicht mehr so „lost“....

Oft tappe ich auch noch in die „Idealisierungsfalle“ und denke, bei allen anderen (z.B. Kollegen, die alle in Beziehungen leben) läuft alles gut. Oft ist das wahrscheinlich auch so, sicher aber nicht bei allen, und selbst wenn, hilft es mir nicht weiter, schadet mir auch nicht und geht mich auch nichts an. Vergleiche helfen nicht weiter. Wenn aber mal jemand ehrlich erzählt, was bei ihm nicht gut läuft (wie es hier im Forum ja die meisten tun), entsteht für mich auch Verbundenheit, weil es doch immer Parallelen in den Lebensgeschichten gibt. Insofern werde ich auf jeden Fall über Deinen Vorschlag mit der SHG nachdenken....(bin 2012 nach der Klinik in einer gewesen, aber es hat dann einfach irgendwie nicht mehr gepasst...)

Ich hatte 2012 in der Klinik sehr geduldige Therapeuten, mit denen ich zusammen erarbeiten konnte, was in meiner Familie „schiefgelaufen“ ist. Meine Eltern konnten mich einfach nicht „sehen“, sie waren selbst in emotionaler Not und haben versucht, sich über ihre Kinder (bzw. über mich, meine jüngere Schwester blieb dadurch weitgehend „verschont“) zu stabilisieren. In unserer Familie wurde seit Generationen das Muster gelebt: „Kinder haben sich um ihre Eltern zu kümmern (auch als Unterhalter, „seelischer Mülleimer“ und Selbstwertstabilisator durch das Erbringen außergewöhnlicher Leistungen, durch die sie vor anderen glänzen konnten) und nicht: „Eltern haben sich um ihre Kinder zu kümmern.“ :-(

Dadurch war ich von Anfang an überhäuft mit einer Flut an Erwartungen und Vorwürfen, denen ich schließlich (als Kind) gerecht werden wollte, um mein Leben zu retten und ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit und „Liebe“ zu bekommen. Nur leider habe ich mich dadurch selbst verlassen, meine Bedürfnisse verleugnet und meine psychische Gesundheit „geopfert“. Dies alles hab ich 2012 mit Hilfe der Therapeuten erkannt. Anfangs war ich voller Wut, hab getobt, bin ausgerastet, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel und ich den Missbrauch erkannte. Dann gab es nur noch Schmerz und die traurige Erkenntnis, keine fürsorgliche, wohlwollende Familie, keine Eltern zu haben.

Die folgenden Jahre waren, wie schon geschrieben, wichtig für mich, um mich selbst zu finden, zu nähren und zu umsorgen. Natürlich gibt es immer wieder Schmerz und Tränen bei dem Gedanken, keine Familie zu haben, insgesamt konnte ich das aber mit der Zeit akzeptieren und integrieren. Bin ja nun auch erwachen und von meinen Eltern nicht mehr abhängig. Auch wenn ich in Gesprächen mit ihnen immer noch die alten Muster spüre, wie sie nach mir greifen wollen, mich unter Druck setzen und „emotional erpressen“ wollen ohne sich wirklich dafür zu interessieren, wie es mir geht.

Diese Erfahrungen haben mich mit Sicherheit in meinem „defizitären“ Beziehungs-Verhalten geprägt. Dennoch kann ich nicht glauben, dass es da nicht einen Weg raus gibt, dass ich es nicht trotz allem schaffen kann, eine ehrliche, liebevolle Beziehung zu jemandem aufzubauen. Direkt nach der Krise hätte ich dem anderen nichts zu geben gehabt (weil ich eben selbst nichts bekommen habe und sehr bedürftig war), inzwischen sieht das aber anders aus....ich habe eigene Ressourcen entdeckt und bin bereit, diese zu teilen...

Ja, ist wieder ziemlich lang geworden, aber es tut mir im Moment wieder so gut, hier zu schreiben....

Sonnige Grüße und einen angenehmen Sonntag für Dich und Deinen Mann, liebe Aurelia
von Carla
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Liebe Majasa,

danke, dass Du mir geschrieben hast, dass Du bzgl. der Verbundenheit ähnlich empfindest. Ich fühle mich dadurch soo verstanden und gesehen.

Ich würde Dich gerne virtuell umarmen, aber ich möchte auch nicht übergriffig sein.

Lass uns weitermachen und aktiv bleiben. Alles kann noch gut werden, ich glaube ganz fest daran...

Herzliche Grüße:-)
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FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Liebe Aida1,

vielen Dank für Deine Vorschläge. Ich denke schon auch, dass ich aktiver werden muss, wenn ich (in Beziehungshinsicht) etwas erreichen möchte...

In den letzten Jahren war die „Ich-Zeit“ für mich so wichtig und ich habe es förmlich genossen, nach einem langen Arbeitstag (oder auch am Wochenende) Zeit für mich selbst zu haben, mich zu erholen, entspannen, pflegen, nur um meine Bedürfnisse kümmern. Das war ok und stimmig für mich...

Irgendwie ist das in den letzten Wochen gekippt (auch im Hinblick auf älter werden). Es passt so nicht mehr...also muss ich selbst etwas verändern...

Ein nächster wichtiger Schritt wird die diesjährige Weihnachts-/Silvester-Planung sein. Die letzten 7 Jahre hab ich die Feiertage allein verbracht, teilweise auch gearbeitet. Mit meiner Familie hab ich jeweils kurz telefoniert, ein paar Freundinnen aus dem „alten Leben“ haben ein paar Päckchen geschickt, aber mehr hat sich nicht ergeben.

Damit soll dieses Jahr Schluss sein. Ich will die Feiertage dieses Jahr anders gestalten. Für Silvester gibt es ein kleines Retreat in einem buddhistischen Zentrum hier, an Weihnachten könnte ich evtl. bei der Versorgung von Obdachlosen helfen...mal sehen..

Falls Ihr dazu evtl. noch Ideen oder Vorschläge habt, würde ich mich freuen.

Viel Kraft und Mut für uns alle
Mit herzlichen Grüßen von Carla
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Peter1
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Peter1 »

Hallo Carla
Du schreibst, das Eltern hätten sich um ihre Kinder zu kümmern. Das hättest du mal meinem Vater sagen sollen. Schon sehr früh glaubte er zu erkennen, das er mit seinem Sohn nicht glänzen konnte. Ich war nicht der Sohn, den er sich erwartet hatte, mutig, stark, so wie man sich damals einen Jungen vorstellte. Bekommen hat er einen sensiblen, emotionalen Sohn, der in den ersten Jahren öfter krank war. Für ihn existierte ich einfach nicht, und wenn er mich doch mal ansprach, dann mit Schimpfworten, die ich hier nicht unbedingt wiedergeben will, oder mit seiner Faust.
Meine Mutter versuchte zwar mir seine Liebe zu ersetzen, aber sie war depressiv, und zu schwach, um sich gegen ihn durchzusetzen.
Das Alles ist jetzt schon viele Jahre her, und seitdem bin ich depressiv. Es kamen im Laufe der Jahre noch einige Traumata hinzu,die mich am Schluss in eine psychiatrische Klinik brachten. Nach drei Monaten wurde ich entlassen, und mache seit dem eine ambulante Therapie, die mir sehr gut hilft. Aber das Wichtigste bei meinen Fortschritten ist eine Schulfreundin aus der zweiten Klasse. Wir wohnen seit gut einem Jahr zusammen. Bei ihr kann ich auch meinen „seelischen Müll“ abladen, denn sie versteht mich.
Um meines Vaters Sicht von mir zu widerlegen, habe ich zuerst einen Gesellen- und später einen Meisterbrief gemacht, sogar mit Auszeichnung. Also haben Eltern doch nicht immer recht.

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Lieber Peter,

auch Dir vielen Dank für Deinen Beitrag :-) Ich habe Deine Geschichte ein bisschen verfolgt in den letzten Monaten und finde es großartig, wie Du es aus einem ebenfalls richtig tiefen Loch wieder herausgeschafft hast.

Es gibt durchaus auch Parallelen in unserer Geschichte, auch wenn manches bei mir dann doch anders war: verbale oder körperliche Gewalt habe ich nicht erlebt, einfach „nur“ ein völliges Desinteresse an mir. Nur wenn ich mit meinen Zeugnissen vor den Augen meiner Eltern gewedelt habe, wurde ich wahrgenommen und mit Geld dafür bezahlt. Dann konnten meine Eltern vor ihren Freunden mit meinen Leistungen glänzen und eigene Selbstwertdefizite kompensieren.

Ansonsten war mein Vater gefangen in einer emotionalen Abhängigkeit zu wiederum seiner Mutter (meiner Oma), die ebenfalls Forderungen und Erwartungen an ihn stellte. Die Beziehung zu meiner Mutter war dadurch sehr konfliktbeladen bzw. auch dadurch, dass meine Mutter wiederum extrem eng an ihre Mutter (bis zu deren Tod) gebunden war. Nach dem Tod ihrer Mutter (meiner zweiten Oma) war sie nur unterwegs zum Feiern und um sich mit möglichst vielen Freundinnen zu umgeben (auch zur Selbstwertstabilisierung). Ich hab von meiner Mutter nicht viel mitbekommen. Hab halt im Haus meiner Eltern und mit dem Essen/Geld, etc. meiner Eltern „überlebt“.

Aber das alles ist vorbei (bei Dir und bei mir). Wir können die Vergangenheit ja auch nicht mehr ändern. Jetzt heißt es, das beste aus allem zu machen - und das will ich auch. Du hast mal geschrieben, wie wichtig es ist, sich Hilfe zu holen und diese auch anzunehmen. Genauso sehe ich es auch.

Einen Partner oder engere Freunde habe ich ja nicht. Ich habe aber (v.a. 2012) intensive Hilfe von verschiedenen Therapeuten und auch von Mitpatienten erhalten (zu denen sich der Kontakt nach Ende des Klinikaufenthalts leider nach und nach verloren hat). Alleine wäre es nicht gegangen...und muss es ja auch nicht. Ich habe im Moment auch wieder eine engere Anbindung an meine Therapeutin und letzte Woche sagte sie u.a.: „Es gibt immer Hilfe.“ Da habe ich geweint vor Rührung und Schmerz (endlich sieht mich jemand...).

Auch Deine Geschichte mit Barbara macht mir viel Mut und zeigt mir, was, völlig unabhängig von Alter oder anderen Faktoren, jederzeit im Leben möglich ist. Nur erzwingen kann man es eben nicht....

Alles Gute weiterhin für Dich und Deine Familie
von Carla
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Majasa
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Majasa »

Guten Abend,

Du darfst. Virtuell und überhaupt!
Ich bin immer froh, in Kontakt zu sein. Körperlich musste ich das erstmal nach der letzten Episode wieder zulassen üben. Und idealisieren kann ich auch gut, noch besser katastrophisieren.

Schönen Abend aus NRW
Peter1
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Peter1 »

Hallo Carla
Hier mal einige Zeilen zur Ehrenrettung unserer Eltern. Sie haben die Fehler sicherlich nicht mit Absicht gemacht. Sie waren selbst Gefangene ihrer Erziehung. Bei ihnen haben die Eltern befohlen, und die Kinder hatten zu gehorchen. Selbst denken durften sie als Kinder kaum. Im Gegensatz dazu werden heutige Kinder zum selbstständigen denken und handeln erzogen. So können sie besser als wir früher ihre eigenen Vorstellungen vom Leben umsetzen.
Meine Oma sagte immer, Kindererziehung sei ganz einfach. Man müsse den „Kleinen“ einfach nur vormachen, wie es geht. Wenn natürlich der Papa die Mama schlägt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, das der Sohn dies später auch tun wird. Die Tochter einer unterwürfigen Mutter wird wohl nie eine kämpferische Emanze werden.
Wie oben schon beschrieben, sollten intelligente Eltern ihre Kinder so erziehen, das sie später ein selbstbestimmtes Leben, nach ihren eigenen Vorstellungen führen können.

Alles Gute und Schöne Peter
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FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Lieber Peter,

ich sehe das schon auch so wie Du :-)

Aber 2012 war es eben soweit, dass ich vom Dach springen wollte und 4 Monate lang in der Klinik war, und da war es für mich schon wichtig, zu ergründen, wie es denn um Gottes Willen so weit kommen konnte. Ganz einfach, um mein Leben zu retten...

Und nun stehe ich halt vor dem „Beziehungsproblem“, ich weiß wirklich nicht, wieso es mir einfach nicht gelingt, eine (oder auch mehrere) echte, liebevolle, nährende Beziehungen aufzubauen. Und auch da ist es für mich wichtig zu verstehen, wie ich ticke und warum. Um dann ggf. auch eine bewusste Änderung im Denken und Handeln (mit entsprechend besseren Ergebnissen :-)) vornehmen zu können.

Ohne die Lebensleistung „unserer“ Eltern in Frage zu stellen. Sie haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicher ihr bestes gegeben (und hatten selbst genug Probleme). Und v.a. ohne nachkarten zu wollen...

Aber jetzt geht es um mich....

Liebe Grüße von Carla
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Aida1
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Aida1 »

Hallo Carla,
Ich habe mal in deinem alten Beziehungsthema gelesen. Ist ja schon eine Weile her, aber die Problematik scheint sich nicht geändert zu haben?!
Ich weiß nicht, bin iritiert. Das was du schreibst liest sich so absolut an, als ob du gar nicht bereit wärst dir die jenigen mal anzuschauen.
Ich meine, klar soll da Sympathie sein, aber meinst du, du weißt von einmal sehen wie jemand tatsächlich ist? Sollte eine Verbundenheit nicht wachsen?
Nur mal so als Idee...
LG
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FaceOff
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von FaceOff »

Liebe Aida1,

ich danke Dir sehr für Deine Rückmeldung.

hab jetzt gerade selbst nochmal in meinem „Beziehungsthema“ von 2016 nachgelesen ;-) und Du hast recht: vieles klingt ähnlich, auch wenn ich, als „Autorin“ doch erkennen kann, welche Entwicklungsschritte ich seitdem noch gegangen bin....

Nur...beim Beziehungsthema so richtig weitergekommen bin ich tatsächlich nicht...Vielleicht waren die letzten 7 Jahre einfach auch andere Dinge dran. Erst vor ein paar Wochen (eben durch das älter werden) habe ich mich überhaupt wieder so richtig damit beschäftigt. Ich hab über lange Zeit hinweg einfach meine Freiheit und mich selbst genossen. Seit kurzem spüre ich aber doch verstärkt Traurigkeit bei dem Gedanken, wirklich gar keine engeren Beziehungen leben zu können. Deshalb hab ich jetzt auch wieder engeren Kontakt zu meiner Therapeutin (um eben eigene Blockaden, verhindernde Muster, Schutzmechanismen, etc. erkennen zu können). Und hab auch hier mal wieder geschrieben, damit Ihr evtl. mal mit draufschauen könnt :-)

Deine Anmerkungen sind auf jeden Fall konstruktiv und hilfreich. Danke für Deine Ehrlichkeit. Es hat in mir kurz wehgetan - das ist ein gutes Zeichen, Du hast irgendetwas getroffen, womit ich weiterarbeiten kann (v.a. das Vermeiden vorschneller Einschätzung eines Menschen als FÜR MICH nicht passend und das Akzeptieren, dass Verbundenheit wächst und ich auch mit evtl. Verletzungen und negativen Erfahrungen werde umgehen müssen...)

Ich will und werde mich da jetzt mehr darauf einlassen (will nicht in 3 Jahren dann zum dritten Mal den „gleichen“ Thread eröffnen ;-))

Mal sehen, wie alles weitergeht...

Danke und gute Nacht an Dich (und an alle)
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Aida1
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Aida1 »

Liebe Carla,
Ich schreibe nur was ich so sehe.
Ganz im Gegeteil. Ich finde du hast einen großartigen Weg hingelegt in dieser Zeit. Ich denke Beziehungen werden erst durch Pflege gut. Wenn sie aber unpassend sind können sie auch wieder gelöst werden.
Kürzlich ist mir ein Zitat begegnet:
>Den Dingen, die sie am wenigsten hören wollen, sollten sie besonders aufmerksam zuhören.<
Und zum Thema 2. Thread: Du warst eben noch nicht fertig (kann man das überhaupt?) :O)
Hoffe du bleibst noch etwas.
LG
Zuletzt geändert von Aida1 am 27. Okt 2019, 02:34, insgesamt 2-mal geändert.
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Nutz3r
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Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Nutz3r »

Liebe Carla,

ich kann mich mich sehr gut mit deiner angegebenen Vergangenheit identifizieren, oder mich wieder finden. Ich bin zwar erst auf dem Weg mich richtig lösen zu können und selbstständig zu werden. Du machst mir aber wirklich Mut und Hoffnung, dass ich das auch schaffen werde!
Vielen lieben Dank dafür.

Zur Verbundenheit kann ich dir was erzählen, wo ich dir eventuell weiterhelfen kann, oder Anregungen geben kann.

Ich kann dich absolut verstehen, dass du dich nach all diesen Dingen sehnst, nach Verbundenheit.

Was ist Verbundenheit denn wirklich? Nicht auf der Oberfläche, sondern, das was in dir passiert?
Ich habe lange Zeit darüber nachgedacht und versucht zu reflektieren, was ich da eigentlich möchte, wonach sich mein Körper(Psyche mit eingeschlossen) sehnt und warum?
Verbundenheit habe ich mir immer wie ein Knistern im Kopf vorgestellt, die von meinem zum anderen Kopf übergeht und man zusammen eine wunderbare Reaktion ist. Ein Zusammenspiel aus zwei oder mehr Menschen, die auf einer Wellenlänge sind. jemand der einem das Gefühl gibt gewollt zu sein, jemand der einem so akzeptiert, wie man ist und sich genauso akzeptiert fühlt. Beim Kakaotrinken, beim Shoppen, Filme schauen, beim Sex oder Kuscheln.
Hatte ich dieses beschriebene Gefühl bekommen?
Nein, nicht in der Form, wie ich es mir erdacht hatte.

Bevor man zum Ziel, zum Verbundensein hinkommt, sollte man den Weg dahin nicht als Last oder als Pflicht ansehen. Sondern als das eigentliche Ziel. Der Weg bei mir war und ist es immernoch, dass ich bei Menschen mein Ich zeige. Ich zeige meine Gefühle, meine Macken und mein Stärken.
Ich höre dem Menschen zu, sage aber auch ehrlich, wenn ich nervös bin oder gerade nicht in der Lage bin zuzuhören.
Es geht darum authentisch zu sein, echt zu sein.

Diese Menschen, mit denen man sich verbunden fühlen kann, sind eben nicht deine Eltern oder Verwandte, die dich von klein auf verurteilt haben. Sie(naja die meisten) sehen dich als Menschen und wenn du dich ein klein wenig öffnest, dann gibst du diesen Menschen eine Chance auch sich selbst öffnen zu können und authentisch zu sein. Sowas muss man lernen, du hast gelernt dich zu finden, zu akzeptieren, aber dich nicht wirklich zu zeigen. (So kommt es mir vor, ich kann verstehen, woher das kommen kann. Man zeigt ungern in der kaputten Familie seine Schwächen, seine Wünsche, sein Lachen und vieles mehr..sowas wird auf den Rest der Welt projiziert)

Mein Vorschlag, oder Übung von mir für dich Wäre:

Klein anfangen und sich über die banalen Dinge des Lebens freuen, selbst wenn deine Brotdose dieselbe Farbe der Brotdose deiner Arbeitskollegin hat. Tuh es eben mit dem Herzen. Schau bei dir im Umfeld, worüber du dich gemeinsam, ehrlich über etwas freuen kannst.

Es gibt so viele Menschen auf dieser Erde, die einen werden dich zu lieben und ein Teil deines Lebens sein wollen. Nichts ist festgeschrieben, nichts muss, alles kann.

Liebe Grüße
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Wie Verbundenheit herstellen

Beitrag von Bittchen »

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Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
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